VIERTER TEIL 284 verletzt, und um der Ehre willen seine Pflicht und mehr als sie tun, darf man wohl als einen Grundsatz besonders des niederen Adels bezeichnen«. Wenn es trotzdem auch in diesem Stande an Gewalt und Roheit nicht gefehlt hat, wenn der Schutz des Rechtes oft brutal durchgeführt wurde, so wird man mittelalterlichen Rechtsschutz nicht mit modernem vergleichen dürfen und den Menschen gerecht werden, deren Triebleben nicht die Wege zur Verhüllung fand, die heutiger »Kultur« bekannter sind. Gewalt und Macht wurden als solche gewertet und nicht maskiert, der Adelsstand hatte auch ein Adelsbewußt sein, »adelig« war nicht nur mit antikem und germanischem Empfinden mit »kühn« und »hochgemut« gleich, sondern barg auch den Sinn des »Edlen«, der Dienst- und Hilfelei stung für die Schwachen und Unterdrückten — und eben dieser Gehalt des Wortes ist, wie auch Bühler bestätigt, das Verdienst kirchlich-christlicher Erziehung gerade dieses Standes. Als eigener Stand hat das Bürgertum dem Mittelalter nicht gegolten, obwohl es sich zu einem besonderen Stand ent wickelte und — eine eigene Kulturauffassung schuf, die das Ende der kirchlich-mittelalterlichen Einheitskultur herbei führte. Der niedere Adel stieg in Anlehnung an den hohen Adel zu einem geschlossenen Stand empor, das Bürgertum fand solche Anlehnungsmöglichkeit nicht. Das Kleinbürger tum gehörte wie das Bauerntum dem »dienenden Stande« an, wurde also nicht als eigener Stand gewertet, der Bürger heißt in der Literatur, z. B. bei dem genannten Chastellain, »vilain«, d. h. ursprünglich bäuerheher Meier, Pächter, spä ter bürgerlich, ja gemein im Gegensatz zu adlig. Die Ent wicklung des Bürgertums hängt mit der der mittelalterlichen Gewerbestadt aufs engste zusammen, und man kann diese den Feudahsmus ablösende Entwicklung der Städte und ihrer Kultur in mehr als einer Hinsicht eine »Revolution« nennen. Denn die Stadt hat einen neuen Stand, ein neues Korporationsrecht, schließlich eine neue Wirtschaftsform, die Geldwirtschaft, und endlich eine neue Lebensauffassung