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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-11-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186011111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18601111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18601111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-11
- Tag1860-11-11
- Monat1860-11
- Jahr1860
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.11.1860
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der m- md ;en lffe 1-l, des üu- Zu- rn. fer gen ag; us- lrch lnt- ' ru lbst Oie reite sen. an- 'on- licht un- ien- auf ärt- ,ög- der eller der zens tlich man den ebel- hme 31 lam sich Uten nem )eute die dies Z zu Ugen der ß die Lage iffen, fgen- nden wir Ab- vor sich h in htern lohte, ndet. lnsere auch uns roßte wir keine »ollen blicke uns - sich unser gehobmes Gemüth hierher geflüchtet, und von Neuem gleichen wir einer kleinm Gemeinde, die in strenger Abgeschiedenheit einm den Uebrigen unverständlichen Weihedienst begeht. Vor einem Jahre vereinte sich Alles in Schiller, heute ist der Gchiller- verein wieder ein besonderes Ganzes. Diese von selbst sich aufbrängenden Betrachtungen und Ver gleiche lassen jene Unbehaglichkeit in uns aufkommen, welche die unvermeidliche Begleiterin jedes abermaligen Anfangens nach einem gewaltigen Schlüsse ist. Wenige werden sein, deren Anschauung die Schillerfeier des vorigen Jahres nicht als einen Endpunkt festhält, als das krönende Ergebniß aller bisherigen Anstrengungen. Im Anschluß daran aber werden die Meisten glauben, daß nun nichts mehr zu wünschen und zu thun übrig, daß die Aufgabe über jede Hoffnung hinaus gelöst, und daß ein Wiederaufnehmen derselben in der früheren beschränkten Weise nothwendig ein Herab steigen von dem bereit- erreichten Gipfel sei. Aeußerlich scheint diese Auffassung begründet, ikr Fehler beruht aber eben in ihrer Aeußerlichkeit. Wären jene Bemühungen einzig oder auch nur hauptsächlich darauf gerichtet, dem äußeren Namen Schillers äußere Ehren zu bereiten, dann müßten sie nicht nur jetzt erschöpft sein, sie wären auch von allem Anfang an zwecklos gewesen, und sollte die Feier des vorigen Jahres lediglich als die Verherrlichung eine- wenn noch so außerordentlichen Menschen betrachtet werden, so ließe sich daraus ein Grund der Mißbilligung entnehmen, bei welchem man mit den Widersachern jenes Tage-, wenn auch von verschiedenen AuSgängen, zufammentreffen könnte. Kein Streben hoher Art und edler Richtung sucht seine Be friedigung in den äußerlichen Erfolgen des Strebenden, ein Todter könnte sie nicht einmal mehr darin finden; wollte man daher einzig an ihm nachholen, was bei dem Lebenden versäumt blieb, so würde die- höchstens ein nachträgliches Armuthszeugniß für seine Zeitgenossen sein. Bei einem Dichter aber von Schiller- Größe, die sich emporgipfelt bis zu weltgeschichtlicher Bedeutung, gehen Person und Name schließlich in den Begriffen auf, die sich damit verbinden. Der wahre Dichter ist ein bewußter Seher, der aus Vergangenheit und Gegenwart die Aufgabe der Zukunft heraus fühlt. So bleibt zwischen ihm und dem Ziele, welches er gesteckt, eine große Lücke. Sie au-zuküllen, sind diejenigen berufen, welche ihn verstehen und verehren; ihn würdigen heißt seine Erbschaft antreten, seine Unsterblichkeit zu bezeugen, muß das Werk fortgeführt werden nach den Umrissen, welche er vorgezeichnet. Dies die einzig mögliche Feier eines solchen Dichters, welche seinem Namen die Kraft eine- Losungsworte- verleiht. Schillers Ausruf: „Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reif", ist keine Anklage seiner Zeit, er spricht nur das Bewußtsein seiner Sendung aus und enthält zugleich sein Vermächtniß an die Nachkommen. So lange diese aber dem Ideale Schillers selbst noch entgegenstreben, so lange ist niemals eine Schillerfeier zweck- und nutzlos, wäre es nur, um durch sie mit dem Losungsworte die Losung selbst wach und lebendig zu erhalten. Haben wir uns nun auf diese Weise überzeugt, daß wir nicht eine bereit- gelöste Aufgabe wieder aufnehmen, sondern daß wir in der Lösung nur fortfahren, so wird sich jenes unbehagliche Gefühl leicht überwinden lassen, weil wir al-dann die Feier des vorigen Jahres von dem richtigen Gesichtspunkte aus betrachten werden. Nicht als ein Ende stellt sie sich uns dar, sondern als ein neuer Anfang. Und diese Auffassung hat vor jener scheinbar näher liegenden nicht blos die innere Berechtigung, nein auch noch eine schlagendere äußerliche Genauigkeit voraus. Wie Schillers Dasein mit seiner Geburt beginnt, so fängt folgerichtig sein Leben durch die Jahrhunderte von dem Tage an, welchen wir zuletzt gefeiert, und wir sind heute in der glücklichen Lage, durch den über alle Maßen glänzenden Beginn de- neuen Abschnitte- gestärkt und ermuthigt uns zu fühlen. Die Wiedergeburt Schiller- war e-, welche wir im verflossenen Jahre festlich begangen, da- Be- kenntniß der Lebenden zu dem noch immer lebendigen Schiller wurde dabei auf eine so stürmische Weise abgelegt. Der außer ordentliche Tag erklärt die ungewöhnlichen Vorgänge, und eS zeugt nur von seiner allseitig bewußt gewordenen Bedeutung, wenn sein äußeres Gepränge zugleich mit ihm verschwunden ist und heute nicht wieder zum Vorschein kommt. Aber die Fluthen jener maßlosen Begeisterung haben sich inzwischen nicht verlaufen, ohne festes Land zurückrulassen, da- jetzt der ruhige Blick entdeckt, und worauf wir den Fuß setzen, um von da aus die Schritte dem Ziele weiter zuzulenken. Wenn eS vielleicht nicht ganz erquicklich wäre, zu untersuchen, bis zu welchem Punkte ein Jahrhundert uns dem Ideale Schiller- näher gebracht, so ist es gewiß erhebend, die Bürgschaften auf zunehmen, welche seine hundertjährige Feier uns gewährt. Auch ist dies jedenfalls unseren Zwecken und unserer Lage entsprechender, denn dem Strebenden frommt eS stet-, vorwärts zu blicken, während es nicht immer ihn fördert, zurückzuschauen. Schiller ist ein vaterländischer Dichter, Jeder sagt das und, was noch schwerer wiegt, Jeder weiß auch, was da- sagen will. Dabei hat es aber allen Anschein, als wenn zu diesem vater ländischen Dichter ein Vaterland erst noch gesucht werden müsse. Sein Geburt-Haus und sein Sterbehaus stehen beide in verschie denen Ländem, deren jede- ein besonderes Vaterland zu sein beansprucht, sein Weg von der ersten bis zur letzten Wohnung führt zu mehreren Malen über Grenzsteine hinweg, die streng getrennte Gebiete von einander abschließen, anderes Recht und Gesetz, andere Sitten und Gebräuche, Laut und Ausdruck, die fast wie Sprachen sich unterscheiden, kennzeichnen jede der Stätten, wo ihm ein Standbild errichtet ist. Seiner Jubelfeier fehlte nicht- weiter als ein örtlicher Mittelpunkt, der Bannerspruch war überall der gleiche, aber wie verschieden Farbe und Zeichen der Banner, die zur Ehre und zum Schuhe de- Tages geweht! Drängt sich dabei nicht jene Frage auf Aller Lippen, die unsere gesammte Noth, unser ganze- Unglück in wenige Worte einschließt, die Frage: „WaS ist des Deutschen Vaterland?!" Eine stumme Klage geht sie durch da- Leben und die Werke des deutschesten aller Dichter, ein Schrei der lauten Verzweiflung hallte sie zum Himmel, als er kaum da- Auge geschlossen. Sein letzter Blick traf Trost- und Hoffnungsloses nur, bis auf den Begriff schien Deutschland vernichtet, dessen Zerrissenheit und Erniedrigung bereits dem Untergange glichen. Und wenn es dennoch sich errettete, wenn eS sich zusammenfand und gemeinsam erstarkte, so geschah dies nicht freiwillig und von innen heraus, von Außen war ihm die gebieterische Nothigunq aufgezwungen worden. Mit der Bedrängniß ging auch das Heil wieder zu Ende, auf jenen fast traumhaft kurzen Augenblick folgten lange Zeiten, die das kaum unterbrochene Werk der Zwietracht und der Auflösung fort setzten. Mit Erfolg, denn als vor einem Jahre wir die Jubel feier des vaterländischen Dichters rüsteten, schien es da nicht, als müßten wir an seinem Auferstehungstage alle Hoffnungen für das Vaterland auf immer zu Grabe tragen?! Wiederum war an uns herangetreten mit gewaltigem Drange eine äußere Mahnung zu innigster Gemeinsamkeit, ohne das willige Gehör zu finden, da- die frühere doch endlich sich errungen. Und ging auch glücklich die Gefahr vorüber, eine unglückliche Lehre schien sie uns zurück zulassen. Unwiederbringlich verloren glaubten wir die Zuversicht, welche hundert Jahre früher noch gerechtfertigt war. Da kam jener Tag, ein Tag der schmerzlichsten Erinnerung, hätte er nicht die freudigsten Hoffnungen wach gerufen. Denn er hat uns gezeigt, daß wir wirklich noch ein Vaterland haben, ein großes und gemeinsame- Vaterland, das sich die Einigung zwar nicht von außen her gewaltsam aufzwingen läßt, das aber auf stillen Wegen von innen heraus sich zu einigen im Begriff steht. Weil nirgends eine äußere Nöthigung die Schillerfeier ver anlaßt hat, darum tritt sie überzeugend als da- Ergebniß einer inneren Notwendigkeit unS entgegen. Nicht angeordnet, hat sie selbst sich befohlen, ohne gegenseitige Kenntniß und Verabredung hat jeder Flecken, welchen Deutsche innehaben, jenem Tage nur nach den Kräften verschiedene, im Willen aber zusammentreffende Huldigungen bereitet. Wer ihn erlebt, hat Deutschland als Eines erblickt, auf jeder Stelle dieselbe Absicht und die nämliche Be- thätigung, allerorten aus gleichem Anlaß die gleiche Begeisterung. Kurzsichtigkeit oder Lästerung nur können diesen Zustand mit der Bezeichnung eines eintägigen Rausches verunglimpfen. Was eine überwältigende äußere Veranlassung im Augenblick und für den Augenblick zu Wege bringt, das bedarf, wenn es freiwillig aus sich selbst erwachsen soll, anderer Mittel und Bedingungen. Der eine Tag hat uns die Thatsache nur enthüllt, ihre Erklärung und Begründung liegt weit jenseit desselben. Wie damals wir dem Bilde Schillers in jeder Straße und an jedem Hause fast begegneten, sind wir zu allen Stunden und auf allen Schritten von ihm begleitet und umgeben. Von seiner Geburt an hat er keinen Augenblick aufgehört, unter uns zu weilen, mit seinem Tode ist er nicht der Vergangenheit, nicht der Geschichte anheimgefallen, er steht noch immer in der Gegen wart, mitten im vollen Leben, dem er stets enger sich verbindet, das er stets inniger durchdringt; längst haben seine Worte die Grenzen des Büchersimses und der Theaterlampen überschritten, hernieder sind sie gekommen auf den lauten Markt und in das stillste Haus, jedem Vorkommniß und jeder Verrichtung leihen sie den Ausdruck und die Weihe, mit ihnen segnet uns die Mutter nud küßt unS die Geliebte, in ihnen findet die Schule ihre Lehren, und selbst die Kanzel verschmäht es nicht, GotteS Stimme aus diesen menschlichen Lauten ertönen zu lassen. Zu einem solchen Dichter aber, der zugleich bei aller H?he seines Aufschwunges so tief in dem Boden wurzelt, dem er entstammt, der gleich jenem sagenhaften Riesen de- Alterthumes seine ganze Kraft findet in dem unauflöslichen Zusammenhänge mit der Muttererde, die ihn geboren, dessen vermeintliche Schwächen mit den Tugenden seine- Ursprunges zusammenfallen, zu solch einem vaterländischen und volkstümlichen Dichter ist vor Allem ein Vaterland und ein Volk unerläßlich. Die Bedeutung Schiller- hätte sich niemals zu offenbaren vermocht, gäbe es nicht in Wahrheit noch ein deutsches Volk, ein deutsches Vaterland! Mag er draußen begriffen und gewürdigt werden, verstehen und lieben kann ihn Deutschland nur. Wäre nun auch alle- Gemeinsame abgestorben oder ertödtet, die Muttersprache läßt sich nicht vertilgen, und wo sie erklingt, ob auch in verschiedener Weise, wird Schiller verstanden und geliebt, und da- nicht blos von denen, die sich die Gebildeten
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