Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1852
- Erscheinungsdatum
- 1852-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185210228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18521022
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18521022
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1852
- Monat1852-10
- Tag1852-10-22
- Monat1852-10
- Jahr1852
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.10.1852
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
> 4VSV Mann, ja einer zieht ein Messer hervor und verwundet den Mann nicht ungefährlich am Kopfe, so daß derselbe schlüßlich noch froh sein muß, mit dem Leben davon zu kommen. Dies ist in einer kleinen Stadt Sachsens passirt. Vor einiger Zeit rennt ein Fort- schrittSjunge eine Dame über dem Haufen, bloß weil er nicht aus- weichen will. Die Dame fällt und verwundet sich so gefährlich am Knie, daß sie nach einiger Zeit an der erhaltenen Wunde stirbt. Dies hat sich in einer großen Stadt Sachsens zugetragen. Daß sich 5—6 Jungen anfassen und gassenbreit aufmarschiren, so daß alle Begegnende ausweichen müssen, ist Sache der täglichen Erscheinung, und so sah ich neulich erst, daß ein alter Mann mit weißen Haaren alle Kräfte aufbot, einer solchen Rotte auszu weichen, worüber die Buben nicht genug lachen konnten. Ein Fremder theilte mir mit, daß in seiner Stadt der alte Begriff „Diebstahl" ganz zu verschwinden scheine, denn an Obst, Garten- ftüchten, Kartoffeln und dergl. nehme sich die liebe Jugend was sie wolle, ja vor den Augen des Besitzers und am Hellen Tage. Dabei fügte er hinzu: da läßt sich nichts dagegen thun. Den Aeltern darf man es nicht sagen, da wird's Uebel ärger, denn entweder glauben sie es nicht, oder sie haben davon Gewinn und helfen in allen Fällen den Kindern, und dann hat man auch diese auf dem Halse. Den Schullehrern? Nun da darf man sich die Mühe gar nicht nehmen, es hilft nicht-, die haben allen Einfluß auf die Kinder verloren und müssen sich namentlich vor den Ael tern fürchten. Der Obrigkeit? Derartige Diebereien werden meist als Näschereien angesehen und entweder mit einem sogenannten Verweise oder mit einigen Tagen Gefängniß bestraft, wobei den liebenswürdigen Staatsbürgern der erlittene Arrest, wenn's ja dazu gekommen ist, als Strafe angerechnet wird. Weil aber Strafen seit der glorreichen Revolution gar nicht mehr als schimpflich, viel mehr nur als ein Ausfluß der verwerflichen reaktionären Staats gewalt betrachtet werden, so haben sie auch gar keinen Erfolg mehr. Aus diesen Gründen unterläßt man lieber jede Rüge, duldet die Unbilden und ist mit der Jugend so freundlich als möglich, damit sie es gnädig mit uns macht. Neuerdings sah ich, wie ein Straßenjunge einen sogen, vor nehmen Herrn, der mit brennender Cigarre einherschritt, mit den Worten anredete: „Ach, Sie geben mir wohl ein bischen Feuer für meine Cigarre!" Was war zu thun? Der sogen, gebildete Herr mußte sich bequemen, seinem Rauchgenossen gefällig zu sein, er mußte die Cigarre Hinhalten, der Junge brannte die seinige an, und schied von seinem Genossen, indem er noch damit beschäftigt die Cigarre vollend- in den Gang zu bringen, kopfnickend einen Ton wie „Hum" von sich gab, der wahrscheinlich eine Art Dank ausdrücken sollte. Da erst erholte sich der Herr von seinem Erstaunen, und warf, als der Herr Junge sich entfernt hatte, ärgerlich die Ci garre weg — hoffentlich mit dem Vorsatze, da nicht wieder Tabak rauchen zu wollen, wo ihn die Gassenjungen um Feuer bitten können. Einem Herrn, welcher von einem Betteljungen mit brennender Cigarre im Munde um Almosen angeredet wurde, und dem der Herr begreiflich machen wollte, daß er besser gethan haben würde, sich statt der Cigarren ein Dreierbrod gekauft zu haben, anwortete der liebe Jüngling: „was geht Sie's an, die Cigarren kosten mich mei Geld, und von Sie laß ich mir nichts sagen, was Sie mir sagen wollen, weeß ich schon lange", wobei er noch eine Be wegung gemacht, als wolle er Straßensteine aufheben, so daß jener Herr noch froh gewesen ist, mit dieser blos mündlichen Zu rechtweisung wegzukommen. Und so ließen sich noch viele Beispiele des jugendlichen Fort schrittes erzählen. Doch wozu dies? Welches sind die Mittel zur Abhülfe? — Zucht, nichts als Zucht. Wenn jeder Vater seinen Jungen, jeder Lehrer, Lehrherr, Vor mund u. s. w. seine Kinder zieht und züchtiget, d. h. wo die Worte nicht mehr helfen mit dem Stocke — das hilft. Ja, wenn'- nun aber die, so dazu verpflichtet sind, nicht thun, was wird dann? Für die tritt als Unmündige — die Obrigkeit ein, und übt da- Aüchtigungsamt, aber derb und nachdrücklich. — Wenn die Principale es nicht leiden, daß die ihnen Untergebenen alle Schanklocale auslaufen, und den ganzen Tag Cigarren rauchen — muß es unterbleiben, denn die wollen so gut wie die Kinder Brod haben u. s. w. Giebt'S denn aber weiter kein Mittel? O ja — es ist dies in der Ausübung der Gottesfurcht zu finden, doch läßt sich diese- nicht aufzwingen, und will man davon leider nicht gern mehr etwas hören. Darum will ich auch, so schlimm e- ist, schweigen zu sollen, abbrechen, doch mit dem Wunsche, daß man weiter über die Sache Nachdenken und helfen möge, so lange es noch Zeit ist, helfen zu können. Nachschrift. Mit diesem Artikel halten wir dieses Kapitel für dm Zweck unserer Blätter für erreicht, ja erschöpft. Weiter dürfen wir nicht gehen, sonst würden wir in Partheistreit gerathen, waS wir jeden falls vermeiden müssen. Schon trugen wir Bedenken den Auf satz in Nr. 292 zu geben, wir gaben ihn aber, weil er eine Ent gegnung war, und wir ihn nicht für einen neuen Angriff zu halten hatten. Nun sei es für diesmal genug; möge man lieber seine Auf merksamkeit anderen Gegenständen zu wenden. Die Red. Ueber Geschäftslosigkeit. Es wird viel über Geschäftslosigkeit, zumal in unserem Leipzig geklagt, und das mit Recht, und am fühlbarsten scheint es sich bei den meisten Geschäften im Sommer herauszustellen. ES ist schlimm, daß diese Klagen in unserer Stadt, die von so vielen Bewohnern anderer Städte hinsichtlich ihres guten Geschäftsgänge- mit neidischen Augen betrachtet wird, leider Vorkommen. — Ein Hauptgrund, daß so mancher brave und geschickte, aber arme Künstler oder Handwerker nicht hinlänglich beschäftigt ist, nachdem er mit vieler Mühe seine Selbstständigkeit hier erlangte, liegt an den meisten wohlhabenden Leuten unserer Stadt, die den Glauben haben mögen, daß nur in großen Geschäften, die durch Glück oder Vermögen des Besitzers Ruf erlangt haben, gute Arbeit geliefert wird. Wenn reiche Leute die Werkstätten ärmerer Geschäftsleute mitunter besuchen würden, dann würde sich oft Herausstellen, daß auch solche fähig sind. Tüchtiges zu leisten, und manche Bestellung würde eher zur bestimmt versprochenen Zeit, als in einem großen Geschäft, wo Wort zu halten oft beim besten Willen nicht möglich ist, gut und schön ausgeführt werden. Es giebt arme, sehr arme Künstler und Handwerker in Leipzig, die unter dem Scheine einer gewissen Wohlhabenheit eine drückende Armuth verbergen, um sich dem Äuge der Welt nicht bloSzustellen, Leute, denen es nicht gegeben ist, öffentliche Wohlthaten in An spruch zu nehmen, und die nach jahrelangen Sorgen, die sie durch Geschäftslosigkeit seit Gründung ihrer Selbstständigkeit hatten, eben so arm, wie ihr Anfang war, zu Grabe getragen werden. Eine traurige Erfahrung, die sich fast täglich bewahrheitet! Hier in Leipzig giebt es so viele edle Männer, deren Leben eine Kette von Wohlthaten und gemeinnützigen Untemehmungen ist, Männer, die mit aufopfernder Thätigkeit darauf bedacht sind, nur immer Gutes zu stiften und jedem Nothstande abzuhelfen. Möchte diese kleine Anregung etwas dazu beitragen, manchen braven geschäftslosen Bürger kräftig mit Arbeit zu unterstützen, und eine geübtere Feder im Stande sein, den oben erwähnten Uebelstand näher und ausführlicher zu beleuchten. Stadltheater ?u Leipjlg. Obschon die Künste des Herrn H. Cottrely vom Drury-Lane- Theater in London und seiner drei Brüder in keiner Beziehung zur dramatischen Kunst stehen, so widmen wir ihnen doch einige Worte, da einmal unsere Bühne am Dienstag Abend ihr Schauplatz ge worden war. Es scheint, Herr Cottrely habe sich die Aufgabe gestellt, in seinen Productionen da- Nonplusultra der Fähigkeiten de- menschlichen Körpers in Betreff der Kraft, Geschwindigkeit und Geschicklichkeit zu erreichen. Es ist erstaunlich, mit welcher kühnen Sicherheit er Pyramiden von zwei, drei Menschen sich auf seinen Händen erbauen läßt; erstaunlich, wie er zwei Menschen, die auf seinen Händen und Füßen die kunstvollsten Sprünge vornehmen, wie Flocken durcheinanderwirft, ohne sie nur irgend einmal mit einem Griff oder Tritt zu verwechseln und dadurch da- System, nach welchem der Wirbel sich mit Klarheit und Grazie lösen muß, zu stören. Refermt ist in diesem Gebiete künstlerischer Thätigkeit ein Fremdling, vielleicht auf demselben nicht einmal ein Kunst freund, aber er ist überzeugt, daß die Productionen des Herm Cottrely auch andern, die mit dieser Art Gymnastik vertrauter und befreundeter sind, Bewunderung abgenöthigt haben. Da- Haus war reich besucht und da- dürfte zu wiederholten Gastspielen des Herrn C. Veranlassung sein. U
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder