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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-03-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188003167
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800316
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800316
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-03
- Tag1880-03-16
- Monat1880-03
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.03.1880
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>608 P-Mischt Ilrdersicht. SetP-i,, 18. Mär». Dem Reich-tag ist der am 25. März v. I. in Berlin und am 19. September v. I. in Ho» nolulu Unterzeichnete Freundschafts-, Handels-, Schifffahrt«- und Consularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich der Hawaiischen Inseln zugegangen. Einer beige- siigten Denkschrift entnehmen wir die nachfolgenden Anaabea: „Unter einem gesunden und verhältniß- mäßig milden Himmel, an der großen Verkehr« straße de- amerikanischen Continents nach Australien Japan und China gelegen, bildet die Insel gruppe mit ihren tress sichen Häsen die gegebene Statwn für die Schisse zur Einnahme von Pro- viant und rur Ausbesserung erlittener Schäden Den Walfischsahrern waren diese Inseln von jeher Sammelpunkt und Stapelplatz. FürdenRückaangdeS letzteren ErwerbSrweigeS bot der immer lebhafter wer dende Verkehr Nordamerikas mit dem südlichen Polynesien, Neu-Seeland und Australien, in dessen gerader Linie die Inseln liegen, reichlichen Ersatz Dennoch war die finanzielle Lage deS Inselreichs zu Anfang deS verflossenen Jahrzehnts eine so be denkliche geworden, daß man nur in dem engeren Anschluß an ein größeres, capitalmächtigcs Wirth schastsaebiet Rettung vor dem finanziellen und staatlichen Ruin finden zu können glaubte. Ins besondere war eS unabweiSlich, für das Haupt- erzeugniß des Landes, den Zucker, ein gesichertes Absatzacbiet zu gewinnen. Das nächstgelegene und aufnahmefähigste, die Vereinigten Staaten von Amerika, war demselben durch hohe Eingangszölle so gut wie verschlossen. Nach langen Verhand lungen gelang eö der hawaiischen Regierung, dieser Nothlage in einer die staatliche Unabhängigkeit der Inselgruppe sichernden Form durch einen Vertrag aus Gegenseitigkeit mit den Bereinigten Staaten von Amerika vom 30. Januar 1875 zu begegnen. Die Wirkungen dieses, eine Art von Zollvcrband zwischen Hawaii und der nord amerikanischen Union herstellenden Vertrages haben den gehegten Erwartungen vollauf entsprochen/ Dieser Vertrag legt Deutschland den Verzicht au daS Recht der absoluten Meistbegünstigung auf und der deutsch-hawaiische Vertrag enthält denn auch die Clausel, daß die besonderen an die Vereinigten Staaten gewährten Vorthelle vorläufig nicht be ansprucht werden können. Der amerikanische Re- eiprocitätSvertrag läuft jedoch nur bis zum 31. Juli 1883 und es ist daher ein Jahr vor dem Ablauf diese« Vertrags dem Reich sowohl wie Hawaii das Recht Vorbehalten, eine Revision ihres Vertrags- Verhältnisses vorzuschlagen bezw. dasselbe zu lösen. Von dem Gesammlwcrth der Ausfuhren aus Hawaii entfielen aus Deutschland nur 1875 187,990 Dollars, >876: 86,721, 1877: 59,558. 1878: 97,237, da die Ausfuhr nach Deutschland sich bisher nur auf Häute und Wolle beschränkt hat. An der Gesammteinfuhr Hawaiis war Deutschland nur betheiligt: 1875 mit 182,163 Dollars, 1876 mit 218,186, 1877 mit 203.191. 1878 mit 210,768. Hierbei ist indeß zu bemerken, daß der volle Werth der deutschen Waaren sich schwer ermitteln läßt, da viele deutsche Waaren über England und Amerika importirt werden und daher in den Tabellen der hawaiischen Zollämter unter den eng lischen und amerikanischen Importen einbegriffen sind. Ein Absatzgebiet sür deutsche Fabrikate würde sich eröffnen in Zuckermaschinen, Eisenwaaren, Eisenbahnschienen, Baumwollen-, Leinen-, Seiden- nnd Wollenstoffen. Bremer und Hamburger Schiffe sind stets in der Fahrt mit Honolulu geblieben, wenn auch nur drei Ankünfte deutscher Schiffe in 1878 daselbst zu verzeichnen gewesen sind. Deutsche Handlungshäuser bestehen in Honolulu aus einem achtunggebietenden Fuße. Deutsche Kriegsschiffe laufen bei ihren Fahrten im Stillen Ocean o't« malS den dortigen Hafen an ; im Jahre 1878 ver- iveilten drei verschiedene Fahrzeuge unserer Marine daselbst längere Zeit zur E rüstung. Die Ministerkrisis in Bayern hat doch eine tiefgreifendere politische Bedeutung, als anfangs angenommen werden konnte. Die bayerischen Blätter verhalten sich auffälligerwrisc darüber ziemlich schtveigsam; um so mehr verdienen einige Cvrrc- spondenren aus München Beachtung. In einem dreser Berichte heißt es: „Von der Ueberrasckung, ivelche un« der so unerwartete Wechsel in der Leitung des Staatsministeriums de« könig lichen Hause« und deS Acußern bereitete, haben wir unS, sozusagen, noch nichr vollständig erholt, und nun wird in politischen Kreisen versichert, daß weitere Ueberraschungcn in allernächster Zeit zu erwarten sein dürsten. ES scheint in der That, daß höheren OrteS Zwistigkeiten obwalten, daß, wie man anderwärts sagen würde, ,.Friktionen" vorhanden sind, deren vollständige Ausgleichung noch nicht erzielt wurde. Inzwischen sind Correspondenzen i» der deutschen Presse fortwährend unermüdlich in der Auffindung von Gründen, welche Herrn v. Pfretzschncr veranlaßt haben sollen, sein Amt nieder zu legen. Den wirklichen Grund zu er- rathen, scheint aber noch Keinem geglückt zu sein, wie man denn auch in den Kreisen München-, in rvelchen man in solchen Dingen immer gut imterrichtet ist, noch völlig im Unklaren darüber ist, waS denn eigentlich vorgegangen ist. An- ^zefichtS des am 1. d. MtS. eingetretenen Minister- n»echselS wird zu erwähnen sein, daß von de« sechs Ministern Bayerns, welche beim Abschlüsse deS Versailler Vertrages, d. h. bei de« Eintritte Bayern- in daS Reich, schon im Amte waren und die königliche Declaration vom 30. Januar 187l. die deutschen Bündnißverträge betreffend, mitunterzeichneten, nur noch Herr I>r. v Lutz sich im Amte befindet. Von den an deren Unterzeichnern der königlichen Declaration ist Gras v. Bray, der damalige Minister des Aeußern, Gesandter am österreichischen Hofe: Herr v. Braun, damals Minister des Innern, Präsident der Regierung der Pfalz; Freiherr v. Prankh, der frühere Krieg-minister, jetzt Generalcapitain der Leibgarde der Hartschicre; Herr v. Schloer, der einstmalige HanbelSminister, und Herrv Psretzschner, damals Fmanzininister, befinden sich im Ruhestande." Zur Klarlegung der Parteilage in Baden wird e- geboten sein, auf den vielberufenen Examen- streit nochmals zurückzukommen. Wie bereit- ldet wert ommen. telegraphisch gemeldet werden konnte, erhielt am Freitag die Zweite Kammer des Lande- die amtliche Mittheilung, daß die Ministerkrisis ibre Endschast erreicht habe, durch die kurze Mittheilung des SlaatSministers Turban, daß sein College, Ministerialpräsident Stösser, in folge der am Mittwoch aus den Antrag von Kiefer und Genossen angenommenen Protokollerklärung sich veranlaßt gesehen habe, dem Großherzog ein Gesuch um Enthebung von seinem Amte zu unterbreiten, daß aber Seme k. Hoheit nach reif licher Erwägung der Sacke sich bewogen gesunden habe, dem Entlasiungsgcsuche nicht zu entsprechen. Eine Correspondenz der „K Z." au- Karls ruhe bemerkt d^u: „Die En vorauSzusehen. Sollten sich diejenigen" Ab geordneten, welche den MißtrauenSantrag ge stellt oder für ihn gestimmt haben, dar über eine falsche Vorstellung gemacht haben? Bei Beginn der Sitzung gab der Abq. Baumstark (katholische Bolkspartei), welcher der Mittwochs sitzung anzuwohnen verhindert gewesen, folgende Erklärung ab: In der erwähnten Sitzung habe der Abq. Kiefer behauptet, ein Mitglied der rechten Seite deö Hauseö, als welches er ihn (Baum stark) mit Namen genannt, habe schon um Weih nachten sich im Vollbesitz der Kenntniß vom Inhalt des ersten Prüsungögcsetz-Entwurss befunden. Diese Behauptung sei richtig; er habe den Entwurf sogar schon einige Zeit vor Weihnachten gekannt. Da gegen sei der Abg. Kiefer in einem tatsächlichen Irrthum mit seiner Schlußfolgerung, daß er diese Kenntniß durch irgend einen Vertreter der Re gierung, insbesondere etwa durch den Präsidenten des Ministeriums des Innern, erlangt habe. Diese frühere Kenntniß habe er ausschließlich auf dem Arbeitszimmer und auS dem Munde des HerrnErzb ist hum s Verwesers erlangt, der ihm während der ganzen schwierigen Verhandlung sein volles Vertrauen geschenkt und seinen Rath angehört habe. Seine höchst vertrauliche Mitteilung an Herrn Kiefer sei mit Vorwissen und ganz besonderer Ermächtigung seines BisckosS geschehen. Schließlich erklärte Herr Baumstark, daß er, wenn er in der Mitlwvchösitzung gewesen wäre, selbstverständlich gegen den Antrag Kiefer und sür die Staats regierung gestimmt haben würde. Diese Erklärung, die, wie man sieht, mit den Vorgängen der letzten Tage in Zusammenhang steht, ist auch sonst nicht ohne Interesse; für viele mag auch Vre Rolle des Herrn Baumstark alS Rathgeber deö Erzbiöthums- verweserS nicht wenig Ueberraschendcs haben." ES scheint, als sollten wir heute den Leser fast ausschließlich über Minister kr isen unterhalten. Nicht nur in München und Karlsruhe, sondern auch in Rom, Paris und Wien ist diese Erschei nung hervorgetretcn. In Oesterreich-Ungarn pflegt nnmer dann eine Ministerkrisis auszubrechen, wenn man sie am wenigsten erwartet, während sie dann auszubleibcn pflegt, wenn man mit Sicher heit daraus rechnet. An den Rücktritt deö BaronS Hosmann von seinem Posten als gemeinsamer Finanzminlster hat weder in Pest noch in Wien Jemand gedacht. „Baron Hosmann, so schreibt man der „K. Z." auS Pest, war stets ein politischer Gegner — freilich, in Folge seiner offi- ciellen Stellung, nur hinter den Eoulissen — deö Grasen Andrassy und des Herrn Tis za. Nach den» Rücktritt Andrassy'S gelang es dem Grafen Apponyi und Genossen, eine enge Verbindung mit dem Baron Hosmann anzuknüpsen, und als die Stellung TiSza's schwankend schien, entwickelte Baron Hosmann am Wiener Hose eine rege Tätig keit zu Gunsten der Bestrebungen der Opposition. Da nun die Mehrheit im Parlament für die Dauer dieses Reichstages dem Cabinet TiSza ge sichert erscheint, so ist e« natürlich, daß Tisza auch nach oben hin die Vertrauensfrage gestellt hat. Tisza erklärte ganz offen, daß seine Tätigkeit da durch beeinträchtigt werde, daß zwischen »hm und der Krone auch ein gemeinsamer Minister stehe, der kein Vertrauen zu seiner Person hege. Die Krone sollte somit zwischen Tisza und Hofmann eine Wahl treffen und dadurch den Einklang zwischen ge»,einsamem Ministerium und ungarischen, Cabinet Herstellen. Gras Andrassy begab sich nach Wien, um den Kaiser auf vertrauliche», Wege jene Gründe niitzutbeilen, welche Tisza ver anlaßt haben, diese Erklärung abzugeben; infolge dessen wurde Szlavy nach Wien berufen. Der Einfluß des Grasen Andrassy auf den Kaiser ist noch immer maßgebend. In Regierungskreisen ist die Ansicht vorherrschend, daß aus einer künftigen Stufe der Entwicklung der von Andrassy einge- leiteten äußeren Politik Letzterer wieder Minister des Aeußeren werden wird. Auch jetzt hatte sich der Kaiser nur schwer entschließen können, ihn seines Amtes zu entheben. Franz Joses ließ sich dazu nur durch die Erklärung Andrassy'S bewegen, daß eS dringend geboten sei, in mehreren Zweigen de« Ausivärtigen Amtes die bureaukratische Ordnung wieder herzustellen. Baron Haymerle, soll Andrassy dem Monarchen gesagt haben, sei ein tüchtiger Bureaukrat und weit mehr dazu befähigt als er. Auch Franz LlSzt kann gut Clavier spielen, aber sein Ctavier selbst stimmen kan» Liszt auch nicht." Eü wird geboten sein, die letzten Pariser Nachrichten, welche den schwankenden Charakter der politischen Lage erkennen lassen, in einige Worte zusammenzusassen. Man verhält sich aus allen Seiten adwartend, doch ist das allmähliche Vorwiegen gemäßigter Ideen betreffs de« Vor gehen« gegen die geistlichen Orden ersichtlich Dermuthlick wird die Regierung zunächst mit Maß regeln im Wege der Verwaltung auf Gr«nd de- Ge Messidor de- Jahres )ÜI. der Republik der „'s setzeS vom 9 vorschreiten. Ein Telegramm der „Post" vom Sonn tag eröffnet folgende Aussicht: „Da da- KractionS- comite der Rechten beschlossen hat, nächsten Montag den 15. bei der zweiten Lesung des Artikel 7 keine neue Debatte herauszubeschwören, andererseits die Regierung auch nicht dazwischentreten will, so sieht man der Annahme deS Unterrichtsgesetze- ohne den Artikel 7 durch den Senat ohne weitere Ver handlung entgegen. Ebenso ist e« wahrscheinlich, daß die Kammer dem so veränderten Gesetze zu- stimmen wird, welche« immerhin dem Staate das ausschließliche Recht der Verleihung akademischer Grade zurückgiebt. Die Interpellation in der Kammer wird durch Floguet oder Brisson be gründet werden. Freycinet bereitet bereits eine Erwiderung vor, in welcher die Regierung die vollste Freiheit deS Handelns betreffs deS Vor gehens gegen die geistlichen Orden fordert. Nach der „France" sind die Ansichten des CabinetS über die mögliche Anwendung der bestehenden Ge setze getheilt. Ca^ot, Frevcinet und Magnin sollen gegen schroffe Angriffsmaßregeln, Ferry und Lepsre dagegen sür die strenge Handhabung der zu Recht bestehenden AuswcisungS- und Auf lösungsgesetze wider die geistlichen Orden sein. Der Iesuiten-Generat Bekx ist in Paris einge troffen, un, mit den klerikalen Führern den Wider stand gegen eine etwaige Ausweisung der Jesuiten zu organisiren. Die Radikalen veranlassen Peti tionen im Sinne einer solchen Ausweisung. — Bei der in Lyon stattgehabten Ersatzwahl wurden die beiden von den Radikalen aufgestellten Candi- daten Millaud und Vallier zu Senatoren gewählt." Man schreibt uns auS Genua unterm ll. März: Der 10. März ist Mazzini'S Todestag, welcher hier im Geburtsorte des bekannten Demagogen durch eine Gedächt- nißseier begangen werben sollte. Nicht ohne Bcsorgniß hatte die Regierung demselben entgegen gesehen und Vorkehrungen getroffen, un, Ruhe störungen zu verhindern. So wurde die hiesige Garnison durch drei Bataillone des 21.. 29. und 30. Infanterie-Regiments, sowie durch ein Bataillon Bersaglieri und eine Legion der königlichen Carabinieri verstärkt und diese Truppenmacht im Falle des Bedarfs der Munici- palität zur Verfügung gestellt. Die Kosten dieser Vorkehrungen belaufen sich aus nicht weniger als 50,000 Lire. Erfreulicher Weise haben sich alle Befürchtungen als unbegründet erwiesen. Die sonst einem kleinen „Putsch" nicht abgeneigte Bevölke rung verhielt sich ruhig und bewahrte. Dank den Bemühungen eines Eomztv angesehener Bürger während deS ganzen Tages eine anstandsvolle wür dige Haltung. Die Feier selbst begann auf dem Acguasola-Platze, wo sich über Mittag die Theil- nchmer an der Feier sowie eine ungeheure Volks menge versammelten. Unter den Fahnen war weder eine republikanische noch eine solche der „Ituliu irreckeitt»^ und ausfallender Weise auch kein einziger Carabinieri zu bemerken. Um 2 V, Uhr setzte sich der endlose Festzug unter Vorantritt des Arbeitervereins in Bewegung. überschritt den Ferrari-Platz, passirte die Via Giulia und Conso- lazione und verließ dann durch die Porta Romana die Stadt, indem er die Richtung nach Staglieno nahm. Nach einer Stunde — um 3'/, Uhr — erreichte er die herrliche Akropolis Genuas. Hier, vor dem Grabe Mazzini'S, senkten sich plötzlich wie auf Commando sämmtliche Fahnen und ein Moment tiefsten Schweigens trat ein, während die mitge brachten Kränze aus der letzten Ruhestätte des Agitators niedergelegt wurden. Keine Rede, keine Kundgebung irgend welcher Art, störte die feier liche Stille. Mit derselben Ruhe und in derselben Ordnung kehrte der Zug daraus zur Stadt zurück. Weniger ruhig ist der 10. März in Rom ver flossen. Dort gab eS einen kleinen, allerdings vorwiegend komischen Krawall der „Irrcdenta". Etwa 50 Personen versammelten sich gleich nach Mittag und zogen zum Capitol unter Führung eines Redakteurs der entschlafenen Zeitung „Do- vere". Dieser trug einen Kranz mit einem rothen Bande, aus welchem die Worte ,,^Ipi 6ialio" standen. Er trug das Band aber verdeckt, so daß man die Aufschrift nicht sehen konnte. Auf dem CapitolSplatz ersuchte ihn ein Polizei-Inspector, daS Band zu zeigen; der Redakteur weigerte sich und eS gab einen kleinen Auftritt zwischen der Polizei und den Demokraten. Der Führer der letzteren schrie dabet: „Nieder mit der monarchischen Re gierung!" und rückte mit einigen seiner Anhänger in den Conservatorenpalast ein. Die Polizei ließ sofort die Thür des Gebäude« schließen, und der Redacteur hielt nun im Innern de« Palastes vor einem Publicum von acht Arbeitern, drei Jour nalisten und einem Dutzend Polizisten eine gewal tige Brandrede gegen Cairoli, Oesterreich, Tyrannei, Priesterherrschaft u. s. w. Man ließ ihn ruhig auSreden und verhaftete ihn dann, wobei seine Kameraden Widerstand zu leisten versuchten, aber nichts auSrichten konnten. So endigte die große Demonstration; die Polizei hätte vielleicht gar nicht einmal nöthig gehabt, den Krawall entstehen zu lassen. Fast scheint eS, als sei Paris von den russi schen Nihilisten dazu auSersehen, um daselbst urtheiluna, einer ungerechten Hinrichtung und vor Foltern bewahrt haben, di« man in Europa, Ruß land ausgenommen, nicht mehr kennt. Euch, Arbei tern oder Meistern, Regierenden oder Regierten. Se natoren, Deputieren oder Wählern, euch Journalisten, Rednern, Unterzeichnern von Bittschriften, berühmten oder unbekannten Persönlichkeiten — euch Allen, di« in einer Zeitung, in einer Versammlung, auf der Straße, in den Kammern, in den Unterhaltungen, im Cafe, in der Werkstatt, in der Familie durch dir Kundgebung eurer Svmpathie für die Sache der Ge rechtigkeit oder eure- Unwillens über die Verhaftung Hartmann'S dazu beigetragen habt, den großen Strom der öffentlichen Meinung zu bilden — euch verdanken wir die Rettung unsere- Landsmannes, Freunde- und Gesinnungsgenossen. Wir sind revolutionäre So- cialisten. Wenn wir wissen, daß unsere Brüder undFreunde. die französischen revvlutionärenSocialisten, ibre eigene Sache durch die Befreiung Hartmann'S ver- theidigten, so ist eS uns nicht unbekannt, daß ein großer Theil unter euch,Bürger,dieA»SlieferungunseresFreun des bekämpft hat, ohne die geringste Sympathie für die Grundsätze der socialen Revolution zu haben. Wir sind ihnen.nichS desto weniger dankbar. Ohne Zwei sel hattet ihr in dieser Sache sehr theure Interessen zu vertheidigen. Wir wollten einen Gesinnungs genossen vor der Folter und dem Galgen bewahren. Ihr hattet die Ehre, die Würde eines Landes, ihr hattet jene- Frankreich zu vertheidigen, welches die Menschenrechte proclamirte und die „Empörung als die heiligste Pflicht" eines jeden Unterdrückten aner kannte; jenes Frankreich, das. nachdem es alS seine Losung den unsterblichen Wahlspruch: Freiheil, Gleichheit und Brüderlichkeit genommen, sich selbst schuldig ist, seiner Vergangenheit getreu zu bleiben und für die Verwirklichung dieser schönen Formel der allgemeinen Emancipation zu kämpfen. Ihr habt einen neuen Sieg über den Despotismus und die Reaction errungen. Das Leben Hartmann'S ist außer Gefahr; die Würde der Republik wurde nicht verletzt. Wir wünschen euch Glück zu eurem Siege, indem wir euch unseren warmen Dank für die er folgreichen Anstrengungen für unseren Freund sagen. Am Tage, wo unsere Sache triumphirt, wird das von seinen Unterdrückern befreite russische Volk sich erinnern, daß Frankreich sich weigerte, gemeinschaft liche Sacke mit dem Despotismus des Czaren zu machen." Der „Lanterne" wird aus Petersburg te legraphisch gemeldet, daß daselbst ein neues Ver brechen von den Nihilisten geplant worden sei. welches darauf abzielte, die russische Staatsbank in die Luft zu sprengen. Auch von anderer Seite ist diese Nachricht verbreitet worden. Im An schluß geben wir noch die folgenden Depeschen aus Petersburg, 14. März. Fürst Konstantin, Gortschakofs und der BotschaftSsecrelair Bachmeticw von der Pariser Botschaft werden heute Abend hier erwartet. Der Letztere überbringt, wie die „Agence Russe" meldet, Depeschen, welche die Hart mann'schc Auslieferungsfrage vom Standpuncte der französischen. Gesetzgebung aus beleuchten und durch welche die wetteren Entschließungen der russischen Regierung be dingt sein dürften. Petersburg, 14. März. DaS Journal de St. Potersbourg" bespricht die Mittbeilung des „Temps" über die Hartmann'sche Auslieferungs angelegenheit, erklärt dieselbe für nicht sehr genau und sagt, daß die Absendung neuer Beweisstücke, welche keinen Zweifel über d,e Identität und die Sckuld Hartmann'S mehr »uließen, angemeldet ge ' ist wesen und—daß der Minister Freycinet an dem- ' lb« selben 6. März, an welchem der Ministerrath zur Berathuna zusammengetreten, von der erfolgten Air- kunft dieser Schriftstücke benachrichtigt worden sei. Mit- Das Cabinet Freycinet habe aber geglaubt, die theilung dieser Schriftstücke nicht abwarten zu sollen oder nickt abwarken zu können. Rücksichten der inneren Politik hätten den Beschluß d<H Cabinets veranlaßt, welcher eine Ermulhigung für Mörder darstelle und deshalb sehr bedauerlich bleibe. Eine etwas erzwungene „Herzlichkeit" herrscht neuerdings zwischen Rußland und der Hohen Pforte. Durch die Ermordung des russischen Militair-Attachö Kamerow sind, wie aus Kon stantinopel geschrieben wird, die guten Be ziehungen zwischen der türkischen und der russischen Regierung keinen Augenblick unterbrochen worden Be' - - -- -- eine Zweigniederlassung zur Ausführung ihrer Umsturzpläne zu unterhalten. So haben >etzt in Pari- wohnende Mitglieder der Verschwörung Pari- wohnende Mitglieder der Verschwörung folgenden von vier russischen Journalisten Unter zeichneten Aufruf veröffentlicht: ,An die Feinde der Auslieferung! Französische rger! Hartmann wurde m Freiheit gesetzt. Für unS in Pari- wohnende Russen, Flüchtlinge oder Nichtflüchtlinge, ist eS eine Pflicht, unsere leb- hatte Erkenntlichkeit allen Franzosen auSzudrücken, welche durch ihre feste Haltung, durch entschlossenen Einspruch unseren Kameraden vor einer sicheren Ver- und im Besonderen wurde das Vorkommniß nicht dazu benutzt, um die sonst nahe gelegene For derung zu stellen, daß dem Verbot deö Waffen tragens von Seiten der nicht dem Militaixstand angehörigen Personen mehr Nachdruck gegeben werde Hierin dürste „ein bedeutsames Zeichen der Zeitlage und der Stellung, die Rußland neuerdings im Orient ich zu sichern bemüht ist, liegen. Unter keinen Um randen, DaS scheint sicher, will man in PeterS - >urg eine Entfremdung zur Türkei Platz greifen affen, deren man in den nächsten Zeiten augen- cheinlich bedürfen zu können glaubt und deren Freundschaft man sich um deswillen mit allen Mitteln für den Nolhsall versichert halten möchte. Das Verlangen dabei ist wesentlich aus russischer Seite, während die Pforte, wenn auch nickt ab weisend, so doch überwiegend gleichgültig sich ver hält." Das spanische Cabinet führt ein strammes Regiment und versteht es sehr wohl, nachhaltigen Einfluß auf die Corte- zu üben. Am 9. d. M ist die Verhandlung über die kubanischen An gelegenheiten, welche im Congresse (der zweiten Kammer) sechs volle Wochen in Anspruch ge nommen harte, im Senate in sehr lebhafter Weise fortgeführt worden. Marschall Martinez CampoS hat i» zweistündiger Rede seine Colonial politik vertheidigt und seinen Bruch mit dem Mini sterium in scharfen Worten ausgesprochen. Ca- novaS del Eastillo antwortete tn dreistündiger Rede und griff di« Politik de- Marschalls schonungs los an. W«e gewöhnlich, sprach der Ministerpräsident stolz und herausfordernd und erklärte^umScklusse, er werde niemals die Macht auS den Händen geben, wenn von der parlamentarifchen Minderheit, von der Straße „oder sonst woher" der Versuch ge macht würde, ihn zu stürzen. DaS war em deut licher Hinweis aus einen möglichen Ausstand, und die Kühnheit, mit der CanovaS einem solchen Trotz m bieten wagt, erregt allgemeine- Staunen. In Madrid herrscht große Aufregung, und man glaubt, daß Martinez CampoS der Partei Sa- gasta'S bcitreten werde. Die 3 häufig s russisch Turkm« ausgeschol Stöbet, nehmen > rath ihm geffchts d mit Chi ratificirte In Pe, einem K Armee, Asien» bekanntli laufen, rung ini Gesandte Petersbu Wiederal aeblich r Weise sei fall- sche reiten gei nicht best der Auss Grenze Central-! marodiri zwischen eine gün Nete »ak ä«r 2° ^8 -- 4 ik ° '' « ! t 7. « ! 2 ' 10 ' 8. 6 ' 2 ' S. S ' 2 ' 10 ' 10. I 8 ' 2 ' 10 ' 11. 8 ' 2 ' 10' 12. 6' 3 10 IS. 6 9 !io '1 krü! 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