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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188005148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800514
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800514
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-05
- Tag1880-05-14
- Monat1880-05
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1880
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Erschein tLgltch früh 6'/, Uhr. Ms««»» «l» «ipeM», gohamü-gaffe U. >P«chß»»de, »« Le»«««»- vormittag« 10—12 Uhr. N»chmittags 4—s Uhr. WM M» «Kk^br «n,<j-nd,kr , Macht sich d- «rdoctt«. 'LUH. »er für die «ächst- Nnmmer defttmmt« an Wmhnuagen dt« Nachmittags, au Sonn- «ch Festtag« früh bis'/.» Uhr. Ml M, SVtatr« für 2»ß Tnnah«: Ott» Klemm. Uuiversttätsstr. 22, ! LÜfchr.Katharineustr. 18,p. «tt bis '/^ Uhr. Wp)igcr.TagcblM Anzeiger. Orzan für Politik. Lotalgeschichte. Handels- und Geschäftsverkehr. Auflank 16.00V. Ld»,»t«r>t«,rri, viertelt. incl. «rinaerlohu b Mk. durch die Pofi bezog« « «L Jede einzelne Stummer 2t Pf Belegexemplar 10 Pf. Sebübrrn für Extrabeilage» »hne Postbefdrderuvg SS Mi mit Postdefbrderung «8 Ml Achrratr Sgefp Petitzeile 2» Pf ArSyere Schrift« laut nuferem Preisverzeichnis —Lvlxllarrsche Satz nach höherem Tarif. Rrrlmm» mrter de» Uesacttlmrßttch die Spaltzeile 40 Pf Inserate find stet« au d. trpettti»» zu send«. — Rabatt wird nicht gegeben Zahl 160. Areitag dm 11. Mai 1880. 74. Jahrgang. Bekanntmachung. Die in den Raths-Forstrevieren erstandenen Hölzer sind innerhalb 14 Tagen abzusahr«, widrigenfalls nach dm Licttationsbedingungen verfahren werden müßte. Leipzig, am K. Mai 1880. DeS NattzS Forft»eputatiou. Bekanntmachung. ES ist mehrfach vorgekommen, daß Privatpersonen die von unS zur Reinigung der städtischen Schleuß« angenommenen Arbeiter zur Reinigung der Privatsckleußen während der Zeit, für welche jene Arbeiter für die Stadt thütig zu sein haben und auS der Stadtcaffe ihre Bezahlung erhalten, verwendet haben, daß sogar der Unrath auS den Privatschleußen durch städtische Geschirre abgefahren worden ist. Wir warnen dringend vor dieser unstatthaften Benutzung unserer Arbeiter und Bediensteten zu Privat zwecken, und vor solcher Verleitung der bezeichnet« Personen zur Untreue, und glauben, daß diese Mahnung genügen wird und wir der Notbwendigkeit überhol»« sein werden, anderweite Maßregeln zur Verhütung der vorgekommenen Ungebührniffe und der dadurch herbeigeführten Schädigung der Stadtcaffe zu ergreif«, Leipzig, am 4. Mai 1880. Der «attz -er Stasi LeiOzia. vr. Georgi. vr. Wangemann. Bekanntmachung. Hierdurch bring« wir zur allgemeinen Kenntniß, daß wir beschlossen haben, den von der Leipziger Jmmobiliengesellschast innerhalb de- ,Kurprinz"-Grundstücks angelegten Straß« folgende Namen zu geben: 1) der die Fortsetzung der Brüderftraße bildenden Straße den Namen «rüder ftratze, 31 der mit dieser Straße parallel gehenden Straße, welche bis zur Turnerstraße fortgesetzt werden soll, den Namen Leplay Stratze, 8) dem zeitherigen „Schrötergäßchen" den Namen Kur-rinjftrahe und 4) der mit der letzteren Straße parallel laufenden Straße de» Namen Jadlonowsky-Stratze. Leipzig, den 11. Mai 1880. Der «ath der Stadt Leiz»,ig. vr. Georgi. Wilisch, Aff. Atrrnix övs Srrtllkdtzll Vtzrlrli8vervlii8 der 8taät I^lprlx krvllag, den 14. Aal, Xdvnds 6 vdr, Iw ktaals dsr Lest«» Vllrgsrsekalv. Tagesordnung: 1) vcrickt de» Xussckusses kür 8t,ndes ängelcxenbeiten über die beim Vlll. Xerrtetag rur Verhandlung kommenden kragen, „ärrtl. vnterslütaungsnesen" betr. sVercinsbl. 95, 8. 46). — 8) keriekt desselben Xussckusses über den Vorseblag vr Istedings (krankenberg) berügl. einer 8elbstbesteueruag der Xerrte au Ounsten der Invslidenessse (lies. vr. k. X INeissner). — 3) kericbt über die vom Oesebsstsaussekus» des Xerrtevereinsdundes ausgestellten kragen: die 8lellung der Xerrle rur l-eMerbeordaung und die kledicinal rekorm betr. (Vereinsblatt 95, 8 47; lies. vr. veinre). — 4) verickt de« 8»»itäls»U88cku88es, „Instruction sür die dcutscken Implärrte" betr. (Vereinsdlatt 89, 8. 148). — b) öescklusssassung über eine slatutariscke 8e- «timmung, die rur Xenderung der llesckästsordnung nötkige Xakl sick betkeiligender Mitglieder betr. — 6) vespreckung eines gemeinscbastlicken Xustlugs rur vesicktigung der Irrenanstalten bei Lolditr I»r. 1'los». Waldgräserei-Verpachtung. Mittwoch, den 26. Mat d. I. soll im Forstreviere Rosenthal die diesjährige Grasnutzung parcellen- weise unter den im Termine näher bekannt zu machenden Bedingungen und gegen sosortige Zahlung der Pachtsumme nach dem Zuschläge meistbietend verpachtet werden. Zusammenkunft: Nachmittags 3 Uhr am Gohliser Wehr am Rosenthal. Leipzig, am 10. Mai 1880. Des Raths Forftdeputatio«. Parlamentarische Lage. ** Berlin, 12. Mai. Je näher wir dem Wiederbeginne der Session deS preußischen Landtage- kommen, um so mehr gewinnt eS den Anschein, als ob die Abgeordneten sich trotz be drohenden Hochsommers auf eine recht langwierige Sitzungsperiode gefaßt machen müßten. Zwar mit der Iagdordnung wird e« trotz deS Wunsche- de- Herrenhauses und vieler konservativer Großgrund besitzer im Abgeordnetenhause diesmal Nicht-, aber da« Gesetz Uber die Organisation der allgemeinen Lande-verwaltung wird zu seiner Bollendung harte Kämpfe erfordern, die jedenfalls geraume Zeit in Anspruch nehmen. Am drohendsten steht aber die kirchenpolitische Vorlage da, die ja nach den neuesten Andeutungen einen viel bedeutenderen Umfang an- unehmen verspricht, als man anfänglich erwartet tte. Abg. vr. Majunke ist gestern Abend nach o m abgereist; ob er aber wirklich im Aufträge seiner Fraktion geht, um Instructionen von der Curie zu erbitten, darf doch billig bezweifelt werden. Bon der politischen Presse Preußens und Deutsch lands ist ein bedeutsamer Artikel über „Da- an- sangende Ende des Culturkampfes" lange nicht genug beachtet worden, welche der berühmteste protestantische Kirchenhistoriker unseres Zeitalters, der «reise Professor vr. Karl Hase, von Rom au- für die „Protestantische Kirchenzeituna", das Organ de- deutschen Protestantenvereins, geschrieben hat. Jetzt verlautet endlich aus authentischer Quelle, daß dieser Artikel da- Resultat eines Ge spräches darstellt, welches Hase mit dem ihm be freundeten Cardinal Hohenlohe in vertrauter Stunde gepflogen, und baß die Niederschrift Hase's vom Cardinal Hohenlohe sofort dem Papste Leo Xlll. ins Italienische übersetzt worden ist. ES verlohnt sich daher wohl, den Gedankengang de« Aufsatzes zu wiederholen, wenngleich nach den letzten Auseinandersetzungen des Reichskanzler- mit den parlamentarischen Ultramontanen eS beinahe den Anschein gewinnen könnte, als ob die Hoffnung, aus dieser Basis zu einer Verständigung zu ge langen, völlig Aeschwunden sei. Hase erfreut sich de- ersten nachgiebigen Schritt- der römischen Curie, den er in dem Schreiben des Papste- an den Erzbischof von Köln findet, und wünscht denselben ins Praktische übersetzt dadurch, daß die bischöflichen Behörden Priester, die vor dem Mai 1873 anstellungsfähig waren, anstelle» oder versetzen mit Anzeige an den Oberpräsidenten der Provinz. Da- Weitere sei bedingt durch die Aushebung de- Staatsexamen» über Philosophie, Geschichte und Literatur. Das Abgangszeugnis der Reife von einem deutschen Gymnasium und dreijähriges Studium auf einer deutschen Universität alS die festzuhaltende Be dingung eine- theologischen Examen- werde auch der römischen Kirche ein wissenschaftlich gebildetes Priesterthum sichern. Zur Versorgung der ver- waisten Gemeinden und zur Beschäftigung des zeu bisher ausgeschlossenen Priesterthum» werde die Aufhebung des Staatsexamen« die Bahn eröffnet sein. Ferner sei der Gerichtshof für gliche Angelegenheiten, den Rom dock niemals örmlich anerkennen werde, event. durch da- Ge- sammtmiaisterium zu ersetzen. Die entsetzt« Bischöfe könnt« sich an die Gnade de- Monarchen stunden, um rkhabilitirt zu werden ; wofern sie Dies aicht thät«, se»« durch die Domkapitel BiSthumS Verweser z« ernennen. Mancherlei Unbefriedigtes werde in dem Berhältniß zwischen Staat und Kirche immer bleib«, aber eS werde dann Sache -eine- daitsch« Gesandt« beim Vatikan sein, die mancherlei Verwickelungen und Schwierigkeiten von Fall zu Fall persönlich zu vermitteln. ES wird kaum mehr zu bezweifeln sein, daß die Vorlage wegen diskretionärer Hand habung einiger Bestimmungen der kir- chenpolitischen Gesetze in der That bereits die Sanktion de- Staatsministeriums erhalt« hat und dem Abgeordnetenhause bald nach seiner Wieder eröffnung zügehen wird. Auch der Reichskanzler hat das in seiner neulich« Rede angedeutet. Die Nachsession, deren Aufgabe man anfangs allein auf die Berathung der oben genannt« Gesetze be schränkt glaubte, wird dadurch ein ganz eigen artiges Gepräge und eine sehr weitreichende Be deutung gewinnen. Wie die Stellung der Par tei« zu dieser Vorlage sich gestalt« wird, ist einst weilen ziemlich müßig zu untersuchen; es liegen noch viel zu svärlicke Anhaltspunkte zur Beur- theilung des eigentlichen Inhalts dieses Gesetz entwurf- vor, und eS wird bis auf weiteres weder vom Centrum noch von den Nationallibe ralen vorausgesagt werden können, wie sie sich zu dem Antrag stellen werden. Die Vorlage hält sich nach Allem, was darüber verlautet, so weit außerhalb des Rahmens der regelmäßigen Gesetzgebung, sie widerspricht in gewissem Sinne dem Grundbegriff derselben so stark, daß jedenfalls nur ganz eigenartige politische Verhält nisse und Erwägungen eine so außergewöhnliche Maßregel rechtfertig« können und die Beschrän kung auf eine gewisse Probezeit eine unerläßliche Forderung sein wird. Ob gerade Herr v. Putl- ka m c r, dem der Reichskanzler neulich erst bezeugte, er sei vielleicht der Curie schon zu weit entgegen- gekommen, der rechte Mann ist, um ihm die Ent scheidung über die Art und Weise der Handhabung kirchenpolitischer Gesetzesbestimmungen anzuver trauen, wird die liberale Seite de- Abgeordneten hauses ernst zu erwägen Hab«. DerCultuSministcr ist m der Regierung unstreitig am meisten der Vertrauensmann derjenigen, aus Conservativen und Centrum bestehenden parlammtarisch« Com- bination, die der Reichskanzler vor wenigen Tagen schärfer als irgend Jemand verurtbeilt hat. Wenn der Minister dm ultramontanen Wünschen bisher nicht weiter «tgegengckommen ist, so lag eS schwer lich an seiner mangelnden Neigung, sondern an den bestimmenden Vorschriften der Gesetze, an denen der persönliche Wille eines Ministers eine Schranke findet. Wie die Sachen heute liegen, fehlen uns sehr die Garantien, die un- eine Locke rung der Gesetzesvorschriften einem Frieden zu Liebe, von besten Aussehen und Charakter sich noch Niemand eine Vorstellung mach« kann, leicht hin nehmen ließ«. Der Verlaus und der unbefriedigend« Schluß der Reich-tagSsession macht sich innerhalb unserer Regierungskreise in Aeußerungm geltend, die unter hier lebendm Abgeordneten zum Theil dahin gedeutet werden, daß der Kanzler an eine Auslosung deS Reichstage- für dm Herbst denkt. Zweck derselben wäre, durch Neuwahl« eine liberal-conservative Majorität zu bilden!, die sich fest genug erweis« würde, nm nicht blos in der Negative gegen das Eentrum, sondern auch in der positiven Unterstützung der Regierung einig zu sein. Eingeweihte Person« sind indessen der Meinung daß die Grundlagen für eine Verständigung mit der nationalliveralen Partei erst ,m Land tage gesund« werden könne, weil es sich seilen der letzteren doch dämm handeln müßte, der Re gierung bei den Wahlen nicht auf jenen Weg« begegn« zu wüsten, die in der Wahlcampagne von 1878 so verhängnißvoll für beide Theile ge worden sind. Beklagt sich doch Fürst BiSmarck darüber, daß die Natwnalliberal« unter der Füh rung LaSker'S damals ein« Angriffskrieg gegm ihn unternommen hätten. Durch den Austritt dieses Führers aus der Fraktion hätte die Regie rung Gelegenheit, ihre Loyalität und ihren aut« Will« zu einer neu« Verständigung darzuthun. Politische Ilebersicht. Lei-»i«. 13 Mai. Die wehmüthig« Betrachtungen de- Reichs kanzlers über da- Anwachsen der particula- ristrschen und dm Rückgang der nationalen, auf die Befestigung der Reichseinheit gerichteten Bestrebungen haben allerwärlS einen tiefen Ein druck hinterlasien: von diesem stell« hatte man sie mit solcher Schärfe noch niemals vortragen hören und docy wird man ihnen nur bis zu einem ge wissen Grade Berechtigung zuerkennen können. ES liegt ja in der menscklichen Natur, daß eine hoch flehende Begeisterung, wie wir sie in den ersten 5ahr« de« neuen Reiche- erlebt, mit der Zeit einigermaßen erkaltet oder sich nicht mehr in der ' über« lauten und stürmischen Weise äußert; während deS Ringens um ein hohes ideales Gut wird der Eifer und die Anstrengung immer größer sein als nach Erreichung des Ziels. Eine gewisse Ebbe nach einer hochgehenden Fluth ist ein zu natllr- licherProceß. als daß man darum berechtigt sein sollte, auS dieser Erscheinung allzu tragische Schlüffe zu ziehen. Einem Reichs tag, der soeben die gewaltigen neuen Anforderungen der Militärverwaltung in patriotischer Fürsorge für die Sicherheit des Vater landes bewilligte, hat man nicht das Recht, Mangel an Hingebung und Opferwilligkeit für die natio nale Sache vorzuwerfen. DaS sollte man sich namentlich bei unfern übelwollenden Nachbarn merken, welche auS einigen, momentaner Mißstim mung und Gereiztheit des leitenden Staatsmannes entspringenden trüben Betrachtungen den Schluß ziehen, unser Reich zeige an allen Eck« und Enden klaffende Riste und Sprünge und es bedürfe nur eines Stoßes von außen, um das Werk der deut schen Einheit zu Fall zu bringen. So schwach und schwankend sind denn doch die Grundlagen unseres Reiches nickt, daß jede aus- oder abgehende Strömung, jeder Kampf derPartei«, wie er allerwärtö dienoth- wendigeBeigabc eines regen politischenLcbenS ist, AlleS in Frage stellte, was wir in einem Jahrzehnt errun gen. Wir leugnen, daß bisher wahrhaft nationale Forderungen am Widerstand parlicularistischer Be strebung« gescheitert sind. Unsere Reichsvertretung besitzt noch immer eine große Mehrheit, deren sicher und gut nationaler Charakter nicht zu bezweifeln ist und die oft genug gezeigt hat, daß sie bei ent scheidenden Frag« untergeordnetere Parieigegen sätze in dm Hintergrund zu dräng« vermag. Die Iugmd unserer nationalen Einheit zeigt sich darin, daß wir sie bei jeder Gelegenheit bedroht glaub«. Mau kann gewiß ein gut nationalgesinnter Mann und doch der Meinung sein, die Freihasenstellung der Hansestädte schädige da- nationale Intereste nicht und das schroffe Vorgehen der preußischen Regierung in dieser Frage sei nicht am Platze gewesen; man kann der Meinung sein, unsere wirthschaftlichen Interest« gedieh« bester bei einer freihändlerisch« al» bei einer sckutzzvllnerischen Politik; man kann ein Gegner de- Tabakmonopol» oder einer übermäßigen Anspannung der indirekten Steuern, kurz man kann in einer großen Reihe wich tiger Tagesfragm die herrschende Strömung nicht für glücklich und ersprießlich halt«; aber ist e» gerecht, wenn daraus gleick ein Mangel an na tionalem Sinn, ein Rückschlag in der Hingebung an die vaterländische Sache hergeleitet wird? An diesem Fehler, in jedem Widerspruch gegen ein zelne, meist wirthschaftjiche Projekte einen Wider spruch gegen die großen Grundfragen seiner na tionalen Politik zu erblicken, scheinen un- auch die jüngsten Betrachtungen de- Reichskanzler- zu leid«. In keinem Lande der Welt würde man um solcher Meinungsverschiedenheiten will« die nationale Gesinnung des Gegner- in Frage stellen. DaS nach den weitschichtigsten Berathung« nun mehr zu Stande gekommene Wuchergesetz findet auch jetzt noch eingehende Erwägungen. So fällt der ReichSgericktSrath vr. B 8 hr folgende- Urtheit, da- er in einem au ein ReickStagSmitglied gerichtet«, durch die „Hessische Morgenzeitung" ver öffentlichten Schreiben niedergelegt hat: ES ist erstaunlich, daß man ein so tief eingreifen des Gesetz in so unpraktischer Form ergehen last« will. Man könnte gerade so gut ein Verjährungs gesetz dahin fasten: „Der Richter bat eine Klage al» verjährt zurückzuweisen, wenn er findet, daß sie un- verhältnißmäßig spät angestellt sei." Die nacktheiligen Folgen werden nicht auSbleiben. Ein Theil der Staatsanwälte und Richter (und zwar nickt die schlechtesten) werden Bedenken tragen, von einem so willkürlichen Gesetz überhaupt Gebrauch zu machen. Bei anderen aber wird sich die Handhabung deS Ge setzes sehr eigenthümlick darstellen. Beim Mangel jeder objektiven Grundlage für die Anwendung wird persön liche Gunst oder Ungunst, mindestens dem Anschein nach, darüber entscheiden, wer auf die Anklagebank gesetzt und gestraft werden soll. Weit entfernt, die Moral zu fördern, wird so das Gesetz den Glauben an Recht und Gerechtigkeit zerstören. Denn Nicht- vernichtet diesen Glauben so sehr, als wenn dieselbe Handlung bei dem Einen bestraft wird und bei dem Anderen ungestraft bleibt. Von einer gleichmäßigen Praxi-, die sich entwickeln würde, kann gar nicht die Rede sein, da ja bei Aufhebung der Berufung in Straf sachen jedes Landgericht über den Begriff deS Wucher- souverän entscheiden wird. Daneben wird noch der Civilrichter, wiederum souverän, vielleicht über den nämlichen Fall ganz anders enffcheiden. Ein Wirr warr ohne Gleichen! Auf die Creditverhältniste aber wird daS Gesetz die Wirkung üben, daß kaum Jemand, der sich in Roth befindet, noch ein Darlehn, für welches er mehr als 8 oder «Proc. zu geben bereit ist, erlangen kann. Denn welcher Darleiher mag eS riSkiren, daß er von einem diensteifrigen Staatsanwalt auf die An klagebank befördert wird? Solche Rothdarlehen wer den sich daher aus andere Rechtsformen Wersen und namentlich wird der Wechsel dazu herhalten müff«. Die Darlehnsempsänger aber werden die Schwierig keiten, die das Gesetz den Darleihern bereitet, mit doppelten Zinsen bezahlen müssen. Die schlimmsten Folgen wird aber daS Gesetz aus die civilrechtlichen Streitigkeit üben. Wer es auch nicht wagt, den StaatSanwalt um Bestrafung anzugeben, wird doch in zahlreich« Fällen, um sich von Zinsen frei zu machen, im Eivilrechtsweae den Einwand versuchen, er habe Wucherzinsen versprochen. Und nun soll der Civilrichter entscheid«, ob die Voraussetzungen des 8. 1 des Gesetzes vorliegen. Einen solchen Streitstoff durch ein neue- Gesetz in die Bevölkerung hinein zu wersen, zu einer Zeit, wo man die Proceßkoften so erhöht hat, daß jeder Procrß schon an sich als eine Lalamität betrachtet werden muß, ist m meinen Aua« «in« schwere Schädigung de» VolkSwohles. Wenn man «n Oesterreich und einigen anderen an die Türkei grenzenden Lände« ein ähnliche» Gesetz erlassen hat, so mag Da» hingeben; dort wird man wohl auch Etwa» türkisch« Justiz ertragen können. Daß man aber so etwa« der deutschen Justiz zumuthet. ist in der That überraschend. Ließe man m eine« Sesetzbucke die Begriffe von Diebstahl oder Betrug ohne nähere Bestimmung, so würde die Wissenschaft im Stande sein, diese Begriffe sich selbst zu bilden. Niemand aber kann « priori sagen, wo erlaubtes Zinsennchmen in Wucher übergeht. Und doch wird von der deutschen Justiz Die- verlangt. Ist es doch, als ob man ihr AehnlicheS zuriese, wie Königin Elisa beth ihrem unglücklichen Se.-retair Davison, dem sie Maria's TodeSm theil ohne jede nähere Weisung m die Hand giebt: Ja, Sir! Gott legt ein wichtige-Ge schick in Eure schwachen Hände. Fleht ihn an, daß
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