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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1862
- Erscheinungsdatum
- 1862-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186212246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18621224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18621224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1862
- Monat1862-12
- Tag1862-12-24
- Monat1862-12
- Jahr1862
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1862
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7194 Göttin de- Glücke- hat bisher auf ««verantwortliche Weise dem armen Walther (so heißt der Candidat) ihre Gunstbezeigungen voreuthalten. Seit fünfzehn Jahren wartet er schon aus eiue vom gräflichen Kirchen Patron chm zugesicherte Pfarrerstelle und mit ihm wartet eben so lauge seine treue Braut, eine arme Waise. Walther hat während dieser langen Zeit ein kärgliche- Leben geführt, denn trotz aller seiner Kenntnisse gelang es ihm nicht, eine leidlich loh nende Lehrerstelle an irgend einer Anstalt zu erhalten. Seine eigne Bescheidenheit stand ihm bei sich darbietenden Gelegenheiten immer hindernd im Wege und man sieht eS ja leider täglich, daß oft gerade Bescheidenheit und Glück sich einander feindlich gegenüber stehen. So konnte also Walther nur durch Privatstundeu in Musik und alten Sprachen und durch Correcturen einen Unter halt gewinnen, der kaum den allermäßigsten Ansprüchen genügte. Dennoch murrte der arme Candidat nicht, denn die Hoffnung auf die, mit Erlangung der ihm zugesicherten Pfarrerstelle besser wer denden Zukunft hielt ihn immer aufrecht. Nur zuweilen wurde er recht traurig, wenn er seiner Braut gedachte, die mit unver änderlicher Liede ihm anhing, worüber freilich die köstlichsten Jahre der Jugend verflossen. Anna aber murrte nie nno sie war es, welche stet- den hier und da auftauchenden Mißmuth ihre- Bräu tigam- über die Härte de- gemeinschaftlichen Schicksal- durch sanfte und liebevolle Trostgründe zu verscheuchen wugte. Hatte sie doch selbst Mühe und Noch genug, um sich durch die angestrengteste Arbeit ihrer Hände einen sehr bescheidenen,Unterhalt zu erwerben, aber niemals ließ sie ihrem Bräutigam gegenüber auch nur die kleinste Spur von Mißmuth oder Kummer aufkommen, denn sie wußte ja, baß sie hierdurch da- Herz Walther- nur noch mit um so größeren Sorgen belasten würoe. Boa glänzenven Weihnachtsgeschenken konnte bei diesen armen Brautleuten selbstverständlich wohl nie die Rede gewesen fein, da jede- von ihnen doch schon die größte Noch hatte, um nur den eigenen Lebensunterhalt kümmerlich genug zu erschwingen. Eine Gabe war eö jedoch, die Walther regelmäßig seit den langen Jah ren ihres Brautstandes am Weihnachtsabende stet- seiner treuen Anna überbracht hatte; es war die- — ein blühender Rosenstock, da- schöne Symbol ihrer herzlichen Liebe. Auch diese Ausgabe war dem armen Candidaten oft schwer genug gefallen, denn man weiß ja, daß blühende Rosenfiöcke zur Weihnachtszeit nicht eben unter die billigen Gegenständ» gehören. Deshalb hatte auch stet- Anna ihrem Bräutigam die emdrücklichsten Vorstellungen über dessen unverantwortliche Verschwendung gemacht; Walther hatte aber auch immer wieder diese Vorwürfe zu bekämpfen gewußt, so daß also niemals die bescheidene Freude de- Christabend- dadurch einen Abbruch erlitt. Auffällig muß eS deshalb erscheinen, daß heute Abend Walther egen feine Gewohnheit ohne Rosenstvck zur harrenden Braut eilt, iüher würde er untröstlich gewesen sein, wenn er ohne sein sinnige- Geschenk hätte vor Anna treten müssen; heute jedoch scheint er sich dieses Mangels fast zu freuen, denn er hat ja dies mal eine ganz andere und weit größere Ueberraschung zu bieten. Anna, welche ihren Bräutigam gerade heute mit ganz be sonderer Ungeduld erwartet, ist schon mehrere Male zum Fenster jetreterh um nach dem Ersehnten hinauszublicken. In ihren Zügen regt eine unverkennbare Freude, die auf irgend eine ungewohnte Ueberraschung zu deuten scheint. Kann man ihr daher jene Un geduld verdenken? Wenn Anna auch schon jene Jahre erreicht hat, welche man ungefähr für nöthig hält, um ein Mädchen mit dem Spottnamen: alte Jungfer — bezeichnen zu dürfen, so können trotzdem ihre regelmäßigen, sanften Züge einen gewissen Anspruch auf Schönheit machen, sie lassen wenigsten- noch immer erkennen, daß Anna früher sehr schön gewesen sein muß, und diese blühende Jugend sah sie schwinden, ohne in ihrer Liebe zu dem armen aber so redlichen Walther zu erkalten. Ihr kleine- Stübchen zeigt von einer großen Ordnungsliebe; tadellose Reinlichkeit führt hier die Herrschaft und diese Sauberkeit läßt da- Dürftige der Gerätschaften gar nicht hervortreten. Sämmtliche Bewohner de- Hause- sind der braven Anna gewogen, mehr aber als von allen Uedrigen wird sie von ihrem in demselben Stockwerke wohnenden Nachbar, einem alten yensionirten Beamten, verehrt. Dieser alte Hagestolz beneidet oft rm Stillen dev ihm befreundeten Walther um dessen Braut und seufzend hat er seinem Geschicke schon oft Vorwürfe gemacht, weil er nicht vor zwanzig Jahren als kräftiger Mann, und früher als Walther jene- lieb« Geschöpf sah; dann wäre er sicher kein Hagestolz geblieben, meint er. Dle Noch der armen Brautleute jammert den guten Nachbar oft r.cht sehr, aber leider ist er selbst kaum reicher als jene und nicht im Stande, ihnen zu helfen. Doch lassen wir den Nachbar jetzt bei Seite und gehen wir lieber dem Candidaten entgegen. Da kommt er schon die Treppe heraufgestürmt, als wäre ein Haufen Verfolger hinter ihm drem uao athemlo« stürzt er in da- Stübchen der zum Tode erschrockenen Anna. Walther wirft sich, ohne ein Wort sprechen zu könne», schnaufend und pustend auf einen Stuhl. Entsetzt eilt Anna herbei, »m ihm Hülse zu leisten, allein Walther drängt sie lächelnd zurück. .Rur — «nen Augenblick — Geduld-, bringt er «« An- ge ?> strevguna hervor, ^laß mich er- nur ein — ganz klein Wenig — Athem schöpfen." ,U« de- Himmel- Willen," ruft Anna besorgt, e- ist Dir doch nicht ein Unglück zugestoßen, Walther?" Der Gefragte schüttelt glückselig lächelnd statt aller Antwort de» Kopf. .Aber man muß Dich doch auf der Straße verfolgt haben, sonst würdest Du gewiß nicht so furchtbar gelaufen sein", forscht Anna weiter. .Gott bewahre — sei ganz ohne Sorgen," beruhigt Walther die zitternde Braut, .im Gegentheil, ich dringe Dir — ein herr liche- Weihnachtsgeschenk!" .Halt", unterbricht ihn Anna, die rasch ihren frohen Muth wieder erlangt hat, .sprich mir noch nicht von Deinem Weihnachts geschenke; für diesmal bitte ich mir da- Recht au-, Dich be schenken zu dürfen." Walther blickt erstaunt auf. Er hat bisher seiner Braut streng verboten, ihm irgend ein Geschenk zu machen, weil er nur allzugul weiß, wie spärlich der durch Anna'- Handarbeiten erzielte Verdienst ist. Noch größer aber wird sein Erstaunen, als Anna jetzt aus ihrem Nählischchen ein reizende- Morgenmützcheu mit reicher, ge schmackvoller Stickerei hervornimmt. .Nur nicht die Stirn in Fallen gezogen", ruft sie lächelnd, als sie auf Walther-Zügen Mißbilligung liest, .glaube nicht etwa, daß ich mir drückende Ersparungen auferlegt habe, um Dir diesmal auch eine ganz kleine Freude zu bereiten, was ich doch schon so lange und von ganzem Grund meine- Herzen- gewünscht habe. In letzterer Zeit hatte ich da- Glück, weit lohnendere Arbeiten al- gewöhnlich zu erlangen; ich konnte deshalb auch einmal daran denken, meinen Lieblingswunsch auszuführen und da derselbe über dies noch sogar mit Deinem eigenen Wunsche zusammentrifft, so wirst Du mir um so weniger zürnen." .Aber Anna," will sie Walther unterbrechen. „Still, still; heute leide ich keine Vorwürfe," fährt Anna liebe voll fort. .Ich weiß wie sehr Du Dir ein hübsche- Morgen- mützchen wünschtest und ich fühle mich unendlich glücklich, Deinen bescheidenen Wunsch jetzt erfüllen zu können. Also nimm nur, Du Guter, und gedenke meiner immer, wenn Du diese- Geschenk zur Hand nimmst." „Meine liebe, treue Anna," spricht Walther gerührt, seine Braut an sich ziehend, „ich vermag kaum Dir zu danken. Aber eine Strafe würde eS für mich sein, sollte ich nur dann Deiner ge denken, wenn ich diese- liebe Geschenk erblickte. Weißt Du denn nicht, daß ohne Aufhören meine Gedanken bei Dir sind? Ach ja, ich muß eS gestehen, daß ich oft mitten in meinen Correcturen griechischer Werke und gar nicht zum Nutzen derselben recht lebhaft an Dich denke." .Ich weiß eS, Walther, wie herzlich gut Du bist," versichert glückselig lächelnd Anna. .DaS bin ich durchaus nicht," entgegnet ernsthaft Walther, .im Gegentheil ein ganz abscheulicher Mensch muß ich doch sein; denn Du hast in Deinem Bestreben, mich heute Abend glücklich zu machen, ganz übersehen, daß ich gerade heute seit fünfzehn Jahren zum ersten Male ohne da- gewohnte Geschenk vor Dich trete." „Du meinst den Rosenstock, den Du mir stets überbrachtest. Ich würde mit keinem Worte Dich daran erinnert haben, denn stet- machte ich Dir Vorwürfe, daß Du meiner Liebe zu den Blumen ein so kostspieliges Opfer brachtest," versichert Anna. .Noch bis vor einer Stunde hätte mich der Kostenpunct nicht abhalten können," spricht Walther, .den« ich hatte den dazu er forderlichen Thaler schon längst in Bereitschaft. Aber —" „Nun, wa- ist da- für ein Aber, da- Dir nicht so recht von den Lippen will," fragt Anna ihren scheinbar sehr verlegen werden den Bräutigam. .Ich will Dir e- nur gestehen," antwortet Walther, ich habe jenen Dhaler verschenkt." .Wie? Verschenkt?" wiederholt staunend Anna. .Doch ich tadle Dich keineswegs deshalb, denn sicher ist es eine arme, hülfs- bedürftige Familie gewesen, die Du mit diesem reichen Geschenke beglückt hast." .DaS will ich nicht gerade behaupten," sagt Walther mit einer fast leichtsinnigen Miene. .Walther, ich verstehe Dich nicht. Sprich, wem hast Du da- Geschenk gemacht?" .Nun — wenn Du e- durchaus wissen willst — dem Brief träger!" .Ist e- möglich?" .Wie ich Drr sage!" .Also war er doch gewiß hilfsbedürftig." .Danach habe ich nicht einmal gefragt." .Walther!" .Nein, ich will Dich nickt »och «ehr aus die Kolter spanne«, denn schon längst droht mir ja da- Herz vor Freude zu zer springen. Hier nimm diesen Brief und wenn Du ihn gelesen hast, so sage mir, ob ich Unrechtaetha» habe, als ich i« Freuden räusche de« Briefträger jene« Thaler ß Rosenftocke- bestimmt war." gab, der zu« Ankäufe de-
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