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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1859
- Erscheinungsdatum
- 1859-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-185911033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18591103
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18591103
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1859
- Monat1859-11
- Tag1859-11-03
- Monat1859-11
- Jahr1859
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.11.1859
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ff t . t -'-7 IN m 4^ »fl 4906 Freundschaft fein, aber ein wärme- Herz und ein warme- Blut muß sie formen. Doch es ist unmöglich, daß ich Ihnen jetzt schon die unzähligm mir zuströmenoeU Gedanken darüber prei-gebeN kann, die nun erst in meinem Kopfe sich läutern und reinigen müssen. So viel ist gewiß, daß ich von Euch aufgefordert sein möchte, den Riß zu dem schönen stolzen Gebäude einer Freundschaft zu machen, die vielleicht ohne Beispiel ist. Ihre Wanderung durch die Wissenschaften, liebster Freund, die Sie mir so lebhaft beschrieben haben, darf Sie niemal- gereuen. ES ist immerhin von entschiedenem Nutzen, wenn man in einem Felde zu Hause, und in den übrigen kein ganzer Fremdling ist. Sie haben Ihren Geist in verschie denen Sphären deS Denkens geübt, und laufen nicht mehr Gefahr, sich pedantisch in Ihr Hauptfach hineinzugraben. Meine jetzige Beschäftigung zu Gohlis wird die Thalia und der Carlos sein. Freilich, liebster Freund, wird daS Vergnügen mclner jetzigen Erlstenz durch den perspektivischen Anblick deS höheren Vergnügens, daS mich in unserem en geren Zirkel zu Dresden erwartet, um ein GroßdS gestört. Sie wissen ja, Lieber — eS ist die allgemeine Quelle der menschlichen Klagen, daß ihnen die Hirngespinnfte der Zu kunft den Genuß deS Augenblickes rauben. Sobald wir bei sammen find, schneide ich meine Zeit in drei Theile. Einer gehört dem Dichter, der zweite dem Arzt, der dritte dem Menschen. DaS ist freilich auch nur so eine Papierdistinc- tion, doch Sie verstehen mich ja. S. Bald hierauf sendet Körner wieder für deS Freundes seelen vollen Brief den wärmsten, brüderlichsten Händedruck, und von nun an tritt daS vertraute Du unter ihnen in seine Rechte ein. Die noch jetzt herrschende Neigung der Leipziger, sich während der Sommermonate in ländliche Wohnungen zurückzuziehen, war auch damals schon im Schwange. Namentlich war daS nahe- gelegene Dorf GohliS wegen deö schattigen Waldwegs durch daS Rosenthal beliebt und wurde von vielen Familien zum Aufent halte gewählt. Stocks waren hinausgezogen und auch Schiller miethete sich in dem kleinen Bauerhause ein, daS nun, seit einigen Jahren vom Schillerverein in Leipzig angekauft, zu seinem Gedächt- ntß erhalten wird. Unter den schönen Bäumen bei der Mühle, auf den Wegen im Walde, an den Ufern des Flusses wandelte er gern und häufig allein oder mit den Schwestern Stock. Auch Jünger wohnte im Dorfe, und Huber und andere Freunde ver größerten den geselligen Zirkel an heitern Abenden. Mit Macht trieb eS den Dichter, den Don Carlos hier der Vollendung zu- zufübren; denn er wünschte sein Werk beendigt zu haben, bevor er sich dem Brodstudtum ganz hingeben wollte. Auch Göschen zog zum Kupferstecher Endner nach Gohlis und lebte in ver trautem Umgänge mit Schiller. Es war die Zeit, da Göschen, unterstützt durch die Mittel Körner'S, mit aller Energie seine große Verlegenhätigkeit entfaltete. Der gewandte, lebhafte Mann war persönlich in Weimar und Gotha gewesen und hatte sich in Wie land, Bode und MusäuS Autoren gewonnen. ES lag nahe, mit dem befreundeten Schiller die Projekte und Unternehmungen seiner Buchhandlung zu besprechen und auch den berühmten Namen Schiller für seinen Verlag zu gewinnen, der bald die Koriphäen der damaligen Literatur in schönen und prächtigen Ausgaben umfaßte. In der Nähe von Borna, über vier Stunden von Leipzig entfernt liegt daS Gut KahnSdorf, welches der Familie dcS ver storbenen großen Lateiners Grnefti gehörte, die mit Körner ver wandt war. Auf diesem ehemaligen TuSculanum deS „Cicero der Deutschen" war ein erstes Zusammentreffen verabredet, zu dem Körner von Dresden und Schiller, Minna und Dora Stock. Huber und Göschen von Leipzig aus am 1. Juli ankamen. Der unvergeßliche Tag feierte ein Wiedersehen Körner'S mit seiner Braut und zugleich die erste persönliche Begegnung der Freunde Schiller und Körner. Hier war eS, wo fie fich den ersten Bruderkuß und damit dem Bunde für daS ganze bedeutungsvolle Leben die Weihe gaben. Eine Schilderung dieses kurzen Beisammenseins, wenn fie auch auS historischen Quellen geschöpft werden könnte, müßte zu einer Hymne auf Liebe und Freundschaft werden. Glücklicherweise ist uns ein Nachklang der Glückseligkeit, die den Freundeskreis durch drang, in dem folgenden Briefe Schillers aufbewahrt. Er schrieb Ihn gleich nach der am andern Tage erfolgten Rückkunft. Gohlis, 3. Juli 1785. Ich habe Lust, Dir heute recht viel zu schreiben, denn mein Herz ist voll. Ohnedem wirst Du mich vielleicht diesen N lachmittag unterwegs erwarten, und weil ich diese Hoffnung nicht erfüVen kann, stz soll iMtigKkns lueinie Geeke Dich be. gleiten. Die Zeit war vtzräestetn für meiNd Wünsche zu kurz, und ich hätte eine ^Hnrie gegen Meine Kameraden begangen, wenn Ich Dich Ntt mein EiHmthM hätte behan deln wollen. Also Mag dieser Brief heretnbrtngen, was neulich verloren ging. Bester Freund — der gestrige Tag, der zweite deS Julius, wird mir unvergeßlich bleiben, so lange ich lebe. Gäbe eS Geister, die unS dienstbar find und unsere Gefühle und Stimmungen durch eine sympathetische Magie fortpflanzen und übertragen, Du hättest die Stunde zwischen halb acht und halb neun Vormittag- in der süßesten Ahnung empfin den müssen. Ich weiß nicht mehr, wie wir eigentlich darauf kamen, von Entwürfen für die Zukunft zu reden. Mein Herr wurde warm. ES war nicht Schwärmerei, — philo sophisch-fest« Gewißheit war'S, waS ich Ich der herrlichen Perspective der Zeit vor mir liegen sah. Mit welcher Be schämung, die nicht niederdrückt, sondern männlich empor- rajF, sah ich rückwärts in die Vergangenheit, die ich durch tle unglücklichste Verschwendung mißbrauchte. Ich fühlte die kühne Anlage meiner Kräfte, daS mißlungene (vielleicht große) Vorhaben der Natur mit Mir. Eine Hälfte wurde durch die wahnfinnige Methode meiner Erziehung und die Mißlaune meines Schicksals, die zweite und größere aber durch mich selber zernichtet. Tief, bester Freund, habe ich das empfunden, und in der allgemeinen feurigen Gährung meiner Gefühle haben fich Kopf und Herz zu dem herkulischen Ge lübde vereinigt — die Vergangenheit nachzuholen, und den edlen Wettlauf zum höchsten Ziele von vorn anzufangen. Mein Gefühl war beredt und theiltr fich den anderen elek trisch mit. O, wie schön und wie göttlich ist die Berührung zweier Seelen, die fich auf ihrem Wege zur Gottheit be gegnen. Du warst bi- jetzt noch mit keiner Sylbe genannt worden, und doch laS ich in Huber'S Augen Deinen Na men — und unwillkürlich trat er auf meinen Mund. Un sere Augen begegneten sich, und unser heiliger Vorsatz zer schmolz in unsere heilige Freundschaft. Es war ein stummcr Handschlag, getreu zu bleiben dem Entschlüsse dieses Augen blicks — fich wechselweise fortzureißen zum Ziele — fich zu mahnen und aufzuraffen einer den andern — und nicht stille zu halten bis an die Grenze, wo die menschlichen Größen enden. O, mein Freund! nur unserer innigen Verkettung, ich muß fie noch einmal so nennen, unserer heiligen Freund schaft allein war eS Vorbehalten, unS groß und gut und glücklich zu machen. Die gütige Vorsehung, die meine leisesten Wünsche hörte, hat mich Dir in die Arme geführt, und ich hoffe, auch Dich mir. Ohne mich sollst Du eben sowenig Deine Glückseligkeit vollendet sehen können, als ich die mcinige ohne Dich. Unsere künftig erreichte Vollkommen heit soll und darf auf keinem anderen Pfeiler als unserer Freundschaft ruhen. — Unsere Unterredung hatte diese Wen dung genommen, als wir auSsttegen, um unterwegeS ein Frühstück zu nehmen. Wir fanden Wein in der Schenke. Deine Gesundheit wurde getrunken. Stillschweigend sahen wir unS an, unsere Stimmung war feierliche Andacht, und jeder von unS hatte Thränen in den Augen, die er fich zu ersticken zwang. Göschen bekannte, daß er diese- Glas Wein noch in jedem Gliede brennen fühlte, Huber'S Geficht war feuerroth, als er unS gestand, er habe noch keinen Wein so gut gefunden, und ich dachte mir die Einsetzung deS Abend- mahlS — „Diese- thut, so oft ihr'- trinket zu meinem Gedächtniß." Ich hörte die Orgel gehen und stand vor dem Altäre. Jetzt erst fiel - unS auf die Seele, daß heute Dein Geburtstag war. Ohne eS zu wissen haben wir ihn heilig gefeiert. — Theuerster Freund, hättest Du Deine Verherr lichung in unseren Gesichtern gesehen — in ^er vom Weinen erstickten Stimme gehört: in dem Augenblicke hättest Du sogar Deine Braut vergessen, keinen Glücklichen unter der Sonne hättest Du beneidet. Der Himmel hat unS seltsam einander zugeführt, aber in unserer Freundschaft soll er ein Wunder gethan haben. Eine dunkle Ahnung ließ mich so viel, so viel von Euch erwarten, als ich meine Reise nach Leipzig beschloß, aber die Vorsehung hat mir mehr erfüllt, als fie mir zusagte, hat mir in Euren Armen eine Glückseligkeit bereitet, von der ich mir damals auch nicht einmal ein Bild machen konnte. Kann diese- Bewußt sein Dir Freude geben, mein Theuerster, so ist Deine Glück seligkeit vollkommen. .st I m 'ch
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