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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1856
- Erscheinungsdatum
- 1856-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185610206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18561020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18561020
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1856
- Monat1856-10
- Tag1856-10-20
- Monat1856-10
- Jahr1856
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1856
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4778 befand, ertheilten Ordre unwideriprechlich hervorgehen, daß Na poleon wenigstens bereit- um Mittag herum über seine mißliche Lage und daß er geschlagen sei im Klarm war, und daß folglich der Verlust der Schlacht nicht durch die erst später Nachmittags, zwischen Paunsdorf und den Kohlgärten nach Taucha zu, in der Schlachtlinie entstandene Lücke hauptsächlich veranlaßt worden sein kann. Wie aber der Mensch seine Schuld immer gern Andern aufbürdet, so wurde uns Sachsen von den durch ihr Schicksal zur Verzweiflung gebrachten Franzosen den 18. Abends und die Nacht hindurch diese Lücke in der Schlachtlinie sehr bitter vorgeworfen. Auch Napoleon brachte die Nacht in hiesiger Stadt zu, und zwar im Hotel de Pruste. Dieser sonst übermächtige Herrscher konnte doch Steine nicht zu Brod werden lasten, noch konnten seine sonst so fürchtbaren Garden und stolzen Schranzen ihm solche- schaffen. Er mußte mit dem ihm und seinem starken Gefolge von unS bei den hiesigen Bäckern zusammengeholten geringen Vor- rathe, der nur — 17 Gr. 6 Pf. betrug, sich begnügen. Ein einleuchtenderer Beweis, wie groß der Brodmangel in Leipzig war, kann wohl kaum geführt werden, und selbst dies will im Verhältniß nichts sagen, daß der General Margaron, welcher mehrere Wochen unser Obercommandant, in den letzten Tagen aber bei hiesigem Kuhthurme postirt war, zwei Goldcarolin mit der Bitte auf das Rathhaus schickte, man möge ihm dafür aus alter Bekanntschaft nur ein Commisbrod zukommen lasten. Die ganze Nacht vom 18. zum 19. October war bei der Lage der Sachen eben so angstvoll an sich, als peinigend durch die immer fortgehenden Requisitionen. Früh um 3 Uhr am 19. ließ auf Napoleons Befehl der Herzog von Padua den gesammten Magistrat zusammenberufen, und es erfolgte die Eröffnung: daß der Magistrat mit den Alliirten dar über verhandeln solle, den Franzosen zur Räumung der Stadt einen Waffenstillstand von Drei Tagen zu verwilligen. Wußten nun die Franzosen nicht, daß die drei alliirten Mo narchen sich persönlich in der Nähe der hiesigen Stadt befanden, oder hatten sie sonst Ursache uns dies zu verschweigen? kurz, sie wiesen uns mit diesen Verhandlungen an den Fürsten Schwarzen berg und an den General Blücher. Die Gründe, mit denen die Franzosen den Magistrat zu diesen Verhandlungen bestimmten, waren aber nicht tröstlich. Es hieß: wird der verlangte Waffenstillstand uns zugestanden, so soll der Stadt weiter kein Leid geschehen ; wird er aber abgeschlagen, so werden wir uns vertheidigen und zu halten suchen, so lange ein Stein auf dem andern steht, und soll dann die Stadt nur durch Sturm erobert werden! Die von dem Herzog von Padua an den hiesigen äußeren Thoren angebrachten Verschanzungen, Pallisaden, spanischen Reiter und Tambour- waren zwar eben so unbedeutend als unhaltbar und folglich mit Zuverlässigkeit vorauszusetzen, daß die Franzosen sich nicht lange würden halten können ; aber um das Unglück, da- mit der stürmenden Einnahme einer Stadt fast unzertrennlich verbunden ist, wenn es möglich von hiesiger Stadt abzuwenden, wurdm nach vom Magistrat, als einer bloßen Municipalobrigkeit, pflichtmäßig eingeholter Genehmigung Sr. Majestät, unsres hoch verehrten Königs, sofort sogenannte Soumissionen an Schwarzen berg und Blücher entworfen, und zu beiden Feldherren wollten sich früh gegen 8 Uhr in Begleitung ftanzösischer Staabsoffiziere, die ausdrücklich dazu beordert warm, Deputirte begeben. Allein die von dm Franzosen ausgestellten I^Ligse? xaLser lidre- mvvi wurdm wohl von den französischen Wachen, keinesweges aber von den Kanonmkugeln der Alliirten respectirt, die unmittel bar vor den innern hiesigen Stadtthorm so dicht und häufig neben dm Wagen niederfielm, daß die Pferde jcheu wurden und selbst nach dem Aussprüche der begleitendm Stabsofficiere da- Fort kommen zu Wagm unmöglich war. Unser Wunsch, die beiden Soumissionm, in denen die Schonung der Stadt dringmd erbeten war, doch zu übergebm, hätte nicht au-geführt werdm können, wenn nicht der gegenwärtige Thür steher Müller und der jetzige Schauspieler Wich mann den Muth gehabt, solche mit Gefahr ihres Leben- zu überbringen. Müller hatte dm Gmeral Blücher und den General Sacken zwischen dem äußerm Halleschen Thore und den Dörfern Eutritzsch und Mockau getroffen, und nach Verlauf von kaum drei Viertel stunden brachte er von Blücher die beruhigende mündliche Ant wort zurück: daß wir von Plünderung nicht- zu besorgm hätten. Wohl aber ließ Blücher den Kramosen heftig htnrerbrachte ein Mitglied de- Magistr richtig und pünktlich. drohm, und die nt- dem Herzog von Padua Müller hatte aber au- Unkunde, daß drei französische Mar- schLlle. Augereau, Marmont und Poniatow-ky, welcher letztere hier seinm Tod fand, mit ihrm CorpS die hiesigen Vor städte noch besetzt hielten, die Stärke der noch hier befindlich« Franzosen nicht richtig anzugebm gewußt, und die- kostete bei dem nachher doch erfolgtm Sturme vielen Alliirten da- Lebm, weshalb der preußische General Hardenberg Müllern nun als prä sumtiven französischen Spion — denn wie gegenwärtig die politi schen Umtriebe, war damals eine gegenseitige Spionm-Jagd an der Tagesordnung, — vor ein Militairgericht stellen und erschießen lassen wollte, dann aber, von dessen Unschuld vollständigst überzeugt, ihn mehrere Wochen bei sich im Dienst behielt; und der Magistrat belohnte bald nachher Müll er-Muth durch dessen jetzige Anstellung. Bald nach Müllers Zurückkunft vom General Blücher kam Napoleon mit einer sehr starken Begleitung zu Pferde von da Grimma'schen Straße her auf den Markt, und al- Augenzeuge muß ich versichern, daß weder währmd der halbstündigen Visite, bei der Nepoleon im Thoma'schen Hause eine Treppe hoch im Erker stand, noch bei seinem Wegreiten Aengstlichkeit an ihm zu bemerkm war, nur nahm er auffallend oft Tabak. Er ritt nun die Hainstraße herunter, konnte jedoch da- Rannstädter Thor nicht passirm; denn die ganze Nacht durch, und so ununterbrochm fort ging ein, wenn ich mich des gemeinm aber treffenden Aus drucks bedimm darf, wirklich wurstdichter Zug Fliehender durch dieses Thor, den auch Napoleon nicht zu durchbrechen vermochte, und da er auch die auf des Herzogs von Padua Befehl verram melten Barfuß- und Thomas-Pfortm bei seinem nun genommenen Wege über die Fleischer- und Klostergasse, auch Burgstraße nicht passiren konnte, so ist er entweder durch die Pleißenburg oder das Petersthor aus der innern Stadt entkommen, worüber beim Rath hause jedoch keine sichere Kunde ist. Der dichte Zug der zum Frankfurter Thore heraus Fliehmdm wurde aber der Stadt in mehr als einer Hinsicht nützlich, dmn eS entfernten sich mit demselben nicht nur viele Blesstrte und Kranke, sondern dieser Zug machte auch dm Franzosen unmöglich, die mehreren Centner Pech, die ihnen am 19. früh auf Requisition geliefert werden mußten, und mit denm die Häuser des Rann städter Steinwegs und Mühlgraben- in Brand gesteckt werdm sollten, der Absicht aemäß zu brauchen. Al- ihnen, zu Verhütung des Unglücks, die Lieferung des Pech-, unter dem Vorwände es sei nicht zu haben, beim Rathhause abgeschlagen wurde. hatten sie solches bei dem Seilermeister Leithe ritz bereit- in Beschlag ge nommen, und eS bedurfte nur noch eine- Von darüber, wie sie damals gewöhnlich waren und nur zu bekannt gewordm sind. — Die Fliehenden ranntm aber die mit dm Pechtonnen beladenen Wagm an der Postsäule vor dem Rannstädter Thore um, und so blieb da- Pech zu unserm Glück denn doch unbmuht lieg«. Auch die Sprmgung des Grimma'schen innem Stadtthores und alle- nothwmdig damit verbundme Unglück wurde durch bloß« Zufall verhindert. Der bei hiesiger Polizei angestellte Leutenam Püschel hatte zufällig bemerkt, daß unter der Brücke am Grimma- schm Thore ein ganzer Berg von Patronen und Pulver lag, in der Meinung, daß mehrere Pulverwagm über die Lehne der Brücke herabgestürzt sein möchten, was aber freilich kaum dmkbar war. — und die nahe schreckliche Gefahr beachtend, sobald nur eine Kugel in das Pulver fiel, that Püschel beim Rathhause davon Anzeige, und eS wurden eiligst aber in der Stille zwei Chaisenträger mit der Weisung abgeschickt: der Thorwache unbemerkt von beide« Seitm de- Zwinger- unter die Brücke zu steigen, und den gamen Pulvervorrath in dm unter der Brücke weggehenden Wasser graben zu werfen. Kaum war diese Arbeit geendet, fielen sehr viele Schüsse auf das Grimmasche Thor. Die- war auch der Fall in andern Gegenden der Stadt und mehrere Häuser auch am Markte wurdm durch Kanonenkugeln und Granaten beschädigt. Von Minute zu Minute wuchs die Gefahr und unsere Angst; aber es wurde nun auch an hiesiger Stadt offenbar, wenn die Noch am größestm, ist die Hülfe am nächsten! Denn >/»1 Uhr Mittaas ertöntm die Schlachthörner de- preußischen Börstel!- schm Corps zum Grimma'schen Thore herein nach dem Markte zu, und die auf allen Straßen der Stadt wie scheue- Wild flie henden Franzosm dachten an keinm Widerstand mehr. Schon au- Jnstintt liebt jede- lebende Wesen da- Lebe«, und da- natürlichste Gefühl dessen, der au- dem Schiffbruche gerettet ist, muß also die Freude sein; daher mußte auch jetzt beide» Bewohner« Leipzig- die Freude laut werdm und fich äußern, und tm stohen Gesthle über ihre Rettung -Mm sie G-tt al- Dank-
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