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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1860
- Erscheinungsdatum
- 1860-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186004297
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18600429
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18600429
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1860
- Monat1860-04
- Tag1860-04-29
- Monat1860-04
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1860
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,7' 2078 I t L '! I' l < -i wir den Engländern die ganze Sorge für Vogel s Geschicke über lassen, etwa gar, weil Vogel in englischem Dienste, ja, vielleicht durch englische Schuld starb? Volle drei Jahre betreiben nun mehr schon die Engländer ihre Nachforschungen; sie haben durch ihre Consulate in Tripolis, Murzuk und Alexandria Nachfragen bei Handelsleuten und Mekka-Pilgern, durch Briefe bei den Sul tanen von Bornu und Darfur, durch eingeborne Boten bei den Bewohnern Wadai's selbst angesteUt. Ihre ganzen Erfolge be schränken sich auf dunkle, selbst sich widersprechende Gerüchte. Noch heute vertröstet man uns von allen Seiten auf die Rück kehr zweier im vorigen Jahre ausgesandten Marabuts. Was sie zurücrbrinqen werden, läßt sich heute schon errathen. Glaubt man denn im Ernste, daß durch Marabuts je eine sichere Aufklärung über das Schicksal Voqel's erlangt werden könne? Wer nur einigermaßen von den Verhältnissen des Sudan unterrichtet ist, wer das Mißtrauen und die Feindschaft dieser Negervölker unter einander und gegen die Araber- und Berberstämme der Wüste, wer die Unzuverlässigkeit und die Unfähigkeit eingeborner Boten kennt, Sicheres über eine Begebenheit zu erkunden, deren Ver dunkelung im Interesse der argwöhnischen Bevölkerung liegt, der wird keinen Augenblick zweifeln, daß nur einem umsichtigen, er fahrenen, entschlossenen, vom ganzen Ernste der Sache durch drungenen Europäer, der, wenn nicht an den Schauplatz der Ka tastrophe selbst, doch in seine unmittelbare Nähe zu gelangen weiß, die Enthüllung dieses Geheimnisses Vorbehalten ist. Aber das ist ein gewagtes Unternehmen, sagt man, und doch von vorn herein ein verlorenes. Vogel zu retten, ist keine Hoff nung. Leider steht die moralische Ueberzeugung von seinem Tode nur zu fest. Aber ich appellire an den Stolz des Deutschen, der ihn treiben muß, das Uebrige zu thun, wenn er das Ganze nicht mehr thun kann. Ich erinnere ihn an Englands hochherzige Begeisterung zur Zeit der Franklin-Expeditionen. Ich erinnere daran, daß gerade damals, als die moralische Ueberzeugung vom Untergange Franklin's mindestens eben so feststand als heute die vom Tod Vogel's, die britische Nation ihre großartigsten An strengungen machte, weil sie es als ein Gebot der Ehre erkannte, das begonnene Werk der Humanität zur Vollendung zu führen. Ich erinnere daran, daß gerade damals Nordamerika auf dem arktischen Schauplatze erschien, nur weil es ihm eingefallen war, daß Franklin sich einmal Verdienste um die Erforschung dieses Eontinents erworben hatte. Ich erinnere daran, daß gerade da mals der französische Schiffs-Lieutenant Bellot in den Ted ging, nur weil er von dem Wunsche beseelt war, auch seiner Nation einen Antheil an dem hochherzigen Werke zu sichern. Und Deutsch land sollte aus dem Grunde ein Unternehmen zurückweisen, weil es seinen Beginn versäumt hätte? Deutschland sollte sich seiner Ehrenpflicht enthoben meinen, weil es nicht mehr zu leisten ver mochte als jenes kleine Schiff M'Elintock's, das im vergangenen Jahre aus den arktischen Gewässern heimkehne, — die Lösung der traurigen Aufgabe, den Todesspuren eines verdienstvollen Landsman nes zu folgen? Doch cs ist ja wahr, nicht Alle halten das Unterneh men für ein so nutzloses, so verlorenes. Für edel und hochherzig läßt man es gelten, nur die Gefährdung kostbarer Menschenleben wägt man dagegen auf. Welche Sentimentalität, welche engherzige Philister- haftigkeit! Ward je mit solchen Bedenken etwas Großes erzielt? Ist denn die Wissenschaft, sind deutsche Ehre und Humanität nichts, das eines solchen Opfers werth wäre, oa man doch deren Tausende für weit geringfügigere Dinge zu bringen nicht ansteht? Und steht es denn so fest, daß ein Menschenleben in diesem Unter nehmen geopfert werden muß? Wer sind denn Diejenigen, die so kühn und so selbstbewußt von dieser Opferung von Menschenleben sprechen ? wer sind sie, die Erfinder oder doch Verkünder der Phrase: „Europäer nach Wadai schicken, heiße sie in den sicheren Tod schicken ?" Sind es solche, die, mit allen Verhältnissen der zu erforschenden Länderwelt vertraut, aus ihrer Wissenschaft das Recht schöpfen, über die Gefahren des Unternehmens zu urtheilen? sind es solche, die den Beruf haben, der Expedition im Voraus ihre Wege und ihr Ziel vorzuschreiben ? Man frage die Autoritäten selbst, frage diejenigen, die durch eigne Erfahrung und Anschauung die inner-afrikanische Welt und ihre Gefahren kennen, die durch jahrelange Studien sich ein Recht erworben haben, über die Zweck mäßigkeit und Ausführbarkeit eines solchen Unternehmens zu ent scheiden ! Sie läugnen zwar die Gefahren nicht, aber eine so un vermeidliche Opferung derer, die zur Erforschung der Schicksale Vogel's ausgcsandt werden, wagen sie nicht im Entferntesten zu behaupten. Sie bedenken sich nicht einmal, ein ungefährdetes Eindringen in das gefürchtete Wadai selbst für möglich, ja unter Umständen für wahrscheinlich auszugeben. Aber eS handelt sich überhaupt noch gar nicht so bestimmt um eine Expedition nach Wadai, da eine solche von einzelnen Autoritäten nicht um ihrer Gefährlichkeit, sondern um ihrer Zweckwidrigkeit willen widerrathen wird. ES werden dafür andere verhältnißmaßig leicht zu erreichende Puncte in der Nachbarschaft jenes Landes empfohlen, von denen aus sich erfolgreiche Nachforschungen würden anstellen lassen. Jene unbesonnene und anmaßende Phrase also, die, wie -S schon so manchmal geschehen ist, ein edles und hochherziges Unternehmen in seinem Keime zu ersticken droht, zerfällt in sich selbst. ES haben unter den wissenschaftlichen Autoritäten bereits gründ liche Erörterungen über die Richtung und das Ziel der angeregten Expedition stattgefunden, deren Resultate, so weit irgend thunlich, ver Oeffentlichkett nicht vorenthalten werden sollen. AlS Zielpunkt des Unternehmens wird von der einen Seite Chartum in Vorschlag gebracht, jene wichtige Handelsstadt in Sennaar am Zusammenflüsse des weißen und blauen Nil, Mittelpunkt des Handels der oberen Nilländer und DurchgangSpunct zahlreicher Karawanenzüge von Sudan nach Mekka, seit Jahren bereits Sitz eines österreichischen Consulats und bekannt durch den langen Aufenthalt eines Herrn v. Heuglin, Alfred Brehm u. A. Es wird die Ansicht ausgestellt, daß man hier oder in dem benachbarten Dongola oder in dem leicht zu erreichenden Obeid in Kordofan muhamedanische Agenten gewinnen müsse, die mit den Karawanenzügen nach Wadai gehen und von dort zuverlässige Nachrichten zurückbringen sollen. Von anderer Seite wird freilich gegen diesen durchaus gefahrlosen Pinn der Einwurf erhöben, daß Ehartum zu weit von dem Schauplätze der Vogel'schen Katastrophe entfernt, und daß die eigentliche Auf gabe der Nachforschungen doch wieder in die mißlichen Hände ein geborner Boten gelegt werden müsse. Es wird daher mindestens eine Erweiterung dieses Planes verlangt, ein Vordringen bis Ten- delti, der Residenz des Sultans von Darfur, wenn es nicht gnr gelingen sollte, von hier aus in das benachbarte Wadai selbst ein- zudringen. Noch weiter gehend ist ein anderer Plan, der dadurch ein besonderes Interesse gewinnt, daß er von Autoritäten ausgehl, denen durch ihre Einsicht und Erfahrung jedenfalls eine erhebliche, wenn nicht entscheidende Stimme in dieser Angelegenheit zukomml Nach diesem Plane soll nämlich die Expedition den Weg von Norden her einschlagen, von Tripolis oder Benaasi quer durch die große Wüste gehen und über Bilma in der Tebu-Oase oder direct von Fesan nach Borgu an die Gränze von Wadai zu ge langen suchen. Sie würde sich auf diese Weise der langen Straße nähern, auf welcher Vogel nach Wadai gezogen sein muß, und dabei in Berührung mit den verschiedenen Stämmen der Tebu kommen, die in fortwährendem Verkehr mit Wadai und der nörd lichen Landschaft von Bagirmi stehen und leicht zu treuen Bolen verwandt werden könnten. Namentlich würde jener Tebudiener aus Gatron, der vier Jahre lang Heinrich Barths treuer Be gleiter war, zu diesem Zwecke zu gewinnen sein. Ein Vordringen nach Wadai selbst, das sich keineswegs von vorn herein als un ausführbar bezeichnen läßt, würde natürlich von den an Ort und Stelle zu erkundenden Verhältnissen abhängig zu machen sein. Aber auch ohne jenes Land zu betreten, würde der Reisendevon Norden her die wichtigsten Materialien über Vogels letzten Reise- Abschnitt sammeln und selbst unendlich wichtige Entdeckungen machen können. Jedenfalls sind es wesentliche Vorzüge dieses Planes, daß einerseits die Hauptaufgabe der Nachforschungen umsichtigen Euro päern Vorbehalten, andererseits zugleich die Erkundung eines völlig neuen, noch von keinem Europäer betretenen Ländergebiets in Aussicht gestellt wird, — ein Umstand, der allein geeignet ist, der Expedition das allgemeinste Interesse zuzuwenden. Das Gefahr volle des Unternehmens soll damit gleichwohl nicht in Abrede ge stellt werden. Die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit des einen oder anderen dieser Plane ist Sache der Wissenschaft und muß den dazu befähigten und berechtigten Autoritäten Vorbe halten werden. Daß es für die Ausführung des Unternehmens an geeigneten und entschlossenen Männern nicht fehlen werde, »rar von vorn herein nicht zu bezweifeln. Wenn es gilt, Männer für die Lösung einer wissenschaftlichen Aufgabe zu finden, und wäre sie mit noch so schweren Opfern verknüpft, dann ist Deutschland nicht arm. Es besitzt Forscher, wie keine andere Nation, umsichtig, mmhvoU, ausdauernd und durch wissenschaftliche Befähigung Alle überragend. England selbst mußte für die Erforschung des Sudan sich seine Overweg, Vogel und Barth aus Deutschland holen. Es hat in der That kaum einer Nachfrage bedurft, um die begeisterte Zusage gerade derer zu erlangen, die durch ihre Kenntniß der afri kanischen Sprachen, Sitten und Verhältnisse, ihre Erfahrung, ihre bewährte Entschlossenheit und Tüchtigkeit sich vorzugsweise für die Ausführung eines so schwierigen Werkes eignen. Die Rücksicht auf besondere Verhältnisse dieser Männer, die zum Theil Familien glück und gesicherte Lebensstellung zu opfern bereit sind, gestattet uns für jetzt nicht, ihre Namen zu nennen. In ihnen würde die sicherste Garantie für das Gelingen des Unternehmens gegeben werden können. Die Bildung eines Eomitcs, welche- die fernere Leitung dieser Angelegenheit in die Hand nehmen wird, steht in naher Aussicht. Es wird dann der Ruf an die Nation ergehen, die Mittel herbei zuschaffen, welche die Ausführung des Unternehmens erfordert. Möge dieser Ruf die Herzen nicht kalt finden, möge er ru allen Stämmen und Gauen des Vaterlandes dringen, zu Fürsten und Edlen, Bürgern und Bauern, Gelehrten und Handwerkern. Eine Nation, die immer Geldopfer bereit hat, wo es Zwecke der Mensch lichkeit oder nationaler Ehre, die Rettung Unglücklicher oder die dankbare Feier verstorbener Größen de- Vaterlandes gilt, sie wird auch Geld haben für das hochherzige Unternehmen zur Aufhellung des Dunkels, das über den Geschicken Vogel'- schwebt.
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