NACHWORT 333 Welchen Verzicht bedeutet Weimar ! Welche Flucht! Und dennoch wurzelt auch hier wie überall in der Gefahr der Wert. Die Unvereinbarkeit des Innen und Außen be gründet das unverlierbare Reich, das, weil es ohne äußere Form entstanden ist, zu allen Zeiten und nie stärker als nach dem Fall zu neuen Geburten ruft. Da sie unabhängig von der äußeren Macht sich vollendete, da sie nie eine äußere Erfüllung fand, so wird die geistige Leistung der Deutschen zu allen Zeiten fordern, ohne daß sich die For derung erfüllt. Ihr Antrieb wird nicht sterben. In keiner Form kann sie unterliegen, da keine Form ihr ganz gemäß sein kann. Das Ethos des Camöes, des Cervantes und Calderon ist ein Ethos der Klage; die Gestalten sind so groß, weil hinter ihnen die Sonne untergeht. Im Deutschen lebt die unbe grenzte, unerfüllbare Erwartung. Dem großen nationalen Zusammenbruch, den die Sachsenkaiser und Hohenstaufen erlitten, jener Katastrophe, die hoffnungslos machen könnte, weicht die klassische Dichtung aus: vereinsamt, ohne Halt in der Zeit, aber mit einer unermeßlichen Hoffnung im Herzen, ist sie nicht zur Elegie gestimmt. Doch diese Freiheit, dieses Dasein in sehr kleinen, fast behaglichen bürgerlichen Häusern und doch ohne Haus und die machtvolle Architektur eines umschließenden und bannenden Gewölbes, kostet Opfer am eigensten Gut. Es ist das Tragische selbst, das fällt; nicht im Zusammenstoß der Gestalten, wohl aber als Hintergrund. Im Don Carlos handelt es sich um das Glück, das irdisch erreichbare Glück. Es ist Rousseaus sentimentales Ideal, dieses Erweckers zu unseliger Zeit. Nicht die Hoffnung darauf, der Glaube an das Glück als der Bestimmung wird zum Verhängnis. In einer durchaus nicht unerreichbaren Ferne erdämmert hinter dem Schlachtfeld die Harmonie. Für sie fallen die Men schen; während der Tod ihre Lippen schließt, erglimmt die Verheißung am Horizont. Das Glück, die Freiheit, der die Gegensätze vermittelnde, die Menschen umfriedende Staat sind möglich. Es gibt eine Befriedigung im Staat.