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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187703218
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770321
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770321
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1877
- Monat1877-03
- Tag1877-03-21
- Monat1877-03
- Jahr1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1877
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1622 emer hochangesehenen Vuiveisität und auch sonst der Sitz eine- regen wissenschaftlichen Gebens und Mittelpunkt det gewerblichen und des Handels - Verkehrs. Wenn man also diese Borbedingungen ins Lage saßt, so sind beide Städte gleichberech tigt Einen Vorzug nun hat Leipzig darin, daß es schon jetzt der Sitz eines hohen Reichsgerichts ist; man würde also, wenn man sich für Berlin entschiede, diese- Gericht von Leipzig nach Berlin verlegen müssen. Da- ist denn auch der Gesicht- pnnct, von dem die dem Entwurf beigegebenen Motive ausgehen Man hat an den Motiven getadelt, daß sie so ungeheuer nüchtern und knapp seien Es ist aber die Frage, ob das überhaupt ein Fehler ist. Wie reichhaltig und geistreich auch die Argumente sein werden, die wir im hohen Hause hören werden, so dürsten sie doch sSmmtlich, ihre- rednerischen Schmuck- entkleidet, darauf zurückzusübrtu sein, daß Berlin gewählt werden solle, weil es die Residenz de» Kaisers ist und der Sitz de- Bunde-rathe- und d«S Reichstages, und anderseits, daß Leipzig vorzuziehen fei, weil e- im Besitzstand sei und der Besitzstand gewahrt werben müsse. — Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung per sönlicher Art. Al- Reich-beamter bin ich aller dings in erster Linie berufen, die Beschlüsse de» Bundesrathes hier zu vertreten (Heiterkeit). Sie wollen mir es aber zu Gute halten, wenn ich im Lause der Debatte von dem jedem Bunde-- rommissar zustehenden Rechte Gebrauch mache und eine Anschauung vertrete, die dem Entwürfe nicht entspricht. Ich verkenne keinen Augenblick, daß ern solche- Verhalten eine- Regierung-Vertreter- sehr leicht Mißdeutungen auSgesetzt sein kann. Ich glaube aber solche Mißdeutungen nicht fürchten zu müssen, wenn Sie die eigenthümlich complicirte Lage de- Falle- berücksichtigen. Ich hoffe in dieser Richtung um so eher auf Ihre Nachsicht rechnen zu dürfen, alS ich in der Lage bin, als Ueberzeugung der verbündeten Regie rungen aussprechen zu dürfen, daß, wie auch die Entscheidung fallen möge, Niemand da- Landes- interesse oder gar ein locale- Stadtinteresse für sich in Anspruch nehmen darf, sondern daß die Bertheidigung hier und dort nur von dem Ge danken au-gehen darf, wie da- Reichsinteressc am besten gewahrt und wie die Entwickelung de- Rechts in Deutschland und damit da- polnische Leben überhaupt am besten gefördert wird. (Bravo.) Profeffor vr. Gneist: von unserer Seite herrscht der Regierungsvorlage gegenüber darüber allgemeine- Emverständniß, daß die Wahl Leipzigs al» Sitz de- Reich SoderhandelSgerichtS «ine glückliche war und daß eö daselbst einen angemessenen Platz gefunden. Es entsteht nun die Frage, ob sich die neue Schöpfung de« Reichsgerichts an da« schon de- stehende Gericht anschließeu kann. Man kann diese Frage bejahen oder verneinen, je nachdem man das Reichsgericht al- oberste Apprllinstanz für die Gerichte der Einzelstaaten anstrht oder es von seiner rein staats rechtlichen Seite betrachtet. Unser ReicbSgeriLt der Zukunft ist rin Stück LompetenzgericktShof, welcher schon jetzt einige Befugnisse der LankeSgerrchte ab- svrbirt, eS ist der oberste Staatsgenchtsbof, es ist vor Allem EomprtenzgerichtShos für rie Gesammtbeit der Organe und Beamten des Reiches, zur Entschei dung darüber, ob sie in allen Rechtssachen inner- »alb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit gehandelt haben. Li« solcher Gerichtshof wirkt m einem zusammen- gesetzten Bundesstaat ganz anders, al» wir e» bisher gewohnt waren, ganz ander» als ,n den Einzelstaciten. und wenn ich Nicht rrre, so rst hier «ine Lücke in der Iffeutlichrn Meinung, zu deren Ausfüllung vielleicht die härttge Debatte beitragen kann. ES handelt sich vor Allem um die Frag« der Abgrenzung der Lompetenzen. Da« Reichsgericht muß un» vorläufig Elsatz g-brn für da- Institut der Ministeranktage, eS entscheid» t selbst- ständig und ohne auf die Anregung der Regierung zu »arte», ob dieRrchtSorgane staatsrechtlich und Verfassung«- mäßig richtig gehandelt. Mit dem RrichSgericbt wird unser« Verfassung erst perfect, ebenso wie in der Schweiz und in den vereinigten Staaten, erst dadurch wird »nser Staat die allgemein gültige Fundirung haben, mit dem 1. October 1879 wird die Brfugmß jedes Deutschen, seine staatsrechtlichen Begriff« über da» Reich fich selbst zu bilde«, erloschen sein. Daß wir so «eit find, ist vor Allem da» Werk dieses hohen Hauses selbst. Der Patriotismus, mit dem dieser Gegenstand trotz Widerspruch- uud Gleichgültigkeit bisher gefördert wurde, giebt mir die Zuverstcht, daß wir auch die vor- liegende Krage nach dem Sitz des Gericht» nicht als Parteifrage, sondern objektiv behandeln werden. Es ik ein unglücklicher Gedanke, den Richter durch Aurückztehrn vom öffentlichen Lebe«, durch Flucht vor den TaaeSfragen erst zu seinem Berufe tauglich machen zu wolle». Im Gegenlheil kann darüber kein Zweifel benschen, daß, wen«Die« schon für di« Richter im All- gemeinen gilt, die Oberrichter erst recht im Eentrum der RetchSrra,erung sowohl als de» öffentlichen Leben» ihren Platz finden müsse«. Die» ist auch nothwendig zur vollständigen Entwickelung der deutschen Reichs- rrgierung. Bedarf überhaupt rede Regierung des An- lehuenS an die feste konservative Institution eines Ober- grrichtS, eines Element» der Recbtscontrole. wenn sie nicht in» Wanken kommen soll, so bedarf es ein Bun- deSstaat doppelt. Da» Wunderbarste an dem vielen Wunderbaren in unserer Verfassung ist, daß sie seit l o Jahren besteht und ihre Lebensfähigkeit erwiesen hat. obgleich fit diese» rechtlichen Elements entbehrte. Au» der Art und Weise der Entstehung unserer Reichsregie- rung erklärt fich auch dir wenig feste St-klung derselben ia der vorliegenden Frage. Erst wenn sichtbar durch ein, vertrauenei weckend« gerichtliche Instanz die Grenzen der ReichSgewall srstgestellt uud die Einzelstaaten vor Selbstauslegung ihrer gesetzlichen Befugnisse seitens der ReichSregiernnz geschützt find, wird fich dieser Zustand Sindecu, uud dann wird eS auch in allen einzelnen Fragen leichter gelingen, eine freundlich« Vereinbarung derbeizufübrrn. Damit aber da« Reichsgericht diese Aufgabe erfüllen kann, ist r» unabweisbar nothwendig, dasselbe hrranzuzirheu in da« Leutrum der Reicksver- »altung. Man «acht nnn für die Wahl Leipzig» al» Motiv geltend, daß «au zu weit gehende Lentralisation ver hindern wolle. Mit dem Wort« Decentralisation be- zeichnet man da». System. welche« den Theilen ,hr« Selbstständigkeit gegenüber de» Ganzen fichrrt. ES handelt fich dabei also lediglich um eine Systemfragt, utmmermehr aber um ein« Localfrage. Wir baben bei- fpwlSwris« t» Preuße» rin gewaltiges Organ der De- cri-tralffot on iu dem Obervrrw-ltunaSgericht. Wer j hätte aber verlangen «olle«, daß dasselbe, um seine Functionen erfülle» zu können, nicht nach Berlin, so« der« »ach Magdeburg verlegt werde? Ich glaub«, diese» Beispiel genügt, um di« Unhaltbarkeit der ganzen Uranmentattou zu beweisen. Wäre sie richtig, dann gäbe r» iu ganz Europa keinen centralisirtereu St-at al» England und keinen drcentralistrtrrrn als Frank reich. Man will mit dem Worte Drcentralisat on ganz andere Interessen verdecken Man sollte fich selber dies« Interessen klar machen und sollte Farbe bekennen, uud daun soll man Ui^» überzeugen, daß diese Interessen schwerer wieg-» a>S dir Stadiliruvg der BundeSver- sassung; auf bloße Worte legen wir keinen Werth. Ich komm« nun auf da« letzte Argument für Leipzig, daß man nämlich einen Schutz haben wolle vor admini strative« Einfluß. Dieser Einfluß ist unter verschiedenen Berbiltuiffrn ein verschiedener. ES gab «ine Zeit, wo di« kaiserlich« Regierung fich an dem «nen, d,r Reich»- Vertretung an de« andern und da» Reichsgericht an einem dritten Orte befand. Es war dirS der craffeste Ausdruck eine» Zustande«, in welchen die übertriebene AbsonderungSlust führt. Ein Personal, welches sich nur durch Entfernung von dem Orte der Reichsreg,erung vor Breinflussung schützen läßt, ,st überhaupt nicht zur Besetzung de« Reichsgerichts geeignet. Die Furcht vor Beein- finssung beruht nur auf der BorauSsetzung einer tenden ziösen Auswahl de» Personal«; wird d«nn aber an dieser Voraussetzung durch die Verlegung nach Leipzig auch nur da« Geringste geändert? Alle Garantien für die Unabhängigkeit, welche die Gesetzgebung der ganzen civili- strtea Welt bietet, find in den Justizgesrtzrn auf das Reich-gericht vereinigt worden; und wem diese nicht ge- uügen, der wird Überhaupt nie z» befriedigen sr,n. Wenn mau hrrvorhebt, daß auf der Unabhängigkeit der preußische» Gerichte ein Makel hafte, so muß ich diesen Vorwurf gegen unsere Richter entschieden zurückweisen. Nicht die preußischen Gerichte waren eS, welche eine corrumpirte Rechtsprechung zu Zeiten verschuldet haben, sondern jene conservative Staatskunst, die eine Zeit lang die ständigen Äerichtscollegien beseitigte und an ihrer Stelle für bestimmte Delikte besondere Lollrgien rinsetzte, um bestimmte Beschlüsse zu erzielen. Die Stellung der preußischen Richt-r ist heute eine so ehren hafte in der ganzen Welt, wie jemals, sie können so gut wir die englischen die Devise „Komi) «»> qui w»l x p«o,o" zur ihrigen machen. Bon den relaticen Ver diensten unserer Richter gegenüber den Richtern anderer deutschen Staaten kann man allerdings sprechen. Und da muß ick dock» sagen, bei aller Achtung für die Ver dienste Sachten» sckäg» ick dock die Verdienste Preußens und der Hobenzollern um die Justizpslege so hock, daß Preußen einen wohlnworbenru Anspruch auf den Sitz des Reichsgericht» in seiner Hauptstadt hat. Wir wollen nur dem Kaiser geben, wa» dcs Kaisers ist. Wir be trachten die Sache nickt als Parteifrage, sondern finden in der Wahl Berlins nur dir sch ichie Anerkennung der Wahrheit, wir wollen den Schlußstein der deutschen Bundesverfassung dahin legen, wobm er gebört, in die Kuppel, n.chl abseits. (Bravo.) Aog. Frankenburger (Forlschr.): Der Heu Vorredner stellte sich zum Schluß seiner Rede auf einen Stoudpunct, den ich nicht theilen kann. Es kann sich ja doch nickt darum handeln, den einen oder den andern Staac mit dem Reichsgericht für seine Verdienste um das deutsche Reich zu belohnen. (Sehr wabr!) Das ist ein ganz verfehlter Standpunct. wie er den verbündeten Negierungen, die >m Bundesratb gegen den Vorschlag Preußens gestimmt baben, in l'tzter Zeit häufig, namentlich in der Presse, zuge schrieben worden ist. ES mag auch vielleicht richtig sein, daß man die Motive der Vorlage eigentlich mit solchen varticularistiscken Gesicktspuncten suppliren muß. Aber ick und meine politischen Freunde sind weit davon entfernt, solche Gesichlspuncte gelten zu lasten, und wir würden ohne Bedenken für Berlin stimmen, wenn über wiegende sachliche Gründe dafür sprächen. Im Allgemeinen bade ich die lieber eugung. daß die vom Herrn Vorredner angeführten Argumente wohl an fich direcktigt sind, aber nicht auf die Regierungsvor- läge passen. Sie würden richtig sein, wenn die Regie rung, wie bei einer früh-rn Gelegenheit vom Äbg. Wmdtborst angedeutet wurde, etwa Wetzlar vorgeschlä gen bäite; sie passen aber nicht auf Leipzig. Ich stimme mit ibm überein, daß das Reichsgericht seinen Sitz mitten im praktischen Leben haben muß, daß der Richter nickt fern von der Welt vom grünen Tisch aus ur- theilen könne. Aber der Vertreter der Regierung hat selbst anerkannt, daß Leipzig iu dieser Beziehung alle Bedingungen eben so wohl erfülle wie Berlin. Ich erinnere auch an die DiScussion über da» Ober Handels gericht. Damals sagte der Abg. Lasker, Leipzig sei nicht bloS eine große Stadt für die HaudelSwelr, son- dcrn überhaupt für das gesamnrte öffentliche Leben. Das, was für das Reichsgericht nöthig ist, ftndct sich m vollem Maße auch in Leipzig; aber Etwa- findet fick dort nickt, was Herr vr. Gneist wünscht, was ick aber nicht wünsche, das ist die 29echselbez,«hmig zwischen der Regierung und dem Reichsgericht. Ich leugne nickt, d,ß eine solche Wechselbeziehung nach mancher Richtung hin wvdlthätig sein kann; Sie werden aber ebenso nicht leugnen, daß sie auch ihre höchst nachtheiligrn Lonse- quenzrn hat. Herr Gneist bat allerdings gesagt, daß die Voraussetzungen für eine solche Befürchtung ver schwunden seien. Den Beweis für diese B Häuptling hat er nicht geliefert. Ich glaube, wir haben auch heute noch Grund genug, die Selbstständigkeit de» RrrckSger chts zu hüten Was nun auS j ner Wechsel wirkung an wobltbätigen Folgen entspringt, das bleibt, auch wenn das Reichsgericht nach Leipzig verlegt wird; aber die iiacktbeiligrn Folgen werden säst gänzlich da durch abgeschnitten. Die Regierungen haben für Leipzig den Grund an geführt, daß es im Besitzstand sei und also im Besitz stand bleiben müsse. Ick muß diesen Grund als voll kommen berechtigt anerkennen und ich bestreite, daß brüte die Frage anders liege, als im Jahre 1899, wo r» fick um den Sitz des Handelsgerichts handelte. Damals sagte Lasker, Sachsen habe dir Anregung zu dieser Institution gegeben; schon deshalb müsse das Gericht in Leipzig seinen Sitz ».'alten Und Herr Miquöl sagte, aus dcm Oberhandelsgericht werde sich naturgemäß da» Reichsgericht entwickeln. Herr Lasker wollte ausdrücklich, daß keine preußische Stadt und auch kein« Residenz gewählt werden solle. Herr Stephani endlich sagte, man müsse auch die Zukunft berücksichtigen und bedenken, daß fick der Bau einmal nach Süden und Westen ausdehnrn solle. Alle diese Äestchtspuncte treffen auch beut« noch zu und deshalb halte ick den Grund des B-sttzstandeS für gerechtfertigt. Ein Brdnrken gegen die Wohl Leipzigs könnte in der Möglichkeit gefunden werden, daß die sächsische Regie rung vielleicht von dem nach den Justizgesrtzen >br zu- stebenden Reckte Gebrauch machen und auch nach Er richtung Ke» Reichsgerichts den sächsischen obersten Gerichtshof ousrecbt erhalten körnt«. Auf eine hierauf bezügliche Anfrage de» «bg. Lasker «st bisher seiten» der sächsischen Regierung keine Antwort gegeben worden. Ick möchte daher, obgleich daS für uu« für rie Ent scheidung der Frage nicht maßgebend sna wird, doch den sächsischen Just«zmia,ster bitten, «ur bestimmte Er klärung abzugebrn, da doch der Eine oder der Andrrr sich dadu-ch bestimmen lasten dürfte. Für irns, wie gesagt, ist d,e Frag« augenblicklich indifferent. An fich dagegen hat sie die größte Bedeutung für uns. Denn wenn wir w rklich ein nattonales Werk schaffen wollten, so mußten wrr das Fortbestehen eine« obersten Gerichtshöfe» in den einzelnen Ländern überhaupt nicht gestatten (Zustimmung) Dieser Frage gegenüber hat dir Frage, ob wir Berlin oder Leipzig zum Sitz d«S Reichsgericht» wählen, nur eine unter geordnete nationale Bedeutung. Herr Gneist bat auch von der Unabhängigkeit der Richter gesprochen und meint, daß dieselbe in Berlin eben so gut gewahrt werde wie »n Leipzig Ich gebe zu, daß wir in den Justizgesetzer eine gan-e Reibe von Garantien für die Unabhängigkeit der Richter gegeben haben; aber bedenken Sie doch, das, wir nie genug solcher Garantien finden können und daß wir keine von der Hand wrtsen dürfen. Ick glaube aber, daß die Un abhängigkeit de» Reichsgerichts sehr wesentlich geförbert wird, wenn wir es nicht an den Sitz der Regierung verlegen. Da» Gericht wird nur dauu al» rin wirklich teuUcbrs und nicht als die Fortsetzung des LbertribunalS er- scheinen. (Widerspruch.) Ja, meine Herren, al« eine solche Fortsetzung erscheint e», wenn es in Berlin bleckt (Erneuter Widerspruch.) Diese Meinung krfieht im Volte und Sie werken daran durch Ihre Versicherungen und Ihre Reden Nichts ändern Und eS wird auch thatfäcklich so sein. ES wird eine viel größere Zahl der preußischen Lbertribunolsrichter in daS Reichsgericht übergehen. Ick w>ll auf die feinen Unter- schiede >n den verschiedenen Traditionen des preußischen Obertribunals, wie sie der Herr Vorredner aufgestellt bat. nickt eingrheu; aber eS giebt Traditionen de» LbertribunalS, die wir auf das Reichsgericht nickt über- nehmen möchten. (Zustimmung.) Wenn wir uns für Leipzig entscheiden, so werden wir die guten Traditionen übernehmen, die schlechten aber abwersen. Wir dürfen uns nickt verhehlen, daß die Urtherlssprüche d«S Ober- tribunals auch »n der letzten Zeit nickt immer dem so oft gepredigten Geist der neuen Zeit und der neue« Gesetze entsprccken. Zustimmung, Widerspruch.) Wir muffen verbinkern, daß da« neue Reichsgericht von vornherein mit M ßrrauen ausgenommen wirk, und das würde der Fall sein, wenn wir es als die Fortsetzung des preußischen Obertribunals hinstellten. (Zustimmung, Uarukr.) Meine Herren, ich spreche aus meiner Er fahrung > nd nach meiner Ueberzeugung. Eine andere Ueberzeugung Hobe ich mir nickt schaffen lönnen. (Bestall links. Zischen rechts.) Sächsischer Iusiizminisier vr. Abeken: Man wird es als der Sachlage entsprechend ansehen, daß ich auf die Hauptfrage weinerseiis n ckr eingebe; ick würde doch nur pro <!»,»,> sprechen. Ich habe nur um das Wort gebeten, weil ich gehört habe, daß eine Anzahl Mitglieder des hohen Hauses für die Vorlage nur dann stimmen wollen, wenn sie Gewißheit darüber erlangen, daß für Sachsen ein eigener Gerichtshof dritter Instanz nicht deibehalten werden wird, volle Gewißheit darüber kann ich Ihnen nickt geben, denn die sächsische Regierung kann okne Mitwirkung der sächsischen Kammern keine Entscheidung treffen. Es beruht dies auf der LandeSgesetzgebung; wenn ick gleich wohl, dessen ungeachtet, daß e» sich nur um eine Landes- angelegenheit handelt, mich hier über die Stellung der sächsischen Regierung zu derselben zu äußern Gelegen- heit nehme, so muß ich hervo heben, datz ick dadurch unserer Landesvertretung in keiner Weise präjudiciren kann, noch w.ll. Daß ,ck> jetzt von dieser Strlle aus mich über diese Frage äuß-ru muß, hat für mch noch eine andere Unbequemlichkeit insofern, als dadurch ein Anschein nw ckt werten kann, als ob ,ch rin Feind der Vorlage wäre und außerdem unse:e Auffassung in Betreff derReicks- undLandesrulerrsstN eine abweichende wäre. Deshalb will ick mich ganz kurz darüber aus- sprechen. Der Gedanke, welcher der Schaffung deS Reichsgerichts zu Grunde lag. ist die Erhaltung der RechtSeinheit. welche durch datz allgemeine deutsche Livilgesetzbuch zu endgültigem Abschluß kommt So lange nun unser Ewilrrcht nur Particularrcckt ist, fällt di« Uebrrwrisung der londeSrechtlichen Limlsachm an das Reichsgericht außerhalb seines eigentlichen Zwecks. Daß ungeachtet dessen schon jetzt die Belastung res Reicks gericht« auch mit diesen erfolgt, hat darin seinen Grund, daß für die Mehrzahl der Bundetzüaaten die Erhaltung eigener Laudesaerichtshöse dritter Jnstrn; unausführbar sein würde. Dieses Moment rubt ausschließlich im LaudeSmteressr, und dem entspricht eS auch, daß di« Entscheidungen darüber, ob man die Civilsachen einem eigenen Gerichtshof oder ebenfalls dem Reichsgericht zuweisen solle, den einzelnen Landes-Regierungen vor- bebaltm bleiben. Für Sachsen kommt aber in Betracht, daß wir nach den Giößenverhältnissen der einzelnen Rechtsgebiete kein« Garantie dafür haben, daß unser R> chtSg«biet durch sächsische Juristen in demselben Maße ausreichend vertreten werde, wie durch di« Beibehaltung eines eigenen Gerichtes dritter Instanz. Dem gegen über treten aber auch für Sachsen die Bedenken auf. welche gegen die Erhaltung eines eigenen Gerichtshofes driiter Instanz mit beschränkter Competen» sprechen. Aber auch diese Momente ergeben sich aus Rücksichten, welche für die Entscheidung der vorliegenden Frage nickt maßgebend sein können. Die Loge der sächsischen Regierung ist daher folgende: Wir sind der Meinung, daß unter diesen Umständen die Entschließungen der sächsischen Regierung über die Frage, ob rin eigene» Landesgericht weiter bestehen soll oder nicht, für die Entscheidung über die Vorlage nicht maßgebend sein sollen. Wir können rireu innern Zusammenhang zwi schen diesen beiden Fragen nicht anerkennen. Nach unserer Auffassung liegt die Sache gerade umgekehrt; wenn daS Reichsgericht seinen Sitz iu Leipzig erhalten soll, so »erden durch diese Thatsache wesentliche Be dingungen der Thätigkeit eines eigenen obersten LandesgrrichtShofes beeinträchtigt, die Beibehaltung desselben also unzweifelhaft mit großen Unzuträg- lichkeiten verbunden sein. Losgelöst von der Frage über den Sitz deS Reichsgerichts ist dir Frage nach der Beibehaltung eines Berichts dritter Instanz für die sächs Regierung «ine offene, n-chl aber, wenn daS Reichsgericht nach Leipzig verlegt wird Im letzteren Falle wird die Regierung bei den Vorlagen zur Ausführung der Justizgesetze in Sachsen an die Landesvertretung einen Antrag auf Beibehaltung eine» obersten LandesgrrichtShofes nicht stellen. Bunde-bevollmächtigtcr preußischer Iuflizminister vr. Leonbardt: ES ist kein deutscher Staat absolut so sehr an der Ausrecbthaltung des obersten Gerichtshofes interessirt, als Preußen, und dennoch ist Preußen die einzige Stimme gewesen, welch« im BundeSrath fich gegen den Vorschlag erklärt hat. daß r» den Bundesstaaten ge stattet werden solle, einen obersten Gerichtshof beizubr- halten (Hört! kört!), und de prenß'Ickx Regierung nicht «ustarid genommen, offen z» erklären, daß sie mchr daran denke, «inen obersten Gerichtshof deizndehafta,. (h»it! hört!) Aber ich muß gestrheu, daß der preußische» Regierung dabei die Annahme fern grlegeu hat. al» könnte der Reichsgericht-Hof irgendwo ander« als i» Berlin seinen Sitz erhalten. Noch ein snderrl praktische» Bedenken war sür di« preußische Reuirrung maßgebend. Da« ReichSgrricht muß mit den hervorragendsten Eapacitöten der Justiz desetzt werden und auch eine tüchtige Rechtsanwaltschaft rst ein« seiner ersten Bedingungen; ich zweifle aber, daß eS möglich sein werde, da« Reichsgericht in Leipzig mü hervorragenden Lop «täten zu besetzen. (Widerspruch.) In meiner ganzen Amtszeit Hab« ich mit Besetzung der Lbertribunaltstellen nie Schwierigkeiten gehabt; als rt sich jedoch um Besetzung deS O:«>handelsgerichtS handelte, dessen Stellen verhältnißmäßig günstiger find al» di», jenigen des preußischen Ldertnbunal»>, und ich da glaubte, daß die Mitglüder de» letzteren mit Freuden eine Anstellung au erflerem an nehmen würden, habe ich so viele Kö de erhalten, daß ich auf jeden «eiteren ver such verzichte, von 9 Justizbeaml n. d e ans Preußen nach Leipzig gegangen find, baden S ihr Amt schau wieder nirdergelegt; daS find Facto, «ft denen »rau rechnen muß. Der oberste Gerichtshof ist Nickis al» ei» Ausleger des Reckt«. Er muß inmitten des öffentlichen Lebens steren, sonst verkümme t er mit seinem Recht. Redner c,tiit eine Acußeruug Wackeck'S, wonach es da« größt« Unrecht von der Welt war«, riu Reichsgericht, wenn es je zu Stande käme, anderswohin zu verlegen, als nach Berlin, und wird von der linken Seite de« Hauses darauf aufmerksam gemacht, daß Waldeck vom Ministertische aus das erste Mal als Autorität crtirt werde. Man spricht von einem Befitzrecht Leipzigs. Da» kann ich nicht anerkennen. Es handelt sich gar nicht um die Verlegung eines Gerichtshofes von Leipzig nach Berlin, sondern um die Neucreirung eine» solchen, dessen Sitz Berlin werden soll. WaS daS Wart Unab- kängigkeit der Richter anlangt, kann ich mich nickt ent schließen. hier darüber zu reden. Da« Eine unr will ich bemerken, daß wir unsere Richter mit Garantien der Unabhängigkeit völlig verdarrrkadirt Hobe» und »aß diese n ckt auf bestimmtem Giuud und Hoden rubt. Ich bitte Sir, sür Berlia zu stimmen. Abg. v. Kleist-Retzow spricht gleichfalls sür Berlin. Bon den Gründen, die hauptsächlich für Leipzig sprechen, werde al- der durchschlagende der dcs Besitzstände- bezeichne!. Allein Leipzig besitze zwar ein Ober «Handelsgericht, aber kein oberste» NeichSgerrcht, und letztere- sei kein An hängsel des Handelsgericht-. Sodann meine man, Gründe der Decentralisation führten nach Leipzig. Gerade von diesem politischen Standponcle a»S müste man sich sür Berlin entscheiden, denn in den Iusiizgesetzen sei eben Einheit in der Justiz- Pflege sür ganz Deutschland angestrebt worden. Abg. Reichensperger (Crefeld) wendet sich zunächst gegen den Abg vr. Gneist, dessen staats rechtliche Exkursionen ihm nicht hieher zu ge hören scheinen. Denn wa- hätten staatsrechtliche Theorien mit dem odcrsten Reich-gericht zu schaffen? Sic kämen vielleicht in Betracht, wenn eS sich um den höchsten VerwaltungSgerichtS-, um den Eom- petenzgerichtShof handelte. Die Verlegung trs okcrsten Gericht- nach Berlin sei den Ceutralffa« tionS-Ideen günstiger, al- vr. Gneist meine. Denn sie begünstige zum Mindesten da- Anwachsen der Hauptstadt. Da- moderne Anwachsen der Hauptstädte sei aber nicht nur überhaupt ein Uebel- stand. sondern namentlich vom politischen Stand punkte auS. ES war der Rahm Deutschland-, viele kleine Hauptstädte zu haben. ES war der Nachtheil der französischen StaalSentwickelung, daß Pari- schließlich Alle- absorbirte Man trage nicht dazu bei, daß in ähnlicher Weise Deutsch land in Berlin culunnire. Auch sei es stet- ge fährlich, wenn Diejenigen, die noch befördert werden uno in ihren Gehältern aussteigen können, im nähern Contact mit derjenigen Stelle bleiben, von der solche Erhöhungen auSgeben. Auch die Mitglieder de- obersten Reich-gericht- können ja noch avanciren. WaS sodann den Einwcmd des MinisterS vr. Leonhardl beträfe, e- würden sich s nicht Richter und Anwälte genug finden, die nach s Leipzig gehen möchten, so würde seine Hinfällig keit an den Tag treten durch Annahme de- Ge setze-. Denn nach dem Ober-HandelSgerichte sich versetzen z« lassen auf unbestimmte, sicher kurz bemessene Zeit, dafür können sich ja Manche be danken; cme andauernde Wirksamkeit bei dem höchsten Gerichte de- Reiche- werde Niemand ver schmähen. (Lebhafter Beifall) Der erste Bicepräsident Freiherr Schenck von Stauffenberg hat den Vorsitz übernommen. Abg. vr. v. Treitschke sagt dem sächsischen Herrn Iustizminifler Dank dafür, daß er wen g« stenS mit einiger Klarheit die Zustände geschildert habe, wie sie in den nächsten zehn Jahren fein würden, wenn wir den Entwurf annähmen. Wir besäßen dann in München einen königlich bayeri schen Gericht-Hof, in Preußrn hoffentlich keinen obersten Gericht-Hof, denn Preußen habe, wo e- sich um Angelegenheiten de- Reiche- handelte, immer dem Grundsatz gehuldigt: nodlssss adlige, und würde also wohl gewiß da- Obertribunal verschwinden lasten, gleichviel ob da- Reichsge richt nach Berlin oder Leipzig verlegt wird. Wir hätten ferner für die nächsten zehn Jahre biS auf weiteren Beschluß der sächsischen Kammern zwei oberste GericbtSböfe im Königreich Sachsen. Wen» die sächsischen Kammern die Güte haben, de» obersten Gerichtshof aufzuheben, dann möge der Reich-tag sich ber ihnen bedanken. Er meine nicht, daß der Reich-tag eine solche Position einnehme« könne. Wir würden auf diese Weise in de» nächsten zehn Jahren einen Zustand erleben, bei dem da- alte Wort, daß nicht- Neue- unter der Sonne sei, nicbt mehr zuträfe. Redner will ferner noch ein Wort sagen über den wunderbaren Anblick, den bei dieser Frage der BundeSrath biete. Der Präsident de- RerchSjustizamte- nehme der Vorlage gegenüber eine Stellung ein, die an den König im Hamlet erinnere, welcher mit eine» weinenden und einem lachenden Auge spreche. Redner fragt, wohin da- führen solle uud ob da rin Zustand sei, mit dem da- Reich sich würde
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