92 Wenn sich nun Griesinger in seinem Aufsatze (Seite 22) für die Benutzung de« in einer Universitätsstadt zu gründenden städtischen Asyls zum klinischen Unter richte ausspricht, so kann das Collegium auch diesem Vorschläge nur seine unge teilte Zustimmung geben und hat bei Anempfehlung einer solchen Einrichtung noch ganz besonders den Umstand hervorzuheben, daß, wenn auch die Ansprüche, welche an ein derartiges städtisches Asyl nach den Griesinger'schen Ideen in Bezug auf die ärztlichen Kräfte, die Abwartung und die Beaufsichtigung der Kranken zu machen sein werden, durchaus nicht geringe genannt werden können, doch die von ihm an seine baulichen Verhältnisse, seinen Umfang und den Krankenbestand ge stellten Anforderungen nur mäßig sind, daher auch der Aufwand für die Erricht- ung einer solchen Anstalt in unmittelbarer Nähe der übrigen Kliniken sicherlich nicht die Höhe erreichen wird, welche eine größere Irrenanstalt im modernen Style erfordern würde. Der zweite Punkt betrifft die Frage, ob und in welcher Weise die weiteren Vorschläge Griesinger's bezüglich einer freieren Verpflegungsweise einer gewissen Classe von Geisteskranken für den jetzigen Stand der öffentlichen Irrenpflege in Sachsen zu verwenden seien? Im Allgemeinen hat das Collegium die Anschauungen Griesinger's, daß sehr viele Geisteskranke überhaupt einen viel größeren Grad von Freiheit vertragen, als ihnen nach der bisher üblichen Behandlungsweise gewährt wird, zu theilen; in Bezug auf die specielle Form dieser freieren Verpflegungsweise aber glaubt es, und zwar namentlich auch mit Rücksicht auf die von Griesinger selbst mündlich gegebenen Auslassungen, sich dahin aussprechen zu müssen, daß die Befolgung der sogenannten familialen Verpflegung in unserem engeren Vaterlande gegenwärtig auf die größten Schwierigkeiten stoßen, wenn nicht geradezu unmöglich fallen würde, da es hierzu an der nothwendigsten Vorbedingung gebricht, nämlich den geeigneten Familien, bei welchen die Irren nach diesem Systeme untergebracht und daselbst Pflege, Aufsicht und passende Beschäftigung finden sollen. Bevor man an die Einführung dieses Systems würde gehen können, müßte erst gleichsam eine Er ziehung des betreffenden Publicums zur Jrrenpflege vorangegangen sein, welche aber nicht das Werk einer kurzen Zeit sein, sondern erst durch längeren Umgang mit Irren erworben werden könnte. Ist daher aus diesen Gründen vor der Hand von diesem Systeme der freieren Verpflegungsweise abzusehen, so trägt dagegen daS Collegium kein Bedenken, das Princip der agricolen Coloniecn, der sogenannten k'ermes a§rieol68, in Ver bindung und in nicht zu großer Entfernung von den bereits vorhandenen geschlos senen Anstalten dem Königlichen Ministerium zur Annahme zu empfehlen. Jeden-