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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187008262
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18700826
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18700826
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1870
- Monat1870-08
- Tag1870-08-26
- Monat1870-08
- Jahr1870
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.08.1870
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Volke, daß marr eS fühltl bech-Siege über die Franzosen find gewonnen; in allen deutschen Städten wehen die Fahnen von den Dächern, und die Victoriaschüss>», die den Sieg der deut schen Waffen verkünden, erwrcken überall Begeisterung. Und dennoch senkt sich allmälig Trauer und Wehmuth nieder und in den SiegeSjabel mischen sich heiße Thränen um die Gefallenen. Deutschland siegt, aber eS hebt nicht stolz und hohnlachend über den niedergeworfenen Feind sein Haupt empor, sondern eS weint um seine Kmder. ES schrickt nicht zurück vor der Größe der Opfer, die ein ruchloser Ueberfall und dessen Abwehr fordern, eS wird, wenn eS nöthrg ist, neue bringen. aber eS bringt sie mit tiefer Dauer. Der Sieg entschädigt da- deptsche Volk nicht für den Verlust; wir find keine eitle, von hochmüthigen Gelüsten aufgeblähte Nation, die dem Moloch de- Ruhme- gern Heka tomben schlachtet, wenn nur ihrer Anmaßung, ihrem Ehrgeize Genüge geschieht. Nie hat sich der deutsche Charakter schöner gezeigt als jetzt, als in dieser Trauer mitten im glänzendsten Erfolge. Ganz anoerö zeigen sich die Franzosen. Ihre Verluste sind, wo nicht größer, doch ebenso groß wie die der Deutschen, auf sie drückt zugleich der Kummer und die Schmach der Nieder lage. Man sollte glauben, in Frankreich müßte der Schmerz und der Jammer Uber die zahllosen Opfer dieses Krieges noch größer sein als in Deuischland. Aber wir hören keine einzige Summe, die den Gefühlen der Menschlichkeit Ausdruck gäbe; wir lesen in keinem Pariser Blatte einen Artikel, wrlcher um die gefallenen Söhne deS Landes trauerte. Im Gegencheil, ein wilder Blut durst, ein förmlicher Rausch ist Uber die Franzosen gekommen. Die Nation, die von sich selbst rühmt, daß sie an der Spitze der Civilisation marschire, die mit grenzenlosem Uebermuthe auf alle anderen Völker alS halbe Barbaren herab sieht, giebt in diesen Wochen das Beispiel der abscheulichsten Ent artung. Nicht bei einem halbwilden Volke kommen derartige AuS- brüche deS rohesten RacenhaffeS, der ungezügelten Rachsucht vor, wie sie heute in Paris an der Tagesordnung sind. DaS „PariS-Iour- nal", ein Organ nicht etwa für die untersten VolkSclassen, sondern ein von fernen Schriftstellern für gebildete Leser geschriebenes Blatt, hat vor einigen Tagen dazu aufgefordert, den feindlichen Verwundeten, die nicht gut transportabel seien, mit dem Kolben den GarauS zu machen. Der „GauloiS" erzählt, daß einige an den Festungswerken beschäftigte Arbeiter einen D-utschen einer unbedachten Bemerkung wegen todtschlugen, und weiß dieser Abscheulichkeit nichts hinzuzufügen, als daß er sie zum warnenden Beispiele erhebt und billigt. General Trocku räth in seiner Pro klamation, jeden Ruhestörer kurzweg zu lynchen, und obwohl er in seinem Briefe an den „TempS" der betreffenden Stelle eine andere Auslegung zu grben versucht, können wir sie heute noch nur in diesem Sinne auffaffeu. Die Deutschen in Frankreich werden theilS auSgetrieben wie rechtlose Sklaven, theilS auf jede Weise von der einheimischen Bevölkerung verhöhnt, beleidigt und mißhandelt. Die W ldheit, die im französischen Volke liegt, tritt auf allen Seiten erschreckend hervor. Deutsche Verwundete, die hülfloS daliegen, werden verstümmelt und ermordet, auf Ambu lanzen und Verbandplätze, auf Parlamentaire wird nach wieder holter, ausdrücklicher Versickerung der preußischen Armeeleitung geschossen. Wohin soll das führen, wenn dieser Krieg noch länger fortdauert? Sollen nur in die Tage der Völkerwanderung zurück sinken, soll die Humanitär, deren sich die Gegenwart rühmt, ein bloßer Name, ein müßiges Spielzeug für einsame Philosophen werden? Dahin, daß wir diese traurige Frage stellen müssen, bat die Welt der schuldbeladene Mann gebracht, der seit zwanzig Jahren Ehre und Rechtlichkeit auS der Politik vrrbannie, Europa betrog und sein eigenes Volk entsittlichte. Auf sein Haupt fällt die Verantwortung für all daS Blut, das auf den Schlachtfeldern fließt, über sein Haupt kommt die Strafe für alle die Abscheu lichkeiten, die jetzt begangen werden. Ihn zu bekämpfen, ihn zu verdammen ist keine Sache der politischen Ueberzeugung oder Partei, eS ist Pflicht jedes Edlen, jeden Menschenfreunde-. Ohne den Ehrgeiz und die Gewissenlosigkeit Napoleon'- III. herrschte heute tiefer Frieden zwischen Deutschland und Frankreich: er allein ist der Urheber der grauenhaften Rechnung, die nun zwischen den beiden Völkern aufläuft Und dieser Mann, dessen Weg über Leichen ging, seit er eine Rolle in der Geschichte spielt, dieser schlechte Schauspieler, der den Onkel nachäfft, hat nicht einmal die Eigenschaft de- letzten seiner Soldaten: persönlichen Muth. Hat er sich etwa an die Spitze einer Sturmcolonne gestellt, hat er im Kugelregen selbst die Geschütze «nicktet? Wo oleibt sein Arcole, sein Montereau? Während sein Heer, daS er im Stiche gelassen, bei Metz blutete, saß er im Winkel eine- ZimmerS, fern vom Schlachtfelde, und brütete finster vor sich hin. DaS ist die einzige Regung der Humanität, die er kennt: er denkt stets daran, seine Person in Sicherheit zu bringen. Herzlos wie Napoleon I., fehlt ihm auch noch jeglicher Muth und gönnt er dem Menschen freunde die einzige Genugthuung nicht, die er ihm gewähren könnte, die einzige, die unS einigermaßen über die schrecklichen Opfer de- Kriege- zu trösten vermöchte: seinen Tod im Kampf gewühl. (N. Fr. Pr.) /inausielltt Wochenbericht. > Vorwärts! heißt da- Losung-wort bei den deutschen Lrmeen.1 Vorwärts, und immer vorwärts! — Wie gern möchte die Börse! diesem Geschwiudmarsch sich anschließen, wenn str nicht schon I vorher den größten Theil der zukünftigen Erfolge anticipirt hätte.! Sie hat sich die Füße wund gelaufen, um an der Spitze dal Bewegung zu bleiben, und vernichtete den Feind schon in Ge danken, ehe er in Wirklichkeit von den Unserigrn erreicht mch. So steht sie sich denn jetzt gezwungen den freudigen Botschaft», die fast täglich anlangen, mehr nachzuhinken als riesenhafte Freude», sprünge zu thun. DaS hinderte aber nicht, daß di« Börse <nr einzelnen Tagen die eintreffenden SiegrSnachrichten mit nun Hausse-Illumination begrüßte und bald diese bald jene Fahre auSsteckte, ohne sich um ihre Farben zu kümm-rn. Wenn mn einen Vergleich der Schlußcourse beider letzten Wochen anstellt, so wird man überhaupt zugeftehen müssen, daß der Fortschritt immerhin ein höchst bedeutender tst. Wüßte man sonst nichts von dem KriegSgetümmel, auS dem CourSzettel würde Niemand eine Ahnung davon erhalten, welcher gigantische Kampf jetzt immer noch auf Frankreichs G-filden tobt. Freilich ist der eine Theil bisher stets siegreich gewesen und die Börse hrftet sich an die Fersen des Siegers, um den Triumphzug mitzumachev. Ihr ist wie im Jahre 66 die Probe des Wechselt von Siegen und Niederlagen erspart worden, und solcherweise stellte sich daS Rechenexempel so einfach, daß auch ein Stümper damit fertig werden konnte. Wahrlich die Börse hat den preußi schen Strategen ihren Dank zu votiren. Ihre Siege sind die Wünschelruthe, womit große Gewinne den Muthrgen in d» Schoß fielen. Diese Muthrgen nkcutirten sich aber nicht Sü den SpeculationS-, sondern auS den Kreisen deS Publicum-. Des Dichters Wort: Grau ist alle Theorie u. s. w. hat sich diesmal wieder bewährt. „Wir find fertig", meinte der närrische Kriegsminister Leboenf (der übrigens seinem Namen vollkommen Ehre mach) iu der französischen Legislative, als er sie für die Kriegserklärung animirte, und log ü. 1s Napoleon. Die Börse ist auch fertig; aber nicht zum Krieg, sondern zum Frieden. Sie ist bereit ihre Friedrvö- beschäftigung wieder aufzunehmen und sehnt sich nach dem Lugen- blick, wo sie, ungestört durch äußere Einflüsse, welche ihr st»t- uvbehaglich sind, von Neuem ihren Launen den Zügel schieß» lassen, wo wieder um Herauf oder Herunter gewürfelt und die künstliche Maschinerie der Nachhülfe ohne Gefahr vor politischen Hemmungen iu Bewegung gesetzt werden kann. Auf einen Waffen- sttllstand rechnet die Börse diesmal nicht, sie weiß, daß daö Schwert Eile hat und nur die völlige Niederwerfung der Besiegten den Frieden zu erzwingen vermag. Fränkischer Uebermuth ist aber nur in Paris zur Raison zu bringen. Wer das Herz des Laude- besitzt, hat auch den ganzen Säfteumlauf desselbrn in Händen. Freilich hängt AlleS von der definitiven Abrechnung ab. Ir weniger Frankreich zukünftig im Stande ist, die Welt durch seine Raubgelüste in Unruhe zu stürzen, desto lebhafter wird die Börse dazu applaudrren. Ob übrigens die Ereignisse immer rasch genug für die Anschauungen der Börse marschiren werden, ob sie nicht noch manche Anwandlungen der Schwäche zu überstehen haben wird, darüber wollen wir unS nicht in Conjecturen ergehen. In Frankreich verhält eS sich damit allerdings anders. Tie Regierung sucht soviel wie möglich den tief gesunkenen Muth der Bevölkerung durch lügenhafte Nachrichten und phantastische Er findungen vom Kriegsschauplätze aufzurichten, und die Leichtgläubig keit der Menge gegenüber Allem, was seiner Eitelkeit schmeichelt, ist auch geeignet, ihr auf Augenblicke die Erreichung dieser Auf gabe zu erleichtern; lebt man doch dort allseits gegenwärtig nur vom Augenblick zum Augenblick, mögen die Wogen, welche da- lecke Schiff verschlingen; auch immer höher steigen. Daß man auch jetzt noch in Frankreich nicht- von der alten hochmüthigen Verblendung aufgegeben hat, zeigt sich in allen öffentlich» Manifestationen. Unverkennbar war aber für Deutschland der Uebermuth und die leichtfertige Einbildung der Franzosen ein mächtiger Verbündeter. Nur der festgewurzelte Glaube, daß die französische Armee unüberwindlich sei, macht eS erklärlich, daß die leitenden Kreise nach der ersten Niederlage alle Besinnung ver loren und eine allgemeine Demoralisation eintrat. Napoleon den Dritten hat die Börse aufgegeben. Er, unter dessen Patronage die Pereire die Börse terrorisirten und corrum« pirten, dessen Augenzwinkern hinreichte, Millionen ä. 1s k« oder baisse in die Taschen der Eingeweihten zu schütten, hat allen Credit verloren und gilt bloS noch als todter Mann, dcr keinen Factor mehr in den Berechnungen der Spekulation bildet. Die Banken in London, Berlin u. s. w. gehen mit der Ec niedrigung de- DiSeontS vor, nachdem der Andrang der Credit« bedürftigen aufgehört hat und normalere Verhältnisse eiugetrct» sind. ES wird eonkatirt, daß der Drang zu den AuSwechselung-- caffen der Banken oieSmal geringer war als 1866. Die durch den Krieg erzwungene, officiell autorisirte Annahme deutschen Staats« Papiergelde- auch iu anderen Gebieten als denen ihrer Erzen« guug wolle« wir al- ein günstige- Vorspiel für die Errungen»
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