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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187104027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18710402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18710402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1871
- Monat1871-04
- Tag1871-04-02
- Monat1871-04
- Jahr1871
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1871
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Erste Leilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. M »r. Tonntag den 2 April. Palmsonntag. Glockenlauten! Liederschallen! Jubelklänge nah und fern! Frohbewegte Menschen wallen Früh am Tag zum Haus des Herrn. Frohbewegte Menschen schreiten Durch die Trift in sel'ger Hast, Bei dem Einzug zu begleiten Den ersehnten hohen Gast. Liederschallen! Glockenklänge! Sanftes Sausen in der Luft! Morgenglanz und Lerchenfänge Ueber junger Veilchen Dust! Erd und Himmel stimmen Psalmen, Naher kommt das Tongebraus Und eS schmücken fick mit Palmen Feld und Flur, und Herz und HauS. Hosianna!... Preis und Ehre Dem, der naht in stiller Pracht, Dem Gewalt'gen ohne Heere, Der die Welt sich dienstbar macht. Er will uns zur Freiheit führen — O so haltet euch bereit! Thut dem König auf die Thüren, Macht vor ihm die Thore weit! Hosianna!... Lauter wogen Lied und Jubel durchs Gefild: Der Gesalbte kommt gezogen, Seht, sein Auge leuchtet mild. Hohen tönet wie Geringen, Selbst den Aermsten tönt sein Ruf, Und der Knechtschaft Ketten springen Unter seines Thieres Huf. X. Deutscher Reichstag. Achte Sitzung vom 31. März. ^ Präsident vr. Simson eröffnet die Sitzung um 12^4 Uhr. Am Tische des Bundesraths: Delbrück, v. Friesen, vr. Kirchenpaur, Hofmann, rv. Liebe, v. Pfretschner und Andere, j Auf den Vorschlag des Präsidenten beschließt ^daS Haus, die Adresse an Sc. Majestät den Kaiser ^durch eine Deputation von 30 Mitgliedern zu überreichen. Die Deputation wird durch daS Loos gewählt und besteht aus folgenden Mitgliedern: vr. M a r- guard-Barth, vr. Köchly, Stavenhagen, v.Patow, v.Kusserow, Krersner, v. Tres- kow, vr. Gneist, Schröder (Beuchen), Hei denreich, Duncker, vr. Endemann, Herr lein, vr. Selig, Graf Stolberg-Wer- nigerode, Graf Strachwitz, Schenk, Gras zuSolms-Laubach, Tenzer, vr. Pfeiffer, v. Simson - Georgenburg, Großmann (Köln), Overweg, Genast, Fier, Graf v. Sensheim-Grünbach, v. Kirchmann, v. Lindenau, v. Busse und Kiefer. ES folgt die erste Berathung des Gesetz- Entwurfes, betreffend die Einführung der norddeutschen Bundesgesetze in Bayern. Abg. vr. Hölder erkennt es dankenswerth an, daß die bayerische Negierung selbst die Initiative ergriffen habe, um eine Reihe von Bundesgesetzen in Bayern einzuführen. Es werde dadurch eine Lücke ausgefüllt, und e- sei gut, wenn dies so bald alS möglich geschehe, denn gewiß werde Jeder die Nochwendigkeit anerkennen, die Einheit der Ge setzgebung für daS ganze Deutsche Reich so schnell als möglich herzustellen. ES sei schon ein erheblich« Wand, daß verfassungsmäßige wichtige Theile der rng finden so hcile des Reichs keine Dazu gehören die Gesetze Gesetze entgegenstellen, seren nicht so groß. Er wolle die Aufmersamkeit des Hauses auf die e Lücke binlenken und den Wunsch aussprechen, daß die selbe so bald als möglich auSgefüllt werde. BundeScommiffar, bayerischer Staatsminister v. Lutz: Es kommt nicht unerwartet, daß in dem Gesetz-Entwurf die Aufzählung einzelner Bundes- aesetze fehlt. Der Grund davon liegt in dem Bestreben der bayerischen Regierung, die Ein- Diejenigen Bundesgesetze, welcke Bayern ohne Schwierigkeiten aufzunehmen im Stande ist, finden Sie in dem vorliegenden Gesetz-Entwürfe ange führt. ES ist noch eine sehr kurze Zeit seit An nahme der Verträge vergangen, und eS war daher noch nicht möglich sich über alle Gesetze schlüssig zu machen. Ich bin der Meinung, daß einzelne Gesetze in verhältnißmäßig kurzer Zeit eingeführt werden, und dazu zähle ich das Wehrgesetz, das Gesetz über die Maaß- und GewichlS-Ordnung und daS Gesetz über die Rinderpest. Aber es war hi< zu diesem Augenblick nicht möglich, die eutsprechenden Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Zu den Gesetzen über die Erwerbs- »»nossenschaflen und über die vertragsmäßigen zfen ist die Stellung der bayerischen Regierung Die*,»dcre, und eS liegt wcbt in ihrer Absicht, r« aucsetze so bald alS möglich einrufvhren. Di« »«g <rig eine- allgemeinen deutschen RechlS ist iehtewHst wünschenswert, allein tie Sache stehe »stet Ifw erster Lime, und die Regierung kan» sich nicht leiten lassen von einer orthodoxen Gleich macherei. Es würde darin ein sehr großer Ein griff in unsere Rechtsverhältnisse Kegen. In Bayern hat sich das Bedürfniß der Einführung von Genossenschaften mit beschränkter Haftbarkeit heranegcsrellt, und waS das Gesetz über die ver tragsmäßigen Zinsen anlangt, so ist diese Frage in Bayern durch ein Gesetz geregelt, welches m mehrfacher Beziehung weiter gehl als bas nord deutsche. und Bayern würde mit der Einführung dieses Gesetzes einen Rückschritt machen, was Sie gewiß nicht wollen. Man sollte es daher bei der Nichteinführung dieser Gesetze belasten, oder sich lieber dazu entschließen das bayerische Gesetz als Reichsgesetz einzuführen, i Beifall.) Abg. Lasker ist angenehm überrascht durch den Umstand, daß zu den einzuführenden BundeS- gesetzen so gut wie keine Abänderung vorgeschlagen ist. Er weist alsdann den Vorwurf zurück, als ob ein Theil des Hauses auS Liebe zur formellen Gleichmacherei die besseren Gesetze einzelner Staaten beseitigen wolle. Zu den großen Vortheilen des Bundesstaats zähle er eben den Umstand, daß die Vorzüge der einzelnen Staaten dem Ganzen zu Theil werben, er hege die Hoffnung, daß Alles, was der einzelne Geist früher für kleine Abschnitte gewirkt habe, nunmehr dem großen Ganzen zu Gute kommen werde. Die Gemeinsamkeit der Gesetzgebung gehöre zur ersten Aufgabe des Deut schen Reicks. Der BundeScomnnffar habe die Gewerbe-Ordnung vergessen. ES sei anzuerkennen, daß das bayerische Gesetz manche Vorzüge enthalte, und er wünsche deshalb eine Vereinbarung beider Gesetze des norddeutschen Bundesgesetzes und des bayerischen, zu einem ReickSgesetze. Auf der wirth- sckaftlichen Gemcinschafilichkeit beruhe daS ganze Reich, und wenn das Leben sich Bahn breche, so soll die Gesetzgebung diese nicht hemmen. Bundescommissar württemb. Staatsininister von Mit ln acht: Für Württemberg kommen nur noch in Betracht die Gesetze über die'Rinderpest, die Ge werbe-Ordnung und betreffend den Unterstützungs- Wohnsitz. Hinsicktlich des ersten Gesetze« sind die nolhwcndigen Verhandlungen eingeleitet, und was die beiden andern Gesetze anlangt, so ist der württembergische Restort-Minister und ich der An sicht, daß Württemberg beide Gesetze als Ganzes annehmen muß. (Beifall.) Wegen der etwa nolh- wendigen Abänderungen behufs der Einführung werden wir eine Vorlage in der nächsten Session des Reichstages veranlassen. lBeifall.) Abg. Baron v. Stauffenberg constatirt mit Befriedigung aus den Erklärungen der Bundcs- commissare, daß die Einheit der Reichsgesetzgcbung nicht mehr lange auf sich warten lassen werde, und fragt bezüglich des Pensionsgesetzes für schleSwig- holstein'sche Militairpersonenj ob diesen Personen, wie es im Bundesgesetze bestimmt ist, die Pensionen auch in Bayern vom 1. Juli 1867 an nachgezahlt werben. Bundesc. bayerischer Staatsministerv. Pfretsch ner: Ich glaube, die Frage kann ich in dem Sinne hat. der Pensionen Anspruch zu machen haben, verschwindend klein. Im Nordd. Bunde sah man die Befriedigung der ehemals schleswig-holsteinischen Soldaten als eine Ehrenschuld an, und von diesem Standpunkte auö wurde die Einführung dieses Gesetzes in Bayern sofort bestimmt, und hter erscheint daS warme Ge fühl SUddentschlands für ganz Deutschland. (Lebh. Beifall.) Abg. vr. Bamberger Baden) protestier gegen den Ausdruck „orthodoxe Gleichmacherei" und ver- theidigt die baldige Herstellung eines einheitlichen Civil- und Criminalreckts. Nach einigen Bemerkungen d«S Abg. Schulze wird die Discussion geschlossen, die Ueberweisung der Vorlage an eine Commission wird abgelehnt, die zweite Lesung findet somit im Plenum statt. Auf Antrag des Abg. vr. Pro sch wird der von ihm gestellte Antrag wegen der Hausirgewerbesteuer von der Tagesordnung abgesetzl und schließt da mit die Sitzung um 3 Uhr. Nächste Sitzung: Sonnabend 12 Uhr. Tagesordnung: Erste und zweite Lesung deS Nach trags zum Etat für 1871 und zweite Lesung der Deutschen Reichsverfastung. Berlin, 31. März. (Vom Reichstage.) Die Delegirten aller Fraktionen — mit Ausnahme natürlich der Klerikalen — traten heute vor der Plenar - Sitzung zu einer Besprechung, resp. Fest setzung der Form zusammen, in welcher der Reichs tag die Reichensperger'schen Anträge zur Ver fassung — Aufnahme der Grundrechte rc. — abzu lehnen hat. Zu einem definitiven Beschlüsse darüber, oder zur Feststellung deS Wortlautes einer motivirtenTagesordnung ist es noch nicht gekommen, es werden vielmehr die Verhandlungen heute Abend fortgesetzt werden. Es ist übrigens zweifel haft, ob über ein zu einer Vorlage des Präsidiums gestelltes Amendement der Uebergang zur einfachen oder motivirten Tagesordnung zulässig ist; Uber Anträge deS BundeSratheS ist der Uebergang zur Tagesordnung durch die Geschäftsordnung aus drücklich untersagt. Dem Reichstage ist eine Beschwerde der Kramer- Innung zu Leipzig wegen Verletzung des tz. 104 der Gewerbe-Ordnung Seitens der königl.läckflschen Regierung zugegangen. DaS sächsische Ministerium de- Innern bat nänrlich, entgegen der Ansicht d«s SiadtrathS zu Leipzig, de- königlichen Bezirks gericht- za Leipzig und der JurisicnfecuULt der Universität Leipzig ausgesprochen, daß die Kramer- Innung zu Leipzig nicht zu den Handels-Corpo- ralionen gehöre, welche nach tz. 104 der Gewerbe- Ordnung den Vorschriften des Tit. VI der letzteren nicht unterliegen sollen. Heute ist der Termin, an dem man die Ein lösung der rumänischen Eisenbahn-Cou pons erwartete. Die Hoffnung scheint indessen getäuscht worben zu sein, wenigstens hatten einige hiesige Rechtsanwälte Auftrag erhalten, Coupons zu protestiren. Ein solcher Protest hat natürlich nicht die Rechtsfolgen eines Wechselprotestes, er constatirt vielmehr nur rn bestimmter amtlicher Weise die Nichtzahlung. In der heutigen Sitzung des Magistrats ver abschiedete sich der Kämmerer Hagen, der be kanntlich zum Director der Norddeutschen Bank gewählt worden ist und dieses Amt angenommen hat. Der Oberbürgermeister Seydcl richtete an den Scheidenden einige Worte warmen Dankes für seine langjährige THLligkeit, die namentlich in den schwierigsten Zeiten eine sehr bewährte ge wesen sei. Zum provisorischen Stellvertreter des Kämmerers ist der Stadtrath Runge bestimmt. Viele Meldungen für diese Stelle sind bereits ein- gcgangen, und man soll sich in einigen Kreisen sehr für die Wahl des Assessor a. D. Eugen Richter intcressiren. Das Fest, welches die Stadt Berlin dem Reichs tage zu geben beabsichtigt, wird nunmehr bestimmt am 17. Äpril stattfinden. Die Commission der städtischen Behörden zur Vorbereitung der Einzugsseicrlichkei ten hat sich in sieben Untercommissionen gelheilt, von denen jede einen bestimmten Theil der Feierlich keiten vorzubereiten und zu ordnen hat. Tagesgeschichtliche Reberslcht. So sehr der gegenwärtigen französischen Regie rung der Boden unter den Füßen schwankt, hat man sich doch von deutscher Seite entschlossen, ihr so weit alS möglich die Zugeständnisse za machen, welche ihr Fortbestehen sichern können. Die „Times" vom 30. meldet telegraphisch: „Es wurde zwischen der deutschen und französischen 'Regierung eine neueConvention abgeschlossen, wonach die Auslieferung der Kriegsgefangenen weiter vor sich geht. Der General-Gouverneur v. Fabriee gestattete ferner unter Vorbehalt der Bestätigüng von Berlin die Erhöhung der Garnison von Paris auf 80,000 Mann, obgleich die Friedens- präliimnarien nur 40,000 Mann zugestehen. Durch diese Modifikation wird die Versailler Regierung in den Stand gesetzt, genügende Streitkräfte zusammen- zuziehen, um den Insurgenten begegnen zu können." Es ist vorauszusehen, daß die Versailler Regierung, welche schon in Betreff der Truppenstärke in Paris zu einer Aenderung der Friedenspräliminarien die Initiative ergreifen mußte, auch die am 1. April fällige Rate der Kriegsentschädigung nicht zahlen kann. Wenn Herr Thiers selbst die stricte Aus führung der Friedenspräliminarien für unmöglich erklärt, so wird er natürlich sich auch Aendcrungen auferlegen lasten müssen, welche den deutschen Interessen diejenigen verstärkten Bürgschaften geben, die gegenüber den gegenwärtigen anarchischen Zu ständen in Frankrecch unerläßlich sind. Uebrigens bestätigt es sich, daß die Auslieferung der Kriegsgefangenen ihren Fortgang nimmt. Die englische Presse, die so eben noch die deutschen Truppen mit ungerechten Vorwürfen überhäufte, ruft jetzt ihren Beistand an, um der schrecklichen Unordnung ein Ende zu machen. Wir werden uns denn doch sehr besinnen, uns in fran zösische Angelegenheiten einzumischen. Wir haben nur darauf zu sehen, daß dre Friedensbedingungen eingehalten werden. Dies ist freilich bereits Unter lasten. Die erste Rate von 500 Millionen ist noch nicht bezahlt. Wir hatten den Aufschub bis zum 27. genehmigt und werden wohl noch weiter uns gedulden müssen. Aber zuletzt werden wir nicht umhin können, unsere Rechte zu schützen. Die Eröffnung der Friedensverhandlungen in Brüssel ist durch die Revolution in Paris nicht verhindert worden, aber natürlich sind die Unter handlungen unter den gegenwärtigen Umständen ins Stocken gerathen. Auch kehrt die Landwehr noch fortwährend nach Deutschland zurück, indeß werden die Reserven festgehalten und für even tuelles Einschreiten sind Vorkehrungen getroffen. Das Einschreiten wird nur in deutschem Interesse geMehen. «Die neue Regierung in Paris hat sich bekannt lich den Titel „Commune", jenen aus der 1793er Epoche herrührenden Namen, der von den Socialisten von heutzutage schon lange zum Stich wort genommen war, beigclegt. Gar mancher ZeitungSleser dürfte sich aber schon wiederholt ge fragt haben, was unter dieser „Commune" wohl zu verstehen sei? Der Sache nach ist die „Com mune" eine Versammlung von 90 Menschen, die in den zwanzig Arrondissements von Paris so ge wählt wurden, daß jedes Arrondissement einen besonderen Wahlbezirk bildet, auf welchen je nach seiner Bevölkerungszahl 2, 3, 4, 5 bis 7 Abgeord nete entfallen. Diese 90 Erwählten des Pariser Volkes sollten nun nach dem ursprünglichen Ge danken den Gemeinderath von Paris bilden; aber wie die Tendenzen des Umsturzes in Paris viel weiter hinausaehen, als auf eine selbstständige Ver waltung der Stadt Pari«, so hat natürlich auch die „Commune" ganz andere Ziel« vor Augen, alS dre muniripale Verwaltung, und sie ist viel leicht am zutreffendsten damit charakterisirt, wenn man sie als eine Copie des Wohlfahrtsausschusses von 1793 bezeichnet. Der „Neuen Freien Presse" schreibt man ans Paris: „JedeS Kind siebt voraus, über welchen Stein die Commune zuerst stolpern wird: sie har kein Geld. Es ist auch, selbst wenn sie die Be sitzenden mit einer großen Steuer belegen oder einfach ausrauben wollte, thatsächlich sebr wenig Metallgeld in Paris vorhanden, und die Bank hat ihre Platten und ihre Notenvorräthe thsilS in Sicherheit gebracht, theils vernichtet. Sic wird also Assignaten mit Zwangscours ausgcben; da diese aber außerhalb Paris nicht werden angenommen werden, so wird bald die Verproviantcrung von Paris ohne jede neue Belagerung stocken; es wird der Hauptstadt bewiesen werden, daß sie sich denn doch nicht von der Provinz isoliren kann. Aber welche Prüfungen werden wir bis dahin durch schreiten! Und wird die Commune dann capitu- liren oder wird sie einen Raubzug in die von den deutschen Truppen nicht besetzten Provinzen unter nehmen? 1793, die ganze Geschichte Frankreich- Würde nichts Aehnlichcs gesehen haben, denn noch nie haben sich Paris und das Land so schroff gegen über gestanden. Und gleichwohl, wie ist ein anderer Verlaus der Dinge denkbar?" Der Fürsten mord, das ist die erste Parole, welche die Pariser Commune ihren Getreuen aus- giebt. In einem Artikel des amtlichen Pariser Blattes heißt es: „Man versichert uns, aber die 'Nachricht ist nickt efficiell, daß der Herzog von Aumale in Versailles sei. Wenn dies wahr wäre, sollte denn der Herzog auf dem Wege von Bor deaux nach Versailles keinem Bürger begegnet sein? Dock bei solchen Anlässen zeigt sich, wie tief Moral und Bürgersinn gesunken sind. In den antiken Republiken war Tyrannen-Mord Gesetz. Hier nennt eine angebliche Moral diesen Act der Gerechtigkeit und Nothwendigkeit einen Mord. Den Verderbten, die sich im Schmutz der Monarch e gefallen, den Jntriguanten, welche davon leben, gesellt sich die Gruppe der sentimentalen Einfalts pinsel zu. ... Die Gesellschaft hat Fürsten gegen über nur Eine Pflicht: den Tod) sie ist nur an Eine Formalität gebunden: an die Feststellung der Identität. Die Orleans sind in Frankreich, die Bonaparte wollen zurückkommen. Die guten Bürger mögen also wachen!" Die Schatten Ma- rat's und Robespierre'ö müssen mit Befriedigung aus bas heutige Paris herabsehen, wo ein „Journal vfsiciel" ihre politischen Grundsätze so getreulich wiedergiebt. Der Conslict zwischen den Principien von 1789 und ihrer Nachkommenschaft, den Principien von 1792, tritt in Frankreich immer deutlicher zu Tage. In der Volksvertretung zu Versailles wurde ein Antrag bezüglich der Decentralisatio» getreu den Princtpien von 1789 einaebracht; und in der Commune zu Paris die Einsetzung eines Sicker- heits Ausschusses gegen die Verdächtigen beschlossen, eine Maßregel, die im Jahre 1792 den Beden Frankreichs so lief mit Blut tränkte. Die Männer in Versailles sollen sich daher auch zur Auswande rung nach Fontainebleau entschlossen haben, da ihnen die Nähe von Paris bedenklich zu werden anfängt, wo ein liebenswürdiger Vorschlag dc- liebenswürdigcn Herrn Assy in Verfolg de- Ge setzes über den Verdacht dahin geht, alle der Reaction verdächtigen Personen zu erschießen. Ju- rwischen hat, wie eine Depesche meldet, daS Gesetz bereits dadurch eine Anwendung gefunden, daß man die Cassen einiger Versicherungsgesellschaften, welche Gelber der Kaiserin Eugenik besitzen sollen, mit Beschlag belegen ließ. Gleichzettig ist die Zahlung für WohnungSmiethen durch ein Decret bis auf Weiteres aufaeschoben, und die Hausbesitzer werden wahrscheinlich bald säinmtlich in die Liste der Verdächtigen, die man füsiliren muß, ausge nommen werden. Diese und ähnliche Maßregeln bilden augenscheinlich den Anfang zur Allsführung einer Proklamation der Regierung, nach welcher die gefährdete Industrie, die unterbrochene Arbeit und der gelähmte Handel wieder hergestellt werken sollen. Ueber die traurige Lage Frankreich- schreibt die „Times": „Die Zerrüttung Frankreichs ist jetzt vollständig. Seit der großen Schreckens- reit war sie hoffnungsloser nie gewesen. Wir stehen wieder mitten im Jahre 1793, nur daß der Muth von damals fehlt. Mit den Leuten von Belleville läßt sich unmöglich Friede machen. Sie sind unduldsam gegen Andersdenkende, wie früher die Mitglieder des Berges, und ihre sociale Ge- 'etzgeberei wird darum, daß sie in aller Form ges chieht, doch nicht weniger ein Act der Räuberei ein. Andererseits hat sich die National-Vcrsamin- ung als eine unfähige, takt- und muthlosc Kör Perschaft erwiesen, und daß durch neue Wahlen eine bessere gewonnen werden könne, ist unter den Elemente Frankreichs brodeln und zrschen und sieden jetzt wirr durch einander in einem gewal tigen Kessel, und bevor das Feuer ausgeerannt ist, wird das unglückliche Land nimmer Glück uud Ruhe wiederfinden." In England ist der Ex-Kaiser Napoleon bei seiner Landung in Dover und Uberhanp., wenn er sich öffentlich ze gt, gut empfangen worden. DaS gegenwärtige Treihen in Frankreich ist freilich ge eignet, seine Regierung im milderen Lich'e erscke'nrir zu lassen, besonders in England, da seine Polio cm Allgemeinen selzr freundlich für England
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