Freischütz ist das politische Lied der Deutschen. Von jenem 18. Juni 182l an, da die Berliner im neuen Schauspielhaus am Gendarmen markt den Jahrestag des preußisch - deutschen Sieges von Belle- Alliance unter den Uraufführungsklängen der neuen Oper des Dresdner Hofkapellmeisters Carl Maria v. Weber begingen, bis zu unseren Tagen, da kaum eine Stunde vergeht, in der nicht Freischütz - Musik über die Ätherwellen in Millionen von Häusern getragen wird, da immer noch jede bescheidenste Bühne ihren Ehrgeiz darin sucht, das Märchen vom Freischütz zu erzählen, und da ihm die Jugend die Seele öffnet — von jener Stunde an ist die Oper Carl Maria v. Webers ein Stück Seele des deutschen Volkes gewesen. Was zum Problem der Zeit zwischen Mozart und Weber sonst noch zu sagen wäre, hat rein musikhistorische und stilgeschichtliche Be deutung. Das Menschenalter zwischen 1791 und 1821, zwischen der Zauberflöte und dem Freischütz, war wie kaum ein zweites reich an Ereignissen, Anregungen, Hoffnungen. Wovon die Journale sprachen, das läßt sich etwa in folgendem Durchschnitt kennzeichnen: Nochlitz hatte in Leipzig die Allgemeine Musikalische Zeitung gegründet, Fasch und Zelter in Berlin riefen Singakademie und Liedertafel ins Leben, Männerchöre schossen wie Pilze aus der Erde, Forkels Schrift über Buch, Schubarts „Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst" erregten Auf sehen. In Frankenhausen leitete Spohr das erste Musikfest, das Dirigieren mit dem Taktskock kam auf, Gedichte der Weimarer Heroen erschienen vertont von Reichardt und Zumsteeg. Im Felde der großen Kunst sehen wir Beethoven vom Opus 1 bis zur Missa Solemnis und zur Hammerklaviersonate vorschreiten. Hahdn schaffte das Wunderwerk seiner Londoner Sinfonien, schrieb die Schöpfung und die Jahres zeiten. Geboren wurden in diesem Zeitraum Schubert, Schumann, Chopin, Liszt, Wagner, Verdi, Berlioz. Auf den Bühnen rangen mit einander alt und jung, Idealismus und Spekulation, Aristokratismus und Demokratismus, Nationalismus und Internationalismus, An hänger und Gegner der Revolution — es war ein Kampf ohne rechten inneren Standpunkt, ohne Überzeugung- aber das Schlachtenpanorama befriedigte die Neugier. Seit der Zauberflöte grassierte in Wien „unter Trümmern und Blüten" die neue Mode der Zaubersingspiele. Cimarosa begeisterte mit der Heimlichen Ehe. Rossinis Sieg war überall nicht