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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1866
- Erscheinungsdatum
- 1866-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186603243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18660324
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18660324
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1866
- Monat1866-03
- Tag1866-03-24
- Monat1866-03
- Jahr1866
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1866
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Anzeiger. Amtsblatt des Söuigl. Bezirksgerichts und des Raths der SM Leipzig. M 83« Sonnabend den 24. März. 1866. Concert. DaS zwanzigste und letzte Abonnement-Concerl im Saale deS Gewandhauses am 22. März hat unstreitig mit zu den inter essantesten und bestgelungenen Vorführungen der zu Ende gegange nen Saison zu zählen. Den ersten Theil des Programms bildeten die 8 dar-Symphonie von Haydn (Nr. 12 der Breitkopf-Härtel- schen Ausgabe) und daS herrliche Bruchstück aus Mendelssohn'- unvollendet gebliebener Oper „Loreley" (Finale des 2. Auszug-); den zweiten Theil füllte daS Unicum unter den Tondichtungen unsere- Jahrhundert-, die göttliche „Neunte" aus. Da- genannte Werk de- lieben alten fürstl. Esterhazy'schen CapellmeisterS, eine seiner frischesten Schöpfungen, gewährt (in solcher fein geglätteten und abgerundeten Ausführung, wie das Gewandhaus-Orchester fast seit Urbeginn seines Bestehen- dasselbe ru Gehör zu bringen gewohnt ist) einen eigenen unbeschreiblichen Reiz. Referent kannte vor vielen Jahren eine ehemalige Hofdame Katharina der Zweiten; in ihrer Jugend war sie sowohl wegen ihrer außerordentlichen Schönheit, wie auch ihre- graziösen Beneh men- und ihrer geistreichen Unterhaltung berühmt gewesen. In der That ließen sich diese Vorzüge noch in ihrem spätesten Alter leicht erkennen und erfüllten Alle, Jung wie Alt, mit einer seltnen Liebe und Verehrung für die immer noch höchst interessante Ma trone, trotz so mancher an- Rococco erinnernden äußeren Manieren in Kleidung und AnstandSrücksickten. Es war eben der nicht zu definirende Reiz eine- — so zu sagen — ehrwürdig-naiven Ge- mütheS, verbunden mit natürlicher, nie alternder Anmuth und glanzvollem Esprit. So oft nun Referent an der guten Ausfüh rung einer Haydn'schen — und insbesondere dieser 8 äur-Sym phonie sich zu erfreuen Gelegenheit hatte, so oft auch nahm vor seinem inneren Auge die Haydn'sche Muse unwillkürlich die Gestalt der hochverehrten »eben-würdigen Excellenz von W. an. Und möchte sich wohl Jemand finden, der die- unpassend oder gar ver letzend für den alten Meister fände? — Mendelssohn- Opernfragment, ohne alle Widerrede eine seiner prachtvollsten Kompositionen, seit vielen Jahren erst wieder einmal vorgeführt, war Referenten bisher nur im ClavierauSzuge bekannt. ES rft wirklich zu verwundern, daß diese- zu größtem dramatischen Schwünge sich erhebende Bruchstück hier, wo Mendelssohns Name (und wir gestehen gerne, nicht mit Unrecht) so gefeiert ist, nickt öfter zu Gehör gebracht wird, während ein unvergleichbar schwä chere- Werk desselben Meister-, die Cantate „Lobgesang" alljährlich wenigstens einmal irgendwo austaucht. Die wahre Verehrung für die Meister der Kunst, meinen wir, müsse ja eben darin bestehen, deren vorzüglichste Schöpfungen möglichst populair, ihre schwachen oder doch Immerhin schwächeren Productionen aber möglichst ver- «ssen zu machen. Leider aber trifft man am öftesten gerade da- Gegentheil davon al- angenommene Maxime an, und muß so manchen Ausgrabungen von Jugend- oder Gelegenheits-Arbeiten begegnen, die bei dem Glanze, der des Meister- Namen umgiebt, nvr bleich und matt erscheinen. Die Chöre und da- Orchester ver schafften ihren Parten und hiermit den Intentionen de- Tondichter- vollkommenste Geltung. Weniger befriedigte unS die Ausführung der Partie der Lenore oder Loreley. Obschon die königl. preuß. Hofopernsängerin Frau vr. Louise Schlegel-Köster immer noch alS Repräsentantin einer ausgezeichneten Gesangsschule gelten darf, odschon die Kenner immer noch gewahr werden können, über welche große Kunftmittel diese einst nach vollem Verdienste gefeierte Sänaerm zu gebieten hatte, ja selbst welche- eminente musikalische und veclamatorische Berständniß auch jetzt noch ihr innewohnt, so müssen wir doch gestehen, daß für die Aufgabe, dre von Mendels sohn so wahr und schön geschilderte Lorelech mit ihrer unbegrenzten Leidenschaftlichkeit, mit ihrem furchtbaren Wehe und Rachesprühen ob dem Verrathe de- Geliebte», in dem vom Meister ersichtlich sich gedachten Colorite darzustellen, eS Frau vr. Schlegel-Köster schon bedeutend an Kraft für Nuancirungen im Klange selbst gebrach. Ungleich besser, ja in höchst anerkenven-werther Weise sogar gelang ver geehrten Künstlerin die Wiedergabe de- Solo-Sopran partS in der Neunten Symphonie, worin sie von Frau Con stanze Pögner. Herrn Schild und Herrn Sabbat (königl. Domsänger au- Berlin), ebenso wie vom Chore und vom Orchester ganz ausgezeichnet unterstützt wurde. Die diesmalige Aufführung der titanischen Tonschöpfung — unbedingt die beste und würdigste von allen denen, die Referent während der drei Jahre seine- Hiersein- zu hören Gelegenheit fand, ja, die er al- durchaus ebenbürtig derjenigen hinstellt, welche vor ungefähr 12—14 Jahren in einem Concerte der philharmonischen Gesellschaft zu St. Petersburg unter des nunmehr verstorbenen Musikdirector Carl Schuberths Leitung zu Stande kam — ge reicht in Wahrheit allen Mitwirkenden ohne Ausnahme zur glei chen Ehre, vor Allem aber nach Recht und Billigkeit Herrn Capellmeister Rein ecke, dessen thatsächttches Talent und Wissen wie sein nie erkaltender Fleiß als Dirigent hier — jedenfalls aber in gegenwärtiger Zeit — wahr und wahrhaftig keinerlei Neben buhlerschaft anzuerkennen braucht. Aber eine desto höhere Pflicht ist es für uns, das Sprückwort zu betonen: „^odlegso odlige" (Adel macht verbindlich)! Was jedoch vermag den Künstler mehr zu adeln, als wahrhaft objective (d. h. unbefangene, durchaus vorurteilsfreie) Anschauung von der Kunst und thatkrästige Zu vorkommenheit gegen lebende Meister und Kunstgenossen? Aourrj v. Arnold. Ätadttheater. Am 22. März „Faust" mit der letzten Gastrolle de- Fräul. Ulrich. Da durste man nun schon, bei Kenntniß der Persön lichkeit und des ganzen künstlerischen Naturells der Dame, im Voraus für gewiß annehmen, daß man eher alles Andere zu sehen bekommen würde, als die holdselig naive Goethe'sche Mädchen- aepalt, die liebliche Incarnatwn schwärmerischer, hingebender erster Leidenschaft. Es ist in der That kaum erklärlich, wie so oft selbst die geistreichsten und verständigsten Künstler und Künstlerinnen hin sichtlich der Richtung und Grenze ihres Talentes sich starker Ir rung schuldig machen. WaS wir neulich über Fräul Link alS Gretchen sagen mußten, das gilt heute in erhöhtem Maße von Fräul. Ulrich. Man gestatte uns, offen zu sein: ein Gretchen in Gardiftenlänae — das schon ist Etwas, wovor sich unser inneres Gefühl sträubt; eS war gewiß keine blose Redensart, wenn der Dichter seinen Helden zu dem anmuthigen Kinde sagen ließ: „Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder?" Goethe hat hier un gesucht und absichtslos ausgesprochen, WaS jeder, sollten wir denken, mit ihm empfinden müßte. Soviel vom Aeußeren; waS aber nun das ureigene, innerste Wesen der Figur anlangt, so kann die vorwiegend reflectirt schaffende Kunst des Gastes nimmer dazu kommen, ein Ton und Farbe der echten, schönen Natur tragendes Abbild des selben vor unS hinzustellen. Es quoll nichts zwanglos und kraft eines stummen, unbewußten Dranges der Seele auS dem Herzen empor; die Schauspielerin gab sich Mühe, Gretchen zu sein, sie setzte sich gleichsam m Positur dazu. Alles war erkünstelt. Wir haben neulich in Bezug auf Fräul. Link gesagt, die Kunst der Darstellenn zum wenigsten habe der Krittk Achtung abgenöthigt. ES thut uns nun lew, den Dresdner Gast hören lassen zu müssen, daß er in dieser Hinsicht mit unserer einheimischen Repräsentantin der Rolle nicht zu wetteifern vermochte. Wahrlich, wir haben nicht geglaubt, daß eine Ulrich etwa- künstlerisch so Unbedeutende-, ja Verfehltes bieten könne, als der Schluß des 4. ActeS, die Scene mit dem bösen Geiste war. Wir müssen an nehmen, daß Physische Behinderung der Grund gewesen. Nicht ungestraft — dachten wir bei unS — fährt man an ein und dem selben Tage drei Stunden auf der Eisenbahn und spielt dann noch daS Goethe'sche Gretchen. Die sich äußernde Opposition, welche freilich von übermäßigem Beifall bald übertönt wurde, schien sagen zu wollen: Nun, Alle- nehmen wir doch nicht für baare und blanke Münze, waS unter der Aegide eines berühmten Namen- und eine« großen HostheaterS unS kleinen Provinzialen vorgesetzt wird. Damit wir
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