Suche löschen...
Dresdner Nachrichten : 05.02.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189902057
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990205
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990205
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-05
- Monat1899-02
- Jahr1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 05.02.1899
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Leite «iS. BcllctviskNkbc LonntuKs-BmIagc au den ,.Dresdner Nachrichten". Daran thusl Tu sehr wohl! Hast es ja auch bei Gott nicht »örhiq. ^ -- Eins ' ' - - - - - - - Ein Kerl, wie Tu. der zufrieden zu sein! ins ist mit keinem Berufe, der hat vollauf Grund »Sehr liebenswürdig. Onkel. Tn bist so heiter und froh. Onkel! Bist Du das nmner, oder geichieht es lediglich mir und meine: Ankunft zu Ehren?" „Wer kann beständig heiter und froh sein, liebes Kind? Tas bringen nur die Verlobten, eben Verheiratheten oder Gedankenlosen fertig! Es sollte Dir schwer werden, mich in eine von den drei Kategorien hineinznbringcn!" »Allerdings! Schreiben wir also Deine heutige gute Ttimmung getrost auch noch aus mein Konto. Wenn mein Vetter Nicolas ebenso liebenswürdig gegen mich ist. wie mein Onkel Egon, so bin ich wundervoll aus Krossau unlergebracht." »Ohne von meiner eigenen Liebenswürdigkeit allzusehr geblendet zu sein — ich bin keineswegs immer gleichmäßig gestimmt, wie ich eben bemerkte — glaube ich doch. Dich in Deiner letzten Annahme nicht bestärken zu dürfen." »Tu meinst, Nicolas wird sicy nicht viel um mich bekümmern? Oder — Vir würden nicht gut zueinander passen O „Ich meine gar nichts. Du wirst ja selber sehen und urtheilen. Ich mag Dir nichr umgreifen!" Perrryczewski's Gesichtsansdruck. ja seine Stimme war anders geworden, während er dies sagte. Er beugte sich tief über seinen Teller und zerlegte mit äußerster Umständlichkeit einen Hühnerslügel Es blieb ein Weilchen still. »Papa schrieb mir." nahm Günther das Gespräch wieder auf. »Tu habest dorgehadt, unserem Nachbar Wulfsen, der ein Jugendfreund von Dir gewesen, einen Beiuch abzustatten und den Vernich zu machen, die alten Beziehungen Wieder anzutnüvie». Hast Tn das geihan?" .Ja. ich habe!" .Und wie ist der Versuch ausgefallen?" „Schlecht!" „Entschuldige. Onkel Egon, das Thema ist Dir kein erfreuliches, wie ich sehe, aber gam vermeiden können wir's doch nicht. Thun wir es lieber gleich ad. Hätten Tu meinen Vater gefragt, hätte er eine Ahnung von Eurer Jugendfreundschaft gehabt, er würde Dir entschieden von diesem Bestich als von einem völlig aussichtslosen Unternehmen adgerathen haben. Wie Baron Wnlffen früher war, weiß ich nicht, jetzt gilt er als kein normaler Brensch mehr, wid mir solchen Monomanen ist ja keine Aus>prache,uird kein Verkehr möglich !" »Lieber Günther" — Herr von Pernyczcwski griff bald nach Diesem, bald nach Jenem auf dem Tisch, um seine innere Unruhe zu verbergen — »als ich ein innger Mensch war, stand ich mit Deinem Vater in gar keinem Verkehr. Wir waren Vettern, ja l Aber, guter Gott, mit wem ist man nicht alles Vetter, ohne ihm irgendwie näher zu stehen! Tein Vater, übrigens ein ganzes Stück älter, als ich, wie Tn wissen wirst, bewirthschaftete als junger Mann schon Krossau, da hat er mich einmal besucht, als ich Kadett war. Tas ist Alles, was ich von Jugenderinnenrngen an Gebhard von Döhlen habe: Du weißt, wir habe» eine enorm große Verwandtschaft. Schon im Kadettenkorps war Egbert von Wulfsen mein bester Freund gewesen, das blieb er, als ich Hädnrrch war. das blieb er, als ich Offizier wurde. Mit Deinem Vater Hab ich als innger Mann nie im Briefwechsel gestanden, wir hatten nie eine Zeile ausgelauschl: was wußte er von meinen Freundschaften, was wußte ich von den seinigen? — Ich ging dann auf mein Gut nach Polen, verheirathete mich dort. Bon Wnlffen hatte ich dann und wann Nachricht, sie wurde immer spärlicher, sie hörte schließlich ganz auf. Tas T rum und D ran würde uns jetzt viel zu weit führen, ich erzähl' Dir's wohl ein andeimal. — Inzwischen kam auch über mich Vielerlei, was mir den Aufenthalt in Polen ungemülhlich machte; in erster Linie der Tod meiner Frau. Mit ihr hatte sich's für mich dort allenfalls leben lassen, ohne sie wollt' es nicht gehen. Ich hielt es noch Male Mal gewarnt. Niemand, was nach Wulsshagcii gegangen war' ich doch! ES wußte sa für eine Freundschaft das gewesen war zwilchen mir und Wulfsen gefragt; damals hieß es. er sei viel aus Reisen, lebe nicht glücklic» mit feiner Mau. Ich hatte mir Las gedacht, sonst würde Wulffen nicht ein halbes Dutzend Briefe von mir unbeantwortet gelassen haben. iTein Vater sagte mir. die Frau fei sehr schön und kokett, Wulffen mißtrauisch und eifer süchtig, die nachbarlichen Beziehungen zwischen Krossau und Wulfshagen wären sehr lose, die Frauen stimmten gar nicht miteinander, und die Männer wenig! — Als ich nun den Entschluß faßte, Krossau zu erwerben, da ich hätte. Tein Vater wolle es verkamen, um mit Dir im «üdeu zu leben, trug der Umstand, Wulffen dann in nächster Stühe zu haben, viel zu meiner Ab sicht bei. Wenn er mir auch nicht mehr schrieb — war ich einmal erst da, wohnte ich chm so nahe, würde sich das alte Verhältriiß schon Herstellen lassen. — Ter Briefwechsel mit Deinem Vater in jener Zeit dreht sich nur um den Verkauf von Krossau und um Tein Befinden, lieber Günther. Tu warst krank geworden, die Aerste hatten alarmirende Briefe geschrieben, Tein Vater war außer sich vor Angst, ging ganz aus in seiner Sorge um Dich! Als ich hier emtraf, war Döhlen schon mit seinem ganzen Sinnen und Denken bei Dir. es litt ihn gar nicht mehr in Krossau. Hals über Kopf mußte die Uebergabe erfolgen, es ging ihm Alles viel zu lang,am, die erforderlichen gerichtlichen Formalitäten waren ihm ein Greuel. Wir saßen eigentlich täg lich entweder aus dein Wagen, auf dem Weg zur Kreisstadt oder in der Kreis stadt leidst, oder aber die Herren vom Gericht saßen bei uns." .„Egbert vonWulffen's Name wurde ein-, zweimal flüchtig genannt, dann schlug Dein Vater mit der Hand in die Lust und jagte: „Tas muß ich Dir noch'mal ausführlich erzählen!" und dabei blieb es! Er fuhr darüber zu Dir nach Meran und hat cs mir nicht erzählt, mit fünf Motten war das ia Egbert! Tu sagtest eben, Tem Baier habe keine Ahnung gehabt, daß Wulffen und ich überhaupt Freunde waren, das stimmt nichr, wie Du sichst! Er hat es durch mich erfahren, aber freilich, welcher Art diese Freundschaft war, das konnte er nicht ahnen, darum wußten blos mir Zwei!" Günthers Augen hingen in nachdenklickem Ernst an Pcrnhczcwski's Ge sicht. Freilich, der Mann hatte keine Ursache, beständig froh und heiter gestimmt zu sein! Die Frau, die er unendlich geliebt zu haben schien, war ihm gestorben, der einzige Sohn, auf den er mit Recht lo stolze Hoffnungen geletzt hatte, war ihm ünßrathen. es verband ihn anscheinend auch kein gulcs Äerhültniß mit chm. und der Freund, den chm seine schöne, sonnige Jugend zeit geschenkt, nach deiner sich gesehnt und der chm sein reifes Alter verschönen füllte, lehnte sich feindselig gegen ihn aus und wünschte weder seine Annäher ung, noch seinen Verkehr, denn daß Wulffen dies gethan, wußte Günther nach Allein, was er über den Sonderling gehört hätte, ganz genau. Und aus Onkel Egons Ainlitz sprach so viel offene Liebenswürdigkeit, eine so herzcnswarme Freundlichkeit! Wie mußte sein Gemüt!) unter lolchen Schick- salsschlägcii und Enttäuschungen zu leiden haben! „Siebst Tu, lieber Günther, io stehen die Sachen!" Perniiczcwski ver suchte schon wieder, freundlich d'reiiizlüehen. »Mach' kein lo surcblbar ernstes Gesicht, Junge, und laß Dir die erste Stunde unseres Beisammenseins nicht gleich durch meine Miltheilung verkümmern! Warum hast Tu auch danach gei'.'gk? Tie Erfahrungen, die wir älteren Leute io iin Verlaus der Jahre sammeln, sind leiten erfreulicher Art, in der Jugend wird man eher damit ferria, ist auch mehr geneigt, Alles auf die leichte Achsel zu nehmen! — Hier, Wink aus. und wollen versuche!!, die Geschichte einstweilen hinter uns zu werfen! Stur eins noch: Was weißt Du selbst von Wulifen's? Du kennst sie doch persönlich?" »Tas, was ich von ihnen weiß, ist sehr wenig. Onkel Egon, von „kennen" darf ich eigentlich kaum sprechen. Als der Baron noch ferne Frau bei sich hake, fand ja ein Verkehr zwischen Wnlsshagen und Krossau statt, der war aber sehr oberflächlich, und ich war damals ein Junge und fragte nicht viel nach den erwachsenen Leuten, die meine Eltern besuchten. Knaben in meinem Alter waren nicht da, ich kam herein, machte nieine Verbeugung, wurde gefragt, wie es mir ginge, und drückte mich ichleunigst wieder binaus. Die goldblonde Schönheit der Baronin machte einen großen Eindruck aus müh, ich glaube, ich Hab' sic immer ganz wie geblendet angestarrt. Stach Wulfs- Hagen nahmen meine Eitern mich niemals mit. da ich dort keine Spiel kameraden gehabt hätte. Ter Baron war damals ein sehr stattlicher Herr-, sah aber meistens verstimmt und mißmuthig aus. ich hätte nie ein Herz zu ihm fasten können! Inzwischen kam ich nun nach Breslau. Mama starb, und der Verkehr mit Wulfshagen, ohnehin nur spärlich, hatte ganz aufgehört. was mich, der ich immer nur zu den Ferien nach Hauie kam. natürlich weiter nicht berührte. Die jungen Leute aus der Nachbarichait, mit denen ich während dieser Ferien zusammcntraf, erzählten sich umereinander die abenteuerlichsten Geschichten über das »Drama von Wulfshagen", wie sie es nannten und die Menschenscheu des Barons. >einc Feurdseligkei! gegen Alle, die sich ihm . wider seinen Willen näherten, wurde in's lUngcheuerlichc hinein gesteigert, ! ganze Geschichten kiirsirten darüber. Tie jungen Leute lachten und spotteten ? über die chinesische Mauer, die der Baron um sich und die Seinigen zog, cs I machte ihnen Spaß, ihm auszulaiiern, wenn er durch seine Felder ritt oder ! seine Waldungen impizirie, sie stellten sich ihm in Len Weg, zogen die Mützen ! und warteten auf seinen Gegengrnß, meistens vergeblich, er soll über sie weg- > gesehen haben, als wären sic Prellsteine am Weg gewesen. Daß ich diesen ! »Sport" nicht mitmachte, darf ich Dir hoffentlich nicht erst sagen. Ein paar i Mal, ini Verlauf der Jahre, traf ich den Baron, wen» ich mit meinem ' Skizzcnbuch oder der Staffel« dasnß und er an mir vorüberlam. um auf die ! Hühnerjagd, den Schncvsenstrich zu gehen oder ieinc Forstknlttir anzuiehen. i Er sah jedes Mal sehr finster aus und dankte auf meinen Gruß, indem er ! ganz flüchtig zwei Finger an den Rand seiner Jägermütze leglc. Ein- oder zweimal Hab' ich auch die älteste Tochler mit ihrer Erzieherin zu Gesicht ! bekommen, sie schien auffallend hübsch zu sein, goldblond, ganz un Genre der ! Mutter. Die Kleine kenn' ich nicht, ich denke, die ist noch ein Kind!" ! »Merkwürdig, daß Ihr einander nicht häufiger getroffen habt bei so naher ! Nachbarschaft!" auch nicht abgcthan, das wußte ich I Andere Leute zu fragen, das widerstand mir, es hätten höchstens die Herren vom Gericht sein können, und offen gesagt, ich dankte Gott, wenn ich mit ihnen fettig war; dieser trockene Formalitätenkram ist mir zuwider Besuche in der Nachbarschaft hatte ich natürlich noch keine gemacht, der Ritt zu Wulffen war mein erster. — Ta hast Drr die Lösung, weshalb mich Tein Vater vor dicicm Besuch nicht gewarnt hat. Das Eine aber kann ich Dir sagen: Hätte er mich hundert antreffcn. Und die Absicht, ihn treffen zu wollen, lchlief allmählich ein. Silles stumpft sich ja mit der Zeit ab, das „Drama von Wulfshagen" verlor immer mehr an Interesse. Die jungen Leute denen es Spaß gemacht hatte, den menschenscheuen Mann zu reizen, waren im Verlaus der Jahre fort gekommen, zum Militär, aus die Universität, in landwirthschaftliche Akademien: die ältere Generation hatte von >eher mehr Mitleid und Lheilnahme für den bedauernswerthen Mann gehabt, die später Taziigekvmmcneli kennen ihn nicht und intereisircn sich nicht befonderS für ihn. Seine Kinder werdeu allgeniein lehr bedauert, sie dürfen nicht über den Umkreis des Parkes hinaus und sind unweigerlich hinter die chinesische Mauer gebannt. Wären es Knaben gewesen, hätte der Baron das wohl kaum durchführen können, da cs Mädchen sind, ist es ihm leichter geworden!" PeriNjczewski hatte den Kopf in die linke Handfläche, den Ellenbogen aus den Tisch gestützt und Hütte still mit gesenkten Augen zu. Er sah im Geist seines Bertels charakteristisches Gesicht, die düster stammenden Slugen, den verbissenen Zug um den Mund vor sich, hörte lein bitteres Lachen und die mit schneidender Betonung hemusgestoßeneii Worte: „Eine chinesische Mauer! Ja. ganz recht. So mein' ich es. Die Hab' ich mir um meinen Park herum- ziehen lassen; am liebsten führte ich sie um ganz Wulfshagen herum, aber leider, das läßt sich nicht thrm l" Und später kein Wort für den alten Freund, er möge wiederkommen, sein Anblick, sein Besuch habe ihm wohlgethcm in seiner Einsamkeit. Belletristische Lonirtaas-Bcilaae >u den .,Dresdner Nachrichten". Leite KS. Hermann steckte vorsichtig den Kops durch die Thüripaltc und fragte, ob der anädigc Herr vielleicht schon geklingelt habe. Pcrn»c;cwski fuhr aus seinem Brüre» aus. „Ein zarter Wink von Frau Kunowsch ohne Zweifel, die in Sorge um ihr Omeletts aux conüturss ist. Immer herein damit, Hermann I Mutz man über so uiiccanicklichen und vor allen Dingen unabänderliche» Geschichten wahrhaftig noch die gute Gottesgabc vergessen. Du hast doch noch Appetit, Günther?" „Dank sür gütige Nachfrage! Gottlob, ja, mit dem kan» ich dienen. Mein gesunder Appetit war immer Papas bestes Beruhigungsmittel, als ihn die Aerzte so ohne Noth nach Meran gehetzt hatten und er fürchtete, ich würde in den letzten Zügen liegen." „Ta haben »ch dann aber die weisen Jünger Aesknlaps wieder 'mal gröblich geirrt zu unser Aller Glück." „Zu verdenken war's ihnen nicht, daß sie keine großen Hoffnungen mehr auf mich setzten, cs stand wicklich schlecht genug um mich. Aber dann besann sich meine Jugend und meine gute Statur aus sich selbst, und da» riß mich durch! Außerdem war bei mir der Wille, zu leben, auf den die Aerzte ja ganz mit Recht >v große Stücke halten, in höchster Potenz vorhanden. Ich wollte noch nicht sterben, nein, ich wollte nicht. Was für neue Motive. Ideen, die ich alle, alle noch malen wollte, jagten mir öurch's Hirn. In mir war » wie ein Fieber, eine fixe Idee: nur noch schaffen. Während der Lungenentzündung Hab' ich unausgesetzt vom Malen phaiuasirt; die barm herzige Schwester, die mich pflegte, hat mir's später mit Lächeln gesagt, cs thäle ihr leid, sich nicht Notizen über meine »Visionen und Gesichte" gemacht zu haben, vielleicht, daß ick sie später doch noch hätte brauche» tonnen." ,.-Vä vaeow, Bilder und Motive! Hast Du irgend etwas nütgebracht, was Tu mir zeigen könntest von Deinen Arbeiten?" „Ein paar Skizzen von meinem letzten großen Bilde, das ich nach Newyvrk verkaufte, Hab' ich ui meinem Koffer. „Möchtest Du sie mich sehen lassen, sobald wir mit unserem Dessert fertig sind ?" „Mit Vergnüge», Onkel Egon, wenn Du Dich dafür intercssirst." „Emen gewiegten Kunstkritiker wirst Du nicht in mir finden, aber freilich auch keinen wichen Banausen, wie leider Dein lieber Vater einer ist." „Wir dürfen ihm keinen Vorwurf daraus mache», er kann ja nichts dafür und leidet iclbsi schwer unter seiner eigenen Unzulänglichkeit, wie er das nennt." Ter rasche Huffchlag eines Pferdes, den man durch die weit osfenstehendcii Thüreu deutlich genug vernahm, unterbrach einstweilen das Gespräch. Eine herrische Stimme rief draußen einen Namen, gleich daraus erklang im Neben zimmer ein schneller Schritt. „Nicolas!" ricien Pernpczewski und Günther gleichzeitig. Letzterer sprang von seinem Sitz aus und legre die Serviette aus der Hand. „Sieh' da, Vetter Günther! Wie gebt cs Dir?" Sic reichten einander die Rechte und blieben so für einen Augenblick nahe zusammen stehen. Ungefähr hatten sie gleiche Größe, dies aber war das einzige übereinstimmende Merkmal. Im Uebrigen waren sie einander so unähnlich, wie nur irgend möglich! Pciiniczcwski iah von seinem Platz am Tisch aus mit zniammcngczogenen Brauen nach den beiden jungen Leuten lsinüder. Wie ichon viele hundert Male, wenn er aus seinen Sohn blickte, schwellte ein Gefühl von unwillkürlich aiiswallendem Stolz sein Herz, da er dies Blld von Kraft und Jugendjchönlieit vor sich sah, und unmittelbar darauf stellte sich, wie immer, auch heute, nur noch verschärft, die bittere Nachempsinduirg ein. „Und wozu das Alles ? Weshalb dieser Geist, diese Begabung in einer solchen Hülle? Es liegt Alles, Alles brach, weder er selbst, noch leine Um gebung. noch die Welt hat Freude oder Vorlhcile davon!" Ta er den Reffen neben seinem Sohn erblickte, kam ihm diese Betracht» ring noch einschneidender zum Bewußtsein. Eben hatte ihm Günther erzählt, wie er SlllcS dazu gethan, dem Tode zu entrinnen, dem Tode, der ihn doch nur gepackt hielt, weil er in zu angestrengter Thäligkeit, in unausgesetzter Arbeit seine Gesundheit gering geachtet hatte, wie er hatte leben, leben wollen um jeden Preis, um sich einigermaßen noch genug zu thun in dein, was er sich vorgciivmmen. Er hatte den Werth des Lebens begriffen, gedachte ihn miSzumitzen, dem Anderen war das Dasein, nach gelegentlichen Aussprüche», keinen Pfifferling werth, er fühlte sich nicht berufen, irgend einen Platz in der Welt auszusüllen; mochte sie ohne ihn ihren Gang gehen! Während der ältere Man» sich diesen naheliegenden Gebauten hingab. iahen die Vettern einander in die Auge», der eure kühl prüfend, objetliv, ein Mensch, der scstslcUen möchte, ob es sich überhaupt verlohnt, das soeben in seinen Gesichtskreis getretene Individuum einer näheren Betrachtung zu unter ziehen, der andere impulsiv, persönlich, das rasche, kundige Küilstlerauge, das „die Schönheit stichle, der Schönheit huldigte, wo immer sie sich fand," in freudigem Glanz nufleuchtend, sich weidend an diesem ihm unverhofften Aublicr. „Ich Hab' mir Dich immer gut ausiehend vvrgestellt, Nicolas," sprudelte Günther in seiner iponicmen Manier mit jeiner weichen, angenehmen Stimme heraus, ohne zunächst die Frage nach seinem Ergehen zu beantworten, „aber so Hab' ich Dich doch nicht zu finden erwartet! Onkel Egon, warum hast T» mir denn niemals gesagt, daß Nikolas ein w schöner Mensch ist?" „Vermuthlich, um Dir eine angenehme Ueberlaschnng zu bereiten, Vielleicht auch deshalb, weil mir, als dem Vater, diese gepriesene Schönheit als wlchc beim täglichen Beisammensein nicht mehr derartig in die Erscheinung tritt; entscheide Dich, sür welche Annahme Tu willst! — Möchtest Du etwas essen. Nicolai?" „Selbstredend, Papa!" Der junge Mann schritt zur elektrischen Glocke und handhabte sie energisch. Günther war chm unverwandt mit den Blicken gefolgt; seine Slugen ließen auch jetzt nicht von ihm, da Nicolas ihm gegen über Platz nahm, sich die halbvolle Settslajche vom Tcitentisch hcrüberlangte, sei» Glas füllte und in zwei Zügen heruntcrgoß. „Du wirft mir «laichen, Dich zu malen, sa?" stieß Gi'mtlicr halblaut herbo» .Als was?" cntgegrrete der Gefragte ein wenig spöttisch, beim zweiten Einlchenkc» innchaltcnd und den Betrer über das Glas hinüber aus seinen brau »goldenen Slugen lächelnd anblinzelnd. „Als Faun, als Pan. als Triton oder sonst ein sagenhaftes Ungeheuer? Ich denke, das ist so Dein Gebiet!" „Nicht ganz ausschließlich!" sagte der Maler mit sachlichem Ernst. „Das Potträt glückt mir schon ebensogut. Manche behaupten sogar, besser! Dich könnte ich zu verschiedenen Auffassungen gebrauchen, immer vorausgesetzt, das Du cinwilligst." „Ich kann Dir das wirklich nicht gleich in den ersten fünf Minuten ver sprechen. ich Hab' cs mir überhaupt abgewöhnt, in Bezug aus mich selbst Ver sprechungen zu gebe», cs reirt einem hinterher so oft, das ist unbequem, und aus einem zurückgenommenen Wort machen die Menschen so viel Wesen. Könntest Lu jetzt gleich mit Abkontcrfeien anfangen, das würde gehen l Ich bin in vorzüglichster Stimmung." Es schien in der That so! lieber Nicolas ganzem Wesen, eigenwillig, nachlässig, wie cs auch letzt war. lag ein ganz beionderer Glanz, etwas, me eine innerliche Gehobenheit, die seine Anziehungskraft noch erhöhte und selbst seinem Vater ausgefallen war. Hermann brachte die Suppe und Nicolas begann zu essen. „Ein löffelnder Faun ist ireilich nicht gut zu denken I" lachte Günther, „und auch sür ein Porträt wäre der Moment des Essens nicht gerade glück lich gewählt. Ich bleibe ja aber längere Zeit hier, vielleicht wiederholt sich Deine vorzügliche Stimmung des Oefteren!" „Hoffen wir es! Ich trinke dies Glas darauf." „Du müßtest doch Deinem Vetter den Willkommenstrunk bringen, Kolja!' mahnte Herr von Pernyczewski. „Das hast Du sicher längst gethan, Papa, und er ist ja auch Dein Gast. Uebcrdics. Günther ist Künstler. Die Herren geben nichts aus Formen, es sei denn, sie brauchten sie für ihre Bilder." „Ja, wenn Du die Sache nur als eine Form auffassest, erlaß ich sie Dir ohne Weiteres!" iaate Günther rasch. Es war eine Weile still im Gartcnsaal. Durch die offenen Fenster schickte die Sonne breite goldene Bahnen in den freundlichen Raum, ab und zu ließ sich ein Schmetterling verlocken, vom Garten her hcreiiizuflattern; eben jetzr haschten sich zwei um Nicolas' Haupt herum, da er dem Fenster zunächst saß. „Günther hat mir versprochen, die Skizzen zu seinem letzten Bilde zu zei gen. die er hierher mitgebracht hat." nahm Pcrnyczcwski das Gespräch wiwer auf. „Vielleicht bist Du so freundlich, sie letzt zu holen. Günther, mein Sohn ist bis dahin mit essen fettig und wrr können dann draußen eine Cigarette rauchen." „Wie Du willst. Onkel Egon. Tic Skizzen werde ich bringen, auf die Cigarette muß ich aber dankend Verzicht leisten, ich darf nicht rauchen " Mir einem freundlichen Kopfnicken gegen Vater und Sohn ging er aus dem Zimmer. »Ein ungewöhnlich liebenswürdiger lmd tüchtiger Mensch!" sagte der Hausherr mit warmer Betonung. Nicolas zerlegte schweigend sein Geflügel. „Ich hoffe, Tu wirst gut Freund mit ihm sein, Kvlrnka!" „Meinst Du das im Ernst. Papa?" „-Natürlich! Ich meine cs und ich wünsche es! Warum sollte es denn nicht sein ?" „Weil es nicht leicht zwei verschiedenere Naturen als die unsrlgen geben dürste. Das sieht man doch mit deni ersten Blick." »Allerdings, das thut es. Ick Hab' es ebenfalls gesunden. Die große Verschiedenheit schließt aber die Freundschaft keineswegs aus." „Ich eigne mich nicht zur Freundschaft. Ich bade keine Ader in mir dafür." „Damit stellst Du Dir leibst ein Armuthszcugniß aus." »Das kommt aus die Auffassung an; ich kann es nicht finden. Uebrigcns, ob Ariiuithszcuaniß oder nicht, mau muß doch vor allen Dingen ehrlich sein. Was nützt cs. Thatsacheu zu bemänteln, die man kennt, sich mit Gefühlen zu drapircn, die mau nicht hat ?" „Du glaubst, alle Menschen auf den allerersten Eindruck hin sofort bk» urtheilen zu können?" „Alle? Durchaus nicht! Leute wie Günther jedenfalls!" „Und Du bist entschlossen. Dich nicht um ihn zu bekümmern, während er unser — oder vielmehr, nach Deiner ausdrücklichen Betonung, mein Gast hier auf Krossau ist ?" „Jnr Gegentheil! Ich denke, mich ziemlich viel um ihn zu kümmern. Ich glaube, der Verkehr mit ihm wird mir Spatz machen." „Soll das heißen, daß Du gesonnen bist, über ihn zu spotten?" „Wenn er mir Anlaß dazu gicbt, soll es das allerdings heißen." „Ein guter Meirich und ein tüchtiger, strebsamer Künstler, wie Günther ist unter alten Umständen zu schade dazu." „Ob er ein iüchtiger, strebsamer Künstler ist, das hat sich erst auszuiveisen; ich habe noch nichts von seinen Arbeiten zu Gesicht beloin..>cii. Und was de» guten Mensche» betrifft, was verstehst Tu cigcnllich unter der Bezeichnung „guter Mensch", Papa?" „Einen nlchcn, der es versteht, seinen eigenen Weg zu machen, ohne Andere bei Leite zu stoßen und ihnen loche zu thun. Eine», der seine Eizcn- art hat, aber die ein Anderer ebenfalls gelten läßt, der die Wahrheit liebt, ohne seinen Mitmenschen gegenüber in kränkende Rücksichtslosigkeit zu ver fallen, der milde ist in seinem Urtheil lind nur unerbittlich der offenbaren Schlechtigkeit gegenüber, der hilft, wo er «ann und im Stande ist. ein Opfer zu bringen, wenn es eine große Sache gi'.l oder eine ihm nahestehende Person." „Mit einem Wort: gut nennst Du einen Menschen, der sür Andere da ist. nicht um seiner selbst willen." G«rt',-tziuig Länilag.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder