IDEE UND WIRKLICHKEIT 283 zigen hochadligen Feudalherrn, sondern Ritter eines ganzen Territoriums sich genossenschaftlich zusammenschließen und eine Einheit auch dann bleiben, wenn dieses Territorium mit anderen unter einem Herrn vereinigt wird. Ein eigenes Standesbewußtsein beseelt den Ritteradel, das sich eben dadurch als ein neues und eigenes beweist, daß es betont und hervorgehoben wird, während der alte Adel ein ihm selbstverständliches Standesbewußtsein hat und es in »strengem Konservativismus und Traditionalismus« pflegt, ohne seine »Herrentugenden«, den »hohen Mut« und die »Ehre« so hervorkehren zu müssen wie der neue Stand, der sich erst als Stand rechtfertigen muß. Aber dieser betonte Be griff der ritterlichen Ehre verrät ein hohes Standesethos, zu dessen Entwicklung, wie sich zeigte, die Kirche Wichtigstes beigetragen hat, zumal sie den Schwertdienst und die Ritter ehre dieses Standes besonders in der Kreuzzugszeit in den »Dienst« höchster Ziele stellte. Der ritterliche Ehrbegriff — meint Bühler, dessen nüchterne Beurteilung alles Mittel alterlichen über den Verdacht jeder romantischen Verklä rung des Rittertums erhaben sein dürfte — »leitet zu dem modernen Pflichtgefühl über, und der Edelmann ist der erste, der zu ahnen beginnt, was es heißt, eine Sache, eine gute Sache, um ihrer selbst willen tun. Der ritterlichen Verach tung der ,Pfeffersäcke 1 ist sicherlich ein gut Teil Neid auf deren Reichtum beigemischt, und sie geht wohl auch mit auf die Überheblichkeit zurück, zu der nun einmal die das Schwert Führenden neigen, sowie auf Vorurteile gegen Handwerk und Handel überhaupt. Aber trotz allen unge rechtfertigten und übertriebenen Standesdünkels bricht doch wieder die höhere Auffassung von der adligen Gesinnung durch, die eben sich nur dann rein erhalten ließe, wenn man sich nicht in Dinge einlasse, bei denen es schwer sei, den Ehrenstandpunkt immer und ganz zu wahren«. Darum gilt auch der »Strauchritter«, der in Verletzung des dem Miß brauch und der Gewalt wehrenden Fehderechtes den Fried lichen überfällt, als »gemeiner Verbrecher, der zu köpfen oder zu hängen sei... Alles vermeiden, was die Standesehre