288 VIERTER TEIL und Handwerker, die seit dem Ende des zehnten Jahrhun derts durch größere Zuwanderung vom Lande vermehrt wurden. Die Zuwanderer waren teils frei, teils unfrei, die »Stadtluft« machte sie frei, d. h. unabhängig von ihrem bis herigen Grundherrn, von dem sie sich entweder loskaufen oder dem sie weiter zinsen mußten. Nur wenn ein entkom mener Leibeigener binnen Jahresfrist nach seiner Niederlas sung in der Stadt von seinem Herrn nicht zurückgerufen wurde, galt er als frei. In Gilden und Zünften vereinigten sich die städtischen Kauf leute und die Handwerker des Bürgertums, die Kleinbürger, zur Sicherung ihres Gewerbes und eines standesgemäßen Ein kommens. Gerade auch dieses Ideal des standesmäßigen Le bensunterhaltes, das die christliche Ethik der Zeit begrün dete und empfahl, ist in den Bischofsstädten der Zulassung und Entfaltung der Zünfte und Innungen günstig gewesen. Diese kleinen Bürger, wenig »fortschrittlich« gesinnt und noch nicht von kapitalistischem Unternehmergeist erfüllt, aber durchdrungen vom Willen zu selbständiger Macht in ihrer Stadtgemeinde, erstarken mit ihren Genossenschaften im Kampf gegen den mächtigen Geschlechteradel der Städte, der in den Zünften gegnerische Machtorganisationen sehen mußte. Schon dieser Kampf der Innungen und Zünfte zeigt, wie auch in Bürgerstand und Stadt nicht rein genossen schaftliches Wesen sich geltend machte, sondern Macht verhältnisse und Machtkämpfe in den Genossenschaften eine starke Realität waren, und wie der eine Stand der Bürger heterogene Interessen in sich schloß. Man hat das Zunftwesen früher ebenso idealisiert und ethi- siert, wie man es heute nicht nur eines falschen Scheines entkleidet, sondern auch als Interessenverband demaskiert. Das Prinzip der Zunft und »seine beste Kraft« war »der Ge danke genossenschaftlicher Hilfe« .Was Romantik,was Gierke, Troeltsch, von Martin von der Zunft hervorheben: genos senschaftliche Gesinnung, Solidarität ihrer Glieder, ist sicher wirksam gewesen. Gierke läßt die mittelalterliche deutsch rechtliche »Einung« — mit der Zunft und Gilde nicht iden-