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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187701202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770120
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770120
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1877
- Monat1877-01
- Tag1877-01-20
- Monat1877-01
- Jahr1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1877
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«rsche«»« «,N« stich «>/, »chr. Libattti» «» Lr»r»tti„ IohmmiSgafi« 33. L»«chß«cht, »er LeSactl»»: vormittags 1«»—12 Udr. «-»mittags 4-v Uhr. Aa»aH»e der für die «iichst- dolornde Nummer bestimmten Suserate an Wochentagen bis »Uhr Nachmittags, an Sonn- «d Festtagen früh dis '/,S Uhr. >> SeaNUalra für Zas. Aaaahmr: Vtt» Klemm. UniversitLtsstr. 22, Laut- Ltsche, Lacharinmstr. 18, p. nur dis '/H Uhr. UtWiger LaMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgcschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. W LV. Sonnabend den 20. Januar 1877. N»K»«r L4,»OV Ldonne»ni»»»rei« viertelt- tncl. «ringerlohn L Mb. durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer »v Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbtfvrderung 3V Mk. mit Pofidefvrderung 4L Mt- Inserate 4aesp Bourgeoiöz. 20 Pf Grdhere Schriften laut unserem Prcisvcrzeichniß. — Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Leclamra unirr dem ttrtaetiouosdcktz dre Spaftzcile 4ü Pf. Inserate sind stets an d. Troebttto» zu senden. Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumsrinuta oder durch Postvorschuß. 71. Jahrgang. Jur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag dm 21. Januar nur Vormittags bis ' geöffnet. ,9 Uhr LxpvÄllIoi» LelpLlxer Vaxeklttlle» Lastur in Leipzig. I. LaSker'S Rede. * Lei«ig, IS Januar. In dem mit deutschen und sächsischen Fahnen und Emblemen geschmückten großen Saale de- SchützenhauseS beging gestern Abend die Gemeinnützige Gesellschaft mit ihren Gästen den Gedenktag der Verkündigung de- neuen deutschen Kaiserreiches durch eine Festlichkeit, die sich würdig den schönsten und er hebendsten avreiht, die wir in den letzten Jahren ln Leipzig gefeiert haben. Den Saal und die Galerien füllte eine dichtgedrängte Versammlung, die der Vorsitzende, vr. Gensel, kurz nach »sr8 Uhr mit einem kurzen Hinweis auf die Be deutung de- Tage- begrüßte, indem er zugleich den au- Berlin herbeigeeilten Abg. LaSker als Gast und Festredner herzlich willkommen hieß. Ein Sturm de- BeisallS brach lo- und wuchs von Secunde zu Secunde, alS der berühmte Führer der nationalliberalen Partei auf der Tribüne sichtbar wurde und sich, von der ihm gewordenen Begrüßung freudig überrascht, mit feinen klugen, freundlichen Augen im Saale um- fchaute. Athemlose Spannung und aufmerksames Lauschen folgte diesem Sturme, alS der gefeierte Mann z« sprechen anhob und erst ruhig und schlicht, dann immer wärmer und mit immer voller einherströmender Beredsamkeit den Stim muvgen und Neberzeugungen AuSdruck gab, die heute ihn und olle deutschen Patrioten bewegen Der heutige Tag — so begann der Redner — lenke dev Blick aus den äußerlich wahrnehmbaren Anfang de« Reiche- zurück, da- nun erst sechs Jahre bestehe; die Thatsache, daß es vor unser Aller Augen seinen Anfang genommen, erkläre die Frage, die in anderen Staaten gar nicht auskommen könne: ob denn dieses Reich auch dauern werde und unauflösbar sei Was einen An fang hat, kann wohl auch ein Ende ncbmen — so hoffen die Feinde, so besorgen die Freunde Und zumal ein Reich, bei besten Entstehung etz trotz aller Wunderbarkeit seiner Ausrichtung so menschlich zugina: warum sollte diesem Werke nicht auch von Menschenhänden ein Ende bereitet werden können? P Dazu kommt aber, daß da- Reich in der That auch von sehr wirklichen Gefahren bedroht ist Alle jene partikularen Interessen, jene alten Mächte unsere- früher zersplitterten Volkslebens, in die der neue Staat civsckmeiden mußte, sie wirken ihm, so weit sie noch Macht haben, entgegen. Und fast noch erbitterter ist die Gegnerschaft, die dem Reiche von Denen erwächst, die ihre Ideale nicht darin verwirklicht sehen. In der Zeit der Noth hatte sich fast Jeder von dem deutschen Zu- kunftSstaat ein eigene- Bild gemacht. AIS dieser in- Leben trat, konnte er natürlich nur Eine Form annehmen; die Anhänger aller sonstigen Ideale stieß er vor den Kopf. Wer vor der Aus richtuna des Reiche- irgend ein Web, irgend eine Illage hatte, hoffte, da- Reich werde Alle- gut machen. Da- war natürlich nicht möglich, uud so sammelte sich eine große Summe von Unzufriedenheit, die au- den ver schiedensten Quelle« zu einem unnatürlichen Ge misch zusammeufloß. Und diese Unzufriedenheit findet ihren AuSdruck im Parlamente, in den Wahlen zu demselben, in der Ausübung de- all gemeinen Stimmrecht-. Gerade in diesen Tagen ver Wahlbewegung regt sich in Deutschland eine Befürchtung, wie sie gleichfalls in keinem andern Staate auftauchen kann, die Befürchtung, daß einmal der Feinde de- Reiches mehr werden könn ten, als der Freunde. „Und dennoch — fuhr Redner mit erhobener und bewegter Stimme fort — sage ich, und ich sage e- i» Namen vieler, vieler Millionen: diese- Reich ist unzerstörbar (Bravo). Nicht allein au- meinem inuern Gefühle spreche ich da-; da- könnte auch täuschen. Nein, auch der geschichtliche Blick be stätiat aus der Vergangenheit diese Zuversicht siir die Zukunft. Die Geschichte stärkt daS Auge des Besonnenen und befähigt ihn, über die Erschei nungen de- Tage- binwegzusehen, da- Wesen von den wandelnden Erscheinungen zu sondern. Da- Wesen aber ist für unS die Einheit der deutschen Nation, vorübergehend und wandelbar sind alle die tausend Angriffe, die gegen sie gerichtet sind." Der Redner thut nun in großen Zügen nnd in feinem logische« Gedankenschlüsse dar. wie die Bewegung de- deutschen Volke- vom Mittelalter di- in unsere Tage herein immer auf dasselbe Ziel loßgegangen iß, da- sich vor unseren Augen erfüllt hat Er zeigt die- an den Kämpfen der Kaiser mit dem Papstthum, an der Reformation, der Begründung der literarischen, künstlerischen und wissenschaftlichen Einheit Deutschland- zur Zeit de- siebenjährigen Kriege- der Entwickelung de- Nationalgeistes trotz des napoleonischen Des potismus und trotz der bunde-täglichen Schmach. Unter diesem Gesichtspunkte erscheint die Zeit von 1815—67 nicht alS eine Auflösung de- Reiche-, sondern nur alS ein etwa- lange- Interregnum und die Schöpfungen der Jahre 1867 und 7t nur alS Resultate einer tausendjährigen Vorarbeit. Die Sorge, daß da- Reich zerfallen könnte, kann angesichts der geschichtlichen Betrachtung nicht Stich halten. Und doch dürfen wir, bedenken wir die Jugend und eigenthümliche Zusammensetzung de- neuen deutschen Staates, in seiner Unterstützung nicht rasten. Ihm können Experimente, die einem allen gefesteten Staate, wie z B. Preußen, Nichts anbaben können, schweren Schaden bringen. Er ist in einer schwereren Lage, nicht blos, weil er noch jung ist, sondern auch weil gar zu viel Ansprüche an ihn gestellt, gar zu viel Besorgnisse an ihn geknüpft werden. Die Einen wollen alle, selbst die maßlosesten Ansprüche vom Reiche erfüllt sehen, und zwar schleunigst; die Anderen fürchten, e- könnte Alle- erschüttert wer den. nachdem schon so Viele- durch da- Reich erschüttert worden. Jene drängen nun unsinnig vorwärts, Diese, um den vermeintlichen Zusam- mensturz auszuhalten, drängen nach rückwärts Leiber sind beide Richtungen besonders scharf in Sachsen ausgeprägt, wo am Meisten Alles drunter und drüber zu gehen scheint. (Heiterkeit.) Aber auch hier werde und müsse die TageSströmung, die durch ungemessene Hoffnungen und durch unge messene Besorgnisse bestimmt werde, durch den ge sunden Sinn de- VolkcS überwunden werden. Nock nie seien Freiheiten dauernd erworben worden durch gewaltsame KrastauSbrüche; sie müssen durch lange, harte Arbeit reisen. Und wenn heute der Reichstag und die Reichöregierung einig wären in der Erfüllung jener maßlosen Forderungen —, würde doch Alles wieder rückgängig werden, es könnte nicht bestehen. Denn nur die Frucht ibrer Arbeit genießt die Menschheit, und niemals die Gunst des Zufall- (Bravo). Die deutsche Nation hat die Durchführung der Gleichheit unter ihren Bürgern angebahnl durch das allgemeine Wahlrecht; auch in wirt schaftlicher Beziehung sind gute Anfänge ge macht. Doch werde eS auf diesem Fttve noch zu schweren Kämpfen kommen. Hoffen wir, daß cS Kämpfe de- Geiste- und nicht der rohen Kraft sein werden. Notbwendig aber ist eS, daß alle Kräfte, die dem Reiche holb sind, sich sammeln; Keiner darf die Hände in den Schooß legen; Alle müssen au- der erregten Stimmung, welche die wunderbaren Jahre, vre wir erlebt, rn unS erzeugten, zurückkehren zum nüchternen Ernst der Geschäfte. Wohl sei da- Fest, da- die Ver sammlung in dieser Stunde begebe, doppelt wohl- thuend in einer Zeit, in der manche Sorge vor d?m Freunde de-Vaterlande-aussteige. ES solleabcrnur dienen zur Sammlung für die bevorstehende Arbeit und für die Probe, die gerade in diesen Tagen unserer harrt. Möge namentlich auch Sachsen würdig aus dieser Probe bervorgphen Im Innersten dÄ Herzens sei da- sächsische Volk sicher national gesinnt, voll Liebe zum Vater lande. Nur müsse erst die Hülle gesprengt werden; dann werde der Kern hervorleuchten, und es werde sich voll und ganz anschließen an da- große, geeinte, sein Vaterland liebenve deutsche Volk! Neuer Beifall rauschte durch den Saal, als der Redner geschlossen, und gab von der begeisterten und dankbaren Stimmung der Hörer Kunde. Nach kurzer Pause schloß sich hieran eine glänzende, von reichen geistigen Genüssen gewürzte Festtafel. Wir berichten darüber i« Nachtrage zur heutigen Nummer. Leipzig, 19. Iannar. Während Deulschland sich mit »och nie da gewesener Erregung den heimischen Geschäften widmet und seine Aufmerksamkeit der Zusammen setzung deS zukünftigen Reichstages zuwendct, scheint zu Konstantinopel in der großen Frage, von der Krieg und Frieden im Osten Europa- abbängt, die Entscheidung gefallen ru sein. Wie von dort gemeldet wird, hat der Große Rath, den die Pforte zur Bcschlnßsassura über die Conserenzvorschläge einberufen, seine Arbeiten be endet. Dem Vernehmen nach beschloß derselbe einstimmig, die Vorschläge der Mächte, al- der Ungetheillheit, der Unabhängigkeit und der Würde de- ottomanischen Reiche- zuwiderlausend abzu- lehnen. Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht die von Lord SaliSburh in der MontaaSconserenz über reichte abgeänderte Zusammenstellung der Be schlüsse der europäischen Delegrrten (resnmS mitigS) in einer dem französischen Urtext entsprechenden Uebersetzung. Die aus Bosnien, die Herzegowina und Bulgarien bezüglichen Bestimmungen iauten: Die Generalgouverneure dieser Provinzen sollen während der fünf ersten Jahre nach eingeholter Zustimmung der Mächte ernannt werden. Die Provinzen werden in SandschakS mit MuteffarisS, die auf den Vorschlag der ValiS (Gouverneure) von der Pforte für einen bestimmten Zeitraum ernannt werden und Cantone, NahieS und MndirlikS mit 5 biS 19,009 Seelen eingetheilt. ES sind Cantonalbehörden zu errichten, die von der Bevölkerung jeder Gemeinde gewählt werden und deren Befugnisse sich auf alle Angelegenheiten erstrecken, die den Canton alS solchen angehen. Ferner sollen Provinzialversammlungen ««geführt und deren Mitglieder von Cantonalräthen ans einen Zeitraum von 4 Jahren gewählt werden. Diese Provinzialräthe haben die Provinzialbudgets nach einem feststehenden Svsteme abzugrenzen und einen Provinzial- VerwaltungSauSschuß zu ernennen, dessen Entscheidung die ValiS (Statthalter) in allen solchen Fällen einholen müssen, welche die gewöhnliche und einfache Ausführung der Gesetze und VerwaltungSbestlmmungen überschreiten und worüber sie de- Weiteren an die Pforte berichten können. WaS die Verbesserung der Steuerveran lagung betrifft, so sollen die Provinzial- und Cantonalräthe die Bertheilung und Erhebung der Steuern übernehmen. Ausgenommen hiervon sind die Zoll-, Post- und Telegraphenges'" llc, die Tabak-- und Alkobol euer und die Regie. Die Verpachtung der Steuern und der Nachlaß von Steuerrückständen ist verboten. Der Provinzial- hauSbalt soll für je 5 Jahre auf Grund der DurchschnittSerträgniffesestgestclltwerden EinTheil der Erträgnisse ist zur Verzinsung und Tilgung der öffentlichen Schuld, sowie zu den übrigen Bedürf, nisten der Gesammtregicrung zu werwenden. Der Ueberschuß soll den Provinzen verbleiben. Die Reor ganisation der Justiz soll im Sinne einer größeren Unabhängigkeit des RichterftandeS erfolgen Die Ernennung der Richter bei den Civil- und Straf gerickten erfolgt durch die Statthalter unter Zu stimmung deS ProviinialoerwallungS-Au-schusjÄ; die Mitglieder der Appellhvse werden durch die Hohe Pjorte selbst aus Vorschlag der Statthalter ernannt. Die Sitzungen sind öffentliche. Die Rechtssprechung der kirchlichen Behörden erfolgt nur m konfessionellen Angelegenheiten. Voll ommene CultuSfreiheit wird gewährt. Die Unter haltung der Geistlichkeit, der religiösen Einrich tungen und der UnterrichtSanstalten geschieht durch die Gemeinde selbst. Gegen gewaltsame Btkkhrungen wird Sicherstellung gewährt Die Landessprache wird mit der türkischen Sprache bei den LandeSbebörden gleichgestellt. Die Der Wendung irregulärer Truppen wird verboten. Eine nationale Miliz sowie eine nationale GenSdarmerie auS Christen und Muselmännern nach dem Verhältnisse der Bevölkerung-ziffer werden gebildet Die Subalternosficiere werden von den Statthaltern ernannt. Die tscherkessi schen Colonien sind verboten. Für die wegen politischer Vergehen verurtheilten und verfolgten Christen wird allgemeine Amnestie gewährt. Das LooS der ländlichen Gut-besitzer und kleinen Pächter in BoSnien und der Herzegowina soll verbessert werden. Für den Erwerb von Land und die Wiedererwerbung der Staatsangehörigkeit seiten- der Ausgewanderten wird eine Erleichterung eintreten. Die Einführung dieser Maßregeln erfolgt innerhalb eine- Zeitraum- von vrei Monatm. WaS die Einsetzung einer Aussicht behörde (Controlcommission) angeht, so werden von den Mächten zwei Aufsichtsbehörden eingesetzt werden, um einerseits die Ausführung dieser Be stimmungen zu überwachen und andererseits die OrtSbehörden für die Aufrechterhaltung der Ord nung und öffentlichen Sicherheit zu unterstützen. Dieselben werden besondere Weisungen erhalten. Diese Vorschläge haben, wenn sich die Nachricht bestätigt, jetzt nur noch historischen Werth. Die englischen Blätter, welche die Nachricht von der Entscheidung de-türkischen Großen Rathe- öereits b. sprechen, stimmen in der Meinung über ein, daß der Krieg wegen der Ablehnung der Vor schläge der Mächte nickt sofort auSzubrechen brauche. D> „Times" hält sogar weitere Unter handlungen sü, möglich (?) und meint, die Aus lösung der Conserenz kennzeichne vielleicht den Beginn einer neuen Phase, in welcher die West Mächte zeitweilig ninbätig bleiben könnten und die drei Kaisermächte allein Vorgehen werden. Die Socialdemokratie hat neben ihr« zehn Wahlsiegen ihre Candidaten noch in zwanzig Wahlkreisen zur engeren Wahl gebracht. Da- Bürgerthum hat sich also zu rüsten für diese Eut- scheivungSschlacht. Schon die bloße Thatsache der Stichwahl beweist, daß eS bei gehöriger Einigkeit aller Freunde der bestehenden Staat-- und Ge sellschaftsordnung sehr wohl möglich ist, überall die Oberhand über die socialistischen Candidat« zu behalten. Die Möglichkeit würde nur dadurch abgeschwächt oder gar aufgehoben werden, daß die Wahlbetheiliauna eine wesentliche Verände rung, sei e- ru Gunsten der socialistischen Eau- didaten, sei e- zu Ungunsten ihrer Gegner, er führe. Eine solche Aenderung ist nicht voraus- zusetzen. Im Großen und Ganzen darf man annehmen, daß die Socialdemokratie mit ihrer unübertroffenen Di-ciplin bereit- am 10. Januar alle ihr irgendwie zur Verfügung stehende« Kräfte an die Urne geführt hat. Dagegen ist wohl in keinem einzigen der in Rede stehenden Wahlkreise ein Zweifel darüber, daß die Betheiligung der nichtsocialistischen Elemente noch einer erheblichen Steigerung fähig ist. In dieser doppelten Rich tung also gilt eS zu arbeiten: Zusammenfassung aller dem gewaltsamen Umsturz von Staat und Gesellschaft widerstrebenden politischen Richtungen, einerlei, wie weit dieselben sonst au-einandergehen, und Heranziehung jede- Einzelnen zur Theil- nahme an der Wahl. Eine große Verantwortung ist dem Bürgerthum jener zwanzig Wahlkreise auserlegt. Tröste sich Niemand mit dem Gedanken, daß nicht viel daraus ankomme, ob die Social demokraten zu ihren zehn Sitzen im Reichstage noch einige mehr erhalten oder nicht. Jeder neue Sieg erhöht da- Selbstgefühl der Partei und stärkt die Nachhaltigkeit der socialistischen Lgita- tion, welche auf unsere Arbeiterwelt einen so herunterbrivgenden Einfluß au-geübt hat. Uud andererseits: Jeder neue Sieg der Socialdemo kratie drängt nn- näher an den Abgrund einer Reaction, welche die Früchte der konstitutionellen Entwickelung eine- MensckenalterS zum großen Theil zu vernichten droht. Darum sollen Alle, denen der gesicherte und naturgemäße Gang unsere- staatlichen Leben- am Herzen liegt, ihre Kraft bis aufS Aeußerste anspannen, damit in den bevor stehenden Stichwahlen keinem einzigen Social demokraten der Sieg verbleibt. Lagesgeschichlliche Urberficht. Leipzig, 19. Januar. Ein schmerzliches Ereigniß hat die kaiserliche Familie mit tiefer Trauer erfüllt. Gestern Morgen, am 18. Januar, dem sonst mit so freudigen Ge fühlen begangenen Jahre-tage des preußischen Königthnmß und de- deutschen Kaiserreichs, den die auf dem Kriegsministerium wehenden Fahnen begrüßten, ist die Prinzessin Karl in Gegen wart der Kaiserin, der Prinzen und Prinzessinnen sanft entschlafen. Die Hoffnungen auf eine günstigere Wendung der Krankheit, denen man sich eine Zeit lang glaubte hingeben zu dürfen, haben sich nicht erfüllt. Nach einer kurzen schein baren Besserung trat bald eine Steigerung der schmerzhaften Symptome ein welche die trübsten Besorgnisse über den Verlauf der Krankheit recht fertigten. Die verewigte Prinzessin Marie Luise Alexandrine. die älteste Tochter de- im Jahre 1853 verstorbenen GroßherzogS Karl Frie drich von Sachsen-Weimar und der Großherzogi» Marie Paulowna. der Tochter be- Kaisers Paul von Rußland, die Enkelin de- unvergeßlichen Groß herzogS Karl August, war geboren am 3. Februar 1898, vermählt seit dem 27 Mai 1827 mit dem Prinzen Karl von Preußen Geboren und heran wachsend in Umgebungen, welche der zur höchsten Blülhe entfaltete GeniuS der deutschen Dichtkunst für alle Zeiten geweiht und mit dem Scheine eine- unvergänglichen Glanze- umwoben, hat die hohe Frau die Erinnerungen und Eintrücke der Jugend durch ihre ganze Leben-zeit festgehalten und in der Pflege alles Guten und Schönen ihren edlen weiblichen Sinn bethätigt. Ein reiche- und glückliche- LooS ward ihr zu Theil in der neuen Heimath, in welche sie an der Seite de- geliebten ritterlichen Gemahls eintrat. Ein enges Band gegenseitiger Verehrung und herzlicher Zuneigung umschloß den fürstlichen Familienkreis, dem sie fortan angebörte, und in be« sie bald auch die jüngere Schwester begrüßte. Fast 50 Jahre nahm sie empfänglichen Sinne- Theil an Allem, wa- daS Herrscherhaus, WaS da- Land berührte. Die Tage der Erhebung, in denen die Kraft de- preu ßischen Staate- eine neue Ordnung der Dinge anbahnte, gewährte dem vaterländischen Sinne der deutschen Fürstentockter und dem Herzen der Mutter volle und reiche Befriedigung. Unter den Augen der Eltern war der hochbegabte Sohn ausgewachsen, der schon in jugendlichen Jahren die Heldenkrast bewährte, die ihn später im Kampfe für Preußen- Ehre und Deutschland- nationale Wiedergeburt auf die höchste Stufe kriegerischen
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