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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186001192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-01
- Tag1860-01-19
- Monat1860-01
- Jahr1860
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1860
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die Ausbildung und Zurichtung zu einem bestimmten LebenSbe- rufe. Der um die Biographie Lessings ungemein verdiente ver ewigte Danzel äußert sich über diese Seite Lessings also: Lessing hatte sich zur Wahl eines bestimmten Studiums nicht entschließen können. Mit der Theologie mochte er nichts zu thun haben; die Jurisprudenz hat ihm immer fern gelegen; seinen Entschluß, Arzt zu werden, hat er nicht ausgeführt; daß er sich auf Schulsachen gelegt, was er ohnehin nur nebenbei hatte thun wollen, hat nicht die Folge gehabt, daß er sich um ein Schulamt beworben hätte, denn zum Professoriren hatte er keine Lust — es war eben nichts aus ihm geworden (— nichts weiter als ein großer Mensch). Aber der Unterschied ist freilich, daß er dieses Nichts zu etwas gemacht, daß er einem neuen Lebensgebiete und Lebens berufe das Recht erkämpft hat, als integrirendes Glied des Lebens zu gelten — und dieses Lebensgebiet fand er schon in Leipzig heraus. Es wurde ein Schriftsteller aus ihm. Leipzig aber, das seinen Lessing wenn auch nur als Jüngling sah und daö länger in Lessing zu studiren hat, als er in Leipzig gethan, kann mit Hamlet ausrufen: Le vL» » mLv, take Kim kor »U in »II, I skull not look upon kis llke »xain. Der Mann, weicher Moskau verbrennen ließ. Im 9. Bande seiner „Denkwürdigkeiten" (Leipzig, Brockhaus) macht uns Varnhagen von Ense vor Allem bekannt mit der vornehmen Gesellschaft in Karlsruhe, besonders mit den verschie denen Höfen, die in der kleinen Residenz neben einander bestanden, außerdem begleiten wir den Verfasser bei seinen gelegentlichen Reisen nach Stuttgart, Brüssel, Berlin u. s. w. Einen Theil des Som mers hielt er sich regelmäßig in Baden auf, das schon damals während der Bademonate zu den glänzendsten Mittelpunkten der europäischen Aristokratie gehörte. Namentlich zahlreich war dort immer der russische und französische Adel vertreten. Unter den Ge stalten , die hier in buntem Wechsel an unS vorüber ziehen, fesselt keine mehr den Blick als die des Grafen Rastoptschin, des blutigen Helden von Moskau, dessen Bekanntschaft Varnhagen im Tettenborn'schen Hause machte. Aus seiner Schilderung, die eine der anziehendsten Partien des vorliegenden Bandes bildet, theilen wir in Folgendem die wichtigsten Züge mit: „ Er kam von Paris, wo er einen längeren Aufenthalt gemacht, und schien ganz erfrischt und erweckt von der geistigen Bewegung, deren Wirbel ihn dort ergriffen hatte. Von Jugend auf einge weiht in französische Bildung und wohlgeübt in allen Feinheiten und allem Witze französischer Unterhaltung, fesselte er durch seine leichte, freie Mittheilungsweise, deren Reiz noch erhöht wurde, wenn man bald gewahrte, daß dieses reiche Spiel von Getstesweben einen Hintergrund von eiserner Willenskraft und rücksichtsloser Selbstbestimmung hatte, von denen die Vorstellung halbwilder Leidenschaft und roher Gewalt kaum zu trennen war. In der Thal mischte sich in dm Genuß, den jedermann in seiner Unter haltung fand, oft unwillkürlich ein Schauder und ein Staunen, und man fühlte das Bedürfnis, diesem Manne gegenüber sich zu fassen und zusammenzunehmen. An Talent, an Witz und Scherz an Unerschöpflichkeit der Laune stand Rastoptschin dem Fürsten von Ligne nicht nach, aber unendlich verschieden war der Eindruck! Wenn man sich bei Ligne's heitrem Scherze wie auf weichem Moose geschaukelt fühlte, so ahnte man bei Rastoptschin den Boden von scharfen Stacheln besäet, zwischen denen der Fuß vorsichtig zu setzen war. Ich glaube wirklich, daß ohne seine Rednergabe sein Wesen nur abstoßend gewesen wäre, doch diese zog unwiderstehlich an." „Eine- Abends, da der Kreis bei Tettenborn nur klein und vertraut war, gab uns Rastoptschin unerwartet die vollständige Erzählung des Brande- von Moskau und seiner Betheiligung dabei. Er spottete der Meinung, welche glaubte, er habe die un qeheure Hauptstadt mit einer Fackel angezundet, wie man auf der Bühne den Brand von Persepolis bloS durch die Hand der Thais aufflammen sehe. „Ich habe, sagteer, die Gemüther der Menschen entründet, an diesem furchtbarsten Feuer entzünden sich die Pech- faaeln leicht." Er gab nun die Maßregeln an, die er als Gou verneur ergriffen, die Fortschaffung der Feuerspritzen, wobei noch die besondere Rücksicht waltete, daß die Sprihenleute ein militairi- scher Körper warm, der dem Feinde nicht überlassen werden konnte, ferner die Oeffnung der Gefängnisse, die Anstalten aller Art, um die Franzosen keine an HülfSmitteln überreiche Hauptstadt, sondern nur eine Stätte der Verwüstung finden zu lassen, endlich das ent scheidende Beispiel, das er selbst durch Niederbrmnung seines außer halb Moskau'- gelegenen Pallastes gegeben. Er legte seine Ge dankenfolge, seine Triebfedern und Empfindungen dar, und ge stand, daß er nicht- gefühlt habe als dm Unwetth aller Güter, wenn da- Vaterland zu Grunde gehe. Daß er in diesem Gefühle mit dem Volke gleich empfunden, habe der Eifer gezeigt, mit welchem sein Gedanke sei auSgeführt wordm. Pechkränze und Pechfackeln warm bald in dm Händen der wilden Rotten, die sich selber eine Art von Ordnung gaben und die Rollen wie die Stadt viertel unter einander vertheilten, wiewohl dies alles in der Wuth und Eile der Ausführung sich wieder verwirrte, so wie auch meh rere Pulverschläge, die dem Feinde zu besonderem Schaden berech, net waren, durch Uebereilung oder Versäumniß in ihrem Zwecke vereitelt wurden. Die Zerstörung im Ganzen aber war ungehmer, sie übertraf alle Voraussicht, und wmn der dadurch dem Feinde angethane Schaden sich bald als ein tödtlicher und als eine neue Wendung der Geschichte erwies, so war im Augenblick doch der Preis des Gewinne- zu gräßlich vor Augen, als daß man den Urheber hätte rühmen mögen. Einen Werth von fünfhundert Millionen Rubel und gegen dreitausend Menschen hatte der Brand von Moskau verzehrt. Ob wir, die wir den Mann, der solches Ungeheure eingeleitet, jetzt so fein und artig als friedlichen Erzähler desselben in unsrer Mitte sahen, nicht einigen Schauder des Stau nens empfanden, möge der Leser am eignen Gefühl ermessen! „Auch durfte die That in Rußland geraume Zeit nicht einge standen werden, im Volk und Heere befestigte sich der Glauben, der Feind habe Moskau verbrannt, und man fand gerathen, diesem Glauben nicht zu widersprechen. Rastoptschin selbst erntete von vielen Seiten Vorwürfe und Mißbilligung; durch einen Vorgang, dessen wir gleich näher gedenken werden, hatte er sich dm Unwillen des menschenfreundlichen Kaisers Alexander noch besonder- zuge zogen ; bald sah er den russischen Boden, der von Sieg und Ruhm neu erglänzte, unter seinen Füßen überall wanken, und säumte nicht, ihn mit dem von Deutschland und Frankreich zu vertauschen. „Es ist ein merkwürdiger Zug in Rastoptschin, und unsres Bedünkens nur ein neue- Zeugniß seiner innern Macht, daß er in späteren Jahren, um nach Rußland^ zurückzukehren und dort friedliche Verhältnissen finden, durch eine besondere Druckschrift sich von dem Brande Moskau's lossagte, seinen allbekannten Antheil an diesem Ereigniß verläugnete, und somit auch den unsterblichen Ruhm preisgab, der von daher an seinem Namen haftete. Der nächste Zweck überragte in ihm alles andre, man kann sagen, daß er Moskau nochmals opferte, jetzt da- seinige!" „Was den Kaiser Alexander gegen Rastovtschin unheilbar miß- stimmte, war folgende bejammernswetthe Geschichte, die ich wie dergebe, wie sie mir von einem vornehmen wohlunterrichteten Russen späterhin erzählt worden ist. Als die Franzosen im An- ge gegen Moskau waren, betraf eines Tages die Polizeiwache eine Gruppe junger Russen, welche einem andern begierig zuhörten, der ihnen aus einem französischen Blatte den neuesten von Napo leon erlassenen Aufruf übersetzte. Der Dolmetscher wurde sogleich als Verbrecher behandelt und fortgeschleppt. ES war ein junger Mann von vierundzwanzig Jahren, Hauptmann außer Diensten, Namens Werischalin, und kein Verdacht einer bösen Absicht konnte bei seiner Unklugheit ihn treffen, im Gegentheil, alle Zeugnisse erhärteten, daß er seinen Landsleuten die Worte deS Feinde- in Ungunst und zum Mißfallen vorgetraaen. Doch Rastoptschin hielt sich an die-äußerliche Thatsache des Verbreitens französischer Auf rufe, wollte nichts weiter hören, und fühlte im eignen Grimme, daß auch der des Volkes eines Opfer- bedürfe, an ihm sich zu sättigen, zu stärken. Er pflegte die vor seiner Wohnung stets ver sammelte und oft tobende Menge von dem Absatz einer hohen Frei treppe herab anzureden, die aufgeregten Gemüther durch seine kurzen, zündenden Worte noch heftiger aufzuregen. Dorthin ließ er den jungen Werischalin herausführen, und als er ihn erblickte, rief er im größten Zorn: „Aber mehr als die Franzosen find die Verräther unsre Feinde! Die verdienen tausendmal mehr als jene unfern Haß, das ausgesuchteste Verderben. Da sehet ihr einen, der Na- poleons Aufgebote verbreitet hat, da sehet ihr euern ärgsten Feind!" Nun ergoß er sich in Vorwürfen und Schimpfreden gegen den Gefangenen selbst, und zuletzt, indem er sich abwandte, befahl er dem nächsten Polizeisoldaten: „Schlag ihn!" Der Soldat gab einen Hieb mit flacher Klinge. „Ei was! rief Rastoptschin, der sich wieder herzuwandte, das will nichts sagen, überlaßt ihn dem Volke, das wird schon besser mit ihm umspringen!" Sogleich wurde der Unglückliche zu dem wüthenden Pöbel hinabgestoßen, und in wenig Augenblicken war er in tausend Stücke zerrissen, seine Glieder, sein ganzer Körper verschwand völlig, ein Stück Hand mit ein Paar Fingern war alles, was sich auf dem Platze noch fand, als die Menge sich endlich zerstreut hatte! — „Diese Gräuelgeschichte war jedoch so nicht abgethan, sie tauchte furchtbar wieder auf. Im Anfänge des Jahres 1813, an einem Orte in Polen, wohin den Kaiser Alexander die Bahn deS Siege« geführt hatte, wurde ihm ein Greis vorgeführt, der ihn zu sprechen verlangte, Dem Alten schlotterten die Kniee und bebten die Lippen; als er vor dem Kaiser war, siel er weinend und flekend hin, und konnte wohl fünf Minuten lang kein Wort herauSvringen. Der Kaiser, in peinlichster Unruhe, schien mit sich selber schwer zu ringen. Er wußte, daß der alte Werischalin vor ihm lag. Dieser kam endlich zu Wort, forderte Untersuchung, und, im Fall sein Sohn unschuldig befunden würde, Wiederherstellung der Ehre desselben; er wehklagte über sein nun kinderlose- Alter, seine nun ervlosen Güter. Der Kaiser suchte ihn zu beruhigen, sprach ihm liebreich zu, verhieß ihm Gerechtigkeit; er wisse schon, sagte er, daß der junge Mann keiner Verräthekei schuldig gewesen, daß er keine Verbindung mit dem Feinde gehabt, und entließ den Alten tröstend
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