VERANTWORTUNG 321 stellt neue Aufgabe. In die neue Situation das Erbe hinein zuretten, ihm in dieser neuen Zeit neue Lebensformen zu schaffen, ist diese Aufgabe. Dynamischer Konservativismus greift sie auf, und solche verantwortliche Seelenhaltung dem Alten wie dem Neuen gegenüber gibt den Glauben an ihre Lösbarkeit und die Kraft zu ihrer Ergreifung. So lenkt der Schluß zum Ausgang zurück: Der Glaube an den Menschen, den die Antike in der abendländischen Seele weckte und den das Christentum in seinem Gehalt vertiefte, hat das Mittelalter, das erst nach dem Zusammenbruch der alten Welt eine europäisch-abendländische Kultur schuf, beseelt. Seine Kultur war eine autoritativ von der Kirche gelenkte und mußte es sein gemäß der Situation des ge sellschaftlich-politischen Seins der Zeit. Eine restlos durch geführte aber ist auch sie in den Jahrhunderten dieser Zeit epoche des Abendlandes nicht gewesen. Die politischen Vor aussetzungen für sie sind in Kirche und Staat seit dem Aus gang des Mittelalters geschwunden. An den bleibenden, die Formen überdauernden Gehalt dieser christlich-humanisti schen Kultur kann man glauben und nicht glauben. Geisti ges kann man nicht »beweisen«, man kann es in seinem Wert und seiner Größe nur aufweisen und — darleben. Wen aber der Glaube an das Christlich-Humane beseelt, der spürt und trägt die Verantwortung für es; der will, in Ehrfurcht vor Gottes Schöpferwille in der eigenen Zeit, nicht untergegangene Formen zurückholen, aber er will in der neuen Zeit dem alten Gottes- und Christenglauben, der den Glauben an die Formung des Menschseins einschließt und sie fordert, Raum schaffen. Solchem Glauben ist die hohe Zeit des Mittelalters, die alles Menschliche aus dem Ewigen verstand und zu ihm zurückbezog, nicht unterge gangen, er vergißt auch nicht, wie Hohes sie im staatlichen Leben des Reiches der Deutschen geschaffen hat. Er nimmt die »Er-innerung« im Hegelschen Sinn der Verinnerlichung in das eigene, der Historie und der Gegenwart verantwort liche Leben hinein. So mag ihm aus der geschichtlichen Rück besinnung auf das »christliche Mittelalter« eine verantwort- 21