NEUE ZEIT 309 ten gewandelt hat und oft genug in seiner menschlichen und kulturellen Verheerung geschildert worden ist. Dem Durchbruch des kapitalistischen Geistes standen am Ausgang des Mittelalters keine wirksamen Hemmungen mehr im Wege, nachdem Staat und Kirche mit ihm schon in ihrer Geldpraxis sich eingelassen hatten. Und die Geistes richtung der Gesellschaft war eine solche, die zur Setzung solcher Schranken am wenigsten geeignet und gewillt war. Das wird bestätigt durch das trübe Bild, das Gustav Schnü rer von den Zuständen der Zeit entwirft: »Die leitenden Schichten, die Geistlichkeit wie die Laien, hatten in ihrer Gesamtheit keine hohen Ziele mehr vor Augen, die für sie selbst maßgebend gewesen, nach denen sie den unteren Schichten vorangegangen wären. Gefühle und Stimmungen überwogen in schärfstem Gegensatz. In Wohlleben und Luxus ging vielfach die obere bürgerliche Schicht in den Städten auf, der niedere Adel verbiß sich in entwürdigende Raubtaten, um seine Existenz zu bessern, der höhere stritt sich rücksichtslos um die Machtquellen, welche nicht zuletzt ihm aus dem kirchlichen Besitz fließen konnten. Die große Mehrzahl war unbefriedigt, geängstigt und unmutig.« Sol cher Individualismus bot die Voraussetzung zur Auflösung der alten Ständegemeinschaft und war gewillt, dem neuen Geist, von dem er profitieren konnte, den Einlaß zu gewäh ren, wenn dieser selbst auch viel aristokratischere Geistes kräfte forderte, die ihn pflegen konnten. Was er vom Men schen, von seiner Intelligenz, Energie und Geistesgewandt heit verlangte, das konnte ihm nur die neue Oberschicht des Bürgertums geben. Der »Geldadel« war im Zeitalter des Frühkapitalismus zugleich eine hohe und zielbewußte Hal tung der Seele. Demgegenüber mutet der ganze »Ingrimm der kleineren öffentlichen Gewalten gegen den kapitalisti schen Geist« als verängstigte, die eigenen Lebensinteressen allein beachtende Anstrengung oder als der berechtigte Schutz des dem Neuen ausgelieferten Kleinhandwerks und -handeis an, als aussichtsloser Kampf des Vergehenden gegen das machtvolle, tat- und sieghaft sich gegen es wendende