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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-01-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186001192
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600119
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600119
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-01
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.01.1860
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bietet, ist der Untergang des deutschen Kaisergeschlechts der Hohen staufen, das tragische Schicksal Conradins, des letzten Sprossen dieses edlen Stammes. So vielfach dieser Gegenstand auch bereits für das Theater benutzt worden ist, so ward doch bis jetzt noch mit keinem der betreffenden Dramen etwas wirklich Bedeutendes und Nachhaltiges erreicht. Um so erfreulicher ist es nun, daß wir in dem Trauerspiel „die Braut Conradins" von Gustav von Meyern, das am 17. d. M. hier und überhaupt zum ersten Male auf der Bühne erschien, eine endliche glückliche Lö sung der schönen Aufgabe begrüßen können. Der Dichter hatte sich bereits vor einiger Zeit durch sein Drama „Heinrich von Schwerin", das auch hier allseitige, gerechte Anerkennung fand, auf ehrenvolle Weise in die dramatische Literatur eingeführt. In seinem neuen Werke giebt sich nun ein so großer und bedeutsamer Fortschritt, namentlich ein so hoher Grad von Abklärung des Talents zu erkennen, daß man das Trauerspiel „die Braut Con- radins" ungescheut zu den bedeutendsten Erscheinungen der Gegen wart auf dramatischem Gebiete zählen kann. Es ist in diesem Trauerspiele der Stoff in eigenthümlicher und dennoch der geschichtlichen Wahrheit nicht zu nahe tretender Auf fassung wieder gegeben. Besonders hervorzuheben ist zuerst, daß G. v. Meyern den nicht selten von modernen Dichtern histo rischer Dramen begangenen Mißgriff — zu viele der großen Er eignisse vorzuführen und zu weit auszuholen — mit feinem Tack vermieden hat. Er giebt nur so viel von dem gewaltigen, massen haften Stoff, als sich in dem engen Rahmen des Drama's zu einer wirklich einheitlichen Gestaltung zusammenfassen läßt. Das Stück beginnt mit der Flucht Eonradins nach der unglücklichen Schlacht bei Tagliacozzo, behandelt demnach — die früheren Ereig nisse und namentlich die Motive zu dem Zuge Eonradins n'ach Neapel in der Exposition nur kurz, aber sehr klar und bestimmt andeutend — den letzten Abschnitt in dem Leben des Helden. Wir sehen in dem Trauerspiel die an und für sich höchst spannende und interessante Handlung mit einer von großer Bühnenkenntniß zeugenden maßvollen Eintheilung der Wirkungsmittel, in fort währender Steigerung bis zu dem gewaltig erschütternden und doch auch versöhnenden Schluß hin sich entwickeln. Ein großer Vorzug des Stücks ist es ferner, daß nach den tief ergreifenden Scenen des dritten Acts, wohin wie in jedem guten Drama die große Ka tastrophe gelegt ist, der vierte Act nicht abfällt, denn hier tritt uns die in den kräftigsten Umrissen und mit fast dämonischem Colorit gezeichnete Gestalt Karls von Anjou zum ersten Male ent gegen. Den Monolog desselben zu Anfänge des vierten Acts kann man wohl zu dem Bedeutendsten rechnen, was in neuerer Zeit in dieser Beziehung geschrieben worden. Der Dichter entrollt hier ein großes, in seiner Furchtbarkeit wahrhaft schönes Charakterbild, das für sich selbst das höchste Interesse in Anspruch nehmend dazu dient, die Sympathie für Conradin noch zu erhöhen. Ebenso vortrefflich wie Karl von Anjou gezeichnet ist, sind auch alle anderen Charaktere durchgeführt, obgleich es damit na mentlich bei dem schwankenden Frangipani und dem Jntriguanten Bari seine großen Schwierigkeiten gehabt haben mag. Alle Figuren dieses Trauerspiels sind unbeschadet des sie umgebenden poetischen Glanzes wirkliche Menschen von Fleisch und Blut, und das ist ein Vorzug, der um so höher zu schätzen ist, als wir nur zu oft in neueren dramatischen Werken die Consequenz in der Charakter zeichnung vermissen, als wir nicht selten krankhaften und abge- dlaßten, wohl auch unfertigen Gestalten begegnen müssen. In der Form, wie sie die Regeln der höheren Aesthetik vorschreiben, bewegt sich G. von Menern mit vollkommener Freiheit, ebenso wie seine durchaus schöne, kräftige, blühende und dennoch nicht ins Überschwängliche gerathende Diction neben einer bedeutenden poetischen Naturbegabung einen ungewöhnlich hohen Grad von Sicherheit in Beherrschung der sprachlichen Mittel bekundet. Das neue Trauerspiel von G. v. Meyern wird seinen Weg über die deutschen Bühnen machen und als eine der hervorragend sten Dichtungen der Neuzeit ohne allen Zweifel einen bleibenden Werth für die Literatur behalten. Gereicht es unserer Bühne zur Ehre, dieses schöne Werk zuerst zur Darstellung gebracht zu haben, so nicht minder die Art, wie das geschah. Auf diese Aufführung kann unser Theater stolz sein; sie war eine der höchftftehenden Leistungen, die Referent überhaupt hier gesehen. Hatte die Direk tion bezüglich äußerer Ausstattung und eines künstlerischen mi,e- en-seLue Alles für dieses Trauerspiel gethan, so war man ebenso mit der größten Sorgfalt an das Einstudiren gegangen. Die zahlreichen großen und sämmtlich sehr dankbaren Rollen sind trefflich vertreten. Der schöne Gegenstand hatte die Darsteller sichtlich angeregt, ihr Bestes zu thun. Die Rollen des Conradin und der Clara sind wie berechnet für die Eigenthümlichkeit des Herrn Flüggen und des Fräulein Paul mann. Wußte Er- sterer unbeschadet der natürlichen Kraft und Frische des Charakters das echt deutsche träumerische Element höchst wirkungsvoll wieder zu geben und uns so die poetische Gestalt des jungen Helden in glänzendem Lichte vorzuführen, so sahen wir in Fräulein Paul- manns Darstellung die duftige Poesie, das rein Weibliche, das der Dichter in der Gestalt der Clara schildert, zu schönster und nachhaltigster Geltung kommen. Auf gleicher Höhe stehen die Leistungen der übrigen Darsteller, da auch diesen die ihnen anver trauten Rollen besonders zusagen mußten. Eine gewaltige und imponirende Gestaltung war namentlich die des Herrn Stürmer als Karl von Anjou. Es steht dieselbe in ihrer Art neben dieses Darstellers bekannten und oft gebührend anerkannten trefflichen großen tragischen Leistungen. Herr Kühns bewährte in der Rotte des Bari sein schönes Talent zu scharfer Charakteristik und na mentlich gelang es ihm, die eisige berechnende Kälte neben dem glühenden Ehrgeiz dieses Jntriguanten zur Anschauung zu bringen. Eine anmuthige, von dem Dichter mit großem Geschick ge zeichnete Figur ist die Constance de Bari. Das französische Blut verläugnet sich in dieser anfänglich nur auf äußeren Glanz und auf Vergnügen bedachten Frau nicht; dock auch dieser Charakter entwickelt sich nach und nach zu höherer Bedeutung und gewinnt Ansprüche auf die lebhafteste Sympathie. Die Darstellerin, Frau Wohlstadt, ging auf alle die Intentionen des Dichters ein und konnte somit in dieser Rolle auf das Beste wirken. — Die zwar weniger umfangreichen, aber dennoch sehr interessanten Rollen des Frangipani und des Grafen von Flandern wurden von den Herren Czaschke und Kökert in jeder Beziehung lobwürdiq durchge führt; ebenso brachte Herr Saalbach die Rolle des Hermann von Hürnheim in entsprechender Weise zur Darstellung. — Den Friedrich von Baden, in dem der Dichter ein sehr interessantes Seitenftück der Constance de Bari hinstellt, gab Herr Brauser. Derselbe ist erst seit Kurzem Mitglied unserer Bühne. Es war das die erste bedeutendere Rolle, in der ihn Referent sah. Es ist dem talentvollen und mit guten äußeren Mitteln ausgestatteten Darsteller zu dieser Leistung nur Glück zu wünschen. Das Trauerspiel fand eine sich von Act zu Act steigernde höchst günstige Aufnahme beim Publicum; der große Beifall galt ebenso dem schönen Werke wie den Darstellern. Letztere wurden vielfach durch Applaus und Hervorruf ausgezeichnet, wie auch am Schlüsse der Dichter gerufen ward. Das Werk wird, obgleich die erste Vorstellung verhältnißmäßig nur schwach besucht war, voraus sichtlich Repertoirstück werden, was es vor vielen andern neuen Erzeugnsssen auch vollkommen verdient. F. Gleich. Fünftes Euterpe-Lonccrt. v. v. Die musikalische Direktion der Euterpe ist nun vor läufig vertretungsweise für Herrn Musikdirektor Langer in die Hände des Herrn Julius von Bernuth übergegangen; seine vorgestrige Leistung berechtigt zu den besten Hoffnungen und wir begrüßen gerne in ihm eine junge willige Kraft, von der wir be stimmt glauben für die ferneren Bestrebungen des Vereins Tüch tiges erwarten zu dürfen. Fräulein Emilie Wigand, gegenwärtig Schülerin des Prof. Götze, sang Ave Maria von Cherubim und die Concertarie von Mendelssohn; ihre Stimme ist schön und ausgiebig, auch be sitzt sie Gewandtheit und musikalisch richtige Empfindung und Wärme. Der Vortrag des ersten Stückes war durch große Schüchternheit sehr beeinträchtigt, die Mendelssohnsche Arie kam zwar freier zum Ausdruck, doch glaube ich, daß die besten Kräfte, welche die Sängerin besitzt, sich noch nicht völlig unbefangen gaben, deshalb sei eine näher eingehende Meinung noch bis zu ihrem nächsten Auftreten Vorbehalten; es ist zu wünschen, daß öfter Gele genheit in die Oeffentlichkeit zu treten ihr sich darbieten möge. Herr Arno Hilf, Mitglied des Euterpe-Orchesters, spielte den ersten Satz des Militair-Concertes von Lipinski und die Ciaconne für Solo-Violine von Bach (mit überflüssiger Clavier- begleituna von Mendelssohn). Seine Technik ist sehr hübsch, der Ton kräftig und wohlklingend, auch die Reinheit seines Spieles ist durchaus zu loben. Aber es fehlt etwas an Leben und Schwung und feinerer Schattirung; er selbst bleibt augenscheinlich ruhig oder giebt nicht unbefangen, was er empfindet, und sein Spiel wirkt deshalb entsprechend einseitig, und interessirt trotz der gerne aner kannten Vorzüge nur theilweise. Mehr Freiheit, Kraft und musi kalische Belebung müßte Herr Hilf besonders zu erreichen suchen, um seine sonstigen guten Eigenschaften richtig zu verwerthen. Das Militairconcert hat nun übrigens seine Zeit ausgedient, und man könnte es, ohne eine Jmpietät zu begehen, sehr wohl bei Seite legen; wenn durch eine solche abgestandene Musik der Spieler nicht ergriffen und der Zuhörer gelangweilt wird, so kann man es beiden nicht verdenken. — Die Clavierbegleitung bei Bachschen Solo stücken (so auch die Schumannsche zu den Violinsonaten) spielt immer eine etwas verlassene Rolle, sie sagt nichts, was nicht in der Principalstimme genügend ausgesprochen wäre (bekräftigt höch stens einzelne Rhythmen) und mischt in den ruhigen Gang des Soloinstruments ein zweites Klangelement, dessen Absicht nicht wie beim wirklichen Duo gleichberechtigt und mit der andern Stimme zugleich entstanden, sondern erst nachher hineingetragen ist, und deshalb öfter störend wie bereichernd auftritt. Das Orchester trug die eigenthümliche Lodoiska-Ouvertüre von Cherubini und die L äur-Symphonie von Betthoven sehr gut vor und erwarb sich allgemeinen und wohlverdienten Beifall; der neue Dirigent bestätigte, wie schon oben erwähnt, die für ihn vorgefaßte
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