Es wäre gewiß nicht nötig, ein Buch über den Freischütz zu schreiben, wenn sein Siegeszug an den deutschen Ländergrenzen halt gemacht hätte. Es genügte, sein künstlerisches Schicksal in die Nahmen handlung von Webers Leben einzubeziehen. Aber diese Oper ist nun einmal sozusagen als politisches Wesen zur Welt gekommen, aus politischen Kräften der Zeit genährt worden, und deshalb verbindet sich mit seiner Welteroberung ein Zug von unbegrenztem nationalen Stolz und volklicher Hoffnung, deshalb ist der vaterländische Gehalt des Kunstwerks auch außerhalb der deutschen Grenzen von Anfang mächtig wirksam geworden. Die Grenzen: das waren die schwachen Bänder, die das künstliche Gebilde des „Deutschen Bundes" umschlossen hielten. Jenseits lag ein Europa, gebunden durch eine Staatenordnung, die vielfach der neuen deutschen Einheit von 1815 überlegen war. In dies Europa brach Webers deutscher Kunstsieg ein — der erste geschichtliche Fall einer geistigen Eroberung, die eindeutig national bestimmt war; und auch schon irgendwie der letzte: denn für Wagner und alle Späteren war durch Weber die tiefe Bresche geschlagen, war die Voraussetzung übernationaler Wirkung gegeben. Solange Weber lebte, bekam er diesen Erfolg seiner europäischen Mission in einer Form zu spüren, die mehr beschämte als beglückte: verglich er nämlich die ehrfürchtigen Huldigungen des Auslandes mit der zögernden Anerkennung, die man seitens der regierenden Häupter Deutschlands durchschnittlich einem beamteten Kunst - Untertan entgegenbrachte, so mußte ihm der ganze Unterschied zwischen einem Weltbürger und einem Kleinbürger klar werden — an diesem Zwiespalt litt Weber gegen Ende seines Lebens zunehmend. Es lag auch für den Meister kein eigentlicher Trost darin, daß er erkannte, daß sein Ruhm jenseits der Grenzen vielfach der Er-