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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188004284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800428
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800428
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-04
- Tag1880-04-28
- Monat1880-04
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1880
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Achattlon »1 <quMo» Johauuisgaffe SS. >P«chft»»tru »er Lesatttom vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« «—« Uhr. Mr »« Nülk,alx M««» smvt« »acht sich die «kdartto» »tcht ver»til»ltch. Lunabme der für die nichst- -vlarndk Rümmer drstimmte» Inserutt an Wochentaßen dt« V Ähr Nachmittag«, an Sonn- «dSefttagen früh dt«'/.VUhr. La »t« Filiale» fiir Z,s.-Ln»»h»t: Ott« klemm, Universtttlt«fir. 22. L««t« Ldsche.Xatharinenstr. 1S.P. nur dt« V.8 Uhr. UchMer.Tagcdlalt Anzeiger. vrzm fir Politik, Localzeschichte, Haudclr- und SeschSMerkehr. Metz-Auflage 16,200. Itdonnnnrntorrei« viertelt, t V,l iacl. Brinaerlohn b Mk.. durch di« Post bezogen « Ml. Jede einzelne Nummer r» Pf. Belegexemplar 10 Pi Gebühren für Extrabeilagen «hne Postbrsvrderung S» M. »it Postbefvrdrruug 48 Ml. Z»ser,te Sgesp. Petitzeile 20 Pf. Größer« Schriften laut uafrir» PreiSverzeichniß—rabeillariich« Satz »ach höherem Tarif. 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Da« neue Cabinet wird von vielen Seiten als eine direkte Gefahr für den europäischen Frieden angesehen. Wie unseren Lesern bereits bekannt, herrscht in Konstantinopel, wo Gladstone zuerst die Grundsätze seiner Orientpolitik zur Geltung 'bringen dürste, Aufregung und Bestürzung, die ' man seitens der Hohen Pforte mit dem mageren Tröste zu beruhigen sucht, daß eigentlich auch Lord Beaconsfield für die Erhaltung des türkischen Reiches herzlich wenig gelhan hätte. Auch der österreichischen Regierung hat sich bei dem Ge danken einer Wendung der bisherigen dem Wiener Cabinet gegenüber wohlwollenden englischen Politik eine unverkennbare Verstimmung bemächtigt und in Berlin wird dieselbe, wie es scheint, getheilt. Än Petersburg herrscht dagegen eitel Freude nnd SiegeSjubel und die Phalanx der panslavistisch gesinnten Tagesorgane steht wohl gerüstet da, um den Federkrieg gegen Oesterreich und Deutschland mit erneuter Heftigkeit fortzusehen. Gladstone selbst hat durch seine Brandreden bei den Wahlen, seine politischen Essays in verschie« oenen Revuen und einige Unterrttnmgen, welche er neugierigen ZeitungScorrespondenten gewährte, dafür gesorgt, allgemeine- Mißtrauen in seine Politik hervorzurufen. Dennoch erscheint eS uns als eine Pflicht, vor übertriebener Ängstlichkeit zu warnen. Im Eifer der Opposition und in der Hitze deS Wahlkampfes gemachte Aeußerungen sind nicht immer entscheidend für politische Maßregeln, und es ist auch in England ein ander Ding, euro päische Verträge, welche die Regierung Unterzeich nete, hart zu tadeln, als sie umzustoßen; es ist Zweierlei, alS einfaches Parlamentsmitglied einen auswärtigen Staat herabzusetzen und als Minister sich mit diesem Staat zu verfeinden. Verschiedene Anzeichen deuten bereits darauf hin, daß Gladstone jetzt, nachdem er, nächst der Königin, die erste Stelle in seinem Vaterlande erhalten, die Härten seiner Politik abstreifen und seinen Bestrebungen gefälligere Formen geben wird. Die „Neue Freie Presse", welche die Stimmungen deS liberalen Deutschthums in Oesterreich treu widerruspiegeln pflegt, äußert sich in diesem Sinne wie folgt: „Während Gladstone mit seinen Wahlreden wider Oesterreich wüthete und eS als den Hort der europäischen Reaktion schilderte, versichert er jetzt, wie wir aus dem „Standard" ersehen, er wünsche Nichts sehnlicher, als die dauernde Freundschaft Englands mit Oesterreich, wenn unsere Monarchie nach liberalen Grundsätzen regiert würde. Wäl lend er voriges Jahr den Berliner Vertrag als die Quelle alles Nebels, als eine Stümperarbeit bezeichnet?, die man vernichten müsse, läßt er heute durch gute Freunde erzählen, daß er von der Nothwendigkeit, das Werk deS CongresseS in allen wesentlichen Theilen aufrechtzuerhalten, überzeugt sei. Faßt man diese Aeußerungen zusammen, so ergiebt sich der Schluß, daß Gladstone'S Berufun an die Spitze der englischen Regierung zwar keine erfreuliche Thatsache, aber auch kein so verhänaniß- »oller UnglückSfall sein wird, daß man im Aus lände davor zu zittern brauchte. Man mu »uch den mäßigenden Einfluß der College« i Anschlag bringen, von dem man in England da< Beste erwartet. „DaS neue Ministerium", sag die „Edinburgh Review", „wird weder flüchtig noch versuchsweise Vorgehen, seine Mitglieder wer ben nicht so schwach sein, um Anstoß und Richtung von dem Willen eine- einzigen Mannes zu em- Pfaugen, und wir hoffen, daß der Regierungswechsel, wie vollständig er auch sein mcm, keinen plötzlichen Umschlag in der auswärtigen Politik diese- Lande« hervorbringt." Ob diese Erwartung nicht zu sanguinisch ist, werden un- die Thaten Gladstone'« lehren. Für den Eypern - Vertrag z. B. möchten wir keine Bürgschaft übernehmen, aber wir wieder holen, daß wir die Angst, Gladstone könnte Europa r» schwere Verwickelungen stürzen, für übertrieben halten. „Al« Oppofikonsmaun ein Feuerfresser, bläst er als Minister in die Suppe," sagte ein Laud-mann von ihm und seine Amtsführung von ISS« bi« 1874 hat da« Wort bestätigt." Nicht minder treffend äußert sich eine diploma- ische Correspondenz der „Allgemeinen Zeitung": .... In Armenien harrt der türkischen Regierung ein schwerer Prüfstein, und eS wird an britischen Consular-Eingaben nicht mangeln, welche das ge- waltthätige Treiben der dortigen mohammedani- chen Bergvölker im Bunde mit einer nichtsnutzi gen Beamtenschaft in möglichst grellen Farben childern werden. Daß bei solch voraussichtlicher äction auch für Rußland der eine oder andere Vortheil abfällt, liegt in der Natur der Sache. Nimmer aber wird sich England rühmlos und un eigennützig auS dem Orient zurückziehen, um dem nordischen Rivalen das Terrain ganz zu über lassen. Eine Whig-Regierung wird auch kaum gegen Oesterreich-Ungarn intriguiren, weil es Ver hältnisse giebt, die stärker sind alS die Menschen, und wären diese selbst Whigs. Dafür aber kann sich die Pforte darauf gefaßt machen, daß der von ihr so sehr verpönte Berliner Vertrag theilweise Schaden nehmen könnte, und zwar in einer Art, die den Herren am Bosporus kaum genehm sein dürfte. So mag Gladstone'S Energie und Negation der bestehenden Verhältnisse im Orient einer liberalen Regierung immerhin zum Ruhme dienen — die praktischen Interessen Englands wird Dies kaum erschüttern — denn auch die Whigs werden im Orient herrschen wollen, und sie werden es auf Kosten der Türkei. Ruß land mag dann auf seinen Vortheil bedacht sein, er wirb ihm kaum auSbleiden. Die „Wacht am Lim" wird aber so gut wie bisher fortbestehen denn dort steht der äußerste Vorposten der west lichen Culturwelt, die im neunzehnten Jahrhun dert zum mindesten so viel gilt wie die gräco- slavische Orthodoxie in den Augen —Gladstone'S.' Unter den Politikern, welche Gladstone unter stützen werden, ist der Minister des Auswärtigen, Granville, acht der Mann, welcher lieber heute alS morsen die Beschlüsse deS Berliner CongresseS mit Hülse der Südslaven illusorisch machen würde. Man darf vielmehr annehmen, daß seine Politik abwartend, zögernd, wenn nicht zurückhaltend sein werde. Waö immer geschehen möge, man kann mit höchster Spannung dem Vorgehen deS neuen Cabiuets entgegensetzen. Einige Andeutungen über die Mitglieder desselben werden sicherlich von Interesse sein. Der Chef de« „Foreign osfice", Earl George Leveson-Gower Granville, wurde 1815 geboren und im Ehristchurchcollegium zu Oxford erzogen. Bo« Mai 1835 bis August 1836 ÄttachL bei der Pariser Gesandschast, vom März 1840 bis Septr. 1841 UnterstaatSsecretair im Auswärtigen Amte, vom Mai 1848 bis December 1851 Vicepräsidcnt des Handelsdepartements und Generalzahlmeister der Truppen, Commissar der Weltausstellungen von 1851 und 1862, Staatssecretair deS Aeußern von December 1851 bis Februar 1852, Lord präsident des Geheimen Raths von December 1852 bis Juni 1854. Kanzler des HcrzogthumS Lancaster von Juni 1854 bis Februar 1855; abermals Präsident deö Geheimen RathS von 1855 bis Februar 1858, zum dritten Mal von Juni 1859 biS Juni 1866, von December 1868 bis Juli 1870 Staatssecretair der Colonien, von 1870 bis Februar 1874 Staatssecretair des Aeußern. War außerordentlicher Gesandter bei der Krönung des russischen Kaisers 1856, wurde Kanzler der Londoner Universität 1856 und Lord Warden der fünf Häfen December 1865. Im Unterhause vertrat er von 1837 bis 1840 Mor- peth, von 1841 bis 1846 Lichsield, im letzt genannten Jahre folgte er seinem Vater in der Pcerwürde. Er war zum ersten Mal verheirathet mit der einzigen Jochter und Erbin des Herzog- von Dalberg, welche 1860 starb. Er heirathete 1865 Castalm Rosalind, jüngste Tochter deS ver storbenen Walter F. Campbell, ESauire of JSlay. Zum Minister für Indien ist Spencer Comp- ton Cavendish.Marqueßof Hartington ernannt. Er ist der älteste Sohn des siebenten Herzog- von Devonshire und der Lady Blanche Georgina, Toch ter de- Earl os Earlisle. Er wurde am 23 J»li 1833 geboren. !m Trinith-Collegium zu Cambridge erzogen, ward 1852 Baccalaureu* Artium, 1854 Magister Artium und 1862 Doctor der Rechte. Er lst Keheimrath, Deputylieutenant und Friedens richter von Derbyshire und Lancashire, Ehrenoderst de« 2. Derbyshire-MilizregimentS und Ehrenoberst de« 5. Bataillon- der Lancafhire-Freischützen. Vom März bi« April 1863 war er Admiralitätslord, vom April 1863 bis Juli 1866 Krieg-minister, vom December 1868 bi« Januar 187l Geueralpost- »eister, vom Januar 1871 bi- Februar 1874 Ehefsecretär für Irland. Begleitete 1856 den Earl Granville zur Krönung nach Rußland. 1877 wurde er zum Lordrector der Universität Glasgow gewählt. Bon November 1857 bis November 1868 vertrat er im Unterhaus« Nord- lancashire, fiel bei der in diese« Jahr stattgchadten Wahl durch und wurde Februar 1869 im Radner District gewählt, den er bis jetzt vertrat. Bei ven Neuwahlen ist er in Nordlancashire mit großer Mehrheit wiedergewählt worden. Krieg-minister wurde Hugh Culling Eardley ChilderS, Sohn des Reverend Eardley Childers zu Contley in Horkshire; er wurde 25 Jum 1827 zeboren, m der Cheaurschule und Trinity Colle- num zu Cambridge erzogen. Ward Mitglied von cincolns Inn, aber nicht zum Barrister ernannt. Ging nach Australien und ward Mitglied der Ne gierung von Victoria von 1851—1857. Nach Eng land zurückgekehrt, ward er jüngerer Admiralitäts lord von 1864—1865; Finanzsecretair im Schatz amt von 1865—1866; erster Lord der Admiralität von 1868 bis 1871 und Kanzler des Herzogthums Lancaster, mit einem Sitz im Cabinet, von 1872 bis 1873. Seit 1860 vertritt er Pontrefact im Unterhause. Zum Marineminister ist ernannt: Thomas George Baring Earl Northbrook; er wurde 1826 geboren und im Ehristchurchcollegium zu Oxford erzogen. War, ehe er Parlamentsmitglied wurde, nach einander Privatsecretair Labouchere's im Handelsamte, Sir George Grey's im Staats- Secretariat des Innern; des Sir Charles Wood im Indischen Amte und in der Admiralität. Von 1857 bis 1858 Lord der Admiralität, von 1859 bis 1861 UnterstaatSsecretair für Indien, von Januar bis Juni 1861 UnterstaatSsecretair im KriegSamte, dann abermals im Indischen Amte. Von 1861 bis Juli 1866 im StaatSsccretariat deS Innern. Von 1868 bis 1872 im Kriegsamte. Von 1872 bis 1876 Vicekönig von Indien. Im Unterhause vertrat er Pcnryn und Falmouth von 1857 bis 1865. Lord-Kanzler wurde Roundel Palmer Baron Selborne; er wurde 1812 zu Mixbuv' ge- bor-n, zu Winchester im Trinity-Collegmm und Magdalenen-Loüeaium z« Oxford erzogen, erwarb sich weg«» seiner Kenntniß der klassisch», Sprachen wiederholt erste Preise, ward« 1837 Barrister, 1849 wurde er königlicher Rath, 1861 General anwalt, 1863 in den Ritterstand erhoben, 1863 abermals Generalanwalt, legte 1866 dieseS Amt nieder, war Vertreter der Regierung bei den Ver handlungen wegen deS Vertrage- von Washington. War Unterhausmitglied für Plymouth von 1847 bis 1852, von 1853 bis 1857 und für Richmond von 1861 bis 1872, wo er zum Peer erhoben wurde. Er war bereits Lord-Kanzler in dem frü heren Cabinet Gladstone. » * * Das neue Cabinet besteht diesmal nur aus 12 Mitgliedern, da Gladstone die Aemter eines ürst I.orä ol tbo trorwur^ und LüancoUor ok tko kietioquor in sich vereinigt hat; es sind also außer dm oben genannten noch 6 Mitglieder zu ernen nen, und zwar der Präsident deS Geheimen Raths, der Lordsiegclbcwahrcr, der Staatssecretär deS In nern, der Staatssecretär deS Colonial-Amtes, der Generalpostmcister und der Präsident des HandelS- amtcS. Daß Gladstone für sich daS Schatz kanzleramt in Anspruch genommen, hat überall, wie der „N.-Z." au« London gemeldet wird, be friedigt; indem er mit diesem zugleich das Amt eines ersten Lord des Schatzes übernommen, hat er den bis zur Zeit Robert Peel's geltenden Brauch wieder heraestellt, wonach der Premier, wenn er Mitglied de- Unterhauses war, für gewöhnlich diese derben Aemter in sich vereinigte. Der Posten eine- ersten Lords deS Schatzes ist ein bloße- Ehrenamt, was VerwaltungSmühen betrifft, und deshalb ist eS für den ersten Minister der Krone reservirt, obwohl eS in Bezug auf bloßen Titel- Vorrang einigen anderen von rein ceremoniellem Charakter nachsteht. Auch die Reffortarbeit eine- Scbatzkanzlers ist ausgenommen die Zeit, wo da- Budget vorbereitet wird, verhältnißmäßig leicht, daher in letzter Zeit dieser Posten dem Führer de« Unterhauses zugttallen ist, wenn der Premier ein Peer war. Gladstone hat aber, wen» er diese beiden Aemter und die Führerschaft de« Unterhauses wieder übernommen, sich eine herkulische Arbeit aufgebürdet und seine Freunde hegen Befürchtungen, ob seine Gesundheit dieser Ausgabe gewachsen sein werde. Heber die bisherige Wirksamkeit de« seiner Begabung noch sicherlich bedeutenden Manne« schreibt da« „B. T. . Gladstone wurde am 99. December 180« in Li verpool geboren. Schon im Jahre 1839 wurde er unter der Patronage d«S Herzog« von Newcastle, sein,« Studiengenoffen, für den kieraen Flecken Newark al« Tory in da« Parlament gewLhlt. Er gehört« da mals zu jenen starren Torte«, deren Zierde und Stolz er bildete, wie Macaulay in seiner berühmten Kritik der ersten Brochure Gladstone« glänzend auSführt«. Im Jahre 1835 wurde der junge Gladstone von Sir Robert Peel zum jüngern Schatzamt-Lord» un» sehr bald darauf zum Unler-Staat-secretair für die Lolo- nien ernannt, allein da« Labinet Peel hielt sich nur sehr kurze Zeit, und schon nach zwei Monaten endete die AmtSthätigkeit Gladstone'S. Erst im Jahre 1841, al« Peel nach dem Falle der Whig- wieder Premier wurde, ernannte er Gladstone zum Vice-Präfldenten deS Handelsamts und zum Münzmeifter. Im Jahre 1843 erhielt derselbe den Posten eine- Präsidenten des Handelsamtes. Allein wegen einer religiösen Frage, in welcher er nicht die Ansichten deS Labinets theilte, resignirte er aus seine Stelle, und erst ein Jahr darauf trat er wieder in daS Cabinet, aber dieses Mal als Colonial-Minister. Bei Abschaffung der Kornzölle entpuppte sich Gladstone zum ersten Male alS vollständiger Freihändler, ein Umschwung, der dem Einflüsse Cobden'S zuzuschreiben war, und von dieser Zeit an konnte man Gladstone nicht länger zu den ToneS zählen. Im Jahre 1847 stimmte er im Unterhaus« für die Zulassung der Juden in da« Parlament und erklärte seine in der berühmten vrochure vom Jahre 1839 ausgesprochenen Grund ätze „über das Verhältniß des Staate- zur Kirche" ür irrig. Nach dem Tode Peel'S im Jahre 1850 bildete Gladstone im Verein mit Sir James Graham, dem Earl von Aberdeen und noch anderen Staatsmännern die sogenannte Peeliten- oder Manchesterpartei, im Gegensatz zu den Whig« und zu den TorieS, welche letztere unter Derby'« und DiSraeli'S Leitung standen. Der Hauptgrundsatz der neuen Schule bestand in vollständigem Freihandel, in religiöser Gleichberechtigung, Erhaltuna deS Frie dens mit allen Nationen und Sparsamkeit in der inneren Verwaltung. In Jedermanns Gedächtnitz lebt daS denkwürdige offene Schreiben Gladstone'S an den Minister Aberdeen über die Zustände im da maligen Königreich Neapel. Die Italiener behaupten, daß dieses Document nächst den Anstrengungen Cavour's am meisten zu ibrer Befreiung vom Joche der Bourbonen und zur Gestaltung „Italien-" beigetragen habe. Die glänzende Budgetrede Gläd st one's als Schatzkanzler im Jahre 1859 bildete den Anfang einer Reihe der lichtvollsten finanziellen Auseinandersetzungen, welche jemals in einem Parla mente gehört wurden. Während deS Krimkrieges spielten die Peeliten keine beneidenSwerthe Rolle. Erst im Jahre 1860 erhoben sie sich wieder und mit ihnen Gladstone durch den Abschluß deS französisch- englischen Handelsvertrages. Denn ihm und Lodden muß das Gelingen desselben zugeschrieben werden. Nacht auf Nacht kämpfte Gladstone damals für die Beseitigung der Vorurtheile deS englischen BolkcS und Parlaments gegen die Franzosen. Die Regie rung von 1868 bis 1874 zeichnete sich durch innere Reformen au-, hauptsächlich durch die Entstaatlichung der irischen Kirche. Von auswärtigen Fragen bildeie da- Alabama-Schiedsgericht die wichtigste, und ein großer Theil der Engländer kann es Gladstone heute noch nicht vergessen, daß er in dieser Angelegenheit sich do» Amerikanern so willfährig zeigte. Sein Sturz im Jahre 1874 war großentheils dieser Ent scheidung zuzuschreiben. In Folge seiner Ernennung zum Premier muß sich Gladstone in Midlothian einer Neuwahl unterziehen. Politische Uebersicht. Leipzig, 97 April Eine der ersten Vorlagen, welche dem Reichs tag zugegangen, war der Gesetzentwurf, welcher die Budget- und Legislaturperioden zu erweitern verschlägt. Gleichwohl ist diese Vorlage noch gar nicht aus die Tagesordnung gesetzt wor den, und man wird wohl annehmen dürfen, daß dies überhaupt nicht mehr geschieht. Wir Hallen dies auch für die angemessenste Abfertigung einer Vorlage, für die keine einzige Partei deS Reichs tags ein wirkliches Interesse hatte, und auf die offenbar auch die ReichSregierung keinen Werth mehr legt. Angesichts der stillschweigenden Ver werfung der VerfassunaSänderungSvortage ist e« zwecklos, die gegen dieselbe oft genug geltend ge machten Bedenken nochmals vorzuträgen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß gerade die gegenwär tige ReichStaaSsesston den Beweis liefert, wie ver fehlt der Vorschlag nach seinen beiden Richtungen gewesen ist. Einmal ist die Budgetberathung so rasch und glatt verlaufen, daß nur wenige Tage dadurch in Anspruch genommen wurden »nd ein Bedürfniß. gerade diese Verhandlungen ein Jahr umS andere in Wegfall kommen zu lassen, wahrhaftig nicht hervor trat. Sodann aber ist diese Session in einer Weise mit anderweiten Arbeiten überlastet und es muß jedenfalls ein so ansehnlicher Theil der Bor- lagen auf eine spätere Zeit verschoben werden, daß der Gedanke viel näher liegt, eine Extrasession einzuschieben all ein ganze- Jahr lang die Be rufung de- Reichstag« zu Unterlasten. Bei den fast nicht zu bewältigenden Ansprüchen, die gegenwärtig an die Gesetzgebung heranlreten, ist es geradezu unbegreiflich, wie man nur auf de« Gedanke» kommen kau», mit einem nur m jedem zweiten Jahr zu berufenden Reichstag auSkommen zu können. ES erhebt sich dabei aber die Frage, warum überhaupt ein solcher von vornherein aus sichtsloser und die politische Welt ganz unnvthig aufregender Gesetzentwurf eingebracht worden. Man hat sich beritt, die Nachricht zu dementiren, daß im preußischen Minrsierrathe bereit« beschlossen wäre, eme Vorlage behufs Erlheilung
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