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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187105232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18710523
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18710523
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1871
- Monat1871-05
- Tag1871-05-23
- Monat1871-05
- Jahr1871
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1871
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Hrfcheiut täglich früh 6>, Uhr. Irtcuttoa a»t trvktill«« Johannisgafse 4/L. Irramw Rcd^cteur Fr -»tturr. Hpntstundr d. Rcdattiou »»rxnla,,» »on N—>r »bk AitmlNaz« vvn 4—L Uh«. Louchmr der für die nächft- f»l<rndr Nummer bcstimmtm -Gerate in den Wochmtagm dt- 3 Uhr Nachmittags. v ur. Anzeiger. Amtsblatt de? König!. Bezirksgerichts und de? RatbS der Stadt Scirzig. Dienstag den 23. Mai. «»flage S00- Ado««emr»1»prt1» BicrleljLhrlich l Tblr. 7'/, Nqr., incl. Brmgerlobn 1 Tblr. 10 Ngr. Inserate die Spaltzrile l'/«Ngr. Nlllamea voter Uedacltoarfletch die Spaltzeile 2 Ngr. Filiale Otto Klemm, UnivcrsilälSslraße 22, Local-Comptoir Hainstratze 21. 18711 Bekanntmachung. Mil Beziehung auf die von dem General-Post-Amre in Berlin unterm 24. Februar d. I. er lassene Bekanntmachung, die Beschaffenheit der durch die Post zu versendenden Packereien belr., wird da< Publicum hiermit davon unterrichtet, daß sogenannte Fahnen zu Signatur-Adressen, bet Beuteln, Körben, Wild u. s. w. anwendbar, bei den hiesigen Papierfabrikanten rc. Herren F. A. Wölbling, Reichsstraße, Kochs Hof, und Herrn Mpin« Bennewitz, Kleine Flerschergasse 1 u. 2, in ver schiedenen Sorte» -» haben find. Leipzig, deu 22. Mai 1871. Over» Voft» Aint. Rontsch. Bekanntmachung. r«« DaS 20. Stück des Reichs«Gesetzblatts- ist bei uns eingegangen und wird biS 7. künftige» Monat- auf dem RathhauSsaale öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 637. Gesetz, betreffend eine anderweitige Feststellung der Matrikularbeiträge zur Deckung der Gesammrausgabcn für das Jahr 1869. Bom 5. Mai 1871. Llr. 638. Ertherlung deS Exequatur an einen Königlich Niederländischen Consul zu Kiel. Leipzig, den 20. Mai 1871. Der Rath der Etadt Leipzig. vr. Koch. Cerutti. Holzauction. Mittwoch am 24. d. M. sollen Vormittags von Uhr an in bonnewitzer Revier und zwar auf der WasserleitunaSlinie im Streuholze, Stempel und Mühlholze '» Klafter ntevc Rutzscheite, 8 Schock^Retfstabe, 2> , Klafter buchene, 32»/« Klafter eichene, 5»/« Klafter Bekanntmachung. Die Lieferung der zur Dampfkeffelheirung in der hiesigen Ltadtwasserkunst auf die Zeit vom 1. Juli 1871 bis 30. Juni 1872 benöchigren ca. 2v,LttO bentner Zwickauer Steinkohlen soll von uns an den Mindestfordernden vergeben werden. Die Preisforderungen find für die zur Hebung von 1000 Cubikfuß Master in das Hochreservoir einschließlich deS AnheizenS der Kessel erforderliche Quantität Steinkohlen zu stellen und biS den S. Jnnt 1871, Abends 8 Uhr schriftlich und versiegelt im Bureau der Stadtwasserkunst Rarh- hauS 2. Etage einzureichen, woselbst auch die Lieferungsbedingungen zur Einsichtnahme ausliegen und Abschriften davon gegen die Copialgebühren zu erlangen sind. Leipzig, den 8. Mai 1871. Der Rath der Stadt Leipzig. Schleißt 11r. Koch. leipner. rüsten». 3»« Klafter erlene unter den im Termine an Ort bietenden verkauft werden. Brennholzscheite, 87 Abraumhansen und 21 On und Stelle öffentlich angeschlagenen Bedingungen Langhaufen an die Meist- A»sa««enkunst: auf der neuen Wasterleitungölinie im Streitholze. Leipzig, am 11. Mai 1871. DeS Rath- Aorfitdeputation. Oeffciitliche Einladung. Die elfte ordentliche Versammlung deS AdvocarenvereinS im Königlichen AppellationSgerichts- bezirke Leipzig soll Montag, den 2tt. Juni 1871, Vormittags 10 Uhr im großen Saale der hiesigen ersten Bürgerschule staufinden. Die Tagesordnung bilden 1) der vom Borstande zu erstattende Geschäftsbericht; 2- die Vorlegung des Rechnungsabschlusses, einschließlich der Bestimmung der Höhe des er forderlich werdenden Jahresoeitrags; 3) Vortrag des GntachtenS der Kammer über den Antrag des Herrn Adv. Schrey, die notariellen Testamente betreffend; 4' Vortrag dcS Antrags des Herrn Ilr. Kreitmair, Obmanns deS Anwaltvereins für Bauern, auf Gründung eines „Allgemeinen Deutschen Anwallvereines" j 5 Verhandlung über etwaige von den Mitgliedern des Vereines rechtzeitig eingebrachten Anträge.! Leipzig, den 19. Mai 1871. Die Advocaten - Kammer daselbst. Ilr. Kormann, Vorst. Vas heurige Frühjahrs-Nenne». Obgleich Wind und Regen bisher in unerquick lichster Weise und auch noch am Vormittage des zum Frühjahrs-Rennen ausersehenen Sonntags geherrscht hatten, wurde die Befürchtung, das von allgemeiner Sympathie getragene ritterliche Fest könne durch die Ungunst deS Himmels gestört werden, glänzend zunichte gemacht. Wenige Stunden vor Beginn des Rennens zerstoben dle düsteren Wolken und eine warme herrliche Früh- lingssvnne lackte freundlich hernieder, wie noch me in diesem Jahre. Wagen auf Wagen, von der stolzen Aristokraten - Equipage biS zur bescheidenen Droschke, eilten in «nunterbrochencr Reihenfolge zu Hunderten nach dem Rennplane und mit ihnen zahllose Fußgänger, welche auf den Dämmen, so weit diese zugänglich sind, und den Grenzwegen Aufstellung nahmen und einen bunten, beweglichen Rahmen bildeten. Die Tribünen waren ziemlich gefüllt und besonders mit einem eleganten Damen- stor besetzt. In Folge der Zcitverhältniffe waren im Vergleiche zu den früheren Rennen wenig Lfficiere anwesend und inSoesondere fehlten die diesem Stande anaehörigen SportSmen, deren edle Renner längere Zeit auf den Programmen ihre rühmlichen Namen behaupteten. Das die jetzige Zeiilaae auf die Betheiligung am heurigen Früh- ZhrS-Rennen von einigem Einfluß sein würde, ließ sich erwarten. Indessen war sie doch eine ganz erfreuliche, und wie wir vernahmen, sind sogar noch in letzter Stunde Pferde angesaat worden. DaS Schiedsgericht hatten die Herren vr. Schulz, Traf Lehndorf und Graf Wilding - Königsdrück übernommen. Richter waren die Herren Lücke und Roßbach, Starter Herr Giese. Die Waage hatten die Herren Zimmermann und Baron Thielemann, dir Bahndirection führte Herr Linnemann. Das Eröffnung-» Rennen — Preis 300 Tblr. für dreiiädrige und ältere Pferde aller Länder, 20 Thlr. Einsatz, halb Reugeld — begann präciS halb vier Uhr. Grnannt waren sieben Pferde, vier davon jedoch zurückgezogen worden. Der braune Hengst Overstolz der Kölner Renn» gesellsckaft — genannt vom Baron Oppenheim — übernahm gleich anfänglich die Führung, welche er auch, obgleich scharf vor den Hufen deS schwarzbraunen Hengste« Oletzko — gehörig der Leipziger Renn- gesellschaft und genannt von Herrn Lücke — biS zum Pfosten behielt. Der Oletzko rettete die Hälfte der Einsätze und Reugelder. ES folgte hierauf daS zweite Rennen, UnionS-ClubpreiS 2. Claffe 500 Thlr. für dreijährige und ältere deutsche und in der österreichisch-ungarischen Monarchie geborene Pferde, 25 Thlr. Einsatz und 15 Thlr. Reugeld. DaS Programm nannte fünf Pfnde, doch kamen nur vier auf Bahn. Graf GötzenS brauner Hengst LiebeStrank blieb lange scharf in den Eisen und gewann sichtbar Vorsprung, biS vr. Marckwald'S brauner Hengst Chrono meter lebhafter einsetzte und ihm die Lrnie ab- aewann. Kurz vor dem Pfosten kam jedoch der kraune Hengst Erlkönig — Kgl. Hauptgestüt Gradiy— heran, und es gelang ihm, seine Gegner zu fcklagen. Der Chronometer rettete die Hälfte der Reugelder und Einsätze. DaS VereinS-Rennen, Preis 300 Thaler Herren-Reften für Pferde aller Länder, 20 Thlr Einsatz, halb Reugeld, nahmen von sechs ange meldeten Pferden drei aus. Es war auch dies ein elegant und präciS gerittenes Rennen. Herrn Oehl'cklägerS FuchS-Wallack Czarewitsck über nahm die Führung und hielt sie lange, bi« sie ihm durch Capilain Rings braune Stute Fanny entrissen wurde. Beide Pferde wetteiferten in »illamer Haltung, aber die Fanny gab ihr Terrain nicht auf und siegte mit einigen Pferde- ängen. Geritten wurde sie von einem preußischen Gardedragoner-Ofsicier, wie man unS sagte, einem Grafen Strachwitz. — Zur IV. Nummer des Ren nens: Leipziger Handicap, Preis 800 Thlr., 'ür Pferde aller Länder, 60 Thlr. Einsatz, 30 Thlr. Reugeld, waren, nachdem ftüher schon sieben Pferde gegen Reugeld zurückgezogen worden waren, acht Pferde angcmelvet, doch liefen davon nur drei. Lieutenant von Erbecks Fuchshengst Hollywoo d und der Berliner Renngesellfchafl schwarzer Hengst Mortlake — genannt v»n Herrn Weer — rangen Kopf an Kopf längere Zeit um die Führung, die hnen jedoch bald auch durch Herrn von Oertzens chwarze Stute Ilias streitig gemacht wurde. Der Hollywood arbeitete sich indessen vor und ließ eine Gegner nicht wieder heran, obgleich sie ihm >en Sieg nicht leicht machten. Er schlug die JliaS um einige Nasenlängen, während diese die Hälfte der Einsätze und Reugelder und der Mort ale seinen Einsatz erwarb. Zu dem VerkaufS-Rennen, Preis 300 Thlr., Pfnde aller Länder, 25 Thlr. Einsatz, ganz Reu geld, standen drei Pferde angemeldet, doch wurden reren fünf am Pfosten angeschlagen. Nach Be- iimmung sollte der Sieger, wenn gefordert, für 1000 Thaler käuflich fern und glnck nach dem Rennen öffentlich versteigert werden. Erreichte kein Gebot den angesetzten Kaufpreis, so verblieb xrs Pferd dem bisherigen Besitzer. Jede- startende Pferd sollte für den eingesetzten Kaufpreis unter Hmzufügung der Prämie, der Einsätze und Reu- zelder von den Theilnehmern am Rennen nach der Reihenfolge, wie sie eingekommen, gefordert wer- ren können. — Die fünf Pferde durchliefen die Bahn mit mehrfach wechselnden Chancen, bis eS schließlich dem braunen Hengste Kiel der Leipziger Renngesellschaft gelang, sich dauernd an ihre Spitze zu bringen und die Führung zu behaupten. Nach dem Kiel seine Gegner glänzend geschlagen hatte, wurde er zur Versteigerung vorgeführt; da jedoch kein Gebot erfolgte, oleibt er Eigenthum der Leip ziger Rennaesellschaft. Das Schluß Rennen, FrühjahrS-Steeple- chase, erfreut sich immer der lebhaftesten Teil nahme, insbesondere de- größeren PublicumS, in dem Reiter und Pferde dabei allerhand künstliche " inderniffe überwinden und viel Gewandtheit und »tcherheil behaupten müssen. Die Hindernisse be schränkten sich bei diesem Rennen nur auf die Ueberwinduna aufgestellter Hürden, von Graben hindernissen hatte man abgesehen. Der Preis für den Sieger war 400 Thlr. für daS erste und 100 Thlr. nebst der Hälfte der Einsätze und Reu gelder für daS zweite Pferd. Herren-Reiten Pferde aller Länder, Einsatz 15 Thlr. Von sechs genannten Pferden erschienen am Pfosten nur vier. Alle Hindernisse wurden mit Bravour und Ele< ganz genommen und trotz des weichen regendurch drungenen BodenS sprangen sämmtliche Pferde mit einer Sicherheit, daß nicht ver geringste Unfall vorkam. Herrn KösterS braune Stute Conchilta und Graf GcrSdorffs brauner Wallach Swel rangen am energischsten um den Preis und fchlu erstere diesen um eine halbe Pferdelänge. Herrn Kösters dunkelbrauner Hengst Seminarist rettete seinen Einsatz. Damit schloß, biS zum letzten Augenblicke vom schönsten Wetter begünstigt und ohne jeden Unfall, daS diesjährige Frühlings-Rennen und in geord netem, bunlein Durcheinander kehrte Vornehm und Gering in Wagen oder auf Schusters Rappen nach der Stadt zurück. Die große Theilnahme deS PublicumS an unseren Rennen hat auch dies mal wieder gezeigt, daß dieselben bereits einen volksfestlichen Charakter angenommen haben und wir unserem Sport für deren Schöpfung zu großem Danke verpflichtet sind. Möge die edle Reitkunst in steter Blüthe verharren und. wie sie es bisher ^etl^an, alich ferner einen Zweig in Leipzigs ihmeskranz flechten! 1). Mr. Neues Theater. Leipzig, 22. Mai. Die Räder'sche Crimi- nalposse: „Robert und Bertram" ging gestern auf unserer großen Bülme in Scene. Die bur lesken Situationen der Posse sind mit wenig Witz und viel Behagen scenirt und erhallen nur dadurch einigen Werth, daß man sie als eine Parodie auf all die Criminalromane und Criminalnovellen auf- aßt, in denen ähnliche Vorgänge mit der ganzen Würde und feierlichem Spannung, die sich für Romancapitel ziemen, geschildert werden. AlS „Robert", eine Rolle, die wir bisher von unserem tragischen Helden spielen sahen, trat Herr Schindler auf und führte den „Vagabonden" n allen seinen Metamorphosen, namentlich in dem polizeilichen Verhör des zweiten Actes, sowie als imponirenden Prinzen im dritten und als robuste Altenburger Dorfscköne ganz amüsant durch. Der „Bertram" des Herrn Engelhardt ist eine von früher bekannte sehr ergötzliche Leistung — nur die polltischen Couplets, mit Ausnahme des letzten, waren diesmal etwas „matte Limonade". Die Charge de« Bauquier Jppelmeier führte Herr Tietz mit der hier unerläßlichen Uebertrei- bung durch und wurde in diesen jüdischen Salon- sceneu, welche wie ein Capltel auS „Soll und Haben" gemahnen, von Fräulein Roth, der schöngeistig angeflogenen Isidora, Herrn Link, dem schwärmerischen Buchhalter Bandheim, Herrn Grans, dem spöttischen Hausfreund Corduan und Frau Gut perl, der stets verzückten Com- merzienräthin Forchheim, im gleichen Styl unter stützt. Fräulein Räder (Röselj wirkte mit der ge bührenden Pietät in der Dichtung ihres VaterS mit; sie hat im Gesang einige Studien und Fort schritte gemacht und trug namentlich daS Couplet, welches die weibliche Verschämtheit illustrirl, an sprechend vor. Im Uebrigen tritt die Rolle nicht gerade sehr hervor. Herr Rebling als Bauer- vursche Michel, Herr Gitt als Strambach, Herr Stürmer als Pachter Mehlmeyer wirkten tapfer mit, um daS Interesse an dieser Vagabondcn- geschichte nicht einscklafeir zu lassen. Herr Schlick, Jack- ist stets drollig in seinen kleinen Episoden. Was die Tanzeinlagen betrifft, so erfreute namentlich Fräulein Casali durck ihre Kunst fertigkeit. Die Bolksscenen waren lebendig arran- airt — jdoch fehlte es in der ersten und zweiten Abtheilung nicht an Stockungen und der Schluß der zweiten verunglückte gänzlich. Das stolze Strerlroß Geßlers, daS wir von der hohlen Gasse her kennen, schien nicht zur reckten Zeit mobil ge worden zu sein. Rudolf Gottschall. Vas Leipziger publicum wird von Heinrich Laube in seinen Skizzen über das norddeutsche Theater N. ft. Pr., folgender maßen geschildert: In Leipzig giebt es kein voll ständiges Publicum. Für ein solches ist die Stadt nickt groß genug, oder richtiger, nicht mannich- faltig genug. Dies Publicum besteht in Wahrheit aus Kauflcuten und Advocaten, aus Advocaten und Kaufleuten. Die Ueberzahl von Advocaten in dieser wichtigen Handelsstadt ist der Welt wohl nickt bekannt, sie ist aber wirklich vorhanden und stempelt die einfachsten VerkehrSverhälmisse. Bei der unbedeutendsten Abmachung drängt sich die advocatiscke Vorsicht ein. und die Frage inacht Einern den Kopf wirr: WaS kann, was wird daS ür Folgen baden, wenn es über diese gleichgültig cheinende Abmachung zu einem Streite kommt? Man kann nicht mehr unbeküinmert über eine Wiese gehen, denn entweder steht angesckrieben: „Hier liegen Fußangeln", oder inan denkt: hier 'ehlt die Tafel, welche vor Fußangeln warnt. — Nun ermesse inan, wie dieser herrschende Gedanken- zang einwirken muß auf eine Kunstwelt, welche »erster Erfindung bedürftig ist. Da ist „unwahr scheinlich, unglaublich, für verständige Menschen zeradezu unmöglich" das dritte Wort. Nicht blos Nüchternheit heißt die Losung, sondern Zweifel- suchl. Zweifelsucht als stehender Artikel vor den Erfindungen der Phantasie ist aber dock wahrlich dem Gifte für Theater - Composition recht nahe verwandt. Und wo ist das Gegengift in solchem Publicum? Der Handelsstand ist doch auch nicht geneigt, der freien Erfindung Solidität zuzutrauen. Dennoch ist er leichter zu haben für die Phantasie, als daS eingefleischte Advocatenthum Dle Universität aber bletbt übrig. Leipzig hat ja eine Universität und zwar eine sehr gute, sehr stark besuchte. Allerdings hat mein Theak erstreben von da aetreuliche Unter stützung erhalten. Von hier auS hat sich der Kern deS mir freundlich folgenden PubUcums entwickelt, mit unverbrüchlicher Stetigkeit und zuletzt mit überraschender Kraft entwickelt. Aber die Stärke dieses FactorS ist im Verhältnisse zu obigen beiden Factoren nicht zureichend. Eine kleine Anzahl von Professoren — und es nimmt doch nur eine ge ringe Minderzahl Theil am Theater — kann nicht den Ton angeben im Theater. Die Stu denten aber, welche mir standhaft Wohlwollen be wiesen, sind nicht mehr wie früher fleißige Theater gänger. DaS Parterre, welches ihr Platz, hat außerdem in dem neuen Hause eine ungünstige Lage gefunden; es steckt im dunkeln Hintergründe, fern von der Bühne, unter dem Ueberbau deS ersten Stockwerks : cS erschwert also die Theilnahme. Die Universität kann demnach den Grundton der Stadt nicht umstimmen, und außer ihr sind keine freien Stände oder Genossenschaften mehr vorhanden, welche im Theater mitsprechen und das Publicum vervollständigen- Aristokratie, Militair, Luxusmenschtn fehlen. Ein paar kleine Edelleute, ein paar Ofsiciere der kleinen Garnison, ein paar Elegants der KaufmannSwelt erinnern nur daran, daß da im Vergleiche zum Publicum einer Groß stadt eine große Lücke ist. Kunst ist ja selbst ein Luxus; sie kann nicht füglich ein Publicum ent behren, welches den materiellen Erwerb nicht zu seiner Lebensaufgabe macht. So kommt cS, daß ganze Gattungen von SNicken gar nickt verstanden werben von der großen Ueber zahl dieses nickt vollständigen PublicumS. Ich ' gewahrte oft mit Erlckreüen, baß gentvclle Worte und Wendungen spurlos rorübergingen; der Theil deS Publicum«, für welchen sie wirksam, fehlte eben. Daraus ergäbe sich denn, daß nur große Stävte ein gutes Schauspiel haben könnten, uird zwar große Haupistadie, welche eine große Bedeutung
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