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Dresdner Nachrichten : 20.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189907201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1899
- Monat1899-07
- Tag1899-07-20
- Monat1899-07
- Jahr1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 20.07.1899
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Seite 340. Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten ALke^kei Mr? Sis Ai7LrrrerriV6tt. Kjkerkfpruch: Der lies vor Dir sich krümmt, Dem sich doch aus die Hand, Sie greift vielleicht nach Sand, Der für Dein A»g' bestimmt. S. DrSzler-ManIrrd. Di« alte Bärbel. Daß die alte Bärbel im Sterben lag, das war schon längst nichts Neues mehr, denn der Doktor hatte es vor Wochen «sägt und kam auch jetzt nicht mehr — denn was hätte es genutzt? So lag sie da. in ihrem Dachstübchen. Tag für Tag — eine mitleidige Rachbarsfrau brachte ihr das bischen Suppe und Kaffee — und wartete — wartete. Heute war es mm ein gar schöner Tag draußen, das kleine Fenster an der schrägen Dachwand stand offen, ein Stückchen blauesten Himmels schaute herein und Schwalben schaffen von Zeit zu Zeit darüber. Am Morgen war der Herr Vikar dagewesen und hatte viel und schön zu ihr geredet, vom Himmel, wo sie nun bald hinkommen weihe, wenn sie still und ergeben bis an s Ende ausharre, von den vielen, vielen Engeln, zu denen sie dann gehören würd ,alt so." sagte er, „und Viele lernen noch schlechter als ich. Meine Sprüche >ab' ich heut' gewußt — zwei Mal laß' ich mir wegen einem Spruch keine Latz' geben." Und er wollte gehen. Der Alten flehender Blick hielt ihn zuruck. „So wart' doch," sagte sie. „sag' mir noch 'was- Wie heißen denn Deine Spruch'?" „Ter erste Heißt: Jn^ meines Vaters Hanse sind viele ^eme . . „ „ , . . . Wohnungen und ich gehe hin, Euch die Stätte zu bereiten," sagte das Kind auf — und der zweite: „Was Ihr einem dieser Geringsten . . ." „Wart'," sagte die Alte: „Wie heißt der erste Spruch?" Erstaunt blickte der Kleine auf. „Ich Hab' ihn ja schon einmal gesagt," erwiderte er ungeduldig: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen — ich gehe hin. Euch die Stätte zu bereiten, und der andere: WaS Ihr . . ." Doch die Alte richtete sich mühsam aus. „Es ist schon recht." sagte sie, „in meines Vaters Hanse sind viele Wohnungen — es ist schon recht so. ich danke Dir, Paul. Geh' zur Mutter und sag' ihr. ich brauche heut' nichts mehr, hörst Du? Und dank' rhr auch recht schön für Alles, was sie an mir gethan hat." (Schluß Sonntag.) Herrn ihr im Gemüthe, desto unruhiger wendete sie sich von einer Seite zur anderen in ihrem schmalen, harten Bett. Das Bild war so schön, das der Vikar ent worfen hatte, und doch wollte es durchaus nicht in ihren Kops hinein. Zuletzt überkam sie eine wahre Angst bei dem Gedanken, daß sie dem Himmel so nahe sei und doch gar nicht Hineinpasse. Sie hätte den Herrn Vikar gern noch einmal darüber befragt, aber der würde jetzt erst wiederkommen, wenn sie im Sarge lag, um sie für die letzte Ruhestätte einzusegnen — und dann war es zu wät. Und die Zeit drängte, das wußte sie. Sie hätte ihm sagen sollen, wie sie gar nicht hineinpaffe, in eine so große, strahlende Gesell'chast. wo Kluge und Reiche. Vornehme und Heilige alle beieinander waren. Sie gehörte einmal nicht dazu, und ihr Leben lang hatte sie es so gehalten. Sie hätte ihm auseinandergesetzt. wie sie, die alte Bärbel, unmöglich den ganzen Tag dasitzen könne und Psalmen singen, die Hände im Schooße gefaltet. Das konnte sie nicht thun, das konnte der liebe Gott unmöglich von ihr er warten und verlangen. Ueber vierzig Jahre lang hatte sie nun bei Herr schaften gewaschen, tagaus, tagein. bis zu ihrer Krankheit; ihre Arbeit war ihr Stolz und ihre Freude gewesen und sie dachte noch jetzt, an der Schwelle des Todes, mit Grausen daran, wie schlecht ihre Wäsche wohl nun von den fremden Waschfrauen hergerichtet würde. Besonders die Hemden der gnädigen Frau Gräfin, die waren so fein wie Spinnwebe, und erst gar die Spitzen daran! Wer würde die. so wie sie selber, mit fast mütterlicher Sorgfalt ein seisen. wgschen, bügeln und zusammenlegen, nachdem ein jedes einzelnes Zäckchen der zarten Spitze vorher gebührend ausgestreckt worden ? „Sie werden die Spitzen ganz zusammenbügeln." hatte sie oft gedacht, „ja ganz zuianimen- bügeln und am End' gar auch noch zerreißen." Und dann hatten ihre Hände aus der Bettdecke krampshast gezuckt, sie hatte sich mühsam halb aufgcnchtet, weil sie am liebsten hingeeilt wäre zu all' ihren Hemden und Nachtjncken, Schürzen und Hauben — und sie vergaß, daß sie jetzt nur noch eine Arbeit vor sich habe — die Arbeit, zu sterben. Ach ja, und die war schwerer, als sie es sich vorgestellt. Und dann noch Eins, woran sie früher gar nicht gedacht hatte, und das sie jetzt mit Bangen erfüllte. Sie war ihr Leben lang allein gewesen, hatte in ihrem Dachstübchen still für sich gelebt und war ihrer Arbeit »achgegangen. Morgens früh hatte sie der erste Lichtstrahl geweckt — er fiel gerade auf'ihr Bett. Sie brauchte keine Uhr und wußte stets, woran si> war: im Winter, wenn sie bei Nacht aufstehen mußte, sagte ihr die nahe Stadt glocke die Stunden. Beim Aufstehen freute sie sich aus ihre Arbeit und bei der Arbest freute sie sich wieder auf das Heimkvmmen, und das ging nun schon so fort, viele Jahre lang. Während der Arbeit hatte sie sich angewöhnt, mit sich selber zu sprechen, halblaut vor sich hin: es wusch sich besser so. und mancher gute Gedanke war ihr gekommen in der Einsamkeit. Zuweilen war sie ja dann auch wieder mit Anderen zusammen, wenn es mehr zu thun gab, als sie zu bewältigen vermochte. Aber noch ein paar Tagen der regen Unter haltung sehnte sie sich dann jedesmal wieder in ihre Einsamkeit zurück. Und nun sollte sie das Alles aufgeben, die Ruhe und Stille, das Für-sich sein ihres Lebens, ihre liebgewordenen Gewohnheiten und ihr trauliches Dach stübchen mit den weißgetünchten Wänden — und dem Fenster, an welchem sie Schwalben vorüberschossen und zu welchem die Mittagssonne so freundlich hereinschien? Immer mit Anderen zusammen sein, nie mehr für sich ihren eigenen Gedanken nachhängen dürfen! Kalter Angstschweiß trat aus ihre Stirn — immer banger wurde ihr, immer kostloser zu Rinthe, und wie hilfe- silchend starke sie mit den alten trüben Augen nach dem kleinen Fenster. Aber von dort kam kein Trost — die goldenen Himmelswölkchen, die dort so ruhig und sicher über das Blau segelten — die Schwalben, welche in fröh lichem Flug einander zu überholen luchten — was wußten sie von den bangen Fragen einer armen gequälten Menschenbrust ? Ta erscholl draußen ein rascher, leichter Schritt, die Thüre wurde aufgerissen und ein blondlockiger, frischer Wald-Zauber. Wieathm'ich aufnach Sommerschwüle: Wie dehnt die Brust sich wonnig weit, Umfängt erquickend Deine Kühle Mich, traute Waldeseinsamkeit! Aufs weiche Moos streck' ich die Glieder, — Ach, nirgend ruht es sich so gut! — Und Frieden kehrt in's Herz mir wieder Und neue Hoffnung. Lebensmuth! Wie süß es ist, hier still zu lauschen Geheimnißvollem Zaubcrlied, Das mit der Wipfel heii'genr Rauschen Erschauernd durch die Seele zieht! Wie lieb' ich diese sanfte Welse, Tie aus dem Winde singt und klagt, Bald lauter schwellend, öder leise Nur lispelnd, mahnt und zagt und fragt! Ein Baldachin von grünen Zweigen Wölbt über mir sich schützend dicht. Nur selten mag wohl hier sich zeigen Ein Strahl vom gold'nen Sonnenlicht; Dort drüben ragen dunkle Föhren Im wetterfesten Nadelkleid. Die lassen nimmer sich versehren Von Wiiitcrfrost und Winterlcid. Anmuthig plaudernd immer weiter, Hüpft neben mir ein Bächlein fort, Und Brombeerranken, Farrenkräuter, Sie blüh.n am User üppig dort; Dazu erschallt aus Heller Kehle Der Vögel nimmermüder Chor, Und das dem Tutti gar nichts fehle, Schlägt laut des Kuckucks Ruf an's Ohr. leio ^ , , , Bube stand aus der Schwelle. Seine blauen Augen irrten etwas unsicher in dem kleinen Raum umher, als werde ihm plötzlich bange: dann blieben sie an der Gestalt der alten, kranken Frau haften und er rief: „Mutter läßt sagen, sie käme heut' ein bißl später her, sie hat gar viel zu thun, und ich soll sehen, ob's an nichts fehlt." Die Alte schüttelte den Kopf. „Ich brauch' nichts mehr," sagte sie, „aber halt, geh' doch nicht so schnell wieder fort sag doch ein Wort. Kommst aus der Schul' — ja?" Sie klammerte sich mit ihren Blicken förmlich an den Knaben an — heute vielleicht zum erste» Male war es ihr m der Einsamkeit schaurig geworden. — Er nickte. „Erzähl doch 'was. Paul," bat sie mit schwacher Stimme. „Wie geht's denn mit dem Lernen?" Der Kleine lachte verlegen und scharrte mit den Füßen, ,'s gehl Ameisen bin und wieder irren, Eichhörnchennah'nnndschncllentflich'n, Und Bienen. Käfer. Falter schwirren Und summen ihre Melodien. Wie gern belausch' ich solches Weben In der Natur verborg'nem Reich, Die hier ein wunderbares Leben Entfaltet, dem kein and'res gleich! Sonst ist es still; der Menschen Treiben Mit Arbeitslärm und lautem Spiel Und Jagd nach Glück, es durfte bleiben Noch ferne diesem Waldasyl — Mit Deinem Denken. Deinem Liebe» Und Deinem Gott bist Tu allein, Mein Herz! wieviel ist Dir geblieben. Sieh! rings die Wundcrwelt ist Dein! MagstDu auch sonst gar viel entbehren, Hier hast Du Freuden ohne Zahl, W;ll Leid und Sorge Dich verzehren, Wrrf ab, vergiß sie hier ein Mal! Vertrau' aus Gottes Vatergüte, Laß Friede kehren bei Dir ein, Der icdem Vöglein, jeder Blüthe Beschützer, wird auch Dir es sein! O, wie erfrischend kühle Lüste Die heiße Schläfe mir umweh'»! Ich fühl' die würzig reinen Düste Bis in die tiefste Seele geh'»! Waldodein ist so süß zu trinken, Wie ein berauschend fremder Wein, — Die Wimper will mir leise sinken — Des Waldes Zauber spinnt mich ein! Ad-Iaid« oon Gollberg-Herzog. Aufgabe 5 männliche Vornanien sollen gebildet werde», deren Anfangs- und End buchstaben einen bekannten Dichter der Neuzeit ergeben, in der Weise, daß von jedem Namen Anfangs- und Endbuchstaben hintereinander gelesen werden. Davon ist 1. Abkürzung eines deutschen Heldennamens. 2. Name eines öster reichischen Fürsten. 3. Vorname eines Dichters. 4. Ein Vorname. 5. Ein bekannter Rittersname. Zweisilbige Lharade. Nicht schwer ist meine Erste, Wiegst du sie auf der Waage; Als Attribut der Zweiten Mach' ich dir frohe Tage. einem Wort vereinigt e Erste und die Zweit', Schass' ich trotz froher Stunden Zuletzt dir wohl noch Leid. Aathsel. Ob vorwärts Du, ob rückwärts liest Mein Wort, — cs bleibt sich gleich. . Gar Mancher sehnt sich heiß darnach. Ihm scheint's ein Himmelreich. Und Mancher, der's erreicht aus Erden, Dem schien zur Hölle es zu werden. »,.». aufgezogen, die sie sehr liebt, gießt aus die Frage: „Wie geht's?" als Antwort den zwei Mal ausgesprochenen Namen eines afrikanischen Landstriches- Wie heißt das Land ? Alfred Frieomann. Eine junge Watte, von einer Entfernten Verwandten lebt auf die ' MM» «W IstHxeWchlichtki, * «-gründet 1856 ^ Erscheint jede» LinSlu. tzmnst« ui smch. Ka. 8». Donnerstag, den SO. Juli. L8SV K. Richard Harrig. Original-Roman von vr. W. (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) „Heraus mit der Sprache! Ruinirt! Etwa wieder Schulden?" „Ja. Vater. Schulden — Ehrenschulden!" „Ehrenschulden? was meinst Du mit Ehrenschulden? Hast Du für einen Kameraden Dein Wort verpfändet und ist er auf und davon gegangen? Oder hast Du auf Ehrenwort geborgt und kannst nicht bezahlen? Oder" " --- " " - - : Spielsch „etwa wieder huldcn?" und wie grollender Sturm klang es — „Ja, Vater. Spielschulden!" Ein verächtlicher Blick traf Otto, dem das Sprechen sauer zu werden schien, und barsch fuhr ihn der Vater an: „Nicht einen Pfennig bezahle ich! Ich habe Dir das letzte Mal gesagt, Tu sollst Dein frevelhaftes spiel sein lassen, ich würde Dir solche Schulden nicht wieder bezahlen, ich Hab' Dir's gesagt, jetzt trage die Folgen. Alles kann ich verzeihen. Spielschulden nicht! Ich brauche meine Worte von früher her nicht zu wiederholen, geholfen haben sie doch nichts — sieh' zu, wie Tu fertig wirst, von mir bekommst Du nichts I" Otto blickte starr den Vater an, fast heiser rang es sich aus seiner Kehle hervor: „Ich weiß. Du hast es gesagt, aber trotzdem bleiben die Ehrenschulden! Wenn sie binnen drei Tagen nicht getilgt sind, dann bleibt mir nur Eins übrig!" Herr v. Tillmann fuhr herum und schneidend erwiderte er: „Die schlech teste That wäre es vielleicht nicht, die Du begehen könntest, Tu ungerathener Sohn I" Er ging mit großen Schritten im Zimmer aus und ab: dann plötzlich vor Otto stehen bleibend, frug er rauh: „Und wie viel ist die Summe, die Du verschwendet?" „Dreißigtausend Mark!" Herr v. Tillmann prallte zurück, als habe er einen Schlag in's Gesicht erhalten: sein Antlitz wurde aschfahl, er schwankte hin nnd her, als ob er fallen wollte. Aber noch ehe Otto ihm die Hand bieten konnte, um ihn zu stützen, raffte er sich auf und des Sohnes Hand wcgschleudernd ries er aus: „Rühre mich nicht an «it Deinen verfluchten Spielfingern! Dreißig tausend Mark. Nein! Gott, was soll ich thun, wo soll ich so eine Summe hernchmcn! Nein, nein, ich kann es nicht, Burgdorf ist schon überschuldet durch Deine Vergeudung, das bringt uns an den Bettelstab! Bist Tn wahnsinnig gewesen? Wo, wie war es denn möglich, solch' ein Vermögen?" „Vorgestern Nacht" antwortete Otto dumpf, „vorgestern Nacht wurde ein Spiel arrangirt. Ich weigerte mich Anfangs, mitzuthun, aber die Kameraden drängten nnd ich gab nach. Von der ersten Minute an verlor ich. Ich weis selbst nicht, wie es dann weiter kam. der Teufel muß mich gepackt haben, iä. spielte und spielte und verlor und verlor. Immer wollte ich das Verlorene wieder einholen nnd riskirte auf's Neue, aber cs blieb dabei: Alles ver schwand mir unter den Fingern bis — bis ich endlich zur Besinnung kam. Dann war's zu spät! Gestern lies ich von Einem zum Andern, ich bat. ich flehte um Hilfe, Alles zuckte die Achseln, Niemand stand mir bei, kein Freund, kein Wucherer wollte helfen, Alles umsonst, es, Günther. — aber nur unter einer Bedingung." „Und die ist?" „Daß Du ihn, Agnes zur Frau giebst!" Leise, zögernd, fast flüsternd war es ihm über die Lippen gekommen, er hielt die Augen zu Boden geschlagen, ahnte er doch, was des Vaters Ant wort sein würde. „Und Tu? Was hast Du ihm darauf erwidert?" fmg der Vater in einem eisigen To». Hast Du ihm etwa Hoffnung gemacht zu diesem elenden Handel?" Otto gab keine Antwort: was sollte er auch sagen! Sollte er gestehen, daß er sich an diese Hoffnung geklammert wie ein Ertrinkender an ein kleines Stück Brett, das ihn, zufällig die Strömung in die Arme getrieben? Doch unerbittlich fuhr der Vater fort: „Nun, kannst Du nicht reden? ^Tvch, Du brauchst nicht einmal etwas zu ageir Nur Einer versprach Blut . ist noch das Schlimmste von Allem! So entartet bist Du geworden. Pfui über Dich! Erst ziehst Du den alten Tillmann'schen Namen in den Koch, dann ernredrigst Du Dich zum Handelsjnden; mit dem Leib Deiner Schwester willst Du Dir die Freiheit erkaufen; eine ehrlose Handlung häufst Du auf die andere. Du verdienst, daß rch Dich mit eigener Hand züchtige, wie ein Scbulbnbe. Dn elender Limin!" Schulbnbe, Dn elender Lump Otto zuckte zusammen, als habe ihn eine Natter gestochen, jeder Bluts tropfen war aus seinem Gesicht gewichen, der Kops sank ihm aus die Brust, der Boden schwankte ihm unter den Füßen. Doch noch einmal raffte er sich trotzig empor und bebend ries er dem Vater zu, der seinen erregten Gang durch s Zimmer wieder ansgenommen hatte: „Du magst mich schelten wegen des Spielens: aber der letzte Borwn» ungerecht: Ich glaubte. Agnes selbst liebte den Bawn und das Opfer wu ihr nicht zu schwer werden!" Einen Augenblick blickte ihn der Vater an, ein Ausdruck tiefster Veracht« ung lag auf seinen Zügen. „Was Du da sagst, das glaubst Du selbst nicht ! Agnes und dieser geistlose Buchow! Leere Ausflüchte sind's, die Du machst, um Dich auf dies« Weise zu rechtfertigen." Zsrage sie doch wenigstens." Es klang wie ein Verzweiflungsruf eines dem Tod Geweihten. Ohne ein weiteres Wort zu sprechen, zog Herr v. Tillmann die Schelle. „Ruse meine Tochter her. sie soll gleich zu mir kommen!" befahl er dem Diener. „Und Du verhälst Dich still, sie braucht nicht zu wissen, daß Du da bist; Du sollst mit eigenen Ohren hören, ob sie den Herrn v. Buchow liebt oder nicht!" Otto nhwicg still in stummer Verzweiflung; vermuthete er doch zu wissen, wem der Schwester Herz gehörte. Es währte nicht lange und Amtes trat ein. „Tu hast mich rufen lassen, Vater? Mein Gott, wie verstört Du aus- siehst? Was giebt es?" Sie hatte Otto weder gesehen, noch von dessen Ankunft gehört. Her» v. Tillmann trat ihr einen Schritt entgegen und nahm sie bei der Hand. „Ich möchte Dich um Etwas fragen. Kind. Komm her und sprich ver trauensvoll zu Deinem Vater." Agnes blickte erschrocken zu chm auf: wie seltsam gepreßt sprach doch der Vater! Und wie kalt waren seine Hände, wie bleich sein Gesicht! „Sich', Agnes, ich. bin schon alt, wer weiß wie lange ich wohl noch lebe. Um unser Burgdorf steht es schlecht, Dein Bruder hat mit seinen wahn witzigen Schulden schweres Verhänaniß über uns gebracht. Und da ist es selbstverständlich, daß ich mich um Deine Zukunft sorge. Du bist in letzter Zeit stiller, ernster geworden. Deine frühere Heiterkeit ist fast verschwunden. „Vater," bat Agnes leise, „wozu das Alles!" „Wozu? Ich möchte wissen, wie es in Deinem Herzen anssieht. Man hat mir gesagt. Baron v. Buchow gedächte um Deine Hand zu werben; würdest Du ihn wohl abweisen, Agnes, wenn er käme?" „Vater, ist das Dein Ernst'?" fragte Agnes erbleichend. „Baron v. Buchow? Und was lagst Du dazu?" „Ich überlasse es ganz Dir. mein Kind. Auch nicht den leisesten Zwang will ich ansüben, nur Du selbst sollst entscheiden. Auch sollst Du nicht denken, daß Tu etwa gleich von hier sott sollst oder Dich nur an ihn binden sollst: nur das Eine tage mir frei und unumwunden, glaubst Du, daß Du jemals den Baron v. Buchow wirst heirathen können?" „Nein. Vater, niemals! Ich liebe Herrn v. Buchow nicht und Liebe ist ja doch zu jeder Ehe nochwendig. Aber wozu diese Frage, nm mich sorge Dich nicht. Ich bleibe bei Dir. Vater! Was auch kommen mag, ich well Alles gern mit Dir theilen!" Herr v. Tillmann küßte seinen Liebling ans die Stirn, dann wandte e> sich schweigend ab; aber von der Stelle her, wo Otto stand tönte ein leises, unterdrücktes Stöhnen durch's Gemach. Rasch drehte sich Agnes um; entsetzt drückte sie dir Hand auf's Herz, al? sie so plötzlich den Bruder vor sich sah. „Vater! Otto l Was ist geschehen? Was seid Ihr so bleich, so stumm? Um Alles in der Welt sagt es mir, was soll das Alles bedeuten?" Aber weder der Vater noch der Bruder gab ihr eine Antwort. „Otto sprich! Foltere mich nicht, was hat cs gegeben? Bist Du krank oder was sonst bringt Dich jetzt her nach Burgdorf?" „Abschied will ich von Euch m' Lippen. „Abschied für immer!" „Otto!" schrie Agnes auf, „was meinst Tn da. Dn sprichst in Räthseln?" „Ich habe meine Ehre verloren und was das für einen Offizier heißt, das weißt Du selbst." „Deine Ehre verloren? Otto." und tonlos flüsterte sie. während ein Grauen ihren Körper durchschüttelte, „Otto, Du willst — Dir das Lebe» nehmen?" Otto erwiderte Nichts, sein Schweigen war Antwort genug. „Vater!" wandte sich jetzt Agnes an Herrn v. Tillmann, „hörst Du nicht, was Otto eben gesagt? Willst Du ruhig znsehen. wie Dein einziger Soh» Selbstmord begeht? Vater, Vater, was können wir thun? Wie kann daS Schreckliche gehindert werden? Otto, sag' Du mir's, giebt es denn gar keme Hilfe? Wie hast Du denn Deine Ehre verloren?" „Spielschulden — Ehrenschulden!" murmelte Otto. „Und deshalb willst Du Dein junges Leben beenden. Giebt es denn kein Mittel, sie ihm zu bezahlen?" — Und plötzlich kam es wie ErkenntnK über sie — es war ihr zwar als drehte sich das Zimmer mit allem dar«. Befindlichen vor ihren Augen, als würde es plötzlich Nacht um sie, aber sie raffte sich zusammen und mit möglichst fester Stimme fuhr sie fort: „Vater, war das der Grund, warum Du mich trugst, ob ich den Hem» v. Buchow heirathen wollte? Sprich' Vater, sei offen zu mir!" Aber Her» v. Till mann schwieg, er stand an seinem Schreibtisch gelehnt und starrte duster eifeder in seiner Rechten kritzelte verworrene Figuren auf Papier. nehmen," kam cs düster über des Bruders vor sich hin. die . das vor ihm liegende
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