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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-05-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188005148
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800514
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800514
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-05
- Tag1880-05-14
- Monat1880-05
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.05.1880
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Werk Anlage zum Lnpüger Tageblatt und Anzeiger. .v» i««. Freitag den 14. Mai 1880. 74. Jahrgang. königliches Landgericht. Procctz gegen vr. pd. Simon «latlfteru. (Schluß.) * Leipzig, 13. Mai. Unter fast noch bedeuten derem Andrange deS PublicumS wurde am heutigen Nachmittag die Verhandlung gegen vr. Simon Glatt st er n wieder ausgenommen. Wir schicken voraus, daß der Gerichtshof auS den Herren Kammer-Director Rein, LandgerichtSrLtben Justizratb von Bose, Sachße und ObenauS und HülsS- richter Divisions-Auditeur vr. Pechwell zusammen gesetzt war. (AIS GerichtSschreiber fungirte Herr Referendar Kroker.) Der Herr Präsident machte zunächst bekannt, daß am heutigen Vormittag die commifsarische Befragung de» Frl. Neumeister versucht, daß die Dame indessen von Krämpfen befallen worden sei und daß zunächst Entschließung über event. Vertagung oder Fortsetzung der Verhandlung zu fassen sein werde. Herr LandgenchtSrath Hahn, als Vertreter der königlichen Staatsanwaltschaft, beantragte, die Verhandlung zu Ende zu führen, da er von einer Aufschiebung nut Rücksicht auf den anhaltenden Krank beitSzuftand deS Frl. Neumeister sich keinerlei Resu tat verspreche, und daraus eine Aufschiebung ohne Ende folgen dürfte. Die Vertheidigung, Herr RechtSanwalt Frei tag I., war mit der Staatsanwaltschaft einverstanden und auch der Gerichtshof schloß sich dieser Ansicht an. ES erhielt hiernach und da die Beweismittelliste erschöpft war, Herr Landgerichtsrath Hahn das Wort zum Schlußvortrag. Der Vertreter der kgl. Staats anwaltschaft hielt für erwiesen, daß sich der Ange klagte eines achtfachen Betrugs schuldig gemacht, inso fern er daS Vermögen deS vr. Wiem, Fehrmann's, Hörnig'S, vonJahn's, Oelze'S, Eckftein's, Seidel'S und deS Frl. Böhm in der bereits besprochenen Weise be schädigt habe und zwar dadurch, daß er in den genannten Verletzten einen Jrrihum erregte, indem er sich unter Verschweigung seiner finanziellen Notblage durch sein Auftreten und Leben den Anschein eineS ver mögenden, ja wohl reichen Mannes gab. Gegenüber den alS Prival-Secretaire engagirten Leuten habe der Angeklagte auch noch den Irrthum erregt, daß er einen schriftlichen AnftellungS-Eontract abfaßte und Unterzeichnete, obschon eS dem Angeklagten an dem guten Willen zum Zustandekommen gebrach. Der Betrug gegenüber Frl. Böhme sei in der fal schen Vorspiegelung zu finden, daß das Darlehn nur dazu habe dienen sollen, eine Bürgschaft zu begleichen, die Glattstern in Dresden übernommen gehabt, und waS den Seidel'scken Fall anlangt, so sei erwiesen, daß er dem Verletzten einen von Hornig ihm über- gebenenDepositenschein übergeben, indessen verschwiegen habe, daß e» bei der Erhebung des Geldes (Seidel hatte Glattster« auf daS Papier hin SOO geliehen) einer Mitwirkung de» Deponeten Hörnig bedürfe, (zu welcher sich der ohnehin beschädigte Hörnig nimmer mehr entschlossen haben würde. uebrigenS halte er dafür, daß hier daS fort- gefetze Verbrechen deS Betrugs vorliege und daß diese Handlungen der Ausfluß eineS und desselben Willens seien; er stütze seine Ansicht darauf, daß der Angeklagte erwiesenermaßen den Entschluß gefaßt, fein wüsteS Leben foitzusetzen. Die Ergebnisse der Verhandlung in dem Fall Neumeister dagegen seien nicht dazu angethan, den Einwand deS Angeklagten, daß er sich falscher Vor spiegelungen nicht bedient habe, zu widerlegen. Er habe vielmehr die Ueberzeugung gewinnen müssen, daß Frl. Neumeister eine gutmülhige. leicht zu lenkende Person gewesen, welche über die Vorgänge keine ge nügende Auskunft werde geben können, und selbst bei einer belastenden Aussage werde, mit Rücksicht eben auf den persönlichen Zustand der Genannten, eine genügende Ueberführunq Glattstern's kaum zu ermöglichen fein. Was endlich die Unterschlagung der 753 .^t, des RefteS der Sammlung für einen milden Zweck, an lange, so seien die Geständnisse des Angeklagten in dieser Beziehung geeignet, den Verbrechensbegriff vollständig zu decken. Was die Strasausmessung anlange, so habe er dem Gerichtshof anheimzugeben, wie es nicht auS der Luft gegriffen sei, daß der Angeklagte ein wüstes Leben geführt habe. Er, der Vertreier der Staatsanwalt schaft, habe bei der heutigen Expedition in der Woh nung des Fräul. Neumeister Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, daß es dem Angeklagten schlechterdings unmöglich gewesen sein würde, solche wahrhaft un sinnigen Ausgaben mit seinem eigenen Gelbe zu be streiten und zu leben wie ein indischer Nabob. Hier zu habe eS dem Angeklagten an der Berechtigung gefehlt und sein an den Tag gelegtes scheinheiliges Benehmen vermöge ihm nicht zur Entschuldigung zu gereichen Herr RechtSanwalt Freytag l. gab unum wunden zu, daß der Angeklagte sich hinsichtlich jener Eauliour-Manipulatillnen ftrasgesetzlich verantwortlich gemacht habe; indessen man ,rre, wenn man glaube, Glattstern unter jene'chochstapler zählen zu sollen, die darauf «uSgehen, von Stadt zu Stadt zu ziehen und Diejenigen, die sie treffen, auszusaugrn, wenn er auch nicht verkenne, daß der Angeklagte schon sehr nahe daran war, diesen Weg zu betreten. Der Herr Vertheidiger entwarf nun nochmals in kurzen Zügen ein Bild von der Herkunft, der Er ziehung und der Lebensweise de- Angeklagten, der von Hause auS daran gewöhnt worden, Ansprüche «n das Leben zu machen, der aber auch eifrig bemüht gewesen, durch schriftstellerische Thätigkeit die Mittel zur Fortsetzung des guten Lebens zu beschaffen. Wenn von intimen Beziehungen seines Defendenden »u Frl. Neumeister gesprochen wordm sei, so halte er den Augenblick für geeignet, den hierüber im Publicum verbreiteten falschen Meinungen zur Ehre der Dame mit der ernstesten Versicherung zu begegnen, daß auch kein Schatten auf der Lame last« und daß diese- Verhältniß mehr als ein wirkliche- Freu nd- schaftsbündniß nicht gewesen. Im weiteren Verlauf seiner Vertheidigungsrede be tonte Herr Rechtsanwalt Freytag, daß dem Ange klagten, sich einen Vorleser zu halten, so nothwendig gewesen wie, das täglich« Brod und die Wohnung, und er bestreitet, daß sein Defendent» ein wüfte- Leben geführt; derselbe habe sich eben nur anständig« Möbel und eine werthvolle Bibliothek an- lefchafft; es sei Dies, «it Rücksicht auf seine be schränkten Mittel, allerdings unrecht, aber Dies sei auch nur die einzige Ausgabe gewesen, und ein ver schwenderisches Leben habe Glattstern darum noch nicht geführt. Der Angeklagte habe gesehen, daß daS Hau» in nächster Zeit »usammenstürzen müsse; eS war ihm unmöglich, die Schulden und Wucherzinsen zu zahlen, dazu kam seine Blindheit und waS sei ihm nun übrig geblieben? Er habe keinen Selbstmord begehen wollen, den er schon einmal auSzuführen versucht; da sei ihm der Gedanke gekommen, m Monaco sein Glück zu versuchen. Glattstern, der kein Spieler war, ja der noch kein Roulette gesehen, habe sich in den Gedanken bineingelebt, und wie der Ertrinkende nach dem Strohhalm greife, so habe Glattstern seine ein zige Rettung im Spiel, in Monaco gesucht; in ibm habe eS fest gestanden, daß er gewinnen müsse. Um nun aber die Geldmittel zu erlangen, sei er schließ lich zu jenen Betrügereien verschritten. Aus die Fälle selbst eingehend, so gab der Herr Vertheidiger den Seidel'schen Fall der Beurtheilung des Gerichtshöfe- anheim; waS den Neumeifter'schen Fall anlange, so pflichte er der ftaatsanwaltscbaft- ltchen Auffassung bei, und hinsichtlich des Böhm'schen Falles seien »war Versprechungen gegeben, nimmer mehr aber falsche Thatsachen vorgespiegelt worden, ebenso wenig liege in dem Gebühren Glattstern's gegenüber dem vr. Wiem ein Betrug, nicht minder sei die Unterschlagung der 753 als solche uner- wiesen geblieben und so beantrage er nur Bestrafung wegen deS noch übrig bleibenden Betrugs in den CautionSfällen mit Oelze und Genoffen, bitte aber, die schon vorhin zu Gunsten Glattstern's sprechenden Momente bei Abmessung der Strafe nicht unberück sichtigt lasten zu wollen. Der Gerichtshof zog sich, nachdem Glattstern die Schlußfrage, ob er se bst noch EtwaS zu seiner Ver teidigung vorrubringen habe, verneint hatte, zurück. Nach andcrthalbstündiger Berathung wurde das Ur- theil verkündigt, durch welche- Glattstern wegen Betrugs und Unterschlagung zu acht Jahren Ge- fängniß und fünf Jahren Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt, auf die Strafe jedoch ein Zeitraum von zwei Monaten als durch die Unter suchungshaft verbüßt erachtet wurde; nur hinsichtlich des Betrugs gegenüber Frl. Neumeister wurde der Angeklagte freigesprochen. Lehrerverein. In der Sitzung vom 29. Avril begrüßte und be glückwünschte zunächst Herr Stötzner den 2. Vorsitzen den des Vereins, Herrn Dir. Böhm aus Plagwitz, welcher am 19. April sein 2bjährigeS Amtchubiläum feierte. Hierauf sprach Herr Lehrer Berlin über: „Die Orthographiefrage und deren Lösung in Oesterreich. Baiern und Preußen." Der Redner führte Folgen des auS. Der unhaltbare Zustand unserer heutigen Recht schreibung ist seit Jahrzehnten wohl allseitig aner kannt worden und man hat eS sich ernstlich angelegen sein lassen, eine wirkliche Rechtschreibung herzustellen Aber trotz aller Bemühungen ist keine Einigung er zielt, es ist im Gegentheil dadurch die Verwirrung in den Schulen nur noch größer geworden. Da schreibt man in der einen Anstalt nach dieser Weise, in einer zweiten nach einer andern; ja der Fall tritt nicht selten ein, daß in derselben Anstalt in den verschiedenen Elasten verschiedene Rechtschreibungen getrieben werden. Hieraus erklärt es sich auch, daß die Volksschule in vielen Fällen mit der Beibringung der Orthographie nicht fertig wird. Und doch sollte eine wirkliche Rechtschreibung durch einfach leichte Aneignung Eigenthum der Kinderwelt und des ganzen Volkes werden können. Referent verbreitet sich nun weiter über die Reform beftrebungen nach historischem und phonetischem Prin cipe und kam zu dem Schluffe, daß durch einseitige Betonung deS einen PrincipS nicht geholfen werden könne. Mit Vernaleken verwarf er auch, daß eine Schreibeinheit durch die einzelnen Regierungen vor geschrieben werde. Der Unterricht in den Schulen brauche allerdings eine gewisse Einheit, aber der VerordnungSweg sei nicht der richtige. Die sonder staatlichen Verordnungen verwirrten nur um so mehr, und errichteten eine Scheidewand zwischen der Schule und den Schriftstellern. Es genüge ein Nachscblage- buch, welches im Aufträge der deutschen Reichsbehörde anzufertigen und von Reichs wegen allen Schulen zu empfehlen sei und aus einer Einleitung und einem motivirten Wörterverzeichnisse bestehen könnte. Nach einer eingehenden Vergleichung der neuen preußischen, baierrschen und österreichischen Oltho graphie, schloß der Referent mit den Worten Raumer's „Auch eine minder gute Orthographie, sofern nur ganz Deutschland darin übereinstimmt, ist einer voll kommeneren vorzuziehen, wenn letztere auf einen Theil Deutschlands beschränkt bleibt und dadurch eine keineswegs gleichgültige Spaltung hervorruft" In der darauf folgenden lebhaften Debatte wurde besonder» der Wunsch hervorgehoben, daß daS in Aussicht stehende orthographische Wörterverzeichniß für di« Schulen Sachsen» nicht von dem der anderen Staaten um der Einheit willen abweichen möchte. Nachtrag. *Leipzig, 13 Mai. In Betreff der D r e ch »l e r- und Bildschnitzer-Ausstellung. der heute, wie schon an anderer Stelle mitgetheilt, die Ehre der Besichtigung seiten» de» Herrn Staatsminister» v. Nostitz-Wallwitz zu Theil wurde, können wir mittheilen, daß der Besuch namentlich seiten- hiesiger Vereine und Schulanstalten in der letzten Zeit ein sehr starker gewesen ist; am heutigen Tage allein haben an die 800 Schüler die Ausstellung besucht. In Bezug auf da« Monstre-Musikfest, welche» nach Schluß der Ausstellung von dem Comitd in der dann völlig geräumten Halle ver anstaltet werden wird. vernehmen wir, da dasselbe am Sonntag, den 30. Mai, in den Stunden von 10>/,—1 Uhr Mittag» stattfinden soll. E» ist die Mitwirkung von zahlreichen GesangeSgrößen. einigen hundert Musikern und etwa 1000 Säugern m bestimmte Aussicht genom men; gegenwärtig sind Verhandlungen mit Frau 1 sauline Lucca in Berlin angeknüpfl, damit die- elbe sich an dem Concert betheiligt. Man will >000 Sitzplätze für daS Zuhörerpublicum aus- tellen. * Leipzig, 13. Moi. Heute Vormittag 10 Uhr 44 Mm. traf mit dem beschleunigten Personen- zuge der Dresdner Bahn in einem höchst eleganten Schlafwaqgon Se. kaiserliche Hoheit der Krön» Prinz Rudolf von Oesterreich in Begleitung mehrerer Cavaliere hier ein und setzte, ohne wei teren Aufenthalt zu nehmen, mit dem Schnellzuge der Magdeburger Bahn 11 Uhr seine Reise nach Brüste! fort. * Leipzig, 13. Mai. Am heutigen Nachmit tag fand unter dem Vorsitze de» Herrn Landgerichts« räsidenten De an er und unter Assistenz der erren LandgcrichtSräthe Bielitz und Metsch, sowie in Anwesenheit des Herrn Ober-Staats- anwalt Hosfmann in öffentlicher Sitzung die AuSloosung der Namen jener Herren statt, welche in der zweiten diesjährigen Ouartalssitzung des hiesigen Schwurgerichts als Geschworene fungiren werden. Es sind dies die Herren Kaufm. G. Robert Teuscher, Professor zur Straßen, Kaufm. E. Theodor Thorer. Buchhändler Alb. Henry Payne, Papierhänd ler Berthold SiegiSmund, Kramer H. Traugott Fritzsche, Brückenwaagenfabrikant Thomas Hauser, Kammgarnspinnerei-Director C. Wilhelm Walther, Kaufmann Aug. Hermann Schlicke. Privatmann C. Ferdinand Kob, Schriftsteller Constantin von Grimm, Kaufmann Frdr. Wilhelm Stütz, Kauf mann Max Meyer und Kramer Alfred Oscar Platzmann, sämmtlich in Leipzig, Maschinen fabrikant Fomm in Reudnitz, Rittmeister a. D. Gutsbesitzer v. Funck in Stahmeln, Kaufm. H. P Weiß in Dahlen, Rentier Ed. Jolige in Borna, Brauereibesitzer Wilh. Liebscher in Burgbausen, Rittergutsbesitzer Freiherr von Fritzsch in Seeyausen, Stadtrichter Friedr. Barmann iv Trebsen, Ritter gutsbesitzer Alex. Anger in Mausitz, Stadtguts besitzer E. Wolsf in Markranstädt, Ziegeleibesitzer Friedrich Oertel in Eutritzsch. Gutsbesitzer E. Clauß in Schwednitz, Kaufmann E. Ed. Huhn in Pegau, Rittergutsbesitzer Albin Bach m Breitenseld, Rentier Fr. Aua. Herrmann in Wurzen, Buch händler Heinrich Schumann in Borna und Ritter gutspachter Oskar Rüdiger in Obersteina. * Leipzig, 13. Mai. Dem hiesigen Stadt- verordneten-Collegium ist. wie wir vernehmen, eine Rathsvorlage zur Berathung und Genehmigung zugegangen, welche von der hiesigen Einwohner schaft, insbesondere derjenigen der Westvorstadt, mit großer Freude begrüßt werden wird. Es han delt sich um die Beseitigung der durch die der malige Beschaffenheit der Colonnadenstraße hcrvorgerufenen VerkehrScalamität. Der Rath hat nut den Grundstücksbesitzern in der Colonnaden straße Verhandlungen gepflogen und diese haben sich bis auf einen einzigen, der seinen Widerstand lin Interesse der Allgemeinheit wohl noch ausgeben wird, bereit erklärt, für den Fall des Neubaues ihrer jetzt niedrigen und daher wenig rentablen, aber fast durchgehende mit tiefen Hinterräumen versehenen Häuser mit der Front eine bestimmte Strecke zurückzurücken und das freiwerdende Areal unentgeltlich zur Straße abzutreten, wofür ihnen seitens deS RatheS die Genehmigung zur Höherführung der Häuser zuqesichert ist. Die Stadt übernimmt, vorbehältlich der Zustimmung der Stadtverordneten, die Straßenherstellungskosten. Auch die Verbreiterung der Dorotheenbrücke ist in Aussicht genommen. * Leipzig, 13. Mai. In der gestrigen öffent lichen Sitzung des akademisch-volkSwirthfchaftlichen Vereins erregte eine Mittheilung deS Vorsitzenden Prof. vr. Birnbaum großes Aussehen. Derselbe bemerkte bei Gelegenheit der an den Vortrag des Herrn vr. Gensel sich anschließenden Debatte über daS Markenschutzgesetz, daß eS ihn außer ordentlich seltsam berührt, als er bei einem in einer Strafanstalt unternommenen Besuche gesehen, daß die von den Sträflingen angefertigten Bürsten mit dem Fabrikzeichen en lischer Firmen versehen wurden. Auf seine Verwunderung darüber, daß so Etwas in einer vom Staate unterhaltenen Anstalt ge schehe und daß ja dadurch den Sträflingen ein übleS Beispiel gegeben werde, wurde ihm von dem betreffenden AnstaltSinspector erwidert: Ja, waS wollen Sie, wenn wir eS nicht so machten, wür den wir gar keine Bürsten mehr verkaufen." Wir können nicht anders annehmen, al« daß daS vor dem Erlaß de« MarkenschutzzesetzeS in Deutschland geschehen ist, denn jetzt ist ja eine derartige Hand lungsweise vom Gesetz unbedingt verpönt: ru billigen war sie übrigens auch vor dem Inkraft treten de« Gesetzes nicht. * Leipzig, 13. Mai. Vom 15. Mai d. I. ab werden von Magdeburg bis Eger und umge kehrt directe Personenwagen eingestellt, die mit dem 6 Uhr 8 Min. Abends abgehenden Eil- ruge bis Eger (Ankunft auf dem Magdeburger Bahnhof 5 Uhr 45 Min. Nachmittags) befördert bezw. mit dem Abendcourierzuge 8 Ubr 7 Min. in Leipzig aukommen und 8 Uhr 45 Min. Abend» aus der Magdeburger Bahn weiter lausen sollen. Diese Einrichtung dürfte besonders den Bade reisenden erwünscht sein. * Leipzig. l3. Mai. Der Reiseunlernehmer Schrockl in Wien arrangirt für da» bevorstehende Pfingstfest Vergnügungsfahrten via Bo nbach nach Wien StaatSbahnhof, zu welchen auch in Leipzig auf dem Dresdner Bahnhose Nillet» zu ermäßigten Preise« und mit 1 »tägiger G ül tigkeitSdauer verausgabt werden. Die H inreis erfolgt am 15. d. M, während die Rückreise von Wien spätestens am 27. d. M. erfolgen muß. Der Preis der BilletS stellt sich von Leipzig nach Wien für die U. Elaste aus5l.70Mk.. für die III. Elaste dagegen auf 34.60 Mark. Freigewicht wird nicht gewährt. — Au» Meißen wird unterm 11. Mai ge schrieben: Heute war für unsere Stadt ein froh bewegter Tag. — Ihre Majestäten der König und die Königin besuchten heute um 1 Uhr Mit tags unsere AlbrrchtSburg, um von den dort ver sammelten Deputirten der Stände der erbländi schen Kreise und der Provinzialstände der Ober lausitz die Ausstattung de« kleinen TaselsaaleS entgegen zu nehmen, welche von denselben auS Anlaß der silbernen Hochzeit de» KönigSpaareS diesem gewidmet und erst jetzt zur Vollendung gelangt ist. Der Kammerherr von Zehmen, als Vorsitzender Stand de» Meißner Kreise«, begrüßte die Majestäten im Namen der dort versammelten Stände im großen Tafelsaale der Burg und es wurden sodann unter Geleit der Stände die Aus stattungsgegenstände von den Allerhöchsten Herr schaften unter Ausdruck der Befriedigung in Augenschein genommen. Dieses ausgezeichnete Mobiliar steht auch im schönsten Einklänge mit den Wanddecorationen und giebt diesem Saale bei aller Vornehmheit doch etwas Trau liche». Sodann vereinigte Se. Majestät der König sämmlliche Deputirte von Ritterschaft und Städten nebst den Spitzen mehrerer Behörden, den Stadtverordnetenvorsteher zu Meißen und Vertreter deS Bezirksausschusses zu einem Mahle im großen Taselsaale, wobei Allerhöchstdcrselbe gleichsam zur Weihe der Burg einen Trinkspruch aus die Kreisstände de» Lande» in Ritterschaft und Städten, „in der Burg, wo diese so oft Seinen Vorfahren treu zur Seite gestanden", auSbrachte. Darauf wurde daS KönigSpaar durch Lebehochs in ungebundener Rede durch Herrn Kammerherrn v. Zehmen und in gebundener Rede durch PirnaS Bürgermeister gefeiert. Als Tischwein mundete ächter Meißner auS Oberspaar trefflich, aucb die berühmten Meißner Fummeln fehlten nicht, und eine heitere gemüthvolle Stimmung belebte das Mahl, wie eS wohl nach den eigenen Worten deS KönigS seit l50 Jahren hier nicht gehalten wor den war. Nach aufgehobener Tafel wohnten Ihre Majestäten einem ÄesangSconcert im Dome bei und verließen sodann nach 3 Uhr unter lebhaftem Zuruf die altehrwiirdige Burg. f- Dresden, 13. Mai. Der in vergangener Schwurgerichtöperiode wegen Raubmordes zum Tode verurtheilte Bautechniker Oskar Hel big von hier ist von Sr. Majestät dem König zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt und gestern in die Strafanstalt zu Waldheim einge liefert worden. Kunst, Wissenschaft und Literatur. Del Vecchio's Kunstausstellung. DaS kürzlich hier eingctrofsene Kolosialgemälde „DaS Fest des Silen" von A. Roll in Paris ist eineS jener Bilder, die mehr den Zweck haben, auf ihrer Tournöe möglichst viel von sich und natürlich auch von ihren Urhebern sprechen zu machen, als kunstsinnige Beschauer zu erfreuen. Es sind EriSäpfel. die in die Welt geworfen werden, um durch Streit Reclame zu machen. Solche Manöverchen sind besonders bei unseren Nachbarn jenseits der Vogesen beliebt und haben auch bei unS Nachahmung gesunden, wie sich durch Beispiele leicht Nachweisen läßt. Während diese Sensationsstücke nun die Runde machen und in allen Zeitungen be sprochen, resp. von der Kritik gegeißelt werden, lachen sich die wohlgedeckten Urheber inS Fäustchen und malen inzwischen Bilder ganz anderen Charak ters. die, wenn sie an die Oeffentlichkeit treten, mit Ausrufen der Verwunderung und von der Kritik mit Genugthuung über die angerathcne Um kehr und über die beherzigten Ermahnungen begrüßt werden. DaS sind so Künstlerstreiche, um sich in der Welt einen Namen zu machen. Manchem ist aus diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege geglückt, was viele gediegene im Stillen arbeitende Künstler ihr ganzes Leben hindurch vergeblich er strebt haben. DaS in Rede stehende Bild frappirt schon durch sein eigenthümlicheS Format: eS ist höher als breit, waS durch die Darstellung keineswegs be dingt ist; im Gegentheil, jedes andere Format würde sich für dieselbe bester eignen. DaS behan delte Motiv ist in der Bezeichnung angegeben. Ellen, in konventioneller Auffassung als burlesker, jovialer Alter, unter mittlerer Größe, glatzköpfig, mit kleinen Augen, fettem schwammigem Körper und behaarter Brust dargestellt, reitet als titubans »nnis meroguv auf einem Esel und hält in den emporgestreckten Händen eine dicke Weinrebe. Ihn umtanzen im wildsinnlichen Reigen Bacchantinnen mit Körpersormen, wie sie RubenS nicht üppiger gemalt. Eine dieser weiblichen Gestalten ist vor dem Esel zu Boden gestürzt, die anderen präsentiren sich in Bewegungen, gegen die ein Sancan graziös erscheinen dürfte. Den Hintergrund bildet eine Waldlandschaft. Da» G"nze^ wirkt entschieden unschön und zeigt das Gepräge einer häßlichen, abstoßenden Sinnlichkeit. Allerdings ist der Darstellung ein gewisser genialer Zug und eine scharfe Charakteristik de» Vorganges nicht abzusprechen; aber e» fragt sich doch, ob de», artige Motive sich für solche breite Schilderungen in Farben eignen, oder ob sie nicht vielmehr in
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