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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1858
- Erscheinungsdatum
- 1858-06-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185806067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18580606
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18580606
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1858
- Monat1858-06
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- Monat1858-06
- Jahr1858
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.06.1858
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2722 dort grassirende Trunksucht forderte in kurzem Zeiträume gegen 400,00V Opfer an Verunglückten, Selbstmördern, im Trunk Er schlagenen. und Wahnsinnigen. Unter solch bedenklichen Umständen dil?«e sich im J»hre1803 zu Boston, der Hauptstadt de- Staate- Massachusers, der erste Mäßigkeit-verein. Seine Wirksamkeit be schränkte sich anfänglich zwar nur auf die genannte Stadt und den Staat, und doch war nach seinem Vorgänge im Verlaus von zwei Jahren die Zahl der Vereine auf 1600 gestiegen. Trotz dieser The lnadme war der Erfolg verhaltnißmäßig noch sehr gering, bi- im Jahre 18l3 sich zu kräftigerer Bekämpfung de- nationalen UebelS die „Gesellschaft gegen die Unmäßigkeit" bildete. Sie warnte nur vor Uedermaß und gestattete ihren Mitgliedern den mäßigen Genuß von Spirituosen. Aber diese Nachgiebigkeit war ein Kehler, welcher einer merklichen Besserung hindernd im Wege stand; denn für Manchen ist es schwer die Grenze der Mäßigkeit zu bestimmen und innezuhalten. Eben so boten die durch den verminderten Absatz in ihrem Gewerbe bedrohten Brenner und Verkäufer Alle- auf, um den gegen sie geführten Schlag durch vermehrte und erleichterte Gelegenheit zum Trinken, so wie durch Gegenschriften, welche die Sache als weniger gefährlich zu schildern sich bemühten, von sich abzuwenden, und nicht allein diese, sondern auch die mäßigen Trinker traten feindselig und verdächtigend gegen die Bestrebungen der Mäßigkeit-freunde auf. Bald sahen die Gründer der Vereine ihren Fehler ein, und nach weiteren 13 Jahren wurden, besonder- auf Anregen der Geist lichkeit, Gemeinde- und Staatsbehörden, so wie der Aerzte, die Mäßigkeit-Vereine in Enthaltsamkeit-Vereine umgewandelt, deren Mitglieder feierlich da- Gelübde ablegen mußten, fernerhin alle geistigen Getränke zu meiden. Die guten Folgen diese- entschiedenen Auftreten- zeigten sich in der Besserung der sittlichen, gesundheit lichen und ökonomischen Verhältnisse so auffallend, daß diese sicht baren Beispiele den Vereinen ungleich mehr Mitglieder zuführten als ihre directen Aufforderungen und Ermahnungen. Im Jahre 1838 zählte der Staat Neuyork allein 1432 Vereine mit über 100 000 Mitgliedern und hatten sich von den damals 17 Mill. Einwohnein der Verein. Staaten 10 Mill. (mit Einschluß der Frauen und Kinder der männlichen Mitglieder) den Enthaltsamkeits- Vereinen angeschloffen. Doch blieb dem bösen Dämon immer noch ein weite- Feld unter den niederen Volk-(lassen der großen See städte, und um ihn auch von da für immer zu verbannen, beschloß im Jahre 1851 der Staat Maine, den Detailhandel mit Spirituosen gesetzlich zu verbieten. In den nächsten Jahren schloffen sich noch fünf andere Staaten an, wodurch nicht allein über 5 Millionen Menschen dranmweinfrei wurden, sondern auch die Armensteuer auf die Hälfte sank. Fast zu gleicher Zeit erhoben auch die Gouverneure der engl. Besitzungen von Neudraunschweig, in Canada, Australien und Liberia in Afrika da- Verbot de- BranntweinhandelS zum Gesetz. In Großbritannien war eS vor Allem Irland, welche- unter der Branntweinseuche litt. Durch seine politische Stellung zu England, durch da- Mißverhältniß der großen Landbesitzer zu ihren Pächtern, so wie durch den Volkscharakter selbst der Vernach- lä sigung, der Verarmung und der Verwilderung anheimgefallen, fand da- Laster des Trunks hier den empfänglichsten Boden. Hier war es zuerst in der Hafenstadt Cork, wo 1838 von Quäkern ein Enthaltsamkeit-Verein für die niederen VolkSclnffen gegründet wurde; doch fand er anfänglich wenig Anklang, bi- du Gründer den später unter dem Namen „ MäßigkeirSapostel" bekannt gewordenen Pater Manhew (ged. 1789 zu Cork) für ihre Sache gewannen. Sein begeistern-, dem irischen BolkScharakter sich anbequemendeS Auf treten wnkte wahrhaft wunderbar, denn di- 1847 zählten die irischen Enthalrsamkeirsvereine 5 Mill. Mitglieder. Vom günstigsten Einfluß war vorzüglich die politische Bewegung, welche O'Connell zu dieser Zeit h rvorgerufen batte, bissen Devise „Mäßigkeit, häus licher Wohlstand" sem Volk von der unheilvollen direkten Ab hängigkeit von England befreien sollte. Pater Matthew fügte O'Connell'- Wahlspruch noch den weitern an: „Trunkenheit ver ewigt die Knechtschaft mit der Armuth"; sein Eifer für die Ent- haUsamkeitssachr ließ ihn nicht einmal Rücksicht auf seine nächsten Ve> wandten nehmen, denn drei seiner Brüder, von denen zwei eine Brennerei in Gemeinschaft und der dritte eine solche für eigne Rechnung betrieb, so wie sein Schwager, welcher ebenfalls Brenner war, wurden durch da- Stillstehen ihrer Geschäfte ruinirt. Er zog, von einer Schaar Anhänger begleitet, mit zur Schau wagen dem Gepränge von Bezirk zu Bezirk, schilderte in volksthümlicher Sprache der versammelten Menge da- Laster der Trunksucht und seine Felgen für Zeit und Ewigkeit in den schwärzesten Farben und nahm das Gelübde der Enthaltsamkeit ab, wobei er den Auf» genommenen, wenn sie vermögend waren, silberne, und den Aermeren zinnerne geweihte Medaillen gegen Entgelt übergab; die hierbei gewonnenen Summen setzten ihn in den Stand, nicht allein die Kosten für seine Reisen zu bestreiten, sondern auch Kirchen zu bauen und arme Gemeinden zu beschenken. Die Nachrede, daß er sich dabei bereichert hätte, erwies sich später als ungegründet, denn durch seine Uneigennützigkeit gerieth er später selbst in Schulden, welche seine Freunde durch Sammlungen tilgten. In Deutsch land würde sein Verfahren als die auffälligste Charlatanerie be trachtet worden sein, in Irland dagegen war es mit Volksgebrauch und Volkssitte übereinstimmend und Pater Matthew erreichte seinen Zweck vollkommen damit. In England, Dänemark und Schweden wurdm im Anfang der 30r Jahre ebenfalls die ersten Mäßigkeit-vereine gegründet, und in letzterem Lande stellte sich der damalige König Carl Johann XIV. als Mitglied an die Spitze. In der Hofhaltung desselben, so wie auch in der seines Nachfolger- wurde weder Rum noch Punsch geduldet. Eigene Vereine bildeten sich bei den nördlichen seefahrenden Nationen, um auf den Schiffen die Enthaltsamkeit von Alkoholien einzuführen. Solche Schiffe werden von den Rhedern stet- vor gezogen, sie bezahlen eine geringere Versicherungsprämie, und die Erfahrung hat gezeigt, daß sie viel weniger Unfällen ausgesetzt sind. In Deutschland war es zuerst der 1840 verstorbene König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, welcher sich für die Mäßig- keitssache interessirte. Auf seine Veranlassung sandten die Nord amerikaner 1837 den mit den betreffenden Verhältnissen vollständig vertrauten Geistlichen John Baird nach Deutschland, welcher hier die ersten Enthaltsamkeitsvereine nach amerikanischen Grundsätzen einleitete. Bald folgte der übrige Theil der norddeutschen Staaten, und selbst regierende Häupter erklärten sich als Beschützer dieser Vereine. Die Begeisterung war anfänglich groß und die Ver anlassung dazu wahrhaft dringend; denn nach statistischen Aus weisen ergab sich in diesem Theile unsere- Vaterlandes die un geheure Summe von 400,000 notorischen Trunkenbolden, von denen ein großer Theil Familienväter waren; eS kam sonach auf erliche vierzig Individuen, männlich wie weiblich, jung wie alt, ein Säufer*). Die Befürchtung, daß deren geistig wie körperlich von Grund au- verdorbene Nachkommenschaft mit der Zeit auch noch den gesunden Theil de- Volke- vergiften müsse, lag zu nahe, um nicht zu jedem Opfer bereit zu sein, hier Abhülfe zu schaffen. Um der Verderbniß auf dem Lande zu steuern, hängen in vielen Gemeinden Schweden-, Schlesiens, Ungarn- und selbst Serbiens in den Schenken Tafeln au-, auf welchen die anerkannten Trunken bolde verzeichnet sind, denen bei Strafe kein Branntwein verabreicht werden darf. Die Zahl der Enthaltsamkeit-vereine im nördlichen Deutschland betrug im Jahre 1837 nur 17 mit 520 männlichen Mitgliedern, im Jahre 1845 dagegen 1250 Vereine mit 580,000 Mitgliedern. Aber hier hatte die gute Sache ihren Höhepunkt erreicht. Andere, da- Volk eben so tief berührende Interessen, die Kämpfe auf politischem und kirchlichem Gebiete traten in den Vordergrund, und die Stürme der Jahre 1848 und 1849 ließen die Theilnahme fast ganz erkalten. Die Gegner der Vereine hatten jetzt anderwärts zu streiten und gerade da- Nichtbeachten von Seiten dieser, der Mangel an anregendem Kampf trug viel mit zur Erschlaffung bei. Nach der 1851 und 1852 eingetretrnen Beruhigung nahmen die Vereine ihre Thätigkeit wieder mit erneutem Eifer auf und wirken seitdem mit ziemlichem Erfolge unter dem Landvolke. Ein deutscher Mäßigkeitsapostel, der Kaplan Geling au- Osna brück, von demselben Eifer beseelt wie sein Vorbild in Irland und eben so gut den Charakter de- Volke- kennend, war ein mächtiger Hebel zur Neubegründung und Wiederbelebung der Mäßigkeit-sache. Nicht minder hat sie in Hannover und Oldenburg ihr eigene- Organ, den „Mäßigkeitsboten für Stadt und Land", welcher nach dem Ausdruck in seinem Motto den „TeufelStrank" zu bekämpfen sich bemüht. In den größeren Städten gelingt es den Vereinen weniger, sich treue Anhänger in Masse zu erwerben. Die Art und Weise, wie die große Menge durch frömmelnde Traktätchen, in welchen ob der zu sehr hervortretenden religiösen Richtung die am meiste« überzeugenden Thatsachen abgeschwächt werden, angezogen werdm soll, verfehlt da leicht den beabsichtigten Zweck und macht eher mißtrauisch, indem sie etwa- Weiteres dahinter fürchtet. Für diese Tendenzen ist hier noch kein guter Loden, er »uß erst durch *) 3m Jahre 1845 zählte man in Berlin 1500 Branntme inschenken. —
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