VIERTER TEIL IDEE UND WIRKLICHKEIT IM CHRIST LICHEN MITTELALTER 1 Die übernationale christliche Völkereinheit des Mittelalters die grosse, umfassende Idee der Einheit, die dem Dasein des mittelalterlichen Menschen Sinn und Sicherheit gab, ha ben wir in ihrer metaphysischen Verwurzelung zu verste hen gesucht. Wir haben das Menschbild, wie es dem christ lichen Mittelalter vorschwebte, entrollt und die seelischen Grundhaltungen herausgestellt, die das Dasein dieses Men schen in seiner Welt bestimmten. Aber es war auch nur die Idee, die uns entgegentrat. Wir haben mehr als einmal Gelegenheit gehabt, die Kluft zwi schen Idee und Wirklichkeit zu zeigen. »Nur« die Idee — das soll nicht die Wertlosigkeit der Idee fiir das »Leben« bekunden. Denn die Idee erweist sich als formende Kraft und gestaltende Macht des Lebens gerade im Aufbau der Lebens- und Weltwirklichkeit, die wir als »christliches Mit telalter« kennenlernten. Diese Idee blieb nicht unverwirk- licht. Das Mittelalter ist christlich, und es ist eine Einheit, es gestaltet die Wirklichkeit nach einer im Glauben seiner Menschen lebendig wirksamen Idee. »Das Mittelalter ist eine Einheit in der Weltanschauung des Katholizismus. Ihm ord nen die Lebensformen nach Zeit und Ort ohne Wesens- Wandlung sich unter«, mag sich auch erst von einer spä teren und anderen Form der Weltanschauung aus, die nicht mehr die mittelalterlich-katholische ist, diese Weltanschau ung als die eigenartig »mittelalterliche« bekunden und so mit erst in Abhebung gegen anderes als eigentümliche er weisen. Der Strom des geschichtlichen Lebens erhält seine Besonderungen für das geschichtliche Erkennen ja über-