290 VIERTER TEIL dankt ihr Dasein nicht schon der natürlichen Zusammen gehörigkeit, auch nicht der durch einen Herrenwillen ge schaffenen Einheit, sie ist »Einung«, nicht nur Einheit, sie wird also durch den freien Willen der zu ihr sich Verbin denden. Das ist der erneute Durchbruch des deutschen Ge nossenschaftsgedankens gegenüber der bloßen Herrschafts form des früheren Lehensrechtes, ein Gedanke, der tief im deutschen Freiheitsbewußtsein der Persönlichkeit wurzelt. Die rechtsgeschichtlichen Wirkungen des Aufstiegs der Gil den und Zünfte sind gleichfalls eindeutig bestimmbar: sie geben dem Menschen ein neues Bewußtsein seiner Selbstän digkeit, lösen ihn von Grund und Boden und von der Hö rigkeit, wenn sie ihn auch an Handwerk, Gewerbe und Han delsrecht binden, sie bereiten eine Scheidung von öffentli chem und privatem Recht vor, sie schaffen den Rechtsbe griff der Gesamtpersönlichkeit, als welche Stadt, Staat und Körperschaft gelten. Die Einungen wollen wirkhche Be rufsverbände, Standesvereinigungen des berufsmäßig geglie derten Bürgertums sein zur Hebung und zum Schutz des Handels und der Handwerke wie der Personen, die sie be treiben. So sind sie wirtschaftlich-gesellschaftliche Interessenverbände, »Wirtschaftsgenossenschaften«. Die Zunft macht das Hand werk zu einem öffentlichen Amt in der Stadtgemeinde, sie erfüllt damit ihrem Sinne nach den organischen Gedanken, der das Mittelalter und seine Gesellschaft weithin beherrscht, und sie verwirklicht die Berufs- und Standesidee der mit telalterlichen Gesellschaftstheorie, für die Beruf officium ist, das den Stand begründet. Die Handwerkerzunft ist auf Grund dieses Charakters sowohl Glied im Stadtganzen als auch Glied eigenen Wesens und Rechtes innerhalb dieses Ganzen. Sie ist also »zugleich eine Gemeinde für sich und ein Teil der Stadtgemeinschaft«. So war sie öffentlich-recht lichen Charakters, ein öffentliches und dem Ganzen dienen des Amt, unterschieden von dem früheren patrimonialen Dienstamt des Hofhandwerks wie von dem späteren Ge werbemonopol. Der Zunftzwang folgte aus diesem Amts-