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Dresdner Nachrichten : 27.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189907274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1899
- Monat1899-07
- Tag1899-07-27
- Monat1899-07
- Jahr1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 27.07.1899
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Ijr» ^ KZ -- « » » f» « -s «e»re »sv. «e»»err,,n,«,e -Verlage zu Ve» „Dresdner Nachrichten". hier bei Dir ist, Dein alter Freund Itichard verwinkelt an > Aber 's ist doch so. Aber herum! Sieh, hier kommt der um Dich Hier. mitten im Straßenkokh von New-Aork, blutbefteckt, besinnungslos, so traf er Otto wieder. Nur Wenige befanden sich in seiner Nähe, Alle, die soeben wüthend noch den Freund bedrohten, waren entflohen, im weiten Um kreis trieben die Schutzleute die aufrührerische Menge zu Paaren, nur das zitternde Gespann stand neben ihnen, mehrere stöhnende Verletzte lagen nahe bei. Richard preßte sein Taschentuch aus die Wunde, aus der noch immer das Blut floß, während er mit seiner Linken den Kopf des Bewußtlosen unterstützte. Da eilte Mr. Ward herbei, der dem Polizeikapitän bekannt war. »Kennen Sie den Mann?" frug er. »Mein Gott, ja? Es ist ja Otto von Tillmann, mein Jugendfreund. Wir such zusammen in Burgdorf ausgewachsen und so muß ich rhu wieder- sinde» ? Helfen Sie mir, Mr. Ward, ich bitte Sie dringend dämm»Natür lich, will rch Ihnen helfen!" antwortete Jener, „ist er schwer verwundet?" »Ich weiß es nicht, aber er ist ohnmächtig. Was sollen wir thun? Wir rönnen ihn doch nicht hier liegen lassen!" »Nur ruhig! Die Ambulanz wird gleich hier sein!" Und richtig, da tönte auch scbon die Glocke eines Ambulanzwagens, wie deren in New-Uork j^es große Hospital einen oder mehrere besitzt, in voller Carrisre kamen mehrere solche die Straße herauf vom Bellevue-Hospital. Eilig machte man ihm Platz. Ein anderer kam vom anderen Ende der Avenue vom Presbyterian- Krankcnhaus und bald waren die Aeczte emsig beschäftigt, die ersten Noth- verbände anzulegen. Sobald die ersten Tropfen kalten Wassers Otto berührten, schlug er die Auaeu auf. wie traumverloren schaute er sich um. dann blieb sein Blick auf Richard haften, der sich über ihn gebeugt und ihm das Blut aus dem Gesicht wusch. »Wo bin ich," frug er leise, »was ist geschehen? Ach so. die Streiter." „Otto, erkennst Du mich nicht?" unterbrach ihn hier Richard fast stürmisch. Dem Richard ist's, m Harrig. Ja, schau' mich nur meid' nm ruhig! Freunde sind Doktor, sich Deine Wunde anzus . I» der That Kat jetzt ein Ambulanzarzt an die Gruppe heran und beugte sich zu Otto nieder, den Richard auf dem halbgebrocheuen Trittbrett des PfettredahmvagenS gebettet hatte. »Schmerzen irgendwo?" frug er in seiner kurze» amerikanischen Sprechweise. »Runder Kopf brummt wohl noch, aber 's ist doch zum Aushalten?" »Tüchtige Schrammen I" meinte Jener, während er mit eurer kleinen Sonde prüfend in die Tiefe ging. .Schädelbruch?" frug Richard halblaut. »Glaub' nicht!" war die Antwort, »aber werde erst genauer im Hospital Nachsehen. Können Sie bis zur Ambulanz gehen?" wandte er sich fragend »SEtze Dich auf mich!" sagte Richard, »ich bringe Dich hin'" Und sich Hosprtalaizt wendend, fuhr er fort, »Ich bm Doktor Harrig vom Dampfer „Main" in Hoboken, vom Norddeutschen LloUd. Ich kenne den Verwundeten von Deutschland her, gestatten Sie wohl, daß ich ihn in's Spital begleite?" »Thut mir leid, nicht im Wagen. Aber kommen Sie nach dem Hospital, Doktor, ich werde sehen, daß Sie sofort Einlaß erhalten." »Ja, Doktor." mischte sich jetzt Mr. Ward in's Gespräch, „das ist das Reste- Ihr Freund ist im Abulanzwagen am sichersten ausgehoben, da thut 4« Niemand etwas zu Leide, lassen Sie ihn ruhig nach dem Hospital j^r»-- Wollen Sie. bitte," sich an den Arzt wendend, »dem Mann ein Einzelzimmer geben lasten aus meine Rechnung, hier ist eine Gcschäftskarte vo« um „Henry Ward of Henry Ward and Co. 200 Wall Street" Werde morgen selbst Nachsehen, heute kommt noch Ihr deutscher Kollege hin." „L.U rixkt, 8m". erwiderte der Amerikaner, werde diesen Patienten zuerst vornehmen." „Dank Ihnen! Und mm kommen Sie. Doktor." fuhr er fort, zu Richard gewendet, »ich zeige Ihnen den Weg nach Bellevue-Hospital." Und nach wenigen Minuten eilte der Ambulanzwagen mit Otto und noch einigen anderen Verwundeten dem Hospital zu, während Richard, von Mr. Ward geführt, den Weg dahin zu Fuß einschlug. 13. Kapitel. Eure halbe Stunde später saß Richard au der Bettseite des wiedergefundeneu Otto. Die Aerzte hatten die Wunde genau untersucht, sie gründlich dcsinsizirt und gereinigt, hatten sogar es für nothig befunden. Nadeln einzulcgen, um die Wundländer aneinander zu bringen, aber man harte aus Richard s Be fragen versichert, daß. wenn nicht Wundsieber oder Kopfrose sich dazu gesellte, der Patient wohl schon in acht bis zehn Tagen das Hospital wieder werde verlassen können. Die Beiden hatten sich natürlich viel zu erzählen. Zunächst war es Otto, der nach Allem gefragt, was Burgdorf und die Seinigen betraf. Bon des Vaters Tod und dem darauf gefolgten Bankerott hatte er gehört, auch daß das Gut unter den Hammer gekommen und die Mutter und Agnes eine temporäre Zuflucht im Hause des Justizraths Olten gestruden halten, war ihm bekannt, über die weiteren Schicksale wußte er nichts. »Was ist aus meiner Mutter geworden, wo befindet sich Agnes jetzt, Wovon leben die Beiden?" »Deine Mutter wohnt in Berlin, Deine Schwester ist an Herrn von Buchow verheirathet, er hat den Abschied genommen und Burgdorf zurück- gekauft und es soll sich in ausgezeichneter Verfassung befinde», und endlich fest Mai letzten Jahres besitzen sie einen Nachkömmling, Ernst genannt. Das ist so ungefähr Alles, was ich Dir z» berichten weiß." Otto hatte mit wachsendem Erstaunen zugehört. . »Günther von Buchow hat Burgdorf gekauft und er und Agnes sind mit einander verheirathet! Also doch! Wie ist denn aber das gekommen? Nach dem sie so Positiv erklärt, sie würde ihn niemals nehmen! Und ich dachte. Ihr seit ineinander verlieb" ?" »Laß das ruhen. Otto!" bat Richard. »Ich hoffe. Deine Schwester ist m rhrer Ehe glücklich!" Otto blickte Richard eine kurze Weile prüfend an, dann fuhr er sott: »Nun, weißt Du denn den Grund, warum sie ihn genommen?" »Ich habe nicht die leiseste Ahnung! Ich bin kur; nach ihrer Verlobung auf die See gegangen, bin seitdem in allen Welttheilen herumgefahren und weder mein Vater noch Tante Liese haben in ihren Briefen über die Familie Buchow irgend etwas Ausführliches geschrieben, nur das Oberflächlichste, was ich DK soeben erzählte: ich glaube nicht, daß zwischen dem Gut und dem Pfarrhaus der freundschaftliche Verkehr herrscht, wie es früher war, als Dein Vater noch lebte!" „Ja. mein Vater! Wie oft, Richard, ach, wie oft habe ich es ihm im Grabe abgcbeten, daß ich ihm solche Sorge bereitet, daß ich Schuld war an einer Verarmung und an seinem frühen Tod! Was für ein Ehrenmann war er und was für ein miserabler Lumv ich gewesen!" „Run, Otto, Dich scheint das Schicksal auch nicht gerade sanft angcfaßt zu haben. Laß einmal hören, wie es Dir ergangen!" „Wie es mir ergangen, willst Du wißen?" lachte Otto ironisch aus. „Na. wie ich's verdient, das ist Alles. Wie weit ich's gebracht, das siehst Du ja. ein wohnungsloser „Tramp", ein Bettler, das rst's, was ich bin. 's ist keine erbauliche Geschichte, aber Dir kann ich's wohl erzählen. Ich kann mir denken, daß Du nicht sobald auf Burgdorf Deine Visite machen und Bericht erstatten wirst; es wäre mir fast lieber, sie hielten mich drüben für todt, der Herr Baron und die Frau Baronin! Wissen möchte ich aber doch, warum sie den Lasten statt Dich geheirathet. Irgend ein Grund muß doch vorhanden gewesen sein, denn daß sie ihn aus Liebe genommen, das kann ich mir abiolut nicht vorstellen, er war in sie verliebt, aber sie nicht in ihn — nein!^ Du weißt wirklich nicht, was sie dazu getrieben?" „Nein, Otto! Aber es wird wohl die „Versorgung" gewesen sein!" „Oho! Da kennst Du denn doch meine Schwester schlechter als ich gedacht. Versorgen konnte sie sich schon vorher mit ihm und dabei obendrein mir diek Vergnügungsreise nach Amerika sparen, aber sie wies den Baron so entschieden ab. dag Nichts daraus wurde, ich hab's selbst gehört! Wenn nur da nicht irgend was Faules stattgefunden hat, eine freiwillige Entsagung ihrer Herzenswünsche liegt ihrem Charakter doch ebenso fern, wie eine so plötz liche Umwandlung ihrer Gefühle. Denn wie rch von drüben fortging, da hat sic Dich und nur Dich geliebt, das weiß ich." „Aber das läßt sich doch jetzt Alles nicht mehr ändern," unterbrach ihn Richard, „Deine Schwester ist nun einmal Frau von Buchow, warum, ist doch schließlich ihre Sache, ich werde mich ffcherlich nicht darum kümmern. Laß die Geschichte ruhen, erzähle lieber Deine eigenen Schicksale!" Otto schüttelte noch ein paar Mal nachdenklich den Kopf, als könne er die gegenwärtige Gestaltung der heimischen Verhältnisse noch immer nicht fassen, dann sagte er, ans seinen an einem Haken hängenden Rock zeigend: „Wenn Du es durchaus hören willst, mir ist es gleich. Aber vorher thue mir den Gefallen und greife 'mal in meinen elenden Kittel dort, da findest Du ein Stück Kautabak, gicb mir einmal einen Theil davon her. 's wird meinem Schädel wohl nicht schaden, wenn ich ein wenig kaue. Na, was wunderst Du Dich denn? Du kannst das wohl nicht mehr mit dem Husaren offizier zusammenbringen, solche Fiihrknechtsmaniercn? Im Anfang habe ich mich auch über das ekelhaste Spucke» gewundert und über die Zielfertigkeit, die die Herren Amerikaner darin besitzen, aber mit der Zeit gewöhnt man sich selbst solche widerwärtige Eigenschaften au und Cigarren sind hier zu theuer Doch nun zu meiner Historie. Daß ich wie der selige Graf von Luxenburg dreißigtausend Mark, 's waren blos Mark, immerhin genug, das ich in einer Nacht veriuxte. deswegen nach Amerika mußte, hast Du wobl schon gehört? Mein guter Vater bezahlte alle meine Schulden, 's war Dir ein ganzer Hausen. Richard! Hab' manches Mal gewünscht, ich hätte den zehnten Theil davon hier! Und wie er verlangte, daß ich nach hier auS- wandern sollte, war ich's ganz zufrieden. Blos. daß er mir kein Geld mit gab und daß ich im Zwischendeck fahren sollte, paßte mir nicht. Ich pumpte nur deshalb von meinem jetzigen Schwager noch dreitausend Mark und gab ihm einen Ehrenschein, in ei» paar Tagen fällig. Der riskirte dabei Nichts, er wußte ja, daß mein Vater meine schulden bezahlen würde, und er ver sprach mir auch, ihn gleich zu präsentsten und mir war damit geholfen, 's war eine verdammte Schuftigkeit von mir, nach Allem, was mein Vater für mich gethan, ihm noch dreitausend Mark aus der Tasche zu lootsen, Hab' es hinterher auch »och bitter bereut, wie ich horte, daß er in Armnth gestorben Auf die dreitausend Marl mehr oder weniger kam es am Ende vielleicht nicht an. aber der Akt war erzgemcin. Aber daran dachte ich damals nicht, ich wollte nur Geld haben. Genutzt hat es mir herzlich wenig. Zwischendeck bin ich natürlich nicht gefahren, im Gegentheil, erste Kajüte, hochfein! Und d'rausgchen ließ ich auch 'ne ganze Menge, 's war eine noble Gesellschaft an Bord, tranken immer ans meine Kosten. IVoll, als ich hier ankam, war schon ein großes Loch in meinem Geldbeutel entstanden, aber 's war immer »och 'ne ganz hübsche Summe. Ra. dacht' ich, siehst Dir erst Rew-Uork ein wenig an. Zog also in's Beivedere-Haiis, wo Alles deutsch spricht, und sah mir New-Aork an. Ich sage Dir, das Geld flog nur so zum Fenster hinaus, es zerrann Einem ordentlich unter den Fingern. Jeder Dollar vier Mark und unter einem Dollar bekommt man nichts Gescheitstes. So ging das ein paar Tage fort, dann kam's Malheur. In den« Hotel war noch so ein Kerl vom Schiff mit, irgend eine dünkelhafte Perlon. der hatte sich au mich 'rangevettert, wollte mir noch ei» wenig Gesellschaft leisten, sagte er, ehe er »ach dem Westen wciterstihr. weiß rncht, ob er wirklich dahin gegangen, eines Tages war er weg. verschwunden, verduftet und mit ihm der Rest meines Mammons. Schublade aufgcbwchc», waS weiß ich. Polizei zuckte die Achsel, nichts zu machen. Na, da war Holland tu Noth und die Herrlichkeit hatte ein Ende. Ich versetzte zunächst ineine Uhr und einen neuen Anzug, den ich mitgcbracht, die Pumpiuden sind auch hier Deutsche, und mit den schäbige» paar Groschen, die ich dafür bekam, bezahlte ich meine Hotelrechnung. Dann zog ich aus Zehn Dollars hatte ich damals noch. Damit ging ich in ein EimvanderungS- «vclletrifnfche «cilage r« den „Dresdner Nachrichten". Seite SSL. Haus in der Greenwichskeet, da miethete ich mir ein Zimmer, ein Loch war's, sage ich Dir. Mich schüttelt's jetzt noch, wenn ich daran denke. Darunter war eine Bäckerei und das Ungeziefer marschierst an den Wänden hin und her, als wenn sie eine Steevlechaise Vorhalten. Aber es kostete nur einen Dollar und 'neu halbe» die Woche und ich war's zufrieden. Am nächsten Morgen ging's los aus die Suche nach einer Stellung. Was sollte ich nun werden. Auf dem Schiff hatte mir einmal ein Amerikaner gesagt: „Ergreifen Sie irgend Etwas, ganz egal, was cs ist, wenn es nur Geld bringt!" Damals hatte ich gedacht, „der Mensch ist verrückt!" Und jetzt, jetzt Ivar ich schon selbst beinahe so weit crngelangt. Freilich der alte Standesdünkel, den man von drüben mit herüberbringt, war noch immer mächtig rege in mir. ein gewesener Kavallerie-Offizier kann doch nicht jede Stellung onnebmen. Als ob em „gewesener Kavallerie-Offizier" hier 'was Besseres wäre als ein Barbiergeielle. Im Gegentheil, der hat wenigstens noch 'was gelernt, was lernt denn unsereiner außerhalb seines Dienstes. Damals bildete ich mir noch etwas ein ans meine Persönlichkeit, meinen Namen, meine Manieren und all' den Schwindel. Also, dachte ich, Du gehst in ein feines, gutes Haus, vielleicht heirathcn unter einander, damit's Geld hübsch zusammen bleibt. Kein Mensch wartet auf so einen plötzlich hereingeschneiten, gewesenen deutschen Offizier, der Nichts ist und Nichts hat und nicht einmal englisch reden kann. Doch damals hatte ich noch große Rosinen im Kopie! Ich ließ also eine mächtige Annonec in der „Staatszeittmg" los: „Gewesener Husareuosiizier, alter Adel, tadelloser Wuchs, diftinguirte Erscheinung u. s. w.. wünscht Stelle in bestem Hause als Gesellschafter." „Wünscht Stelle!" Ich sehe den Clcrc in der Zcitungsofnce »och jetzt, wie er mich mitleidig anlüchelte, wie ich ihm die drei Dollars auf den Tisch des Hauses legte, hat tvahrscheinlicb bei sich gedacht: „Du armes, grünes Huhn. Du kannst noch lange stelle wünschen. Dir werden sie hier wohl auch noch die Federn erst ein paar Mal stutzen!" Recht hat er gehabt, der Zeitnngsmensch. IVeU, die Annonce stand drei oder vier Mal d'rin, eine ganze Woche habe ich gewartet, keine Seele ließ sich blicken, nur so ein Reporter trat 'mal ein, aber wie der sein Riechorgan in meine Bude steckte und die armselige Bescheerung sah, riß er aus wie ein Kuhhase. Also mit dem „bestem Hause" war es Essig. Na. in nächster Woche setzte ich meine Ansprüche schon runter. Wie war's mit einer Kutschcrsielle, dachte ich Zwar ein verdammter Rückschritt vom Gesellschafter znm Kutscher, aber hier haben ia auch schon Kutscher Millionärs-Töchter geheirathet. also warum denn nicht! Ging also zu ein paar offenen Stellen hin, „Ihre Papiere!" frug der Erste. „Habe keine," sage ich. „war deutscher .Kavallerie- Offizier!" „Kann Jeder sagen, bedauere, ohne Ausweisung keine Stelle!" O'Connell hieß der Nächste. „Herr O'Eoimell," sage ich, „Sie suchen einen Kutscher?" „VVK.rt äc> von cvaist. I cavuot spesA vour äamneil äutcbff' anwortete er mir. ich verstand ihn nicht, er verstand mich nicht' Der Dritte hatte eine Reit bahn in der sechsten Avenue, nahe dem Park, der wollte mich nehmen, „am nächsten ersten Mai können Sie antretcn!" „Ja. wie soll ich denn bis dahin leben?" „Weiß nicht, vorher ist Nichts frei!" Endlich beim vierten, mich eine Reitbahn, kam ich an. Fünfzehn Dollars den Monat und freie Wohnung, 's war nicht viel, aber besser als zum Verhungern. Und schließlich schlief cs sich bei den Pferden immer noch besser, als in der Greenwich Street. Da blieb ich nur drei Monate, dann ging der Mann pleite. Nim saßen wir wieder auf dem Trocknen. Die Reitbahnen waren alle während des Sommers halb leer. Herrschaften mit Pferden alle aur dem Lande, von einer Kntschersielle absolut Nichts z» haben. Ich hatte mir ein paar Dollars gespaart, jetft ging Alles wieder d raus. Ende Juli war's. da ging der letzte Cent zum Teufel. Eine Hitze znm Umfallen. Ich hoffte immer, ich würde krank werden, da hätte ich doch wenigstens auf ein paar Wochen in s Hospital gehen können, aber wir Soldaten sind ja an die Hitze gewohnt und Sonnenstich und Tnphus blieben aus. Dann hörte ich. man brauche in NewAork Leute znm Eiseiibahnhaiien. Also 'nüber nach New-Aork und Eisenbahn gebaut. Vier Tage lang hielt ich's aus, geschunden habe ich mich wie ein Karreugaul. dann sagte der „Joreman" zu mir: „Ein halber Italiener arbeitet mehr wie Ihr, ich kann Euch nicht gebrauchen!" Ich hatte den Kerl niedenchlagen tonnen. Also wieder Nichts! Tann bekam ick eine Stelle als Pserdebahn- lntichcr in Brooklyn. Dort ging's ganz gut. Der Dienst war schwer, zehn Stunden den Tag, manchmal noch mehr, aber 's ging doch. Da muß die Leute der Teufel reiten, sangen an zu streiken. „Muffen Alle die Stellen ansgeben!" hieß es. Ich war dumm genug, mitznmachen! Die Führer von der „Union" hatten alle Geld genug, nm ein Jahr lang davon leben zu können, aber unsereiner verlor seine Stelle und seinen Verdienst. Damals schwor ich. einmal gestreikt und nie wieder l Was man hat, bat man, Tann wurde ich ganz was Neues „Kellner", 's war wirklich sonderbar, daß ich nicht schon längst daran gedacht, Du glaubit nicht ivaS für ein Hanien dnrch- gebrannter Offiziere, verbummelter Studenten und häßliches Gelichter sich hier dem Kellncrstande widmet. Und die „von'S !" Drüben im Kollege Point haben sie sogar eine adelige Kolonie! Ich habe auch 'mal 'nc Woche drüben gehaust Ta fliegen die Barone, Grafen, Freiherren nur so in der Luft herum, ein gewöhnlicher Adeliger wie unsereiner wird schon gar nicht mehr angejehn. Hochnäsiges Gesindel! Abends in der Kneipe buckeln sic eine Viertelstunde lang vor jedem Groccriungen. der ihnen süns Eent Trinkgeld giebt Kellner bin ich nicht lange geblieben, man schickte mich überall bald wieder fort, ich hatte nun einmal kein Verständnis; für dieieS edle Gewerbe, Na. Richard, so ging es eben immer weiter, ich bade noch so Manches dnnch- gemacht, drüben in Jersey City bade ich ein paar Monate lang Lokomotiven geschwärzt, in Gnttenbergt bin ich aus dem Rcnnvlah Stallknecht gewesen, denn Schleiiienreinigcu betheiligte ich mich, da verdiente ich mir wieder ein paar Dollars, dann fing ich einen Hausirhandel an mit Fischen, ich und noch so ein gestrandeter Philologe, aber eines schönes Tages konftszirte nnS die Polizei unseren ganzen Kram ans sanitärer Rücksicht — und so ging's fort. Tagelang batte ich- nicht einen Bisten zu eisen, wenn ich ans der Powern in einem Zehn-Cent-Havs nächtigen konnte, war ich froh, oft habe ich im Tittz Hall-Park gepennt wie ein richtiger „Tramp", namentlich im Winter, da war's oft fürchterlich, besonders wenn es keinen Schnee zu schaufeln gab: schließlich wurde ich Auslader unten in der Southstreet. wo die Savannah- Steamer anlegen, 's ist die schwerste Hundearbeit, die ich bis jetzt durch gemacht. die Kiffen und Ballen aus dem Schiff heraus zu holen, ein Neger war mein Kollege, aber ich Hab' mich wenigstens so durchgeschlagen, manch mal einen, manchmal auch zioei Dollars verdient, dann allerdings kamen auch Tage, wo es gar nichts gab. manches Mal war ich nahe daran, di den „River" zu springen, man hat es so bequem da unten, es gurgelt Einem daS Wasser nur so an der Nase vorbei, aber ich sagte mir immer: -Aushalten". Das ist Deine Strafe, daß Du Deinen braven Vater unter die Eide gebracht hast, und da Hab' ich mich weiter geschunden. Vorgestern war dn vierte Tag. daß kein Steamer onkam. da hörte ich von dem Streik an der dritten Avenue und daß die Gesellschaft Kutscher brauche, da bin ich hin und Hab' mich gemeldet, 's wird zwar etwas laut dabei hergehen und Do riskkst Dein Fell, dachte ich mir, aber schlimmer als es ist, kann's ja doch nicht werden Ich war der Zweite, der kam. Der Erste riß Vormittags aus und ich — na. Du hast ja gesehen, wie's zuging; aber 's hat mir ordentlich wohlgethan. wie ich da auf die irischen Schädel so richtig einhauen konnte, 's war, als schaffte ich mir selber Luft und nun, ua. nun habe ich wenigstens 'mal eine Woche Nahe, schlaf' seit Monaten zum ersten Mal wieder in einem reinen Bett und bekonime genug zu essen! So, Richard, so ist mir's gegangen, soweit bin ich gekommen und 's wird wohl in derselben Weise noch eine Zeit lang fort- gehen, bis —" Hier schwieg er still, es war ein unverständliches Murmeln, »aS er «och hinznfügte. Richard hatte schweigend zugchört, nur dann und wann batte er leis dm Kopf geschüttelt: er konnte es fast nicht soffen, daß der Mann, der diese Leidensgeschichte mit einer solchen galgenhumoristischen Resignation erzählte, als handele cs sich um ein Picknick, das zu Wasser geworden, daß der Mann und der schmucke, schneidige Husarenoffizier von einst dieselbe Person wäre. Wahrlich, das Schicksal hatte sich schwer gerächt, Otto von Tillmann hatte eine harte Bußzeit zurückgclegt. „Armer Otto, es scheint, als ob es Dir ganz absonderlich schlecht gegangen ici," sagte er. „Absonderlich schlecht? Gar nichts Absonderliches dabet. Allen geht eS so oder wenigstens ähnlich. Die Leute, die drüben predigen, hier lägen die Dollars nur so aus der Straße und man brauche sie nur aufrusuchen. die sollten Alle gehängt werden. Kein Mensch ist hier sicher, ob er Boden fass« wird. Tie Bauern, die nach dem Westen ziehen, die haben eS noch am sichersten, aber ein Zuckerlecken ist es für die auch nicht. Aber hier in dm ans Du kannst jckcn den." sollKaS enden? Sam» setzen, allenfalls noch Bierbrauer, aber überfüllt ifl jeder Gewerbszweig hier zu Laude und Mancher, der drüben 's Gymnasium besucht, ist froh, wenn er hier wie ein Knecht arbeiten kann, nur damit er nicht zu verhungern braucht. Drüben in Brooklyn, auf der Pferdebahn, mein Kondukteur, daS war früher ein deutscher Kandidat der Theologie. Mw solche, dir schon an ihrer Hände Arbeit gewohnt und Handwerker, wie Schuster und Schneider, die können hier allenfalls ans Brot rechnen, und schwer genug wird's auch ihnen gemacht. Solche Leute wie wir, Offiziere. Juristen, Gelehrte, was sollen denn die in Amerika anfangen? Englisch sprechen sie nicht; was sie können, da- braucht man hier nicht, meist können sie überhaupt nicht viel, unpraktisch sind sie und große Ansprüche haben sie meist auch noch, und das Resultat — wie mir's gegangen ist. so geht es hundert Anderen, 'was „Absonderliches" ist aarnicht dadei, die Meisten halten es nicht einmal so lange ans- Du kannst Tag in der Morgue Leute mit ähnlichen Schicksal ftnden „lind was gedenkst Dn nun zu thun. Otto? Wie sol ich denn nicht etwas für Dich thun?" „Wie daS enden soll? Was weiß ich, was kümmert es mich auch! Jetzt wird man mich wohl hier behalten, bis die paar Schrammen geheut sind, dann geht die Geschichte wieder los. Zunächst gehe ich natürlich wieder hinaus nach dem Depot und sehe, ob mich die Herren nicht etwa wieder nehmen. Weit habe ich ihren Wagen ja nicht gebracht, aber vielleicht erkennen sie den guten Willen an. Wenn der Streik noch bestehen sollte, dann nehmen sie mich sicherlich wieder und dann kann ich es ja noch emmal versuchen, vielleicht hauen die Strecker das nächste Mal noch bester zu als diesmal, dann hätte Alles ein Ende!" „Wie wäre eS, Otto," siel 'Richard vlötzlich ein. „wenn Dn gleich mit nur aus den „Main" gingst, ich lege Dich in's Schiffshospital und besorge das Weiicre und wir reisen zusammen nach Burgdorf." ^ „Nein. Richard," antwortete Otto ernst, „herzlichen Dank für Dein An- crbiclcu, aber - 's geht nicht. Mein Vater hat mir mit,seinem Fluch gedroht, wenn ich nicht als rechtschaffener Mensch von hier zurückkehre, einen von Dir zufällig ausgesundeucn verknuppeltcu Wcrvevatznnnicyer yat er darunter wohl nicht verstanden. 'Außerdem, seil ich weiß, daß meine Schwester doch diesen Buchow geheirathet hat, sehne ich mich garnicht so sehr nach Buigdorf." ..'AVer können wir denn gar Nichts finden, wie Dir zu helfen wäre? Soll ich Dir Geld leihen ?" . „'Rein. Richard, Tu bist ein guter Kerl, aber behalte Deine Moneten. Ich bin das Leben in der Gosse schon gewöhnt, aber ich hoffe, die Herren von der Pferdebahn geben mir als Schmerzensgeld einen festen Platz. Ja, wenn ich noch einmal aniangcn könnte, da sollte schon etwas aus mk werden, da würde ich tchon anders versuchen, eine fette Stellung zu bekommen, gleich viel wo. Nicht die Arbeit schändet, oder schmerzt mich, aber daS Unsichere, das Hin- und Hergcworscmvcrden, das ist's. was mich unzufrieden, so lebens müde macht!"
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