Siebentes Kapitel Der produktive Mensch - sein Wesen und sein Bild Denn was ist Genie anders als jene produktive Kraft, wodurch Taten entstehen, die vor Gott und der Natur sich zeigen können, und die eben deswegen Folge haben und von Dauer sind? Alle Werke Mozarts sind dieser Art; es liegt in ihnen eine zeugende Kraft, die von Ge schlecht zu Geschlecht fortwirket und sobald nicht er schöpft und verzehrt sein dürfte. Goethe Es gibt ein Lebens- und Schicksalsbuch der Deutschen, ein Buch ihrer Seele wie kein anderes: den Faust. Und ein Ursinn, ein letztes Sinnbild dieser Schöpfung ist es, daß Faust aus der Studierstube, aus dem Grübeln über den Sinn des Daseins, dem Streben zur Naturdurchdringung, aus der Mystik den Weg hinaus ins tätige Leben und Wirken findet: »Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt... Dem Wir kenden ist diese Welt nicht stumm!« Goethe, der Seher, hat den Entwicklungsweg der Deutschen vorausgeschaut und ihn im Faust verkörpert. Der produktive Mensch - das ist im Grunde der deutsche Mensch, der zuerst sein Schaffen voller Leidenschaft und Inbrunst seelischen, abstrakten, romantischen Dingen zu wendet, bis er das Land eines greifbaren Aufbaus betritt. Aus weltferner Versonnenheit überkommt ihn Wirklichkeits sinn, der alles Kleinbürgerliche sprengt und ihn mit dem Geist neuen Wagens erfüllt. Faust, das große Sinnbild des produktiven Menschen, macht das Land fruchtbar und trocknet Sümpfe aus, um Lebensraum zu geben »vielen Millionen«: Solch ein Gewimmel möcht ich sehn, auf freiem Grund mit freiem Volk zu stehn. Zum Augenblicke dürft ich sagen: Verweile doch, du bist so schön! i4o