IDEE UND WIRKLICHKEIT 293 geschlossenen Stadtgemeinschaft und der Amtsführung im Dienste ihres Gemeinwohls. Es hatte einen ähnlichen Erfolg wie die kämpferischen Erhebungen der Bauern: es verhütete das Absinken in wirtschaftliche Not oder doch in eine Le bensweise, die noch ärmlicher gewesen wäre als das nie hohe Einkommen und der bescheidene Lebensstandard des mit telalterlichen Handwerkers, und es bewahrte ihn vor kul tureller und sozialer Bedeutungslosigkeit. Aber die Zunft war eben doch trotz ihrer genossenschaftlichen Verfassung Schutzorganisation und als solche auch Machtposition im Kampfe gegen die Geschlechter. Ihr Kampf galt zugleich der Erhaltung und Förderung der eigenen, durch Privile gien gestützten Macht der Genossenschaft selbst, wobei es fraglich bleibt, wieviel dem einzelnen Glied dieser Korpo ration zunutze kam. Im Inneren körperschaftliche Verbän de, waren die Zünfte nach außen Machtformen und dienten herrschafthchen Zwecken. Das innere Aufbau- und Ver fassungsprinzip — so muß auch Schwer mit so verschieden denkenden Soziologen wie Franz Oppenheimer und Hans Freyer feststellen — braucht nicht an sich schon von Ge meinschaftsgeist anderen Gruppen gegenüber und von or ganischem Einfügungswillen in ein höheres Ganzes beseelt zu sein und ist es in der Zunft auch nicht gewesen. Aber nicht einmal im eigenen Verbände wurde das Ideal genos senschaftlichen Füreinanders erreicht: nur eine »mit allen Mitteln des Klassenkampfes durchgeführte Machtprobe zwi schen feindlichen Gegnern« läßt den »Knecht« zum »Gesel len« im Zunftverbande aufsteigen und ihm ein Mitbestim mungsrecht in Lohn- und Arbeitsfragen und die Teilnahme an der Gerichtsbarkeit der Zunft erzwingen. Der Kampf geht nach außen, und er wird geführt im Inneren, beidemal ist das Ziel das gleiche: Teilhabe an der Macht in eigenem Interesse, und das Mittel dasselbe: herrschaftsförmige Orga nisation der Genossenschaft. Selbst Gierke weiß schließlich, daß »die Keime der späteren Entartung« schon in den Zünf ten des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts lagen: Korporativer Egoismus, Privilegiensucht, Exklusivität und