Orten zu Gunsten der These beigebracht wird, herrscht jene Man nigfaltigkeit im Einfachen, in der man damals auch das Geheim nis des Schönen sah. Gelehrsamkeit und Enthusiasmus, Räson nement und Anekdote, die Autorität der Alten und Zugeständnisse gegen die Neueren, zur Gewinnung von Gegenzugeständnissen; das Pikante örtlicher Anspielungen neben allgemeinen Wahrheiten; schneidende Urteile und einschmeichelnde Verheißungen; das An- sehngebende des Esoterischen neben der Modetugend des „guten Geschmackes", von dessen Besitz Proben gegeben werden; endlich der Streit über den Vorzug der Alten und Modernen abgetan durch die Aufforderung, die Alten erst kennen zu lernen, andere Augen zu nehmen, um die Gottheit zu sehen, wo sie erscheint—: wer hätte einem solchen Advokaten des Altertums widerstehen können! Ein so ausgebildeter Stil, wie der von Winckelmann hier bereits gehandhabte, wird niemandem ohne feste Grundsätze, ohne Stu dien zuteil. Er stellt sich selbst hohe Forderungen; dies zeigen seine Briefe. Er arbeite, erzählt er, seine Sachen mehr als einmal um. Er komme zuletzt mit scharfem Messer darüber; er fürchtet falsche Gedanken, die dem Verfasser schmeicheln und nicht Platz machen wollen. Wie oft wiederholt er, daß es der höchste Lohn für ihn sein werde, wenn er der Nachwelt würdig geschrieben zu haben erkannt werde. Man soll sich vorstellen, im Angesichte aller Welt zu reden und alle Leser für seine Feinde zu halten. Aehnlich sagt Hamann: „Nicht der Bei fall des gegenwärtigen Jahrhunderts, das wir sehen, sondern des künftigen, das unsichtbar ist, soll uns begeistern. Wir wollen nicht unsere Vorgänger beschämen, sondern ein Muster für die Nach welt werden." Winckelmann hat seine Gedanken über Stil wiederholt ausgespro chen. Sie werfen sich dem damaligen deutschen Prosastile entgegen; sie sind aus dem Widerwillen an der wässerigen, charakterlosen Sprache hervorgegangen, die an die Stelle der früheren Schwül- stigkeit und Sprachmengcrei getreten war. Daher die Regel, „in der Sündflut von Schriften, mit welchen die Welt überschwemmt ist, eine erleuchtete Kürze zu suchen (wie dichte Körper viel Materie unter wenig Ausdehnung einschließen); init halben Worten zu erzählen, um den Vortrag vor dem Ekel und den Zuhörer vor dem Schlafe in Sicherheit zu setzen I (17 ss.) Daß er hierin seinen Lesern zu viel zugemulet hatte, zeigen die sich erheben-