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Sächsische Volkszeitung : 03.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192205036
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220503
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220503
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungSächsische Volkszeitung
- Jahr1922
- Monat1922-05
- Tag1922-05-03
- Monat1922-05
- Jahr1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 03.05.1922
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Nr. 101. Seite i Mittwoch den 8. Mai 1922 La«dverrvertung zu Kleinpar<enzwecke» Auf Grund eine» SondervorfallcS vcrösfmtlicht der Minister 'für Volkswohlfahrt eincn längeren Erlaß über die Inanspruch nahme von Land zu Kleir^artenzwecken. aus dem wir nach, stehende Punkte von grundsätzliche,» Interesse mitteilen: Nach der Kleingartenordnung von, 31. Juli 1919 sind Grundstücke in Privatbesitz für Kleingartenzweckr erst dann zwangsweise in An- Ipruch zu nehmen, wenn geeignete, im öffentlichen Eigentum stehende Ländereien nicht zur Verfügung stehen. Dabei soll nicht der Grundsatz aufgestellt werden, daß d,e Äohnsitzgemeinde erst den letzten Morgen ihrer Ländereien an me Kleingärtner aus geteilt haben müsse, ehe anderes Land in Anspruch genommen, werden dürfe. Vielmehr sind neben der Wirtschaftlichkeit des landwirtsämftlichen Betriebes auch die äußerst mannigfachen sonstigen Landbedürfnijse eines mit geleiteten Gemeinwesens zu verncksichtipei,. Bei der ganzen Frage ist grundsätzlich der Stand punkt zu vertreten, daß. wenn die öffentlichen Interessen purch Inanspruchnahme von Gemeindeland — namentlich in sozial- wirtschaftlichem Sinne — so ungünstig beeinflußt werden, daß die Nachteile größer sind als die Vorteile, d'e etwa durch zwangs weise Inanspruchnahme anderen öffentlichen oder privaten Lan des entstehen, auf diese zurückgegriffen werden darf. Nächtigen aus Sachsen Anfrage Laut „Dresdner Neuste Nachrichten" (Nr. 101 vom 30. April 1922) hat der zuständige Referent im Reichswirtschaltsministerium, Oberregierungsrat Fehler, dem Vertreter der Sächsischen Handels kammern in Berlin streng vertraulich angedeutet, „daß es ihm willkommen sein wiirtz^, wenn sich die Handelskammern angelegen sein liehen, möglichsten»,gehend sowohl beim Reichstage als auch beim Reichswirt'chaftsministerium nachdrücklich Einspruch gegen den von den Zeitungsvcrlegern erstrebten Rückfall in die Zwangswirttchaft zu erheben, da von solchen Protesten aus den beteiligten Krei'en bisher nur sehr wenig zu verspüren gewesen sei". Hat die Staatsregierung Veranlassung genommen, bei der Reichsregierung gegen dieses die Sicherstellung eines Existenz minimums an Papier für die schwer ringende deutsche Presse sabotierende Vorgehen des zuständigen Referenten im Reichs- wlrtschaftsministeriuin Einspruch zu erheben be;w. ist sie bereit, in dieser Richtung noch Schritte zu unternehmen? Hat die Staats regierung Schritte unternommen, um in Er'ahrung zu bringen, ob die Stellungnahme der „gemeinsamen Geschäftsstelle der Säch sischen Handelskammern" in Berlin in die'er Frage auch die Billigung der Handelskammern in Chemnitz, Dresden, Leipzig, Plauen u nd Zittau gefunden hat? Ist die Regierung bereit, bei dieser Gelegenheit über die Schritte zu unterrichte», die sie in Verfolg des in der 103. Sitzung des Landtages vom 6. April 1922 einstimmig angenommenen Antrages: „bei der Reichsregierung dahin zu wirken, das; die Versorgung der Tageszeitungen mit Druckpapier zu angemessenen Preisen sichergestellt wird" unternommen hat? Dresden, am 30. April 1922. gez. Hrszlein. Zur Laridtaasiniflösiink Der Geschäftsführende Ausschuß der Sächsischen Zentrums partei hat in seiner Sitzung vom 29. April zur Frage des An trages mif Laicklagsauflösung einstimmig nachstehenden Be schluß gefaßt: Die Sächsische Zentrumspartei ist der Ueberzeugnng, daß durch Ablehnung des Justizetats in der Laiidtagssitzung vom 5. April die Negierung nicht mehr vaS Vertrauen der Mehrheit des Landtages besitzt und »ach parlamentarischem Brauch dir Umbildung der Negierung Pflicht gewesen wäre. Ta di» Ne gierung sich nicht dazu entschließen konnte, hält die Sächsische Zrntrumspartci den gegenwärt gen Zustand für verfassungs widrig und ist deshalb gezwungen, sich dem Volksbegehren auf Landtagsanflösnng anzuschlicßeu. Die Dcutschnationale Volkspartei hatte ursprünglich in Aussicht genommen, den Antrag auf Volksbegehren für Aus hebung der neuen gesetzlichen Feiertage zu stellen. Zu diesem Anlrage Halle der 3. sächsische Zentrumöparteilag schon Stel lung genommen. In einer gemeinsamen Sitzung der Deutsch nationalen BolkSpartei und der Deutschen Bolkspartei am 18. April wurde der Antrag dahin geändert, daß das Volksbegehren auf Auslösung de» Landtages gerichtet sein soll. Zu diesem ge änderte» Antrag«, dem sich anzuschließen die sächsische Zentrums partei mlfgefordert wurde, konnte wegen der Kürze der Zeit überhaupt nicht Stellung genommen werden, da Bescheid späte. stcnS bis 18. April erbeten war und die s.tzung des Geschäfts- führendcn Ausschusses am dritten Parteitag schon auf den LS. April festgelcgt worden war. In dieser Sitzung ist obiger Be- schlutz gefaßt worden. Die Antwort der Mehrheitsfozialisten an die Demokraten Wie der T.-S.-D. erfährt, hat die MehrhcitSsozialiMsche LandtagSfraktwn das bekannte Schreiben der Demokraiischen Lawdtagssraktion vom 26. April w,e folgt beantwortet: »Wir bestätigen den Empfang Ihres Schreibens und teilen Ihnen mit, daß Ihre Auffassung, die jetzige Regierung sei verfassungswidrig, durckxnis falsch ist. Ein näheres Ein gehen auf das in Ihrem Schreiben Gesagte erübrigt sich also. Mit vorzüglicher Hochachtung die Sozialdemokratische Frak tion. gez. Wirth. Mueller." Dazu wird dem T.-S.-D. aus Kreisen der Demokratischen Landiogsfraktion geschrieben: Tie Deutschdemokratijche Partei muß trotz dieser Antwort daran sesthalten, daß eine Negierung, der ein unentbehrlicher Teil des Haushaltvlancs, nämlich der Justizetat, abgelebnt worden ist. nicht das Vertrauen des Land tage? bat, das nach Artikel 27 der Verfassung die Mitglieder der Negierung zu ihrer Amtsführung bedürfen. Der Haushaltplan für die Justizverwaltung ist nicht durch eine zufällige Mehrkeit der Opposition, sondern durch eine der Regierungsparteien selbst abgelebnt worden. Damit ist die schon an sich kaum vorhandene Mehrheit der Regierung zusammengebrochen und die Regierung kann der Entscheidung jetzt nicht answeichcn, ob sie sich von der Kommunistischen Partei, die ihre weitere Unterstützung an grundsätzliche Zugeständnisse im Sinne der kommunistisch« n Ideen knüvfte und die ihr den Jusiizetat verweiflcrt hat und die Volizeigewalt sabotieren will, auch fern-rhin vollständig ab- hängig machen will oder nicht. Die MchrheitssoziaMische Frak tion versucht sich in ihrer Antwort auf das demokratische Schrei ben der Entscheidung über die darin aufgeworfene Frage zu ent- ff'rgit» »m 1. ^pril «»st nie), «No 1?ron«o ea- nn/iikiin«Nr:»>n, 6nv ckio rn äionom Xoit- punkt kg-timmten No/nr-nproino »nLonirchtn «lor onnrmon Lisiökrmeon «kor I'ssiiorsiroino un<1 äar 8toieorune »klar »ockoroo I'rnckukfionnko^ton „in ^ntvaaktgrlisltiinr» «ion Xoilimr-nhoti'iedo niclit »unroiokoii vörckon. IrNIn niekil sin« 8«vkunek «io» kspiovoroin-n ovkoleo. N»n int niakit xonakolion iincl «No losionnkoiiroiionrion 2un<»n«I« lüg «Ns Vronno finden niod voiton vornefiLnkt. Di« svlioii fgiisisg ton äon 1. untor nntekon Ilmit Linien von«»NL'08vIi«no Drfininine ^on NosuAnproins tileNit fün «Ns Xsiiimtzs' n iinnkvsnädwr. so «skr «i« im Intsg«««« «isi ökkentlieiien I-odenn vnä nieiit rnlotrt Im Intsrsnn« äsr L,v8vr ru ds- äautzgn int. ^nek viv nolion «in« üwlisr psnotiet, edonno vis ciis »nckern Leitunxon, «Nonen I,ne« Ileeli- n»nr» /.n 1r»»en. N«g Ne/.iii-«(ieein üsr kLest- ninesien Voik^eitunr? nnü «isr ^iiürinLsg Votstn- vva« Iit dstgürt vom I. A»i »d moostNed AK. 14.— bei fgsivg XuntsNnne. zinn üisnom 6eun«>« mnL bsi 6en I-enorn, «Ns «len Ns/nr?npg«>in für ünn 2 Vivrt«»Ij»I>i» entiieiiten, üsr Netrnr» von ^'o iillk. 4 — für !i!»l ,in«I ^unl nnefioriiosiea veräen. >Vir siitten nümtlieii« Neriefiei-, novolil «ior ZLelininefiea Volk«,.eil uns »I» aurk äer Hürilltzvr Vvlkn- vvriekt, üvn üstrs« von ^ ^ 8.— snf äsn 1^08t86d6o1l - Itooto vrL8äo» 14797 ««fort vinrursdlsn. Vorlux üor 8ül'li8j8olioii Volkn/oltiio» unä üvr Uslürinxor VvILß^aeUt. ziehen; sie wird nun die notwendige Antwort «m Landtage selbst zu geben haben. — Bisher war die Negierung zu dieser Ent scheidung äußerlich nicht gezwungen, weil die Kommunisten ihr im entscheidenden Augenblicke noch immer geholfen hatten. E» ist deshalb wenig wahrscheinlich, mindestens ist in Parlamentär,, scheu Kreisen davon nichts bekannt, daß sich die MchrheitSsozial» demokratie, wie einer Mitteilung des T.-S.-D., dem übrigen» die Demokratische Landtagsfraklion fernsteht, gesagt wird, seit Mona len bemühe, eine tragfähige Regierung zu bilden. SSchsische LaudeshcmptKelle «ege» den AlkohollSmu« Die alkoholgegnerijche Bewegung entbehrte bisher in Sachsen einer straffen Zusammenfassung. Zwar bestand schon seit dem Jahre 1904 ein „Sächsischer Zentralverband gegen den AlkohoiiS- muS", doch führte er nur von Zeit zu Zeit die ihm angeschlossenen Vereinigungen zu bestimmten engumgrenzten Aufgaben zusammen. So lag ihm hauptsächlich die Verteilung der vom Staat zur Be kämpfung des Alkoholismus bewilligten Mittel ob. Umfassendere, richtunggebende Arbeit zu leisten, war er nicht geschaffen. Die Notwendigkeit zu solcher Arbeit ergab sich zwingender als je zuvor nach Kriegsende,, als die während des Krieges ein- getretenen Beschränkungen der Herstellung, der Einfuhr und dcS Verkaufs alkoholischer Getränke wegficlen und die Kurve der Opfer des Rauschtranks, die im Vergleich zu den letzten FriedrnS- jahren 80 bis 90 Prozent abgesunken war, wieder rasch zu steigen begann. Wirksame Abhilfe konnte hier nur geleistet werden» wenn sich die Alkoholgegner zu planmäßiger, zielbewußter Arbeit mehr als früher zusammenfanden. Erleichtert, ja erst ermvakicht wurde diese durch die Mittel, die aus dem 1918 ringesührte» Branntweinmonopol zur Ver'ügung gestellt wurden. Der Schwerpunkt der Tätigkeit mußte in erster Linie auf die Beeinflussung der Heranwachsenden Jugend gelegt werden und demzufolge wurden als Erstes gemeinsame Lehrgänge zur Alkoholfrage für Lehrer und Erzieher in allen größeren Städten des Landes durchqeführt. Zahlreiche Lehrer konnten dainit tie'er in die wissenschaftlichen und Erzieherischen Grundtalsachen der Alkoholfrage eingefnhrt werden und auch außerhalb Sachsen» haben diese Lehrgänge Anerkennung und Nachahmung als vor zügliches und vorbildliches Mittel zur Aufklärung über die Alkohosqefahr gefunden. Für die innere Entwicklung der alkobolgegnerischen Be wegung brachten sie den Vorteil, das; sie die Einsicht in die Notwendigkeit euneren Zuiammenschluise.s rei'en ließen. Dieser wurde Anfang März 1922 in der Form beschlossen, daß dev bisherige Zeutralverband in eine „Sächsische Laudeshanptstelle gegen den Alkoholismus" umgewandelt wurde. Schon in dem Namen liegt ausgedrückt, daß damit eine der Reichshauptstelk«» gegen de» AlkoholiSmuS lBerlin«Dahlem, Werderstraße 15) ent sprechende Einrichtung gelchasieu werden soll. Sie ist auch insofern ähnlich aukaebaut, als sie lediglich die im gemeinsamen Interesse aller ange'ch^ossenen Vereinigungen lieaeuden Arbeiten anssührt, ihre Selbständigkeit, aber in keiner Weise beeinträchtigt. Der Ausbau soll nach Maßgabe der vorhandenen Mittel ebenfalls »ach dem Vorbild der Reichshauptstclle erfolgen. Vor gesehen ist vor allem die Einrichtung einer großzügigen Geschäfts« und Auskunftsstelle, von der aus die Bewegung überall im Lande angeregt und gefördert werden soll. Die Geschäftsstelle bekindet sich vorläufig Dresden-N., Ge'rgenstraße 3 (dicht am Albertvlah). Vorsitzender ist Dr. med. Martin Vogel, Kustos am Deutschen Hhgienemnsenm Dresden, stellvertretender Vorsitzender und Ge'chä'tSführer Oberlehrer W. Ulbricht. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle. —* Vom Feiertag. In erfreulicher Rübe und O>dn„ntz vollcoa sich «ur Fe«er ,es 1. Mai seitens der m«wr>>eits»oz anstsichen» unabkäng-g losialistischen und kouimunisti'chrn Paiiei in Drei en der oeweinlame Umzii''. ^ > 'wci'srtirichluna der von d«n v'i'ch ebensten Sairmsiplink en odmarichsion^en Gr„pv-'N war der Aliwarli. die oe» Ickposs ner Zü'e unier Vorantraoen vo« Fahnen und bea>ei et von Musllkoprll! n tragen dort, aclei'et von Ordnen«, ein. um sich »in die onk dem A'imarll er« ch etrn Re^neivulte »» lcharen, um den Worten von sechs R«dn>rn za tauschen, die auk die Beo ulnng de« T ge» »ür de Arbciterickiafl binwiebn. Eine zavlieiche 'll'enich'nmeiige kurlt den Platz «owie auch di- Bürgeiste ge der Anmaischstraßen bei« tz«. Ein ziveileS Ziel war der Festplag der Ausstellundorthin g«»n« in end losem Zuae duich die Sc,si>as;e, Prager Straße, Büraerwiese, Johann- Geo>« c.i-Allce »nd schnell war d«r gerann,' e Festp atz vo„ » rl>n Tausenden besitzt, »m den Daivi.timgen der Musiklape'len und " ibeiier» g langvereii.e dt>z»i»ohnen. die noch durch tu.nenschc und spoirlicha Veion «alliinnen craänu wurde,. äano tasssn .-si« ldrs bVSi-otrs von tb Icg »n bsi mir iv^soksn uo-l naotr Ovviokt v v kolgi bsrookn»" gsivasotzva uuck ^ 00 onlivdansrt - ^8 k<sü«sscks, Vrocksn«S5«ks, 10.VI Oröüts 8okovnvgl l-iskorevit 3—4 Ds-rs. 8>e>uäon<l ««siill dlsins 1V»^su bolsn uoä bringsa 6!« ^Vüüvks SL ll-WlASseliiril LüelAel» Karolas Leid und Liebe Roman von E. Grabowski (22. Fortsetzung.) <vi>i» Margit hatte ihr den Jungen zugeführt. Ein Man ne», unschönes Kind, mit d-n großen Augen der Mutter. Unver wandt ruhten sie auf Karolas blassem Gesicht, auf ihrer über schlanken Gestalt. Kein Wort sprach der Knabe den ganzen Lag hindurch. Aengstlich sagte Frau Margit zu ihrem Manne: „Ich fürchte, wir haben mit Lola wenig Glück bei dam Jungen. Er ist ganz scheu geworden." „Laß ihn," beruhigte er sie. «Der kleine Kongoneger" — wie er scherzend seinen Jungen nannte — «muß erst das Fremd« überwinden. Erst in ein paar Tagen können wir etwas Zu traulichkeit von ihm erwarten." Aber sie kam früher. Am Abend, als die „Dada" ihn holte, um ihn zu Bett zu bringen, schlang er seine Kinderarme um den Hals der neuen Tante und flüsterte ihr zu: „Ich bin dir gut!" Sa blieb es, zur Verwunderung Frau Margit»: „Ich er lebe das z.im ersten Male mit meinem Jungen; er geht sonst nicht so leicht zu Fremden, und wenn du nun auch zu uns ge hörst, für den kleinen Kerl bist du doch noch fremd." Fremd, das Wort haftete in Karolas Ohren, lebte weiter in ibrem Herzen; trotz aller Güte, die sie hier empfing, lastete die Fremde ans ihr. Noch fehlte die innere Zusammengehörig keit noch klaffte der Stwlt zwischen ihr und der neuen Ilm. gelung, den Land und Leben verschieden gearteter Men schen geschaffen. Langsam nur lebte sie sich in die neuen Ver. häsinisse ein. Frau Margit kümmerte sich nicht oiel um ihr Tun; die hatte mit sich z» tun und war froh, daß ihr das Kind abge- riouimcn war, daß e» so gut aufgehoben war bei ihr. Der Knabe, nicht schön, aber begabt und anschmiegend, gab KarolaS Leben Halt und Zweck. Fragen, an denen sie früher achtlos vorübergegongen war, drängten sich ihr hier ganz von selbst auf, hervorgerufen durch ein Leben, das ernste Arbeit nicht kannte, das genossen wurde wie Blumendust und Sonnen schein. DaS Studium der neuesten Moden, Kleiderfragen, über mäßige Körperpflege, Besuch«, die schon früh am Morgen ge. macht und entgegengenmnmen wurden, so nebenbei, gleichsam iw Vorübergehen, füllten die Zeit; der Nest wurde im Vergnügen vertun, das sich jeden Tay anders gestaltete. Karola, die bisher m Verhältnissen gelebt hatlr. die auf harter Arbeit anfgebaut waren, konnte sich an dieses Müßig- gehen nicht gewöhnen. ES kam ihr so zwecklos vor. Sie schaffte sich Arbeit, nahm ihre Lehrtätigkeit ernst und wurde dem klei nen Rudi Lehrerin und Gespielin. Eie halte es bald bemerkt, daß das Kinv verkümmern mußte in einer Umgebung, die der Psyche des Kindes nicht achtete. Rudi dankte es ihr mit An hänglichkeit und Gehorsam. Er wurde ihr Führer durch Hof und Stall, durch HauS und Garten, Dorf und Wald. Schloßarttg lag der alte Klosterban inmitten eines schönen, alten, aber ungepflegten Parkes. Der Vorplatz an der Morgen- front des Baues grenzte an einen Teich, dessen Ufer aus der Gartenseite mit Schmuckbäumen umsäumt waren. Weiße Trep penstufen führten tiefer hinein zu den hier lagernden Kahne» die nur dem Vergnügen dienten. Abseits von Schloß und Park lag das Dor*. Zweireihig, an der Straße, die kleinen, buntbemalten aus Lehm geb.inu'n Slowakenhäuser, dahinter ein niederer Hdhenzug, der mit Reben bepflanzt, guten Wein lieferte, den auch die königliche Tafel nicht verschmäbte, und der, auf echten Trebern lagernd, einen Tokayer ergab, den nur der Kenner nicht sür echt nahm. Industrie fehlte fast ganz in dem ausgedehnten, flachen Lande, hier herrschten Ackerbau und Viehzucht der. die ans den großen Gütern rationell, im Bauernstände nur für den Hans- bedarf gepflegt wurden. Jeglicher Mangel an modernen Ver kehrswegen schloß den kleinen Handel ans. Die fleißigen Slowaken, die am Tage auf den Gütern, nachts auf den eigenen, kleinen Feldern arheitelen, die bei ein fachster Lebensführung stark und kräftig wurden, die am Sonn tag in ihren bunten Trachten das Gotteshaus füllten, interessier ten Karola außerordentlich. Ihr Leben schien starr auf ver. alteten Prinzipien und Sitten aiifgebaut; aber von Amerika her brachten die jungen Burschen, die fast alle für kurze Zeit dah:n auswanderten, um sich dort Geld zu erwerben für den Land kauf, neue Ideen mit. Karola bemerkte das ebenso wenig wie die Gesellschaft, die durch Tradition und Bildung nur im losen Zusammenhänge mit dem Volke stand. So gingen ztziei Störmnngen, vorläufig noch friedlich, nebeneinander her. Neidlos ein Teil des Volkes, weil sein Leben so völlig verschieden war von dem anderen. Heiter, in vollen Zügen genießend all diejenigen, die den Kampf um» Dasein nicht kannten und Genuß für Lebcn hielten. Frau Margit gehörte in diese Klasse: Putz, Musik, Gesellig keit in ausgedehntem Maße füllte ihre Zeit; kaum daß ein Buch von ihr gelesen wurde, auch dieses nur dann, w"»n es sensationell war. Karola blieb diese,» Leben fern; aber auch Onkel Theodor fand sich darin nicht zurecht. Die Fra», die er liebte, entglitt ihm allmählich. Kam er aus seinem Amte herauf, war sie nicht daheim, oder sie batte Besuch, übte ein neues Klavierstück ein. oder musterte die neu angekommeinn Wiener Toiletten. Ep sagte einmal zu Karola: „So ist meine Frau, für Mann und Kind Hai sitz keine Zeit." Er stand da, an seiner Unterlippe nagend. Karola sah in den grauen Angen des Onkels ein Grübeln und Sorgen, daS ihr wehe tat. Aber sie wußte keinen Trost: Schöne Worte halse» hier nicht, waren auch nicht angebracht; so schwieg sie, gab ibre Teilnahme durch ih'rr Haltung kund. „Ja. so sieht eS aus bei uns." damit suchte Herr von Kitzingcn den peinlichen Eindruck seiner Worte zu verwischen, nahm seine Mappe und ging. Aus dem Mnsikzimmer kamen die Klänge de? neuesten Schlagers ans Wien. Frau Margit übte eines ihrer sehr be liebten „G'sianzeln" ein. 7. Der Winter ging hin in wechselvollen Vergnügungen, di'tz auch vor den ernsten Zeiten de? Advents und der Faste nicht Halt machten. Es wurde n'cht getanzt, so weit wahrte man den Anstand; aber es bot sich Ersah im üppiaen Gesell schaftsleben. Es wurde Themer gespielt, wurden Quartette und die KaffechauSsängerinnen aus Wien verschrieben, die Gelage bis in den Morgen hinaus ausgedehnt. Glanz entziehen konnte sich Karola dem geselligen Leben nicht, den Gesellschaften im Hause der Tante und besonderen Einladungen mußte sie Folge leisten. So wuchs sie langsam in die neuen Verhältnisse hinein: ererbte Instinkte machten ihr da? leicht und als ein paar Jahre ver gangen waren, hätte niemand in ihr das einfache Kind der Oder insel gesucht. Ihr Innenleben wurde durch die äußere ltinwandlung wenig berührt. Ihre Liebe zu Johannes war der Halt, der sie vor dem Versinken in dem leichten Leben schützte. Sic hatte ein paarmal in die Heimat aeschricbcn, an Tante Emma und an die Söblousenmeistersfrau, Antwort hatte sie von keiner Seite er halten. Einen weiteren Versuch machte sic nicht mehr. Ihr unbändiger Stolz hielt sie davon ab. lleber ibre Zukunft dachte sie nie nach. Es sprach niemand davon. Ilm so überraschter war sie, als eines Tages Frau Margit zu ihr sagte: Wie denkst du dir denn eigentlich dein ferneres Leben? Ich sehe dich stets abweisend gegen jede Annäherung unserer Herrenwelt, hast du denn noch nie daran gedacht, daß eS der Beruf der Frau ist, glücklich zu sein und glücklich zu machen? Ja, sich mich nur so recht erstaunt an, ich will wirklich den Frei- werbcr machen für den sungen Karvat. Du hast eS ihm ange tan, er ist rasend verliebt in dich und — was misschlaggcbend sein dürfte — er ist reich, einziger Erbe der ausgedehnten Län dereien seines Vaters." (Fortsetzung folgt.)
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