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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1861
- Erscheinungsdatum
- 1861-12-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-186112049
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18611204
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18611204
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1861
- Monat1861-12
- Tag1861-12-04
- Monat1861-12
- Jahr1861
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.12.1861
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6142 größeren Städten hat die Cultur moderner Zeit wenig Eigentüm liche- übrig gelassen. Für die Objektivität von That und Werk wurde charakteristisches Merkmal der Sachsen der Gewerbefleiß und Sachsen darin deutsche- Musterland. In der erfreulichsten Wechselwirkung be gegneten StaatSwaltung unter den Kurfürsten August, dem Vater sächsischer Cultur im Gebiet des Materiellen, und Friedrich August, und das Sinnen, Dichten und Trachten des Volk- einander. Die Production machte schon unter August, kraft seiner landwirt schaftlichen Anstalten, bedeutende Fortschritte in Ackerbau, Vieh zucht, Gartenbau, die aber bei Weitem überholt wurden, als unter Friedrich August die staatlichen Anstalten sich vermehrten und durch die Bildung von landwirtschaftlichen Vereinen und die schöpferische Praxis einzelner einsichtsvollen Landwirte, als Schubart's v. Kleefeld, ihnen in die Hand gearbeitet wurde. Die vollständige Herstellung persönlicher Freiheit des Landmanns und die Grundentlastung endlich haben dem Bauernstände wenig zu wünschen übrig gelassen. Wo Stockung und Abnahme eintrat, wie im Bergbau, nachdem dieser mit Auffindung und Verwertung des Kobalts eine neue Prosperität gewonnen und sich Zinnwerke (Altenbergs schon seit 1458) dazu gesellt hatten, da half die Er findsamkeit und wissenschaftliche Genialität eines Werner rc. die Einbußen gutzumachen. Ein glückliches Experiment des Schleizers Böttiger brachte das meißnische Porzellan an den Tag. Für den ärmsten Theil der Bevölkerung Sachsens, die Erzgebirger, wurde der seit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts zuerst im Vogt lande versuchte, darauf seit den Hungerjahren 1770 f. mit Eifer betriebene Kartoffelbau zur Beschwichtigung der schwersten Sorgen um Lebensbedarf und das gastronomische Raffinement übte sich darin, die Kartoffel in vielerlei Gestaltung selbst zum Leckerbissen zu machen.*) Der Weinbau blieb auf einen geringen Theil des Landes beschränkt, nährte doch aber auch nothdürftig die damit beschäftigte Menschenrasse. Einträglicher und von minder un sicherer Ernte war der Obstbau, in dem sich vor Allem die Bors- vorfer Aepfel hervorthaten. Die Fischerei und Flußschifffahrt be lohnte die darauf verwandte Arbeit genugsam, um eine eigene Menschenrasse für sich zu gewinnen. Wie lebhaft nun in allen Zweigen der Production sich Arbeits lust und geistiges Sinnen betätigte, ward dies doch durch die Industrie in der Fabrikation Überwegen. Städte und Dörfer, Ebenen und Gebirge, Acker, Wiese und Wald waren davon erfüllt und daS hat sich bis in unsere Tage gesteigert. Neben den Berg- städten, wo Fabrikation ebenbürtige Zwillingsschwester der Produc tion, und das berühmte blaue Wunder, das Großenhainer Grün, daS Argentan, das weiße Eisenblech, daS Amalgamiren rc. von sächsischer Erfindsamkeit und praktischer Geschtcklichk.it zeugten, halten Tausende der Umwohner Lebensunterhalt von ihrer Theil- nahme am bergmännischen Geschäft. Den Fabrikstädten Plauen, Adorf, Oschatz, Oederan, Werdau, Crimmihschau und vor Allem Chemnitz, der fruchtbaren Mutter des Baumwollenfabrikats, eiferten Dörfer, Flecken und Städtchen nach in eiqenthümlichen Gattungen der Fabrikation. So die Zöblitzer mit Serpentinfteinwaaren, erz- gebirgische Ortschaften mit Spitzenklöppelei, deren Erfinderin Bar bara Uttmann (-j- 1575), von einem Nürnberger Geschlecht stam mend, Wohlthäterin von Tausenden der bedürftigsten Bewohner deS GebirgS wurde; so die mit Holzbildnerei, namentlich seifener Spielwaaren, und mit Verfertigung musikalischer Instrumente (Silbermann's Orgeln und Schröter'- Claviere) beschäftigten Ort schaften, von denen das sächsische Vogtland eine ansehnliche Zahl anführen kann. Der Handel belebte sich unter förderlicher Gunst der aus dem Mittelalter stammenden Privilegien vorzugsweise in Leipzig, dem Centralpuncte für Verwerthung der Erzeugnisse sächsischer Industrie, welcher trotz der langwierigen, erst spät beseitigten Elendiqkeit der Verkehrsstraßen und Schwerfälligkeit der Transportmittel sich durch ungemeine Rührigkeit seiner mit vielen eingewanderten Ausländern gemischten Bevölkerung und durch geschickte Benutzung auswärti ger Mißgriffe zu einem Weltplatze des Handels emporarbeitete. Eigenthümlich ward ihm die durch Engherzigkeit des Buchdrucker wesens in Frankfurt a. M- veranlaßte und mit den Messen ver knüpfte Hauptnirderlage des Buchhandels und die Gewöhnung der Slaven und Orientalen, nicht mehr in Frankfurt a. O., sondern hier ihre Handelsgeschäfte zu machen. *) Von einem erzgebirgischen Küchenzettel: Kümmelkartoffeln. LU,'U I! Aufgebratene dergl. Gebackene dergl. > Näpfelgötzen von grünen Kartoffeln. Götzen in der Pfanne von dergl. Kartoffeln in der Pfanne. Saure Kartoffelstückchen. Röhrenkuchen. Kartoffelfras. Kartoffelkuchen. Geschmorte Kartoffeln ie. Seit der Verengerung von Sachsen- staatlichen Grenze» haben seine Bewohner mit Schnellkraft und Raschheit im werkthätlgen und schöpferischen Gewerbsleben sich hervorgethan. Auf gewohnten Bahnen in beschleunigtem Fortschritt und erfindsam und rührig auf neuen, haben sie das verjährte Wltzwort von ihrem Zurück bleiben hinter der nördlichen Nachbarschaft auf'S Glänzendste widerlegt. Dies ist aber mit dem ungeheuren Umschwünge der jüngsten Gewerbs - und Verkehrscultur und die Theilnahme Fremd- bürtiger mit dem Sinnen und Schaffen der Eingeborenen so viel fältig verflochten, daß das Eigenthümliche sich meistens in ge meinsame Culturgrößen auflöst. Wo nun die Production, durch locale Naturbeschaffenheit in engen Grenzen gehalten, hinter Fleiß und Bedarf zurückbleibt, wie im Erzgebirge, ist mindestens die äußerste Genügsamkeit in ihrem Gleichmaß geblieben und selbst Vorliebe für die dürftige Heimath wird nicht vermißt. In Fabri kation und Anlage von Verk.hrsbahnen hat die Magie der Dampf kraft bereitwillig Anerkennung gefunden; zu jeglichem Nutzen und Gewinn versprechenden Unternehmen aber ist Agitation und Con- currenz muthvoll, selbst mit kecker Wagsamkeit, in die Schranken getreten. BildungSanstalten für nichtqelehrten Beruf — Real schulen, Bürgerschulen, polytechnische, Handelsschulen rc. — haben ihre volle Geltung und zahlreichen Besuch; der Stand der Ge lehrten hat in der öffentlichen Meinung und bei Berufswahlen weniger Gunst als früherhin. Gemeinnützige Vereine finden rege Theilnahme; die Volksbildung hat in diesen eine praktische Fort setzung des Jugendunterrichts. Die Früchte des GewerbfleißeS im Einzelnen zu mustern, ist Sorge statistischer Bureaus; der Dilettant in diesem Fache wird, abgesehen von den vielerlei Zeug-, Metall-, Stein- und Holzarbeiten, als besonders gelungen groß artige Maschinen, musikalische Instrumente und auf der Liste der Gutschmecker Schaumweine und Biere bezeichnen, über den Handels verkehr aber vor Allem auf Leipzigs Gewölbe, Messen, Consulate, insbesondere dessen Buchhandel und Druckerpressen, endlich auch die Zunahme seiner räumlichen Ausdehnung Hinweisen. So hervorstechend nun die gewerbliche Thätigkeit und die Arbeit für materielle Interessen, behaupteten di« «Sachsen auch in gei stiger Cultur seit der Reformation, hauptsächlich aber im acht zehnten Jahrhundert, einen der ersten Plätze auf der deutschen Völkertafel. Schulbildung auf den Grund humanistischer Studien hatte als wackere Genossin der Reformation volle Ehre. Der Gelehrtenstand war geachtet. Bibliotheken zu sammeln gehörte zu dem Lieblingsbetrieb von Gönnern der Wissenschaft. Der Anstrich von Gelehrsamkeit, vornehmlich des Latinismus, hervorgegangen aus den trefflich eingerichteten Fürstenschulen und einer Menge guter Stadtschulen mit den beiden Summitäten der Wissenschaft in Leipzig und Wittenberg, war bis in die niederen Stände ver breitet. Dazu kam seit Gottsched das selbstgefälligste Mitwirken an dem Ausbau der deutschen Sprache und Literatur. Poesie zwar wollte auch im achtzehnten Jahrhundert nicht aufwachsen, das sollte einmal, ebenso wenig als kernhafter Volkshumor der deutsch-sorbischen Nachkommenschaft nicht zu Theil werden. Da gegen wurde der Trieb zu schriftftellern im Uebermaß rege. Hier griffen der geistige Drang der studirten Elaste und die ma terielle Seite de- Leipziger Buchhandels, der sich eine Clientel von Brodarbeitern anbildete, in einander. Die sächsischen Magistri gehörten zu den fleißigsten Scribenten Deutschlands. Im histori schen Fache hatten hauptsächlich locale Interessen ihre Pflege; der Gesichtspunct ging wenig über die Heimathsgrenze hinaus. Ebenso selten war das Eindringen in die Liefen der Wissenschaft; in der Nationalliteratur wurde ebenfalls Mittelmaß und Oberflächlichkeit gangbar. So die Masse der Schriftstellerzunft; hoch über dieser erhaben steht Leibnitz in der Mitte der unsterblichen Trias mitteldeutscher geistiger Großheit, zwischen dem Thüringer Luther und dem Lausitzer Lessing. Ehrenplätze ihnen zur Seite hat eine nicht verächtliche Zahl wackerer Denker und Gelehrter. Eine unerfreuliche Schickung hat aber daS Sachsenland darin betroffen, daß es ihm nicht beschirden gewesen ist, manche seiner trefflichsten'Söhne in ihrer Reife und Mündigkeit die Seinen zu nennen. Wie Leibnitz und Lessing, verließen es Pufendorf, Tho- masius, I. A. Fabricius, Heyne, wozu Naumburg I. G. Grä- vius, die Lausitz I. G. Fichte gesellen kann. Einer Umschau nach der schwer übersehbaren, vielgegllederten Gesammtheit der aus dem verdeutschten Sorbenlande stammenden Männer, die um Wissenschaft und Literatur seit der Reformation sich verdient gemacht haben und denen die unten zu beachtende Genossenschaft aus den Lausitzen sich anschließt, wird in die Augen fallen, daß bis an das neunzehnte Jahrhundert eine gewisse hei- mathliche Aünftigkeit und Abgeschlossenheit gegen Nichteinheimische bestanden, daß die Genealogie der Gelehrtenzunft sich innerhalb de- heimathlichen Kreises erfüllt und die Reerutirung sich meisten- auf diese beschränkt hat. Es ist kaum zu bezweifeln, daß die- auch auf dm Gang der Entwickelung in dem Gebiet der Wissenschaft Einfluß gehabt und ein gewisses Festhalten an hergebrachter?, gleichfirm vererbten Rich tungen hervorgebracht und genährt hat. Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert hatte die Theologie und Rechtswissenschaft vorzug-weise dieses Merkmal. In beiden bilden die Earpzov eine
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