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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186004220
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600422
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600422
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-04
- Tag1860-04-22
- Monat1860-04
- Jahr1860
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1860
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Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des König!. Bezirksgerichts and des Raths der Stadt Leipzig. i« 113. Sonntag den 22. April. 18«v. Morgen Montag den 23. April d. I. Abends '>8 Uhr ist öffentliche Sitzung der Stadtverordneten im gewöhnlichen Locale. Tagesordnung: 1) Gutachten des Ausschusses zum Bau-, Oekonomie- und Forstwesen, den Verkauf eines Bauplatzes am Moritzdamm an die Herren Konsul Beckmann und Konsul Limburger betreffend. 2) Gutachten desselben Ausschusses über einige Herstellungen in der Umgebung der Landstcischerhalle. Aus der Landtagspraris. Es qiebt nicht leicht auf dem Gebiete des menschlichen Wissens und menschlicher Fertigkeiten irgend einen Gegenstand, der von Anfang an so mannichfache Anfechtungen und Mißdeutungen zu erdulden gehabt hätte, als die Stenographie. Leute, die sich nie die Mühe genommen, auch nur oberflächlich das Wesen der Stenographie kennen zu lernen, waren gleich bereit ein endgiltig Urtheil über sie zu fällen. Daß sie dabei den Fleck, wie man sich im gewöhnlichen Leben auszudrücken pflegt, weit vom Loch weg- geseht hatten, das bemerkten sie nicht. Sie waren eben leicht zufrieden, wenn sie einer Sache, die sie nicht kannten, Eins versetzt hatten. Es ist nicht Zweck und Absicht des Nachfolgenden, diese einzelnen Vorwürfe auseinanderruseken, „nb soll nicht »erden von der Ansicht Derjenigen, welche es am bequemsten finden die Stenographie dadurch zu verurtheilen, daß sie unter Achselzucken ausrufen: unsere gefälligen Züge verderben die Kalligraphie, ver nachlässigen die Orthographie, die Stenographie sei gefährlich, denn sie sei eine Geheimschrift, welche man in Schulen zu allerlei Allotria verwenden könne, denn die Schüler lernten da etwas, was die Lehrer nicht lesen könnten! Von all Diesem und noch viel Anderem mag hier wohl nicht die Rede sein, wohl aber mögen einige ergötzliche Beispiele hier Platz finden von den Anforderungen, welche man an einen Stenographen in Landtagssälen macht, von dem, was man unter Stenographie und ihrer Anwendung eigentlich versteht, was ein Stenograph sei und wie er es mache, um wörtlich nachzuschreiben. Wörtlich nach sch reiben! Man sollte denken, diese zwei Wörter waren ohne Fehl, deutlich und klar, und doch ist dem nicht also. — Kommt ein Abgeordneter aus der ehrenwerthen blasse der Landbebauer zum ersten Mal in feiner Würde im Sitzungssaale dazu, seine Jungfernrede im Interesse seiner engsten Heimath zu halten, da hat er der Vorbereitungen gar viele gemacht, um mög lichst stattlich, ein neuer Demosthenes, seine Rede vom Stapel zu lassen. Daß ihm vom Demosthenes nur — das Stottern glücklich gelang, ist natürlich. Der begonnenen Sätze und Perioden lange Reihe, diezu keinem Schluß geführt wurden, der Anakoluthe ver worrene Masse, sie alle hat wörtlich der Stenograph auf's Pergament gebracht. Da- war eine leichte Arbeit; denn der Rede strom stürzte nicht jählings diesem Tiro der Beredsamkeit über die Lippen, sondern wand sich langsam in mäandrischen Schlangen windungen durch seinen Stoff hindurch. Das Uebersetzen beginnt. Der Stenograph dictirt diese Rede unter Anwendung der ein schlägigen Paragraphen aus der Grammatik, Syntax und Stylistik, und nach einiger Zeit ist das Kunstwerk fertig. — Dieser Fall war schon öfter vorgekommen; von einem wollen wir den Ausgang erzählen. Ein solcher Abgeordneter erhält zum ersten Male die stenographische Niederschrift. Mit Entsetzen hat er schon daran gedacht, wie wenig schön seine Rede sich auf dem Papier auS- nehmen würde; doch welch Wunder! er liest und liest, und findet, daß er ganz fließend gesprochen, daß sich da- Ganze wie aus einem Guß auSnehme. Da stürzt er herauf in's Stenographen-Bureau, fragt nach dem Künstler, der seine Rede ausgenommen, und drückt ihm seine Bewunderung au-, wie e- ihm gelungen sei, diese seine Rede so ganz wörtlich aufzunehmen! Derweil hatte der Stmograph aber keinen Satz unverändert lassen dürfen; denn der Mann hätte dann nie geglaubt, daß es „wörtlich" geschrieben wäre. nld, wie Ein andere- Biro. wie man wvrrucye viieverimrifren for dert, führt uns einen Mann vor Augen, der eine Zierde des man wörtliche Niederschriften for- Katheders, ein durch seine wissenschaftlichen Arbeiten hochgeachteter Gelehrter ist, und der beim Sprechen und Schreiben, bei gleich gehaltvollem Inhalt, nur den Unterschied macht, daß er, obwohl in beiden gleich klar, in der Rede eigenthümlich construirt. Einem solchen gelehrten Mann die Worte, die er gesprochen, anders zu sehen als er sie selbst aneinandergereiht hatte, das schien einmal einem schüchternen Stenographen unzulässig. Der Redner erhält seine Rede Wort für Wort nachgeschrüben. Derselbe erkennt aber, nachdem er die gesprochene Rede durchliest, sie nicht als die wört liche Nachschrift derselben an, sondern beschwert sich mit der Be merkung: „So dumm könne er gar nicht daherreden." Man ist voll Erstaunen, daß der Stenograph hier nachläfsia aewekw s,L» sollte; man nerolpitbe dvpprrrr ueNvgraplNichr Nachschrift, uno siehe! auf beiden Tafeln findet sich Wort für Wort — ganz dasselbe, was auch der stenographische Bericht enthielt! Das war nun wörtlich nachgeschrieben. Das lustigste Stückchen hat vor eilf Jahren unstreitig in Frankfurt gespielt, wo zum ersten Mal im gesetzgebenden Körper dieser Stadt die Stenographie zur Nachschrift eingeführt wurde. Den Stenographen, welche an den Vorsitzenden das Ansuchen stellten, er möge, so oft ein neuer Redner von der ihnen unbe kannten Versammlung das Wort nehme, den Namen des Redners aussprechen, damit eine Verwechselung nicht stattsinde, wurde von der Seite des Präsidium — sei es daß man es nicht für nöthig hielt oder daß es vergessen wurde — kein Gehör gegeben. Kurz, nach etlichen Stunden hat man eine Reihe von Reden mit dem Griffel fixirt, aber eine Namen-Nennung war ihnen häufig unmöglich gemacht worden. Was war da zu thun? Nie mand war im Hause mehr anwesend, während das Dictiren im stenographischen Bureau besorgt wurde, als der Pedell der Ver sammlung erschien. Der Gute benannte nun die einzelnen Redner, die für und gegen die Sache gesprochen hatten, und darauf wurden im Expeditionszimmer die Niederschriften zur Durchsicht vor dem Druck ausgelegt. Alle- war in Ordnung vor sich gegangen, nur die Namen von* zwei Rednern, die unmittelbar auseinander ge sprochen hatten, waren unglücklicherweise verwechselt worden. Der Eine von diesen hatte für den Entwurf, der Andere gegen den selben gesprochen. Die Rede des Herrn vr. Streitleben und deS Hrn. Vr. Weberius kamen nun, wie schon bemerkt, verwechselt zur Durchsicht in die Hände dieser beiden ehrenwerthen Gentlemen. Weberin- corrigirt die Rede seines parlamentarischen Gegners, ohne den Jrrthum zu bemerken, ruhig als die seinige und findet daran, wie der Augenschein lehrt, äußerst wenig auszusetzen. — vr. Streitleben dagegen war ein anderer Mann, er corrigirt die erste Seite, sieht die zweite durch, da wird es ihm zu arg und entrüstet greift er zur Feder und schreibt an den Rand: „Eine solche Verstümmelung meiner Rede lasse ich mir nicht gefallen! vr. Streitleben." — Dieser Gentleman hatte nun zwar bemerkt, daß eS seine Rede nicht gewesen, die er durchsah, aber daß diese Rede unmittelbar vor ihm ein Anderer gehalten habe und daß der Andere Niemand als WeberiuS gewesen sei, dies entging auch seinem Forscherblicke. — Da wird eben die Stenographie daran Schuld gewesen sein, die solche Verwechselungen zuläßt, oder meinen Sie, es ist etwa- andere- daran Schuld gewesen? Beschwert sich einmal ein Abgeordneter, daß bei der Nieder schrift seiner Rede sehr häufig die Unterscheidungszeichen, namentlich die Beistriche fehlen, macht Gabelsberger darauf auf merksam und fordert Einfchreitung gegen die Nachlässigkeit des Stenographen. Gabelsberger bemerkt ihm nun, das wäre nicht
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