Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1856
- Erscheinungsdatum
- 1856-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185607101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18560710
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18560710
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1856
- Monat1856-07
- Tag1856-07-10
- Monat1856-07
- Jahr1856
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.07.1856
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Anzeiger. ^ 192 Dounertztqg dm II». Juli. 18S«. Die neuen Geldinstitute Ln Deutschland*) Kaum bietet der geschloffene Frieden unsrer Industrie die Aus sicht auf einige Jahre gewinnbringender Thätigkeit, so schießen in allen Theilm Deutschlands Unternehmungen in die Höhe, welche, wie verschieden ihre Geschäfte sein mögen, doch in der Mehrzahl einige charakteristische Kennzeichen des modernen Lebens haben. Sie entstehen durch Aktiengesellschaften, sie zeigen in ihren Statuten und in dem Umfang ihrer Anlage fast sämmtlich das kecke Selbst gefühl und den energischen Schwung einer Nation von jugendlichem Unternehmungsgeist, sie sind endlich leider zum großen Theil aus der Sucht der-ersten Unternebmer erwachsen, schnell ohne ange strengte und productive Thatigkeit reich zu werdm. Und noch ist charakteristisch, daß wieder Vorbild und große Anregung zu diesen neuen Associationen bei unfern Nachbarn jenseit des Rheins zu finden ist. Die bergmännischen Spekulationen der belgischen vieilie mont«ßv« in Schlesien haben wesentlich dazu beigetragen, im Berg- und Hüttendau auch bei unSsehr umfangreiche, ja gewagte Actim- unternehmunzen hervorzuruftn, und die Operationen des pariser Credtt Nrotzilier- welcher schrittweise vom Rhein her seit Gründung der darmstädter Bank sich in Deutschland festzusetzen versuchte, haben ebenso die Sucht «ach Aktienbanken und die Gründung von Gesellschaften zu Geldoperationm jeder Art befördert. In der That ist daS Bild, welches unsre Industrie bei dieser neuen plötzlichen Sammlung der Geldkräfte gewährt, ein imponirendes, und es ist durchaus nicht zu verkennen, im Ganzen Zeichen eines großen na tionalen Fortschrittes. Wenn schon die letzten dreißig Jahre uns eine schnelle Steigerung der praktischen Thatkraft, des Erwerbes, des Wohlstand*- und des Tagelohns gebracht haben, so wird doch alles, was bisher geschehen, in auffallender Weise übertroffen durch das Neue, welches jetzt zu werdm anfängt, z. B. die Entwicklung der Kohlen- uNd Eisenindustrie in Westphalen, Sachsen und Schlesien, die Vereine zum Bau von Eisenbahnen und Fabriken. Fast jede Branche der Industrie zeigt einm erhöhten Schwung, eine Richtung ins Weite, Große. Die leidenschaftlichste Betriebsamkeit aber offenbart die Speku lation bei Anlage von großen Geldinstituten, sowohl Banken als solchen Actiengesellschaften, denm der französische Name Eredit mo biler auch in Deutschland zu bleiben scheint. Während die ersteren bei dm verschiedensten Statuten doch sämmtlich den Zweck haben, einm schneller« und bequemem Umlauf der Geldwerthe zu vermitteln, Capitalim für di« industriellen Unternehmungen anderer flüssig zu machen, und durch ihre Zettel die beweglichen Werthzeichen zu vermehren, find die Credtts ihrem Wesen nach große Firmen, welche jede Art voN kauftnäcknischen und industriellen Geschäften für eigne Rechnung unternehmen , und sich von großen Handelshäusem zu nächst dadurch unterscheide», daß die Capitalim, mit denm sie arbeiten/durch hundert Hände zusamMengeschoffen sind und sich nach Millionen berechnen, und daß die Verwaltung derselben von Persönlichkeiten Helelttt ist, welche den Aktionären gegenüber als Beamte betrachtet werden dürfen. Eine Vereinigung vieler Capktalisten zu einer großen Firma ist allerdings keine Erscheinung, welche deM modernen Leben aus schließlich anachört. Ja, sie ist eine alte germanische Gewohnheit, welche sich einst am großartigsten bei de» Stämmm am Meer entwickelte. Dmn immer hät die See, die einsame, und der Drang nach der blauen Ferne, welche hinter ihr liegt- die anwohnenden — - » ^ / !. , . « I'. , *) Aus den Grenzboten Jahrg. XV. Nr 28. S. 55 ,c. Menschen nicht nur thatenlustig gemacht, sondern auch zum mgern Anschluß aneinander getrieben. Schon bei den Geldleutm der Hansa war der enge Zusammenschluß Einzelner zu einer kaufmännischen Gesellschaft ein sehr fester, der das ganze Leben der Gesellschasts- genossen durch Gesetze regelte und zum Nutzen der Gesellschaft be« schränkte. Unter den zahllosen Associationen der Engländer im 17. und 18. Jahrhundert hat die ostindische Compagnie, unter dmen der Holländer die große Matschappy weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen. Aber fast alle diese Unternehmungen unterscheiden sich von den jetzt entstehenden dadurch, daß sie aus dem weiten Kreise der möglichen Spekulationen einzelne genau formulirte an die Spitze ihrer Statuten stellten, so den indischen Handel, den WalfischfaUg, die Pelzwaaren des Norden- u.s.w. Die neuen Creditgesellschasten aber beanspruchen faktisch, trotz der menschenfreundlichen Bescheiden heit, mit welcher sie bisweilen austretm, für ihre kaufmännischen Geschäfte ein unbegrenztes Terrain. Sie mögen mit Geld speculirm, wie große Bankiers, mögen Eisenbahnen bäum oder kaufen, Grubm- und Hüttenwerke errichten, Spinnereim anlegm, Canäle graben, Landgüter erwerben, mögen Kauffarteiflotten ausrüsten, mit ftemden Regierungen kaufmännische Verträge abschtleßm, Länder colonisirm, sie haben kaum eine andere Schranke, als die Gesetze ihrer Staates, die Besonnmheit ihrer Leiter und die Größe deü Vertrauens, welches sie sich erwerbm. Bei einem so ungeheuer« Felde der Thätkgkeit und bei der Schwungkraft, welche durch die Größe des gezeichneten Capital- hervoraebracht wird, ist es klar, daß diese Gesellschaften einm mäch tigen Einfluß auf die gesammte Entwicklung der Nation ausübm können. Ja, sie haben mehre Eigenschaften, welche man in der Industrie revolutionär nennen darf. Schon ihr Austretm ist ein plötzliches Zusammenballen der Capitalim aus vielen hundert Händen, ihre Operationen mögen einzelnen Zweigen der Industrie und des Handels eine radikale Umgestaltung und ein schnelle- Aufblühen, vielen Einzelnen gefährliche Verluste beibrkngen. Sie erhalten ferner eine Wichtigkeit selbst den Negierungen gegmüber, und treten zu der bisherigen Ordnung der meisten deutschen Staaten in mehrfache verhängnisvolle Beziehung. Dies Letztere zunächst dadurch, daß die Regierungen die Gesellschaften als Hilfe benutzen für ihre eignen Geldoperationm und für die Entwicklung nationaler Industrien. Bald aber könnm diese Privatgesellschaften bei irgend einer politischen Eventualität ihren Einfluß auch im Interesse eines Staates zum Schaden eines andern anwmden. Ja, eine Ver einigung aller dieser Gesellschaften oder auch nur mehrer kann in der Zukunft eine Macht bilden, gegm welche auch eine starke Regierung machtlos wird. Und gegen deren Operationen dem Staat keine andere Hilfe bleibt, als die Gründung und Begünstigung anderer Gesellschaften, welche sich verstehen in seinem Interesse zu arbeiten. Bei solchem Kampfe wird die innere Kraft des Staates, d. h. die Beschaffenheit des Vermögens und der praktischen In telligenz, welche er beherrschen kann, auch in der politischen Sphäre eine neue Wichtigkeit erhaltm. Jedenfalls erwächst durch die Ge sellschaften eine von dm Tendenzen des gegenwärtigen Regiments ziemlich unabhängige Gewalt, mit welcher zu unterhandeln und sich gut m stellen zuletzt sogar ein Lebensintereffe einzelner Regie rungen sein kann. - - , / Revolutionär aber sind ferner diese Gesellschaften auch deshalb, weil in die Intelligenz und da- Gewissen ihrer Leiter das irdische Wahl von tausend, ja Millionen Menschen gelegt wird. Sie könnm über ihr Volk Segen bringen oder Fluch; und für beide Wirkungen, sowohl die fordernde, als die verderbliche, bietet die
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite