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Dresdner Nachrichten : 30.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-190001309
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19000130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19000130
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1900
- Monat1900-01
- Tag1900-01-30
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- Dresdner Nachrichten : 30.01.1900
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»8'S Seite SO. Belletristische Beilage zu den „DreS-ner Nachrichten-. Toni saß da mit einem Gesicht, als ob sie soeben ihre lebten Hoffnungen begraben Hütte, and der Thränenaucll schien nur aus ein Stichwort zu warten, wu schleunigst wieder hervorzudrechen. Die lustige Schwäbin schlug ein Schnippchen hinter dem Onkel und Vormund. »Tröstet Euch nur — er wird doch in den saueren Apfel Leihen müssen I Haben wir die Gäste erst im Hause, kann er sie nicht mehr fottschicken. — Nedngens. da geht er eben durch den Garten. Kommt. Kinder, jetzt wollen wir den Tbeetisch Herrichten!" Herr Kaltenbach hatte in der That sein Haus verlassen; aber, nachdem er bis zur nächsten Ecke geschlendert war. bMi er stehen und wartete. Sein Mißtrauen war einmal geweckt und vermehrte sich noch, als er bald darauf einen Konditoriungen mit einer grohen Torte in die Villa treten sah. Das hatte etwas zu bedeuten. Er wartete noch ein Weilchen dann kehrte er um und schlich durch den Garten ungesehen in sein Zimmer zurück. Nach und nach fanden sich dre erwarteten Gaste ein. fünf junge Leute, Kameraden von Ablers, die er in Kaltenbach's und Frau Charlattens Namen zu einem zwanglosen Fünsuhr-Thee eingeladen hatte, bei dem cs auch Bowle geben wurde, wie Frau Charlotte wohlweislich hinzugefügt. Ahlers empfing sie in seiner Bude und führte sie dann in's Wohnzimmer, Wo die feierliche Vorstellung stattfand. Zn der eisten Viertelstunde ging es »och etwas steif zu; aber bald saßen die mnaen Leute lachend und plaudernd um die zwei Leinen Tische, an denen der Thec servirt wurde. Die jungen Damen bereiteten und reichten ihn selbst. Die Leine Schwäbin, die noch nicht von der norddeutschen, steiferen Art angekränkelt war, wurde bald so Ldvmütbig und lustig, daß sie sogar die schüchterne Toni, besonders aber dre jungen Leute zum Auslhaucn brachte. Das eigentliche Leben in die Leine Gesellschaft brachte jedoch erst Frau Charlotte, die als gewandte Weltdame von so bestrickender Liebenswürdigkeit war, daß sie die Jugend verdunkelte. Alles schaarte sich um sie; man war heiter und guter Tinge. Da öffnete sich plötzlich die Thür, und zum großen Erstaunen »er Einjährigen, zum Entsetzen aber der Damen erschien Herr Kallenbach aus der Bcldstäche, angethan mit einem alten, abgeschabten uiü> befleckten Schlastock, der bereits einmal gewendet war. Höchst erstaunt blickten hie Einjährigen aus daS seltsame Schauspiel. 12. Kapitel. Die jungen Domen konnten einen leichten Schrei des Schreckens nicht unterdrücke», alS sie den Herrn des Hauses so plötzlich und unerwartet vor sich sahen — also den Mann, besten Gegenwart ihnen in diesem Augenblick am wenigsten erwünscht war. Auch Frau Charlotte war einen Moment sprachlos vor Erstaunen Md Entsetzen. Dn Urheber dieses allgemeinen Aussehens schien sich sichtlich an der Ucberraschung zu weiden. Mit einem kaum verhehlten, schavensrohen Lächeln — .Grinsen" nannte es Ahlers später am Stammtisch — rieb er sich die Hände. Frau Charlotte, allen Lagen gewachsen, faßte sich als erfahrene Weltdame zuerst und sagte so lächelnd Md anmuthig. als es die Situation nur . . glaubte, huldigt . . . daß Du in Deinem ein Herr in Deinen ' erwiderte Kalten- ließ, die er gegen »Du bist zu Haus, lieber Schwager? Ich Kegelklub — ? Ich hatte Dich bereits entschull Jahren liebt seine Gewohnheiten " »Ich wollte doch »meine Gäste" gerne kennen lernen, bach in einem Tone, der aus die Emfindungen schließen »seine Gäste" hegte. Die Tante hatte sich unterdessen mit großer Gewandtheit an ihn heran- geschlängell »Es schickt sich nicht, daß Du in einem so schmutzigen Schlasrock — flüstert« sie ihm scheinbar lächemd zu. »Findest Tu. daß der Schlasrock so schmutzig ist?" fragte das große «Lul torridl« mit hocherhobener Stimme, so daß die Tante förmlich zurück- Vraklte. „Uebrigens weiden die Herren mich gewiß entschuldigen ... sch bin nämlich nicht ganz wohl — Leidjchmerzen Md so weiter... Sie verstehen? Darum komme ich im Schlastock." Fran Charlotte wurde plötzlich vuterroth: die jungen Mädchen wußten nicht, was sie für Gesichter schneiden tollten, und die Einjährigen machten je nach Tepervment und Intelligenz sehr dumme, verblüffte Mienen oder verbissen stampshasl das Lachen. Ahlers. der seinen wackeren Hausherrn ja genau kannte, rettete die Situation, indem er halb lachend ansries: »Bor nnS Herren brauchen Sie sich wirklich nicht zu geniren etcetera pp, Herr Kallenbach... Im klebrigen sind Sie ja auch au Milieu äs Mrs käuulls. Gestatten Sie übrigens, daß ich Ihnen die Herren vorstelle, denen Sie Ihre liebenswürdige Gastfreundschaft angedcihen lasten." Fiau Charlotte sandte ihm einen dankbaren Blick zu. Kaltenbach murmelte nach vollzogener Vorstellung etwas, was man ebenwgut für einige verbind liche Worte wie sür ein Klotzes Räuspern halten konnte. Die Herren setzten sich wieder, und Kallenbach mitten unter sie. alS ob «r zwilchen sich und seine Schwägerin eine lebende Schutzmann legen wolle. ..Was tnnkt Ihr denn da? Gebt mir doch auch eine Taste Thee!" ries der liebenswürdige Hausherr. »Du trinkscht doch souscht net Thee, Onkel?" ermannte sich Anna, ihm zu erwidern. »Wenn so »lieb«" Gäste da sind, will ich 'mal eine Ausnahme machen, sagte Herr Kaltenbach mit gallenbitterer Ironie. »Wo habt Ihr denn die schöne Torte her. Toni?" »Vom Konditor I" . »So — vom Konditor! Warum habt Zhr denn nicht selbst Kuchen ge- 'acken? Das käme doch billiger." Lauüosrs Schwelgen! Die Einjährigen, denen Ahlers einige Worte »geflüstert, fingen an, die Situation von der komischen Seite zu nehmen und kicherten mehr oder weniger verstohlen. Die beiden jungen Mädchen klaubten, vor Scham in die Erde sinken zu muffen, und Frau Charlotte sandte ibm einen Blick zu. der ihn zweifellos getödtet Hütte, wären Blicke ver giftete Dolche. »Aber, meine Herrschaften" — Herr Kaltenbach, der sich mitten unter den erren ganz sicher vor seiner Schwägerin fühlte, rieb sich dabei lächelnd die ände — »es scheint, als ob Sie meine Gegenwart störte. Sic sprechen ja lle gar nichts?" Zwei besonders höfliche Herren versicherten ihm. daß dies durchaus nicht der Fall lei. und versuchten, den abgerissenen Faden der Unterhaltung auf's Skeue wieder anzuknüvfen. Aber die ningen Mädchen waren natürlich durch Kaltenbach's Gegenwart und Benehmen wie auf den Mund geschlagen, und selbst Frau Charlotte, die Vielgewandte. führte nur mühsam, mrt krampfhaftem Lächeln die Konversation weiter. Herr Kaltenbach hatte sich unterdessen in ein Gespräch mit seinen beiden Nachbarn eingelassen, zwischen denen er zum großen Schmerz Frau Char- lottens fest eingekeilt saß. „Hast Du nicht einen Augenblick für mich übrig, lieber Emil?" fragte sie, hold lächelnd, bereits das zweite Mal. „Das hat ja Zeit ... ich unterhalte mich gerade so interessant." wehrte Kaltenbach den Angriff ab. »Sie wollen also weiter dienen. Offizier werden?" sagte er jetzt im Ver laufe des Gesprächs zu seinem Nachbar zur Linken, einem stattlichen, schlanken Blondin. »Das würde ich doch an Ihrer Stelle nicht ihun. Ich ließe nieinen Sohn nicht Offizier werden, wenn ich Ihr Vater wäre!" »Erlauben «sie." wendete der junge Mann höflich ein. während er vor Aerger oder Scham erröthete. „ich denke doch, daß ein Offizier —" „Pah. vah . . . das bischen Exerziren! — Alles Müsngänger. Drohnen, die wir Bürger, wir Steuerzahler und Arbeitsbienen ernähren muffen. Schnldenmachcr alle Offiziere! Da muß Ihr Vater schon ein großes Porte monnaie haben. Aber Elch jungen Leute reizt natürlich der bunte Rock . . . Nichts als Eitelkeit und Genußsucht! — Und was wollen Sie werden?" wendete er sich an seinen rechten Nachbar, nachdem er den linken so elegant abgeführt Halle. „Ich bin Philologe!" „Haha," lachte Herr Aaltenbach höhnisch aus, »das ist nun erst ein Berus I Schulmeister! Da müsten Sie sich jahrelang mit den ungezogenen Rangen adquälen, den Jungens das Fell vollklopfen — und was haben Sie nachher davon? Wenn's hoch kommt, den Titel Professor und ein paar tausend Mark Gehalt. Ein Jurist, der kann noch Caniere machen oder Anwalt werden und viel Geld verdienen. Ader ein Schulmeister! ? ... Lieder ließ ich meinen Sohn Schuster werden!" ... ..Aber das Ideale ... die Wissenschaft, und die innere Befriedigung, bcr Menichheit zu nützen?!" warf der verdutzte Philologe jchüchtern ein. »Ach. daraus pfeif' ich I Wissenschaft! Ein Ingenieur oder ein Elektrotechniker, der Maschinen oder eine neue Beleuchtung erfindet, der nützt der Welt und sich selbst. Aber so ein Bücherwurm, der zum tausendsten Mal seinen Cicero durchackert, oder wie der Kerl heißt ... ich bitte Sie, das ist doch ohne jeden praktischen Werth!" - 'Nachdem er durch diese, in lautester und schärfster Weise herausgeschmet- terten Worte den zukünftigen Gymnasiallehrer und die ganze Gesellschaft theils in größte Verblüffung gesetzt, theils höchlich belustigt harte, erhob er sich schnell. »und jetzt, meine Herren, ziehe ich mich mit Ihrer gütigen Erlaubniß zurück. Ich will doch lieber noch in meinen Kegelklub gehen. Ich habe mich lehr gestellt. Sie einmal bei mir zu sehen, trotzdem wir sonst sehr still und zurückgezogen leben und ich überhaupt ein Gegner der sogenannten Gesellig keit bm. Da ich Sie wohl bei meiner Rückkehr nicht mehr antreffe, so sage ich Ihnen hiermit Lebewohl und wünsche viel Vergnügen." Und mit einem, wie Ahlers es nannte, „mephistophelischen" Lächeln empfahl er sich schnell, Frau Charlotte in kaum verhehlter Wuth, die Mädchen in purpurrother Beschämung, die jungen Herren in Verblüffung oder stiller Heiterkeit zurücklassend. Jedenfalls athmete die ganze Gesellschaft wie von einem Mp befreit auf» als er fort war. Tante Charlotte entfaltete, die Abrechnung auf später ver schiebend. ihre ganze, große Liebenswürdigkeit, um die Gäste auf's Neue in Stimmung zu bringen. War ihr auch der erste Theil ihres Programms gestört, man konnte fast sagen: verdorben worden, so blieb doch noch der zweite und dritte übrig. Als nächste Programmpunkte hatte sie ein Lawn-Tennis-Sviel im Garten proiektiit. der in Heller Spälsonnenglnth verlockend glanzte. Darauf, wenn die Herren müde gespielt hatten und es ansing, kühl und dunkel zu werden, sollten sie eine von rhr selbst angesetzte Pfirsichbowle nebst Sandwichs, Heringssalat und Hummermaionaise bekommen- Dazu sollte noch etwas getanzt und ge sungen, vielleicht auch ein Gesellschaftsspiel entrirt werden. Spätestens um Halbzehn mußten die zum Theil urlaubslosen Einjährigen forlgehen. Und das war ihr auch ganz recht ko. Je kürzer, re amüsanter! Die beiden ningen Damen fanden allmählich die Sprache wieder, und Tante Charlotte bugsirte ihrem Programm gemäß, nachdem sie der genau instruirten Auguste einen Wink gegeben, Bowle und Brötchen für alle Fälle im Wohnzimmer aufzustelleu. die ganze Gcsclllchaft in den Garten hinaus. Es ging Alles nach Wunsch. Bald beseelte der Spieleifer die jungM Leute, und munteres Lachen schallte durch den Garten. Man fing an, sich wiederum königlich zu amüsiren. Herr Kaltenbach schwankte einige Zeit, ob er den Schauplatz seiner Thätigkeit nach seinem Kegelklub verlegen oder lieber bleiben sollte. Er fürchtete sich zwar vor der Schwägerin und ihren Dolchdlicken; aber er hatte sich doch höchst anständig und höflich gegen die Gäste benommen — Gäste, die man hinter seinem, des Hausherrn, Rücken und gegen sein ausdrückliches Verbot heimlich eingeschmuggelt hatte. Hätte er nicht ebenso gut wie ein zürnender Donnergott austteken und sagen können: SL » M» Belletristische Beilage zu den «Dresdner Nachrichter»". Seite LI. „Meine Herren, ich bitte, verkästen Sie das Lokal; ich habe Sie nicht eingeladen..." Schließlich zog er es vor. dazubleiben und zu beobachten, was diese Leute noch weiter für Unfug m seinem Hause treiben würden. Das Fenster seines Zimmers ging auf den Gatten hinaus: so konnte er sie deutlich beobachten und auch den „unanständigen" Lärm hören, den sie beim Spielen verübten. Wahrhaftig, die Leute aus den benachbarten Häusern, die ihm leider in seinen Gatten sehen konnten, sie schauten schon zum Fenster hinaus, sich das seltene Schauspiel zu bettachten, wie eine „ganze Kompagnie" Soldaten laut brüllend im Garten umhettobte. Die Leute würden sich schön wundern, und sein Nachbar-Hausbesitzer, der dicke Kolonialwaarcnhändler, würde ihn wahrschein lich morgen fragen: „Was war denn das gestern für ein unanständiger Lärm bei Ihnen? Sie geben also jetzt große Gesellichaften und Feste?! Sie haben gewiß in der Lotterie gewonnen, Herr Kaltenbach?" Und der Mann war in der Steuer-Kommission. Eine Gänsehaut überlief ihn bei dem Gedanken, daß man vielleicht, wenn das so weiter ginge und ruchbar wurde, seine — natürlich viel zu niedrig angegebene — Steuer- Einschätzung beanstanden würde. Und wenn sich diese stechen Kerle wenigstens damit begnügt hätten, Lärm zu machen und dieses verrückte Ballwerfen auszuüben, das früher nur die Leinen Kinder spielten, an dem aber merkwürdiger Weise jetzt auch erwachsene Menschen Gefallen fanden. Aber nein, da liefen sie chm in seine Beete hinein, pflückten Blumen ... und da ... da I — was noch viel schlimmer, auch seine Johannes- Md Stachelbeeren.' soweit sie noch vorhanden waren. Und — nein, die stechen Menschen! — sogar an seine Frühbirnen gingen sie chm. Da sollte doch gleich ein heiliges Donnerwetter! ... Schon wollte er das Fenster öffnen und sich das ganz energisch verbitten, da kam chm plötzlich ein Gedanke, der seinen Schritt hemmte, die bereits erhobene Hand wieder sinken ließ. Die Bewirthuna! Man begnügte sich doch wahrscheinlich nicht danüt. Len jungen Leuten Thee und Kuchen vorzusetzen; man mußte ihnen doch wohl etwas Substanzielleres geben — besonders jetzt, wenn sie vom Spiel ermüdet waren. Was mochten sie da wieder Alles angcschafft haben?! Und eine PhantaSmagorie von Wein und Gänsebraten — für ihn das Höchste an irdischem Genuß — zog vor seinem geängsrigten Geiste vorüber. Untersuchen — sofort unrersuchen! Die da unten waren gairz in ihr Spiel vertieft, von der Seite also leine Störung zu befürchten. Leise, ganz leise und vorsichtig schlich er in's Wohnzimmer hinüber, wo er denn auch die ganze Bescherung vorsand. Zum Glück hatten sie kaltes Abendbrot gewählt. Aber der näherer Ucberlegung schwand auch dieser Trost Im Gmnde genommen war das noch theurcr als Gänsebraten. Er unter suchte und beroch die Brötchen und Sandwichs. Lachsschinken, Sardinen, Spickgans, die fernste Trüffel- und Sardellemvurst, Roquefortkäse, überhaupt nur dasAlletthencrstc und Beste war dazu verwendet worden. Und diese Majonaste, in der der Hummer in nußgrotzen Stücken steckte — dieser Herings salat ! Delikat — höchst appetitlich — aber theuer, sündhaft thcucr! Und das sollten diese Keile Alles allein aufessen, dieie Konunißbrotsteffer. die sich nachher auf den Bauch patschten und lustig über ihn machten?! Ein schrecklicher Gedanke! Einen ganzen Monat Abendbrot für sich und die Seinen hätte er früher mit dem Geldc gekauft, das ür dem Zeugs steckte. O, diese Charlotte — wie er sie im Grunde seiner Seele haßte! Er schnüffelte Wester. Zu trinken war doch wohl auch etwas da. Richtig, im Glasschrank... eine Bowle I Er erschrak förmlich, als er das Rrtten- ungethüm sah. Wollte man eine Orgie in seinem Home feiern? Das sollte eine Bowle sür acht Menschen sein, oder für zehn? Denn wahrscheinlich Würden doch Kolb und Maxi später sein Hab und Gut verzehren Helsen. Seinem ganzen Kegelklub würde er keine größere Bowle vorsetzen, wenn ihm — was goitlob nicht zu befürchten war — einmal die wahnwitzige Idee kommen sollte, ihn zu bewitthen. Uno daneben standen Cigarren — sogar mit einer Leibbinde. Echte Import — Upmann u. Co. Unerhört! Wenn das so weiter ging, fraßen sie ihn mit Haut und Haaren auf. Er roch daran. Bon diesen Cigarren — es war ein Fünfziger-Kistchen — kostete das Stück mindestens 25 bis 30 Pfennige. Solch' sündhaft theurcs Kraut sollten diese dummen Jungens in die Lust ver paffen ? I Und er. der Hausbesitzer, der schwer reiche Mann — sich selbst konnte er es ja gestehen —. er rauchte Drei-, und wenn er sich eine bsns anthun wollte, Fünfpscnnig-Cigarren. Halt, da kam ihm eine ausgezeichnete Idee! Aber zunächst von der Bowle retten, was noch zu retten war. Diese jungen Leute brauchten nicht so viel, vor allen Dingen aber nicht ein so schweres Getränk zu trinken, wie es eine Kostprobe ergab, die er zungen- schnalzcnd vornahm. „Hehehe!" Er lächelte diabolisch. Denen wollte er ein Schnippchen schlagen; die Schwägerin brauchte natürlich gar nichts davon zu merken. Da stand ein großer Champagnerknhler, der freilich in diesem Hauie seinen Beruf verfehlt halte und zu allem Möglichen, nur nicht zum Sektkühlen benutzt wurde — der war vorzüglich dazu zu verwerthen. Er goß die halbe Bowle in dielen Topf, fischte mit dem FnU-Löffel eine» großen Theil der Pfirsiche heraus und ersetzte das Manko zu etwa Zwcidrsttel durch Master, durch schönes, Helles, klares Brunnenwasser. Er richrte die Mischung tüchtig durch- eiiumder und kostete von Neuen,. Immer noch gut genug für so junge Leute! Was an Stärke und Stoff fehlte, konnte man übrigens durch Süßig keit ersetzen: also schüttete er noch einige Lössel von dem danebcnstehenden gestoßenen Zucker hinein. Nun, zu den Butterbrötchen, die — o Verschwendung! — auf beiden Selten belegt waren! Eine Seile that es doch auch. Ten Belag der anderen Seite nahm er vorsichig von jeden, einzelnen Brötchen herunter und legte ihn aus einen großen Te" der ganzen Brötchen legte. fester, aus den cr dann noch etwa ein Viertel ... 2-5? gefüllten Champagnerkübel in der Linken, den Teller mit de» annek- tttten Brötchen in der Rechten schlich er leise in sein Zimmer zurück, mu de» Raub zunächst einzuschließen. dessen spätere Verwendung sich ja finden wüchß. „„.Aber damit war er noch nicht fettig. Mit einer Kiste seiner eigenen, billigen Treier-Cigancn kehrte er dntzgeschmlnd. che etwa Jemand kommgr konnte, in das Wohnzimmer zurück, nahm jeder einzelnen der Importen die papierne Leibbinde ab, um sie dafür seinen eigenen anznzichen. Die unterste Schicht, an die sich die Herren, nachdem sie die oberste probitt hatten, doch nicht Hera,iwagrn würden, ließ er unberührt. Tie geraubten „Echten" füllte a in sein Kistchen, brachte das ganze Arrangement wieder ui Ordnung und trollte sich, einen befriedigten Blick aus den Schauplatz seiner Thätigkeit zurückwerfend, zum zweiten Male davon. Aber ein neuer Einsall kam rtzm plötzlich. Noch einmal kehrte er zurück, schloß das Klavier fest ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Ja. cr war Lug und weise. Jedenfalls wollten sie späten wenn eS draußen dunkel wurde, hier drinnen tanzen, singen und schmausen. La wollte er doch einen kleinen Riegel vorschieben. Und jetzt zog er sich cndgiltig zurück. Im Gauen hatten sie unterdeß munter wetteraespcelt — ja diese Munter keit steigerte sich von Minute zu Minute. Die Wangen glühten, daS Lache» und Scherzen wurde immer lauter und «ngeuitter. Plötzlich saß einer vo» den jungen Herren, der Keckste, in Heim Kaltenbach's schönstem Fchhbirnen- baum und plünderte ihn, während sie unten die leckeren Früchte zauchzend auffingen. Da öffnete sich das Fenster und Herrn Kaltenbach's schneidende Stimme rief erregt: „Meine Herren ... ich muß doch sehr bitten, nicht meine Bäume za plündern. Das Obst ist ja noch gar nicht reif!" Der Einjährige fuhr dlitzgeschwind von dem Baume herunter und das Lachen verstummte plötzlich. »Ich denke. Du bist in Deinem Kegelklub —?" In Frau Charlottcns Stimme zitterte ein verhaltener Groll. „Ich habe es mir anders überlegt. Es ist doch bester, wenn ich hier bleibe." tönte es boshaft zurück. — „Ueberhaupt, meine Herren, möchte ich Sie bitten. Ihre Fröhlichkeit ein wenig zu dämpfen. Mein Nachbar hat eine kraule Frau, deren Schlafzimmer auf meinen Gatten gebt." Damit schlug er das Fenster klirrend zn. Diese kante s wirklich, würde aber Herrn Kaltenbach durchaus nicht vechindett haben, „ eine nöthige, doch ruhestörende Reparatur in seinem Gatten vorzunehmen. Jetzt kam sie ihm sehr gelegen, und cr rieb sich frohlockend die Hände, alS « die Wirkung semcr Worte bemerkte. Gelächter und Fröhlichkeit wann ver stummt. Frau Charlotte, äußerlich gefaßt, innerlich vor Auch bebend, forderte zwar die Herren zum Weiterspiel auf, das aber nur noch einige Minuten stumm und verdrossen fortgesetzt wurde. Und da es anfing, kühl und dämmerig zn weiden» zog sich die ganze <. sellschaft erst auf die Veranda, dann in das Wohnzimmer zurück. Gle darauf erschien Herr Kaltenbach in höchst eigener Person, um sich zum Mißfallen der Damen von Neuem seinen Gästen zu widmen. Er hal alten Schlasrock ab- und dafür seinen besten Bratenrock angelegt, der auch schon durch manche glänzende Stelle seine lange, treue Dienstzeit verrieth. Herr Kaltenbach war in allerbester Laune, da cr sie seinen Gästen ver dorben hatte; außerdem freute er sich aus die Gesichter der Herren Einjährigen, wenn man ihnen die Bowle vorletzte. Diese menschenfreundliche Erwartung wurde auch nicht getäuscht- Die Gesichter der jungen Leute, die sich Angesichts des riesigen Umfangs der Bowle aufgehellt hatten, zogen sich bedenklich in die Lange, als sie den Göttertrank kosteten. Ein verlegenes Lächeln kuschte um Aller Lippen, als Frau Charlotte — natürlich noch, bevor sie selbst probitt — ahnungslos fragte: „Sie ist Ihnen doch stark genug? Auch zu süß bade ich sie nicht gemacht» weil die Herren das nicht lieben. Wir Damen nehmen ertra Zucker. Und sic that. wie sie gesagt, kostete dann und setzte vas Glas erschrocken nieder. Dann füllte sie sich eilt anderes Glas, ohne cs zu versüßen, probirte wieder und lächelte ebenfalls verlegen. „Wirklich ausgezeichnet, die Bowle! Nicht zu stark und nicht zu süß.* bemerkte Herr Kaltenbach keck, Md die jungen Leute stimmten zögernd und süßsauer zu. Indessen beeilten sie sich nicht allzu sehr, ihre Gläser zu leeren, machte» sich indes über die Brötchen her. Frau Charlotte sagte gar nichts: sie sah ihren Schwager forschend an. ergriff dann aus eine leist zugeslusterte Bemerkung AnnaT ein Brötchen, öffnete und pruste es und stritte von Neuem Herrn Kaltenbach, der ihrem Blick jedoch auswich und eikig mit den Herren konvcrsitte. Das heißt. c> setzte ihnen auseinander, mit welchem Minimum ein Einjährig-Freiwilliger in Berlin ouskommen könne, wenn cr ordentlich sparte, was oie meisten jungen Leute, die lieber Vaters Geld verputzen, natürlich nicht thäten. Frau Charlotte hatte sich unterdeß langsam an ihren Schwager heran- „Was ist denn mit der Bowle und den Brötchen?" schrie Herr Kaltenbach mit scheinbar halblauter, aber trotzdem vernehmlich durch's ganze Zimmer schallender Stinrme. — „Die sind doch sehr gut." „Pst — um Gvttcswillcn still I" flüsterte die Tante, einen vergeblichen Versuch machend, seine Tonart zu dämpfen. — „Es kommt mir nämlich so vor, als ob Tu —" „Ich habe gar nicht Wenn Dir die Bolwe mißrathen ist, bin ich doch nicht Schuld daran I schrie Herr Kaltenbach noch lauter als zuvon ^Uebrigens. sür so junge Leute ist " Du gemacht." sie stark genug . . . nm etwas viel hast
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