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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186001294
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600129
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600129
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-01
- Tag1860-01-29
- Monat1860-01
- Jahr1860
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1860
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416 Licht einsaugenden und deshalb dunkelsten Körper unserer Wohn- räume; allein auch sehr dunkele Tapeten, namentlich jene den Sammet nachahmende Bekleidung der Wände in veilchenblauer Seide gehören hierher, und so angenehm es in einer größer» Woh nung ist, ein solches Zimmer zu besitzen, welches auch bei Hellem Wetter ein trauliches Helldunkel gewährt, so wäre es doch aus vielen Gründen (die sich zum Theil aus dem Nachfolgenden er geben werden) ein arger Mißgriff, wollte man eine so dunkle Wand bekleidung für Wohnzimmer oder Arbeitszimmer wählen. — Wenn dagegen die beleuchteten Gegenstände das Licht zurückwerfen, so erscheinen sie unserem Auge (welches die zurückgeworfenen Licht strahlen in sich aufnimmt und empfindet) hell und zwar um so Heller, je mehr Lichtstrahlen sie zurückwerfen, — oder sie erscheinen gefärbt, wenn sie vorzugsweise das Licht einer bestimmten Farbe zurückwerfen, daS übrige aber einsaugen. Helle und farbige Gegen stände sind an sich unfern Augen nicht unangenehm und nur wenn sehr viele Lichtstrahlen auf die hellste aller Oberflächen, auf die weiße (welche das Licht aller Farben zurückwirft und eben des halb weiß erscheint) auffallen, dann wirkt dies unangenehm auf uns ein, die übergroße Lichtmasse thut unserm Auge weh und wir nennen eine solche Beleuchtung blendend. Mit dem gleichen Ausdrucke bezeichnen wir aber auch das un angenehme Gefühl, welches glänzende Flächen bei längerer Be trachtung in unserm Auge Hervorrufen, obwohl da-, was man „Glanz" nennt, nicht gerade von der Menge der Lichtstrahlen ab hängt, sondern vielmehr dadurch bedingt wird, daß Lichtstrahlen von zweierlei Farbe unter eigenthümlichen Verhältnissen von den Gegenständen zurückgeworfen werden. Eigentlich blendend wir ken aber diejenigen Gegenstände, welche das von einem leuchtenden Körper empfangene Licht in parallelen Lichtstrahlen nach unserm Auge zurückwerfen, wie dies z. B. ein Spiegel thut, wenn sich der Sehende ihm gegenüber mit seinen Augen im Reflexionswinkel be findet. Bei der künstlichen Beleuchtung sind derartige Blendungs spiegel von Metall (Reverberen) nur auf Treppen, an Verkaufs läden u. s. w. gebräuchlich, denn die Schmerzen, welche sie Her vorrufen, sobald bei einer solchen Beleuchtung gearbeitet werden soll, haben besser als ärztlicher Rath sie fern zu halten gewußt. Höchstens wird der eine oder der andere unserer Leser die blenden den Lichtstrahlen eines halbgeöffneten Fensters in einem gegenüber liegenden Gebäude beim Sonnenlicht schmerzlich empfunden haben. Dennoch wirken derartige Blendungen fast täglich auf Hunderte von Augen störend und verderblich ein durch die Wandtafeln der Schulen; ein großer Theil derselben hat eine glänzende, statt einer matten und eine nicht völlig tiefschwarze Oberfläche, hängt außerdem so, daß ein Theil der Zuhörer nur den vom re- flectirten Lichte hervorgebrachten Glanz und nicht die Figuren auf der Tafel wahrnehmen kann. Dieser Zustand kommt gewöhnlich erst dann zur Kenntniß des Lehrers, wenn er bemerkt, daß die Kinder die auf die Tafel gezeichneten Gegenstände nicht zu er kennen vermögen, und man sucht sich nun dadurch zu helfen, daß nach dem Zeichnen die Tafel in eine schiefe Richtung zur Wand gebracht wird. Gerade hierdurch wirkt sie um so nachtheiliger, und man wird wohl nicht irren, wenn man den Grund vieler Augenleiden, der jetzt so überhand nehmenden Kurzsichtigkeit in der fehlerhaften Aufhängung der Wandtafeln (neben andern Schäd lichkeiten in der künstlichen Beleuchtung) sucht. Auch die Erwach senen setzen sich ähnlichen Blendungen fast täglich aus durch den Gebrauch der Lampen aus polirtem Messing. Die glän zende Oberfläche derselben ist für die Augen ein wahres Gift zu nennen, und es beweist, wie völlig unbekannt die meisten Menschen mit dem sind, was ihrem eigenen Körper nützlich oder schädlich ist, daß gerade die aus Messing gearbeiteten sogenannten Schiebelam pen sich schneller und gleichmäßiger als irgend eine andere Lampen art in den Haushaltungen ausgebreitet, richtiger gesagt eingenistet haben, während die weniger Oel verbrauchenden, mithin billigeren, gleichmäßiger brennenden und mit mattem Ueberzug versehenen, also den Augen nicht nachtheiligen kleinen Moderateurlampen viel mindern Anklang gefunden haben. Es ist eine merkwürdige, aber seit Jahrhunderten immer wieder bestätigte Thatsache, daß eine Menge Menschen lieber nach dem minder Guten und Schädlichen greift, als nach dem Bessern und Vortheilhaften! Neben der metallglänzenden Lampe mit ihrem grellen, den Augen allzu nahen Lichte sind auch noch andere glänzende Gegenstände von Nachtheil. Wie Mancher verbringt die Abendstunden, statt seinen durch die TageSarbeit ermüdeten Augen Ruhe zu gönnen, in einem von Tabakrauch erfüllten, schlecht ventilirten Zimmer beim Kartenspiel mit glatten, glänzenden Karten, deren schnell wechselnde Puncte und Farben noch außerdem die Sehkraft anstrengen und ermüden, wo möglich noch an einem polirten Tische sitzend, der abermals Glanz in das Auge wirft, und so zu den vielen schon vorhandenen „Augengiften" ein neues hinzufügt. Möchte das immerhin thun wem eS Vergnügen macht und wer die Sehkraft seiner Augen nicht höher schätzt, als sein Vergnügen und augenblickliches Be hagen; aber wer einmal so handelt, sollte auch nur ein gutes Ge- dächtniß haben, und wenn er dann seinem Arzte über Augen schmerzen und Abnahme der Sehkraft ein Klagelied singt, auch sich hübsch erinnern, was eigentlich an seiner Krankheit die Schuld trägt! Es ist zwar wohl zu bemerken, daß das häufige Betrachten glänzender Gegenstände, der Gebrauch glanzender Lampen, Karten spiel und andere schädliche Einwirkungen bei gesunden Augen weder Augenkrankheiten noch Blindheit Hervorrufen; allein daß sie schäd lich sind, etwa vorhandene Augenübel verschlimmern, schwachen Augen im höchsten Grade nacktheilig werden können, wird Nie mand abläugnen, und der Verständige wird sich deshalb diese Warnung zu Herzen nehmen. Unter die dem Auge nachtheiligen und fast wie blendend wir kenden Gegenstände müssen wir auch jene weißen Porzellan trichter rechnen, welche man neuerdings als Lichtschirme für Gasflammen angewendet hat. Sie sind so durchsichtig, daß sie mit grellem Weiß gegen die Umgebung abstechen, während sie leider nicht einmal eine gleichmäßige Fläche dem Auge bieten, son dern zahlreiche kleine, dicht neben einander befindliche Abtheilungen, durch dunkle Schatten hervorgebracht, welche Ausdruck ihrer ge rieften Oberfläche sind. Hierdurch wirken sie doppelt nachtheilig; sie beweisen recht eigentlich geistige Armuth unserer Industriellen, sonst würde man eine solche unschöne und ungraziöse, nur aus geraden Linien zusammen gebaute Trichterform nicht gewählt und sie noch außerdem in einer für das Augenlicht nachtheiligen Weis, hergestellt haben. Gasflammen werden häufig den Augen nach theilig durch übergroße Nähe und in Folge dessen durch vielfach reflectirtes, unruhige- Licht, während man im Allgemeinen den Gasflammen in Leipzig wohl nicht den Vorwurf der allzu Hellen Beleuchtung machen dürfte; wohl aber schaden sie häufig durch das unruhige Flackern der Flammen. Dies ist der Nachtheil, welchem sich im Verein mit dem unmittelbaren Blick in die Flam men die Feuerarbeiter (Schmiede, Schlosser rc.), so wie Kö chinnen am offenen Kochheerde aussetzen. Aehnlich wie durch allzu grelles Sonnenlicht wird durch diese Verhältnisse eine über mäßig und zu lange fortgesetzte Anstrengung der Nervenhaut des Auges bewirkt, welche leicht jene für die Kranken peinliche Stö rung der Sehfähigkeit nach sich zieht, die man „Nachtblindheit", „Nachtnebel" (Hemeralopie) nennt, und welche darin besteht, daß die Kranken mit eintretender Abenddämmerung bis zum Sonnen aufgang, also während der künstlichen Beleuchtung, Alles wi, durch dicken Nebel in unbestimmten Umrissen sehen; dieser Zustand tritt deshalb ein, weil ihre übermäßig angestrengte Sehnervenhaut nicht mehr im Stande ist, geringe Unterschiede zwischen hell und dunkel zur deutlichen Auffassung kommen zu lassen, und daher dem Kranken jene Erkenntnißmittel für die Gestalt der Gegenstände, für ihre Nähe und Ferne fehlen, welche uns Gesunden der Unter schied zwischen Schatten und Licht bei den einzelnen Gegenständen ertheilt. Wie die Krankheit durch längere allzu aroße Anstrengung hervorgebracht wurde, so wird sie auch am richtigsten und schnellsten durch längere, möglichst vollkommene Ruhe, also durch Aufenthalt im dunkeln, wenig oder gar nicht erhellten Raume geheilt*). Was der Nachtblinde bei künstlicher Beleuchtung am Abend empfindet, das empfinden auch wir bei Nebel in der Dämmerung und bei schlechter Beleuchtung. Wer zu dieser Zeit seine Auaen anstrengt, kann sicher auf Erkrankung derselben rechnen. Der berühmte Componist Händel legte den Grund zu dem Augenübel, welches ihn in später» Lebensjahren peinigte, dadurch, daß er als junger Mensch bei Mondschein Noten schrieb, um die Kosten der Beleuchtung zu ersparen. Die sogenannten Hellen Nächte sind aber dem Tageslicht gegenüber ziemlich dunkel, und wer beim Vollmond einmal versucht hat, zu lesen oder zu schreiben, der wird erkennen, welche Mühe und Anstrengung ihm dies kostete. AuS gleichem Grunde leiden Personen an den Augen, welche längere Zeit in Gefangenschaft gewesen sind, wo das dunkle, unsichere Licht der halbverdeckten und vergitterten Fenster die Augen zu ausgesetzter, übermäßiger Anstrengung nöthigt. Was die Gefangenen unfrei willig und wahrscheinlich nicht einmal mit der Absicht der Gesetz geber und Behörden erleiden müssen, das sieht man in Familien viele Leute sich freiwillig zufügen. Arbeiten in der Däm merung sind keineswegs etwas Ungewöhnliche-, und wenn der Arzt auf die Schädlichkeit aufmerksam macht, so empfängt er ge wöhnlich die mehr ungenirte als höfliche Antwort: „Das habe ich schon oft gethan, und eS hat mir noch niemals geschadet." Wenn Erwachsene auf solche Weise ihre Augen ruiniren wollen, so mögen sie es thun; aber ernstlich sollte man darauf bedacht sein, den Kindern das kostbare Augenlicht zu erhalten, und doch sieht man so häufig Kinder in der Dämmerung lesen oder ihre Schularbeiten machen! Oft wird die Dämmerung selbst am Hellen Tage künstlich hervorgerufen, indem man dem Kinde einen vom Fenster entfernten Arbeitsplatz in dunkler Ecke anweist, — oder sie am Abend bei einer armseligen kleinen Küchenlampe (so genannter Oelfunzel) zu arbeiten nöthigt. Auch Kaufleute versetzen sich auf ihrm Comptoiren, welche so schon in einer dicht bevölkerten Stadt wie Leipzigs nicht immer genügend hell sein können, künstlich in denselben Nachtheil, wie unglückliche Gefangene und unverständige Kinder, indem sie mit *) Die richtige Erkenntniß dieser Krankheit verdankt man einer vor lO Jahren veröffentlichten Arbeit de- vr. Netter ln 6»». möä. s« pari» 184V, Nr. S.
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