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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1852
- Erscheinungsdatum
- 1852-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185205315
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18520531
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18520531
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1852
- Monat1852-05
- Tag1852-05-31
- Monat1852-05
- Jahr1852
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1852
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Tageblatt . r. und Anzeiger. 152. Montag dm 31. Mai. 1852. Aus dem Briefe eines Auswanderers in Chile"). Unsere Reise durch die Nordsee, den Kanal und einen Theil de- atlantischen Oceans bot nicht viel interessante Data dar. Seit dem wir vom Ostpaffate fortgetrieben wurden, schwankte das Schiff so wmig, daß die schwächlichsten und an der Seekrankheit am mei sten leidenden Passagiere vollständig wieder auflebten. Schon auf der Elbe hatten wir einen kleinen Gesangverein begründet, der auf See noch eine Erweiterung durch eine Jnstrumentalcapelle, aus zwei Geigen, Guitarren und Flöten bestehend, erhielt. Gewöhnlich wurde zwischen 5 und 6 Uhr Nachmittags ein Stündchen gesungen und häufig zu unserer Instrumentalmusik ein Tanz auf dem Quar terdecke aufgeführt. Dann und wann begrüßten wir uns mit einem begegnenden Schiffe und eine dänische Brigg nach Valparaiso war fast 14 Tage unsere treue Begleiterin. Am 7. August ging uns unter dem 6. Grade nördl. Breite der Paffatwind aus, weshalb wir fast r>/, Wochen nicht auS der Stelle kamen. Indessen näher ten wir uns mehr und mehr dem Aequator, und um so wärmer wurden auch die Nächte. Unangenehmer als die Hitze fiel uns der unter den Tropen so häufige Regen ; die Passagiere mußten meist auch am Tage im stickigen Raume unter Deck ausharren. Vor -er sonst üblichen Taufe unter der Linie wurden wir durch den Capital» Simonsen bewahrt, indem er seinen Matrosen diesen Mummenschanz untersagt hatte. Die wunderbare Farbenpracht deS Auf- und Unterganges der Sonne zwischen dm Wendekreisen, der Stemenhimmel der südlichen Halbkugel, das Meer, welches den Silberglanz des Mondes und der Sterne zurückstrahlte, entschä digte uns für die Einförmigkeit des täglichen Schiffslebens. Küh lung suchend stieg ich öfter bei Nacht auf Deck und genoß tief ergriffen den Zauoer der Tropennacht. Am 8. September, wo das Schiff sich der amerikanischen Ost küste näherte, begann ein mehrtägiger gewaltiger Sturm, der das Schiff in allen ftinen Fugen erschütterte. Während ein Theil der Pass^iere zum Gebet seine Zuflucht nahm, erfreute ich mich, wider den Willen des Capitains auf Deck, des großartigsten Meerschau- spieleS. — Mit diesem Sturm begann jedoch ein trauriger Ab schnitt unserer Reise, kein Wind wollte uns mehr recht Stand halten, und als wir am 20. September mühsam bis zu den Falk- landSinseln gekommen waren, bekamen wir aufs Neue Sturm, der unS die Schanzkleidung herunterschlug. Fünf Wochen gebrauch ten wir, um das Cap Horn zu umsegeln; endlich am 26. Oktober erhielten wir vom Capitain die frohe Nachricht, daß wir in der Südsee seien. Diese ungünstige Fahrt bei rauhem und trübem Wetter konnte um so weniger eine günstige Stimmung unter uns Passagieren erhalten, da unsere Verpflegung immer schlechter wurde. Unter den Tropen war das Wasser schon ungenießbar geworden, da wir statt der pomphaft angekündigten eisernen Wasserfässer schlechte Spi- rituSfässer an Bord bekommen chatten. Die Herren Godefroid und Sohn hatten uns solch/wenigstens versprochen. In der KÄte wurde daS Wasser zwar wieder besser, doch war der Mangel *) Der Verfasser lebte früher als Kaufmann in Stettin und fuhr im Sommer 1850 an Bord des ,,Herrmann" von Hamburg ab. — Wir glauben bei der jetzt so allgemein gewordenen Lust zum AuSwandern un fern Lesern einen Dienst zu leisten, wenn wir ihnen von Chile, wohin erst i« vorigen Jahre eine zahlreiche Gesellschaft aus der Gegend von Aittäu auSgswandert ist, eine anscheinend zuverläsfige Nachricht zugehen lassen. schon so groß, daß wir fast nichts mehr zu trinken bekamen; an statt des schon ausgegangenen Kaffee'S erhielten wir ein widerliches Gebräu, dem man den behaglichen Namm Thee gegeben hatte. AlS die Reise sich verlängerte, wurden wir weiter auf halbe Kleisch- portionen gesetzt; natürlich entstand allgemeine Unzufriedenheit unter uns und man flüsterte sich zu, daß diese übel angebrachte Öko nomie nur geschehe, um die übrigbleibenden Lebensmittel in Val paraiso oder Valdivia gut zu verwerthen, da nach Umschiffung deS Kap Horn kein Grund zu einem solchen Ersparungssystem vorhan den war. Je näher wir unserm Ziele kamen, je mehr schwand indeß die zwischen dem Capitain und den Passagieren entstandene Mißstim mung. Unter dem 50. Grade südlicher Breite fand eine besondere Feierlichkeit statt; ein Herr, Namen- Karkel, aus Berlin, jetzt Leibarzt des Bischofs von Chiloe, ließ sich nämlich vom Capitain mit einer jungen geschiedenen Frau trauen und ein feierlicher Hoch zeitschmaus fand in der Cajüte statt, zu dem ich als Trauzeuge auch geladen war. Bei meinem ausgehungerten Magen schmeckte mir der rohe und gekochte Schinken vortrefflich und ich wurde wie der gewahr, daß meine Verdauungswerkzeuge noch die Fähigkeit besaßen, ihre Schuldigkeit zu thun. Am 12. November frub er öffnet- un- endlich der Capitain, daß man schon in der Nacht. Land gesehm, aber das Schiff noch adtzchslten habe, um demselben nicht in der Dunkelheit zu nahe zu kommen. Bald sahen wir auch die Sonne über den Küstengebirgen aufgehen; alles stürzte auf Deck und der Capitain mußte bitten und drohen, um Männer und Wei ber aus der Takelage und vom Bugspriet zu entfernen, weil die Matrosen nicht ihre Arbeiten verrichten konnten. Gierig verschlang Jeder die klar hervortretenden Umrisse seiner neuen Heimath. Bald hatten wir uns dem Lande bis auf 3 Seemeilen genähert, der Hafen von Valdivia liegt jedoch versteckt und der Capitain kannte denselben nicht aus eigener Anschauung. Plötzlich erblickten wir ein kleines Fahrzeug mit peruanischer Flagge, das hinter einem Felsenvorsprunge verschwand. Wir folgten demselben und um 12 Uhr warfen wir auf der Rhede von Coral, so heißt der Hafen von Val divia, Anker. Obwohl jetzt alle Passagiere ans Land wollten, so gelang dies nur einigen im Boote deS HafencapitainS, daS am Abend mit den kerrlichsten Früchten und Blumen zurückkehrte. Erst am folgenden Lage kam auch ich mit meinen beiden Brüdern ans Land, und Jeder begreift, welche- Gefühl nach einer 4»/rmonatlichen Seereise uns beschlich, als wir unter den Gesträuchen, Blumm und Apfel bäumen einer andern Zone festen Boden unter uns fühlten. Wer nicht diese oder jene Blumen aus den deutschen Treibhäusern kannte, erblickte eine ganz neue Welt deS Pflanzenreichs. Stundenlang wanderten wir umher und konnten unS nicht genug laben an den Herrlichkeiten des chilesischen Frühling- und an den romantischen Hütten der Eingebornen, die uns neugierig betrachteten und sich Mühe gaben, unser Radebrechen in spanischer Sprache zu verstehen. Am nächsten Tage ging ich mit mehreren Passagieren in einem Boote nach Valdivia ab; hier wurde uns der erste Wermuths- tropfen in den überschäumenden Kelch unserer Ankunftsfreude ge gossen. Auf der ganzen Reise hatten wir unS nämlich mit dem Gedanken einer deutschen Colonie getragen, die wir auf den großen Besitzungen deS Herm Franz Kindermann am Rio Bueno grün den wollten. Der Bruder diese- großen Grundbesitzers, Namen- *) Au» Ziegenhagen bei R/etz in der Neumark.
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