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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186004160
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600416
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600416
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-04
- Tag1860-04-16
- Monat1860-04
- Jahr1860
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.04.1860
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1571 ringer Bahnhof münden, eben so das Rosenthal, Gohlis, die Insel Suva Rstiro und alle Dörfer, alle künstlichen Lidos der Umgegend sind eben so viel zauberische Schöpfungen, die dem deutschen Eifindungsgeiste Ehre machen. Leipzig ist im Allgemeinen wohlgebaut, und seine neueren Ge bäude würden in jeder anderen Stadt ihren Platz finden; allein was Kunftdenkmäler anlangt, hat eS, wie die meisten protestanti schen Städte, nur dürftige Spuren aufzuzeigen. Die Kirchen, die in einem Bastardstyle aufgeführt sind, haben nichts Merkwür diges, als lange und ureinfache Schieferdächer, und das Rath haus selbst vermag trotz seinem an Flandrische Bauten erinnern den ehrwürdigen Aussehen die Aufmerksamkeit des Touristen un möglich lange zu beschäftigen. Ein Baustuck dagegen, welches die ganze Bewunderung der Künstler verdient, ist der köstliche Balcon mit Dach des Hauses, da- die Ecke des Markte- und der Hainstraße bildet, überhaupt ein Haus, das in mehr als einer Hinsicht berühmt ist; haben doch seine Mauern dereinst das Feuerwort Luther- vernommen s?j. Du kannst Dir, lieber Freund, nichts Verschnörkelteres, nichts Reizenderes, nichts Köstlicheres und nichts feiner Durchbrochenes denken, als diesen Balcon. Man könnte eS für Spitzengrund und Filetarbeit halten! Wer ist der Steinmetz mit Feenhänden, dem man dies Kunstwerk zu verdanken hat? Man kennt seinen Namen nicht. Man kann nur bestimmt sagen, daß er einen wunderbaren Meißel geführt hat, einen Meißel, wie ihn Benevuto Cellini gehabt s?!j. Dieser Marktplatz, beiläufig der größte und schönste Platz von Leipzig, hat noch ein anderes wunderbares Haus; außerdem eins mit einem Thürmchen, das an einen Kleiderhändler vermiethet ist, der es mit seinen Placaten und Anzeigen beklebt A; ein riesen haftes Gebäude, besten unzählige Fenster gerade das Nathhaus vor sich haben; dann den berühmten Auerbach'schen Keller, in dem Goethe als Student einzusprechen pflegte; ferner das Königs haus, in welchem der König von Sachsen während der Völker schlacht wohnte und gefangen wurde. Endlich kommt zu allen diesen architektonischen Schätzen noch ein Reichthum historischer Erinnerungen, mit denen ich Dich zwar vor der Hand ver schonen will, die aber zur Physiognomie der Stadt mehr als einen interessanten Zug fügen. Was hat in der That diese freundliche Stadt seit den Religions kriegen des 17. Jahrhunderts — um nicht noch weiter zurück zugehen — bi- zu dem großen Drama des 19. Oktobers vom Jahre 1813 Alle- erlebt! und wie viel Blut tranken ihre Felder, welche sturm- und drangvollen Seiten haben ihre Denkwürdigkeiten aufzuweisen, wie traurig ist die Geschichte ihrer Jugend?! „Leider ist die Geschichte einer Jugend stets etwas Trauriges — wirst Du hier einwenden —; denn eS ist die Geschichte der Ver gangenheit, d. h. die Geschichte unserer Liebe, unserer Illusionen, unseres Glaubens, und wenn man nicht ein Herz von Stein im Busen hat (wie die.Städte) oder von Marmor (wie gewisse Frauen), macht man nicht ungestraft im Geiste den Weg zur Wiege rückwärts! Die Kindheit hat ihre Reize, ihre Heiterkeit und ihre Genüsse, die das Alter ordentlich in Schrecken setzen. Man war damals so schön., so daß man sich jetzt nicht wieder erkennt und daß man in jener ersten Periode seines Lebens ein anderes Wesen zu sehen glaubt, ein Wesen mit einer besonderen Existenz und sich in einer andern Welt bewegend! Diese Tren nung von Seele und Leib ist aber etwas Grausiges, weißt Du? Es ist wie wenn wir von unserm Ruhesessel aus losgetrennt von uns unsere Arme, unsere Beine und unsere Köpfe herumwandeln sähen! Wir bestehen eben aus zwei verschiedenen Wesen, Jugend und Alter, von denen das eine glücklich und närrisch sich tummelt, hüpft und springt, während das andere traurig und ohnmächtig an Krücken sich hinschleppt und bei jedem Schritte seufzt!!! „Verlange also nicht vorl Städten, daß sie Dir ihre Ver gangenheit erzählen... das hieße so viel, als voir ihnen eine Seele fordern, die sie vergessen haben!" So würdest Du Dich ausdrücken, Valentin, wärst Du zugegen, um mir zu antworten — und da Du immer bei mir Recht behalten hast, so füge ich mich auch diesmal, ich gebe es zu und gehe weiter. Was hatte ich Dir sonst noch zu schreiben versprochen?.... Ach ja, meine Beobachtungen über da- Leben der Deutschen, über die Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten, über den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft, über die Literatur, die Musik, die Künste! Lassen wir also für den Augenblick Leipzig, die Stadt mit ihren interessanten Gebäuden bei Seite und beschäftigen wir unS mit ihren Einwohnern, und deren Leben und Ideen! .... Es ist nun lange genug, daß ich Deutschland durchziehe, ich habe mit ziemlich vielen Leuten zu thun gehavt, die den verschiedensten Kreisen der Gesellschaft angehörten, endlich haben mir meine Reisen eine hinreichend große Uebung, schnell und richtig zu sehen und zu beobachten, verschafft, dergestalt, daß ich mir zu behaupten ge traue, der Deutsche — der wahre, versteht sich — ist beinahe überall derselbe. Die Unterschiede, die sich finden, sind lediglich Einzelheiten der Form, haben aber im Ganzen keine wesentliche Bedeutung. Der Deutsche birgt unter seiner, man kann wohl sagen, ziemlich dickschaligen Außenseite einen gewandten und feinen Geist, sein Urtheil ist schnell fertig und sicher, seine Auffassung lebhaft und tief eingehend, seine Seele zart und fein fühlend, und dann hat er ein Herz, dessen Saiten von wunderbarer Empfindlichkeit sind. Auch ist auf dieser Seite des Rheins Jedermann etwas von einem Dichter und etwa- von einem Philosophen in der Art Sterne'-, eben so wie bei uns Jedermann fast geistreich ist, in der Art Scribe'S. > Der Deutsche ist weder von so blendendem, noch so heiterem Geiste als der Franzose; er weiß nicht mit so glücklicher Leichtig keit wie Dieser die tausend Saiten der Conversation anzuschlagen; er weiß nicht so leicht mit dem Feuer und dem Eis zu spielen. Aber er geht den Dingen mehr auf den Grund, und das, was er selbst Humor nennt, wiegt reichlich unfern Esprit auf..., ich möchte fast sagen, ist noch mehr werth, wenn ich nicht fürchten müßte, daß Freund Valentin mich der Parteilichkeit zeihen würde!... Sei nur ruhig, mein Lieber, mehr als jeder Andere bewundere ich den französischen Genius, und ich kenne Alles, was er unter seiner Maske der Frivolität birgt, Alles, was er Gutes und Wahres unter seiner leichtfertigen Außenseite enthält, weiß, wie er mit Thränen kämpft, während er vor der Welt in Gelächter ausbricht. Ich weiß — gestatte mir den Vergleich — daß er zu gleicher Zeit Adler und Schmetterling sein, an der Erde hin flattern oder sich zu Sternenhöhen aufschwingen, die Sprache der Blumen und die des Himmels reden kann. Ich weiß, daß er mit der Herrlichkeit des Dichtergenius den seltensten nüchternen Verstand für das praktische Leben verbindet. Ich weiß endlich, daß er Männer hervorgebracht hat, deren Name und Ruhm der Welt angehören und somit ewig sind!.. Aber das hindert nicht, ebenso sehr auch den deutschen Genius zu bewundern, ihn zu lieben und überhaupt die ibn auszeichnenden Eigenschaften anzuerkennen. Musikalisches. Vor bereits etwa einem Jahre ließ eine talentvolle Eomponistin in einem von Herrn Musikdir. Menzel im Schützenhaussaale ge gebenen Eoncert zwei ihrer Werke größerer Form — eine Ouver türe und eine Orchester-Phantasie — zur Aufführung bringen, die selbst von Seiten mehrerer musikalischer Notabilitäten Leipzigs wie von der Kritik sehr freundlich anerkannt wurden. In dersel ben Art und Weise ward am 13. d. M. dem Publicum Gelegen heit geboten, zwei neue Eompositionen von Marie Mody kennen zu lernen. Es sind diese eine Ouvertüre in k'ig-moll und ein Quartett für zwei Violinen, Bratsche und Violoncell. Die in knapper und wohlgegliederter Form gehaltene Ouvertüre machte mit ihren ansprechenden Motiven einen sehr günstigen Eindruck, besonders da die klaren, oft sehr eindringlichen musikalischen Ge danken mit so viel harmonischer Sicherheit und Gewandtheit ver arbeitet sind, wie man das nur bei den Kunstgenossen ernsterer Richtung zu finden gewohnt ist. Gehoben wird das Werk ferner durch eine sehr geschickte und daher wirkungsvolle Orcheftration, bei der besonders die zarte, der Stimmung des Werks entsprechende Verwendung der Holzblasinstrumente hervorzuheben ist. Der Schluß der Ouvertüre hätte zum Vorlheil des Ganzen vielleicht etwas breiter ausgeführt werden können. — Das Quartett ist in seiner äußern Form, wie seinem keineswegs uninteressanten In halte nach, ein Miniaturüück, das seine geeignetste Stelle im Salon finden dürfte. Auch hier begegnen wir einer guten Har monik, formellem Geschick und sicherer Beherrschung der Ton werkzeuge. Es verdient alle Anerkennung, daß die Eomponistin auch in dieser schwierigsten aller musikalischen Formen sich nicht ohne Glück bewegt und innerhalb derselben überhaupt schaffen kann. Von den vier Sätzen des Quartetts sprachen auch vor zugsweise der dritte (Scherzo) und der vierte an. Die Motive des Scherch erschienen so interessant und pikant, daß dieselben wohl geeignet sein dürften, auch ein dramatisches Stück von brei terer formeller Anlage auszufüllen. — Wie überhaupt die einzelnen Nummern des Programms, so ward auch die neue Ouvertüre von dem Orchester unter Leitung des Herrn Memel sehr brav gespielt; die Ausführung des Quartetts verdient alle Anerkennung. Ferd. Gleich. Verschiedenes. In einem Boulevard-Kaffeehause zu Paris entstand jüngst beim Piquetspiele Streit zwischen einem Mathematiker und einem anderen Herrn, welcher letztere sich dabei so weit vergaß, ersterem einen Schlag zu versetzen. Eine Forderung war die Folge; gute Freunde legten aber die Sache schnell bei; der Beleidiger bat ab, und der Beleidigte erklärte sich zur Verzeihung bereit, wenn jener 1V00 Fr. oder auch, wenn er es vorzöge, eben so viel Centimes an die Armen zahlen wolle, als Combinationen beim Geben der Karten im Piquetspiel möglich seien. Ohne sich weiter zu besinnen, entschied sich der Schuldiae für das Letztere. Wie ward ihm aber zu Muth, als ihm der Mathematikus vorrechnete, daß die Zahl der Combinationen (jeder Spieler erhält bekanntlich 12 und der
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