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Feierabend : 06.10.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id497197782-191210061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id497197782-19121006
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-497197782-19121006
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungFeierabend
- Jahr1912
- Monat1912-10
- Tag1912-10-06
- Monat1912-10
- Jahr1912
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- Feierabend : 06.10.1912
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158 „Bei der Ernte wohlgemut Schnitterinnen singen — Aber ach, mit krankem Blut Will nichts mehr gelingen!" Ta hörte ich plötzlich rasche Schritte hinter mir — ich ^ wandte mich uni — hinter mir stand — Achim! „Hast du dich nach mir gesehnt, Dornröschen?" fragte er leise. Ich wollte tapfer sein, aber es ging nickst. Statt aller Antwort fing ich an zu weinen. Und da riß er mich in seine Arme, küßte mir Haar und Stirn und sagte mir tausend liebe törichte Worte ins Ohr. Daß er nicht g'ewagt hätte, an nwine Liebe zu glau ben — daß er nur in Werderswalde geblieben wäre, um zu sehen, ob ich ihn auch vermissen würde daß die Sehnsucht nach mir ihn fast krank gemacht hätte Ach, ich glaube, es kann auf der ganzen weiten Welt keinen Menschen geben, der glückseliger ist als ich! 26. Juli. Wir sind übereingekoinmcn, einstweilen noch über un ser Verlöbnis zu schweigen. Achim deutete mir an, daß Onkel Malte ganz andere Pläne mit ihm habe — ich weiß ja nur zu gut, welche! — und daß er eine günstige Gelegenheit abwarten wolle — seine erste Beförderung vielleicht — um mit ihm von unserer Liebe zu sprechen. Eigentlich hätte ich gedacht, es sei gar nicht möglich, vor Onkel Malte so ein Geheimniis zu bewahren, aber er macht es uns leicht. Fast täglich fährt er mit Achim in der Umgegend um- her und stattet Besuche ab, während er sich doch früher von jedem Verkehr zurückzog. Aber er glaubt wohl, Achim etwas Abwechslung bieten zu müssen! 30. Juli. Uebermorgen muß Achim fort! -Heute früh erhielt er den Befehl, sich am 3. August in Kiel zu stellen, um sich mit dem „Greif" nach Ostasien einzuschifsen. Achim war ganz außer sich, und obwohl mir selbst die Tränen nahe waren, mußte ich ihn trösten und beruhigen, so gut es ging. Allein sein und warten und sich sehnen, das ist doch nun einmal das Los der Seemannsbraut! 4. September. „Rosenzeit, wie schnell vorbei — schnell vorbei — bist du doch gegangen!" Jetzt sieht es herbstlich aus im Park, und cs rauscht von dürrem Laub, wenn ich hinuntergehe zur „Treuen Liebe". Oft sitze ich stundenlang in dem weihen Boote und schaue auf den Fluß hinab. Onkel Malte fragt niemals, wo ich gctvesen bin. Er ist so seltsam, seit Achim fort ist. Unfreundlich und wortkarg manchmal, daß ich mich nicht getraue, ihn anzu reden, und dann wieder von einer Zärtlichkeit, die mich fast erschreckt. Mir ist oft so bange ums Herz, und ich weiß doch nicht warum. Mein einziger Trost sind Achims kurze Briefe an Onkel Malte, wenn auch für mich nichts tveiter darin steht als ein Gruß! 2. November. Seit beinahe zwei Monaten ohne Nachricht von Achim! Onkel Malte meint, cs wäre wolsi keine Postgelegenheit gewesen, aber ich kann es nicht glauben, ich ängstige mich unbeschreiblich. Eben bringt der Diener die Postmappe — wenn doch heute ein Brief dabei wäre mit den geliebten steilen Riesen- buchstaben! ... . , 25. Dezember. Zum ersten Male bin ich heute wieder aufgestanden seit jene», entsetzlichen Tage, als vom Marineamte die Mittei lung kam, der Greif fei während eines Taifuns in der Nähe der chinesischen Küste mit der gesamten Besatzung unter gegangen. Wochenlang soll ich in wilden Fieberdelirien getobt haben — ich habe keine Erinnerung mehr daran. - Ich weiß nur, daß einmal, als ich todmatt in den Kissen lag, der Arzt zu Onkel Malte sagte: „Der Wille zum Leben fehlt, Herr von Rittberg — da versagt ineine Kunst!" Der Wille zum Leben! Ach nein, den hatte ich nicht. Ich sehnte ja mit ganzer Seele den Tod herbei. Und nun hat der Unbarmherzige mich doch nicht mitgenommen! Erster Weihnachtsfeiertag ist heute. Onkel Malte hat eine große Tanne schmücken lassen, mir Bücher und Schmuck aufgebaut und mein Zimmer in einen Blumengarten verwandelt. Ich sehe kaum danach hin. Es^ist mir alles so gleich gültig. So müde bin ich — so müde! 2. Januar. Es müsse etwas kommen- daß mich aufrüttelte — „irgend eine heftige Erregung, gleichviel welcher Art!" sagte der Doktor gestern. Sie sollen mich doch in Ruhe lassen. Mir ist's am lieb sten, wenn sich niemand um mich kümmert. 10. Januar. Jetzt bin ich aufgerüttelt worden — geweckt — — aber so grausam, so grausam! Fra» von Werder war gekommen, sich nach meinem Be finden zu erkundigen, und Schwester Agatha glaubte mich schlafend. Ich meine sie noch immer zu hören, die harten, häß lichen Worte: „Mir ist es verständlich! Wie kann das junge Mädchen nicht selbst einsehen, daß ihr Aufenthalt in diesem Hause unmöglich ist! Mit 18 Jahren ist man schließlich kein Kind mehr!" Und Schwester Agatha, die sanfte, duldsame, konnte nur verlegen die Achseln zucken. Sie war also im° Grunde derselben Ansicht. Onkel Malte war auf drei Tage zur Jagd gefahren und ich hatte Zeit zum Nachdenken. Ich bin jetzt recht ruhig und gefaßt. Vielleicht hat auch Frau von Werder recht. Onkel Malte ist ein Mann in den besten Jahren und eine wirk liche Verwandtschaft besteht ja zwischen uns nicht. Nur daß ich das damals, als er mich mit sich nahm, noch nicht wußte. Ich war ja auch so glücklich, ein Dach über dem Kopfe zu haben, und eine Menschenseele, dis mich lieb hatte! Und letzt soll ich — muß ich wieder fort von hier. Wohin? Gelernt habe ich nichts, und ich wüßte niemand, der mich bei sich aufnehmen würde. Entfernte Verwandte meiner Mutter 'ollen in Hanno ver leben — Vater sprach einmal von ihnen — ich will jedenfalls den Versuch machen, sie aufzufindcn. Werderswalde, im Februar. Ich sitze in Lisa Werders Zimmer an, Fenster und sehe in den stillen, verschneiten Park hinein. Die Sonne ist eben in, Niedergehen nnd blitzt auf dem großen, herzförmigen Amethyst, der den Ring an meiner linken Hand schmückt. Der Ring ist ein kostbares Erbstück der Nittbergschen Familie und das Brautgeschenk Maltes, meines Verlobten. Ich war in der festen Absicht zu ihm gegangen, ihn, zu sagen, daß ich fort wollte. Er saß an seinen, Schreibtisch in der Bibliothek, die dicken Teppiche dämpften ineinen Schritt, und er hörte mich
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