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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1871
- Erscheinungsdatum
- 1871-05-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187105304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18710530
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18710530
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1871
- Monat1871-05
- Tag1871-05-30
- Monat1871-05
- Jahr1871
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.05.1871
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Orschewt täglich früh e»/, Uhr. llrt«1t»« Lrpr-tti»» Johamnsqaflr 4/5. llrrastw. «edactcur Fr. HSttscr. Spnchstuud« d. Rrdactiou >»r»mag« ,o» n—ir Ul>» >«ch»maD« ,«a 1—L Uhr. »»vchme der für die nächst- fttirndr Nummer bestimmten Znstratt in dm Wochmtagm dt« 8 Uhr Nachmittags. Anzeiger. Amtsblatt dcS König!. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. 90««. Ld»»»e«e»t«»rrt» vierteljährlich 1 Thlr. 7'/« Rqr., iucl. Bringerlohn 1 Thlr. 1<> Ngr. Zusrratr dir Spaltzeile 1'/« Ngr. Leelamra unter d. Redarttou^lrlch die Spaltzeile 2 Ngr. Filiale Otto Klemm, Univcrsitätsstraße 22, Local-Comptoir Hmnstraße2k- X? 15Ü» Dienstag den Mai Bekanntmachung. Die öffentliche Badeanstalt am Kopfwehre wird mit de« L. J«nt dieses Jahres eröffnet. Rücksichtlich ihrer Benutzung verweisen wir auf die unter (-) nachstehenden, auch im Locale der Lustalt au-hängrnden Vorschriften. Leipzig, am 26. Mai 1871. Der Nath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schleißner. S 1) Die Anstalt kann in der Zeit von Morgens 5 bis Mittags 1' , Uhr und von Nachmittags 3», Uhr bi- zum Dunkelwerden unentgeltlich benutzt werden. 2) Die tägliche Schlußzeü wird durch zwei Zeichen mit der Glocke angegeben. 3) Nach dem ersten Zeichen wird Niemand mehr eingelaffen; nach dem zweiten haben die Badenden sich sofort auö den Bassins und sodann mit möglichster Beschleunigung auS der Anstalt zu entfernen. 4) Die PerronS, Brücken, AuS- und Ankleide-Stellen, BassinS und sonstige Räumlichkeiten de* Anstalt dürfen in keiner Weise verunreinigt werden. 5) Niemand darf den Andern bespritzen, untenauchen oder sonst belästigen. 6 > AUeS unnölhige Schreien, Lärmen und Herumlaufen in der Anstalt ist untersagt. 7) Abwaschungen mit Seife dürfen nicht vorgenommcn werden. 8) DaS Ein- und AuSsteigen darf nur auf den Treppen geschehen. 9) Die jedesmalige Benutzung der Anstalt ist auf die Dauer einer Stunde beschränkt. 10) DaS Mitbringen von Hunden in die Anstalt ist verboten. 11) DaS Betreten der Rasenböschungen, daS Uebersteigen der Barriörcn und das Baden in den Zu- und Abflußgräben ist nicht gestattet. 12) Jeder Besucher der Anstalt hat dem Aufseher auf dessen Verlangen seinen Namen und Stand, sowie seine Wohnung zu nennen. 13) Dessen Anordnungen ist unweigerlich Folge zu leisten. 14) Widersetzlichkeiten gegen denselben oder Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschriften werden mit Geldstrafe oder Haft oder auch mit dem Verbote fernerer Benutzung der Anstalt belegt. Neues Theater. Leipzig, 28. Mai. Die Mozart-Vor- ffeüllvpm an unserer Bühne scheinen erfreulicher weise bereits im vollen Gange begriffen zu sein, ha am gestrigen Abend auf die erst vor Kurzem zur Aufführung gelangte komische Oper „lH kan tolle" eine zweite Mozarl'sche Bühnenschöpfung, bie zweiactige Oper „TituS" folgte. Dieses Werk ist, wie anderwärts, so auch hier, dem Publicum ein halber Fremdling, nur nn geringen Maße nimmt e< Theil an der entgegenkommenden Popu larität, die die übrigen Kinder von Mozarl's dramatischer Muse allenthalben reichlich zu genie ßen pflegen. So ist eS dem armen Titus ergan gen, seit er im Jahre 179! bei Gelegenheit der Krönung Leopvld'S II. zum ersten Male über die Brcler ging, und die verlausende Zeit pflegt Bühnenwerken gewöhnlich ihr von vorn herein be stimmtes Quantum von Gunst nicht zu vergrößern. Ganz unleugbar ist allerdings der Beigehalt von musikalischen Elementen, die weniger speciell dein unsterblichen Mozart angehören, alS seiner Zeit überhaupt, im TuuS größer als in irgend einem rndrru der Bühnrnwerke deS Meisters, und alle Mvzartbiographen bis auf Jahn haben theilS mit sehr schwachen Argumenten — z. B. daß daS Sujet des Libretto für Mozart zu heroisch gewesen — theilS mit scharfsichtigen historischen Erklärungen dle Gründe für die vorliegende Thatsache zu ent wickeln gesucht. Nicht aber jedoch verdient TituS trotz alledem die Geringschätzung, welche wir wirk lich schwachen Werken gegenüber mit Recht äußern. Und wenn er nur eine einzige Nummer enthielte, Nbe daS Finale (Quintett mit Chor) im ersten Lcle, um ihretwillen verlohnte sieb schon der zwei stündige Aufenthalt im Theater. Unsere Direction verdient daher wirklichen Dank für die Vorführung dcS lange g« mißten Werkes, und dies um so mehr, als die Aufführung, soweit sie von Willen und Kraft der künstl, rischen Oberleitung abhängig ist, eine durchaus würdige war, gut vorbereitet, sicher und präciS. Vom Orchester ließ sich nichts Anderes erwarien, aber auch der Chor war trefflich, na mentlich überraschten die Soprane durch eine wohl- thuende Frische deS KlanaeS. Die Regie hatte, abgesehen von ewigen Bedenken, die unS die Costümirung erregte, für eine höchst angemessene und würdige Ausstattung gesorgt, namentlich ge währte da- Forum einen Plastisch schönen Anblick. Die Leistungen der Einzeldarsteller zeigten, wie die- nicht ander- sein kann, qualitative Verschie denheit. Den TituS ffang Herr Groß. Musi kalische Sicherheit und Genauigkeit in Ein haltung deS vom Componisten Verlangten befä higen Herrn Groß vorzüglich zum Interpreten Mozart'scher Partien, die Wärme deS Vertrags und gänzliche Hingabe an die darzustellendc Aus gabe, die unS die Leistungen des Herrn Groß immer lieb machen, kamen auch gestern wieder dem Tims zu Statten. Die Hauptpartie der ganzen Oper, der junge Römer SextuS, war durch Fräul. Boree vertreten, die für die durchgängig sichere Durchführung der überaus schw'/rigen Rolle uneingeschränktes Lob verdient, wie auch"" SStreben nach Energie und Feuer deS Ausdruck^ aller Aner kennung wenh war. Wenn im Ueb.^-en die Lei stung emen ungleichen Eindruck machte, so müssen die Gründe hierfür in der allgemeinen SanaeSarl von Fräul. Boree gesucht werden. ES lägt sich bezweifeln, ob die sonst wohl verwerthbare und mit prächtigen Stimmmitteln bedachte Künstlerin gerade eine gute Mozartsängerin werden kann. Mozart verlangt, wie außer ihm kein anderer Componist, eine ganz saubere GesangStecbnik; Zuthalen deklamatorischer Art, die bei anderen musikalischen Dramatikern zu einer lebendigeren Charakteristik wünschenSwerth erscheinen, müssen bei chm streng vermieden werden; schön rein auSgeführt, wie sie geschrieben steht, wirkt seine Musik am besten. Einer so durchaus glatten und ungeschminkten Wiedergabe der geschriebenen Partie steht aber bei Fräul. Borte der reiche Apparat von Bei- und Borlauten, von larmoyanten Accenten im Wege, welcher von ihrerTongebung unzertrennlich erscheinen. Stellen, die von dieser Manier verschont blieben, wie tos Rccitaliv „O Götter, wie klopft und bebet rc.", erzielten eine ungleich ergreifendere Wirkung. Der Beifall, den Fräul. Bor e erhielt, war wegen der oben erwähnten Vorzüge ihrer Darstellung durchaus gerechtfertigt, nur möge sich die strebsame Künstlerin durch denselben nickt Uver die berührte Achillesferse ihrer Leistung täuschen lassen. Die Vitellia schien für Fräul. Mahlknecht eine durch die Leidenschaftlichkeit viel mehr zusagende Partie zu sein als neulich die eine der Schwestern in Cv8i tan tutte. Fräul. Gutzschbach, deren Engagement wegen der versprechenden Stimmmittel der jungen Dame für unsere Bühne nur zu be glückwünschen, sang die Servilia. Jedenfalls ist sich die hoffnungsvolle Sängerin selbst ihrer An fängerschaft genügend bewußt, um eine gründliche Kritik ihrer Leistung von Seiten deS betreffenden LehrerS in Anspruch zu nehmen; was sie bol, ver dient den Umständen nach Anerkennung, nur stört das fortwährende Zuhochsingen und Hinaufziehen deS Tones in etwas auffallender Weise. Herr Weber sang deii AnniuS correct, doch etwas zu steif, mit Herrn Ehrke (PublmS) freuen wir unS unserer Besprechung ein gutes, zum vollen Lobe neigendes Ende geben zu können. vie Bewegung -er Pockenkranken im städtischen Lrankrnhausc vom 15-29. Mai. Zu dem Bestände am 15. Mai (Morgens 8 Uhr) von 204 Pockenkranken kamen bis zum 29. Mai 145 Neuerkrankte, darunter 15 Kruder, hinzu. Geheilt entlassen wurden 148, darunter 4 Kinder. Gestorben sind 37, davon 16 Kinder. Im Be stände blieben am 29. Morgens 8 Uhr 164 (80 Männer, 73 Frauen, 11 Kinder). Die täg lichen Aufnahmen betrugen zwischen 14 (am 16. und am 22.) und 6 (am 28.), durchschnittlich 10»/, auf den Tag, »ährend die Aufnahmen in den beiden vopbergchenden Wochen durchschnittlich 12»/, für den Tag Ul^gea. Der stärkste Tages bestand war 210 am her schwächste 164 (am 28. und 29.). ES ist sonach eine Abnahme der Epidemie zu bemerken. Leipzig, 29. Mai 1871. vr. Wunderlich. Tageszrschichtltche Ueberficht. Dem „Nürnb. Korr." wird auS München, 25. Mai, Folgende-, auch au- einer andern Quelle Bestätigte, geschrieben: Da- lang erwartete cult uS- ministerielle Aktenstück in Betreff der kirch lichen Frage ist, wie ich höre, heute endlich anSgegeben worden, und zwar in Form einer Ent schließung an jene Gemeinden, welche sich beim CultuSmmisterium beschwert haben, daß man ihnen von kirchlicher Seite das neue Dogma aufzwingen wolle, d. h. ihnen im Falle der Mchtanerkennuna mit Verweigerung der kirchlichen Gnadenmittel, der Spendung der Sacramente u. dergl. drohe und theilweise diese Drohung bereits verwirklicht habe. Der Erlaß de- CultuSministerS soll nun daraufhin mit eingehender Begründung darlegen, daß die in dieser Angelegenheit den Bischöfen gegenüber renitenten Gemeinden sich durchaus auf staatsrechtlichem Standpunkte befanden. Wie mir von zuverlässiger Seite versichert wird, ist Herr v. Lutz fest entschlossen, für den Fall, daß er mit seinem entschiedenen Vorgehen in der brennenden kirchlichen Frage auf Widerstand bei den andern Ministern stoßen würde, sofort seine Entlassung einzureichen. Ob rieselte freilich angenommen weiden oder aber vielmehr endlich doch noch jene größere Ministerkrisis hervcifühxen würde, von der man schon so lange spricht, ist eine andere Frage. DaS gräßliche Zerstörung-werk in Paris entlockt den englischen Blättern Klage- und Wuth- artikrl. In den stärksten Ausdrücken äußert sich wohl die „TimeS": Die Zerstörung der Tuilerien, deS Louvre und deS Stadthauses, sagt daS Blatt, wird in der Geschichte vielleicht al- der teufelischste Act deS VandalrSmuS, der je verübt worden, ge brandmarkt werden. Weder Gothen noch Van dalen oder Hunnen begingen ir ein ebenso gräß liche- Verbrechen gegen die Eivilisation. Mchl allein ist diese barbarische Verwüstung an Frank reich durch Franzosen, an Pari- durch die Pariser verübt, sondern sie ist ohne gegründete Ursache geschehen ; ihre Schwärze ist selbst nicht durch die Nolhwendigkeilen dcS Bürgerkriege- gemildert; sie ist ein Acl vorsätzlicher und teuflischer Bosheit. Es ist klar, die Brandstiftung wurde als bloßer Nacke- act vorsätzlich beschlossen, als die Communisten sahen, daß ihre Sache verloren sei. Die Com munisten halten von Anfang an gedroht, daß, wenn gezwungen die Stadl zu übergeben, sie die selben ln Ruinen übergeben würden, und sie haben ihre infame Drohung erfüllt. Der Geist ist nichts weniger als teuflisch, der «ine Stadt auö Rache wegen einer Parteiniederlage in solcher Weise den Flammen und eine Bevölkerung dem Ge metzel und Ruin preisgiebt. — Die „Times" erwägt sodann die Frage, ob es nicht durch Festig keit und Umsicht möglich gewesen wäre, Paris von vornherein gegen solche Gräuel wie die jetzigen zu schützen, und fährt dann fort: Wenige Stunden Aufschub, ein wenig Zaudern, ein leichtes Zurück beben von strengster Pflicht führten zu neun wöchentlichem Bürgerkriege, zur Aufopferung von Tausenden von Leven und Millionen Geldes, und vor Allem zum Verlust der größten Glorien Frank reichs. Thiers, in seinem Widerwillen Paris zu beschädigen, hat Paris zerstören und die Pariser unter den Ruinen ihrer Stadt begraben lassen, während Diejenigen, die vergeblich nach der Un abhängigkeit und Suprematie der Hauptstadt strebten, dieselbe in eine Ruine verwandelt haben. Die Weltgeschichte bietet keine solche nationale Tragödie dar. Sie begann in Eitelkeit und Schwäche und endet in Verbrechen, Entsetzen und Verzweiflung. Aus Lta-t und Land. * Leipzig, 29. Mai. Dem Kathol. Kirchenblcut entnehmen wir folgende Nachricht: Eine Anzahl französische Kriegsgefangene in den Ba racken bei Leipzig haben ein Dankschreiben an die mit ihrer Seelsorge beauftragten katholischen Geistlichen gerichtet, welches in Deutscher lieber- setzung also lautet: „Der gute Hirt giebl sein Leben für seine Schafe, diese Wahrheit, welche Niemand bezweifeln kann, zeigt sich vor unfern Augen in all' ibrem Glanze. Durch Unglück weg- geführt auS unserem Vaterlande, haben wir einen Augenblick geglaubt verlassen zu sein. Nachdem wir alle Schrecken des Hungers ausgcstanden haben, blieb unS nur die Aussicht auf eine gemeinsame Verbannung. Unglücklicherweise ward unsere Er wartung erfüllt. Aber der Gott der KriegSheere, allzeit gütig gegen unS, hat sich seiner gefangenen Kinder erbarmt. Die geheiligten Diener unserer heiligen Kirche, die treuen Repräsentanten jenes GotteS, der uns züchtigt, weil er unS liebt, haben an unS Proben von väterlicher Zuneigung und Anhänglichkeit abgelegt. Der edle Bischof von Genf hat bis zu unS gelangen lassen die Ge schenke, welche die Kirche von Frankreich ünS ge reicht hat. — Die katholische Geistlichkeit in Deutschland hat sich für uns geopfert und hin- gegeben; sie hat alle Anstrengungen und Be schwerden gering geachtet von dem Augenblicke an, da sie im Stande war, uns zu Hülfe zu kommen. Weder Kälte noch die sonstige Strenge der Jahres zeit, welche wir zu empfinden hatten, haben sie abgehalten, ihre erhabene Mission zu erfüllen. Die Scdauder der Krankheit, die Schrecken deS Todes haben sie keinen Augenblick zurvckgehalten, an das Lager der Sterbenden zu eilen. Die ganze Welt weiß eS, daß, wenn alles Irdische unö ver läßt, die katholische Kirche über unS wacht, wie eine zarte Mutter über ihre geliebten Kinder wacht. Darum sei Dank dargebracht unserer Mutter, der Helligen Kirche, inSbe ondere dem hoch würdigsten Bischof von Genf und allen den Priestern der katholischen Kirche Deutschlands, deren Hingebung für uns wir »u erfahren Gelegenheit hatten." - Leipzig, den 7. Mai 1871. ^Folgen die Unterschriften.) H Leipzig, 29. Mai. Mit dem Personenzug der Thüringer Bahn gestern Nachmittag kamen wieder 58 Mann ReconvaleScenten, Sachsen und Preußen verschiedener Regimenter auf der Rückkehr auS Frankreich hier an. Sie wurden in der Halle am Blücherplatz untergebracbt und heule aus der Dresdner Bahn weiter befördert. Derselbe Zug brachte ein Eseorle-Commando von l Officier und 45 Mann vom 47. Regiment von Mainz zurück. Diese Leute wurden in der Stadt einquartiert. Mit dem Nackizuge traf ein weiteres Mllitair- Commando vomGarde-Kaiser-Alexanver-Regiment, 30 Mann stark, ein, welches heute Morgen auf der Berlin-Anhalter Bahn weiter nach Berlin ging. Entlassene kriegsgefangene Franzosen, welche ans eigene Kosten in ihre Hermath reisten und zeit- her in Dresden internirl waren, gingen heute morgen wieder 95 Mann hier durch. Früh »/«? Uhr expedirle die Thüringer Bahn aber mals einen Extrazug von hier ab mit ungefähr 400 Passagieren, alle übrigen abgehenden und an- kommenden Züge waren außerordentlich frequentirt. Die Gesamintfrequenz auf der Dresdner Bahn am gestrigen Tage in den fahrplanmäßigen Personenzügen und 6 Exirazügen hat 5000 Per sonen betragen. — Große Regsamkeit wird jetzt in DreSdejn auf dem Bauplatz wahrgenommen, der dem neuen Hoftheater gewidmet ist. Dabei hat sich nun in neuerer Zeit eme Schwierigkeit herau-gestellt, die nicht nur unerwartet kam, sondern auch den Bauanschlag noch um eine Summe von 27,000 Thlr. vergrößert. Es betrifft die Hinwegräumung der Reste einer ehemaligen Bastion, welche sich in wahr haft stahlfestcn Mauerwerken und Gewölben quer durch den Boden ziehen, der in Folge dessen an vielen Stellen 15 Ellen tief ausgegraben werden muß. Obgleich das Heraufschaffen und Forlfahren eines mit Schutt und Erde beladenen KarrenS bis zu einer gewissen Abladestelle noch nicht ganz drei Pfennige beträgt, erfordert diese Beseitigung mit dem serncrweiien Abführen doch täglich die Summe von 70 Thalern. Dreimal täglicy wird diese un verwüstliche Steinmasse mit Pulver gesprengt, wo der Mörtel, nach Aussage Sachverständiger, fast dreifach den Stein an Härte und Consistenz über steigt. In Folge dieser Anstrengungen dürfte nach dem Ausspruch der Baumeister unter vier Jahren keine volle Beendigung zu erwarten fern. — Auö Dresden schreiben die „Dr. Nachr": Je toller die Franzosen unter sich wirthschaflen und je mehr sie den Verkehr mit Deutschland er schweren, desto mehr zerstören sie ihre ausländische Kundschaft und desto mehr tragen sie zum rascheren Aufschwünge deS deutschen Gewerbes bei. Beim Mangel der selten noch in einem hiesigen Geschäfte in vollständiger Auswahl vorhandenen französischen Farben versucht man es jetzt mit deutschen, findet, daß sie ebenso gut, uod wird sie auch künftig beibehalten. Auf die so beliebten Pariser Quincaillerien wird jetzt in Berlin und Wien großer Fleiß verwendet, da an beiden Orten die Nachfrage animirt ist. Die Belebung gewisser Weberei-Branchen und des Weißwaaren-GeschäftS im Erzgebirge und Voigtlande ist ebenfalls in Folge des Kriegs gekommen, und ebenso ist es mit der Fabrikation der Möbelstoffe und der Tapeten. Großartig aber ist der Aufschwung der Meubelsabrikation. besonders in den Frankreich näher gelegenen Orten, die ihren Bedarf an fei nerem Hausgeräth, aller Tradition gemäß, bis vor Kurzem noch aus Frankreich bezogen. So hat die große Brauer'sche Möbelfabrik m Stutt gart jetzt allein 50 Tischler mehr einzustcüen, wenn sie der 'Nachfrage genügen will, und daü Tapc- zierergeschäft von G. Grüner hier, jetzt Victoria straße, welches vorzüglich die feineren Stuttgarter Polstermöbelgestelle verarbeitet, hat Mühe gehabt, die nothwendigen Sendungen zu erhalten. Daß für unsere sächsische Champagnerfabrikation der Krieg nicht ohne Folgen für das Steigen der Actien sein wird, läßt sich mit Bestimmtheit vor aussehen. Es ist aber nicht blos die Steigerung der deutschen Production selbst, welche zu begrüßen ist; mehr ist es der moralische Einfluß, welcher aus der gegenwärtigen Geschäftslage dervorgehl. Derselbe besteht darin, baß jetzt an den Geschmack des deutschen Gewerbtreibenden dieselben Anforderungen gestellt werden, die zu befriedigen man sonst nur j den Franzosen zutraute, daß auf diese Weise der Deutsche wieder Gelegenheit findet, seinen Kunst sinn zu offenbaren und auSzubilden, der vor dem dreißigjährigen Kriege überall anerkannt wurde
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