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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1880
- Erscheinungsdatum
- 1880-06-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188006132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18800613
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18800613
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1880
- Monat1880-06
- Tag1880-06-13
- Monat1880-06
- Jahr1880
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.06.1880
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3596 sei, welches jmnals die Seilt besessen. Er suchte z» erklüre», woher diese un- aünstrae Stimmung komme. Emen Theil der «chulv trage die Gründerzeit, in welcher manche Eisenbahnen nur zu Objecten der Spekulation gemacht worden seien; — ein weiterer Theil falle der Leistungsfähigkeit mancher Eisenbahnen wäh rend der Periode de- plötzlich stark entwickelten Verkchrs (1870 bis 1874) zu; — uud endlich trüge» nicht wenig die fast täglichen Reibereien zwischen Publicum und Bahnbeamlen zu dieser Stimmung bei. -» Es wurde daS Auftreten des Publikums bei der Ankunft au den Bahnhöfen, am villetschalter, in den Wartesälen und auf dem Perron besprochen. Eine- Theil- zeige sich allzu große Nachlässigkeit desselben in Bezug auf sein« eigene Orientirung über die Fahrplane, Abfabrt- zeiten, die Kosten der Personen« und Gepäck-Be förderung, sodann die dem Deutschen eigene Ab neigung gegen da- Queuo-Bilden vor den Schal tern, der Hang, sich mit Handgepäck zu überlasten u. s. w. Anderntheils könnten auch oie Bahnver Wallungen Erleichterungen verschaffen durch An gabe billiger, aber vollständiger Taschenfahrpläne, durch Anvringen von Fahrplänen und Preistabel len mit großem deutlichem Druck u. s. w. Jeder Reisende wolle womöglich ein eigenes Coups für sich haben, die Gewohnheit, beim Einsteigen vier bi- fünf Plätze zu belegen, sei eine sehr verbreitete, und doch sei eS nöthig, daß der Reisende zu der Einsicht komme, daß er nur einen Platz beanspru chen könne. Insbesondere sei Die- bei Schnellzügen geboten, da sich eine kurze Fahrzeit und eine große Achsenzahl nicht vereinigen ließe. — Nach weite rer Darlegung dieses Gegensätze-, zwischen den Ansprüchen deS Publicums und Demjenigen, waS die Eisenbahnverwaltungen in eigenem und öffent lichem Interesse leisten könnten, wurde am Schluß noch über die oft unrichtigen und übertriebenen Ansichten der Presse bezüanch der aus den Bahnen vorkommenden UnglückSfäue gesprochen und als einzige- Mittel hiergegen die sofortige Veröffent lichung aller sicher sestgestellten Tbatsachen seitens der betreffenden Eisenbahnverwaltung bezeichnet."*) Der Redner hat m dieser Darlegung nur eine Vertheidigung-rede für Eisenbahnen und ihre Ver waltung gehalten; — höchstens daß er den letzten Punct, die widerwärtige Geheimnißkrämerei be züglich der Unglücksfälle, hervorhebt. Diese ist aber auch so auffallend, daß z. B. Unglücksfälle, welche das Personal betreffen, von den Verwal tungen durch die bei ihnen angestellten Privat- Aerzte besorgt und wo möglich nicht einmal der Behörde angezeigt werden! Was aber an den Eisenbahnen wirklich auszusetzen ist, DaS hat der Redner, der vielleicht selber nicht viel und aus verschiedenen Bahnen gereist ist, nicht erwähnt. Die Eisenbahnen sind nach unserer Ueberzeu- gung zwar nicht die allerschlcchtesten, aber wohl die allerrücksicht-losesten und das Publicum am meisten vexatorisch behandelnden Einrichtungen im Staate. „Es ist kein Mönchelein so klem, es möchte gern ein Päpstlein sein", sagt Luther: und von den Herren Eisenbahnbeamten möchte man sagen: eS giebt keinen Portier und Zuginspector, der sich nicht dem Publicum gegenüber als Ober polizeipräsident fühlt und mit wahrem Vergnügen die unnützen und vexatorischen Maßnahmen der Verwaltung durchführt, sich in die Brust wirst und wie ein ausgedienter Unterofsieier die Reisen den anschreit. DaS findet man auf süddeutschen Bahnen am allcrschlimmsten, aus den sächsischen am wenigsten, während aus den meisten preußischen Bahnen die Unterbeamten ihre Grobheit als ein heiliges Vorrecht zu betrachten scheinen. Gehen wir einige Verkehrtheiten der Balmverwaltungen durch. Zunächst darf der Perron nicht eher betreten werden als eine bestimmte Zahl von Minuten vor Abgang deS ZugeS. Wehe Dem, der pünktlich ist und früher eintritt. Er muß entweder in einer zugigen Halle (in welcher eS stets nach Abort stinkt und wo im günstigsten Falle der Geruch nach Carbolsäure vorwiegt) stehend uud bei nur einigermaßen gut besetztem Zuge dicht gedrängt warten; die wenigen Sitzplätze sind in der Regel schon vor seiner Ankunft von Passagieren der vierten oder dritten C lasse besetzt. Will er einen ander« Raum aufsuchen, so bleibt ihm nur der niemals ventilirte Knerpensaal, in welchem eS nach Tabak und Bier, Menschen und, bei feuchtem Wet ter, nach deren Kleidern riecht, — oder besser stinkt. Die Warteräume, welche nicht zum Re staurant gehören, sind (falls dergleichen überhaupt vorhanden) gewöhnlich geschloffen, im Sommer kalt und modrig, im Winter ungeheizt, immer höchst ungemllthlrch. — We-balb soll es denn in Deutschland nicht möglich sein wie in England, wo die THUren zum Perron stet» offen sind, wo der Zug zeitig vorsährt oder, wen« mehrere Züge gleichzeitig ausgestellt wurden, vor jedem Zug am Kopsende und am letzten Ende eine große weiße Tafel steht, auf welcher in mäch tigen, deutlich lesbaren Lettern der Zielpunkt de» ZugeS angegeben ist? Jedermann vermag dort, sobald er sem Billet gelöst hat, auf den Perron zu gehen und entweder ans den zahlreichen daselbst befindlichen Bänken in guter Luft (!) zu warten, oder er kann sich selber sein Coups öffnen und einsteigen. Diejenigen englischen Bahnen, tvelcbe besondere Coups- für Rancher oder für Damen eingerichtet haben, zeigen Dies durch große reinliche Placate a», die in der Nähe des Thürgriffe- an gebracht sind — in Deutschland hängt em gedruck rer schmieriger Zettel hoch oben, zuweilen im In nern de- Wagen», vom Vorhänge überdeckt, so daß man selbst der sorgfältigem Suchen Mühe hat, idn zu entdecken. Ware die Einrichtung so getroffen wie in England, fo würde alle Hast wegsallen, die man zetzt künstlich dem Publicum auszwmgt. Die wre eine Hammelheerde zusammenaepreßten Reisenden müssen im Sommer in der heißen, d«n- *) Deutsch« Bauleitung, L7. März 1880. iigen, stinkenden Vorhalle stehen, während sie die Herren Eisenbahnbeamteu auf de« kühlen lustigen Perron hin und her spazieren sehen. — bi- end lich der Herr Portier die Thür öffnet und der ihm zunächst stehenden Dame in- Gesicht brüllt: „Einsteiaen!" Nun stürzt dann Alle- nach den Coups», und weil man weiß, daß eine sparsame (!) Bahnverwaltung so wenig Wagen wie möglich anhängt, so sucht Jeder, Namentlich bei Nachtzügen, sich ein möglichst freies Coups zu erobern, ahmt wohl auch au- Plaid, Reisepelz und Reisemütze sich gegenüber eine Puppe nach, um da- Coups besetzter erscheinen zu lassen. Da- muß jeder vernünftige Reisende thun, nach dem e» ihin wiederholt widerfahren ist, daß selbst — entgegen dem Regulativ — bei Nachtzügen alle acht Plätze besetzt werden, wodurch man natürlich dem Reisenden die Nachtruhe raubt! Aber die Ersparnis, daß weniger Achsen abgenutzt werden, ist für die Verwaltung die Hauptsache, nicht der Reisende. Wenn daS Publicum mißgestimmt ist gegen die Bediensteten der Bahn, so hat es dazu seinen guten Grund! Rücksichtslos für die Tageszeit oder den Nachtschlummer deS Reisenden werden die Thüren deS Coups aufgerissen und mit Donnergepolter zugeworfen. Rücksichtslos für die Winterkälte sollen die Coup^-THUren offen stehen bis nach dem zweiten oder gar zuweilen nach dem dritten Läuten deS Zuges. Rücksichtslos für die Wünsche deS Reisenden und seine etwaigen dringenden Bedürfnisse bleiben die Reisenden eingepfercht in den CoupeS während der Rangirung der Wagen. (UnS ist es in Heidelberg geschehen, daß wir nach drei Minuten angehalten wurden, das überfüllte Coupe in der schlimmsten Augusthitze wieder auf zusuchen, worauf die THÜren geschlossen wurden und nun das Rangiren der Wagen begann, welches 11 Minuten in Anspruch nahm. Während dieser Zeit blieb man in dem durchhitzten Wagen, auf dessen Deck die glühende Sonne brannte, zwischen Häusern eingeschlossen; — und außerhalb des Wagens war schöne, reine, kühle Luft, war gute Aussicht. (Der Reisende wird eben von der ver- ehrlichen „Bahnvcrwaltung" nur wie ein Koffer behandelt, aber nicht wie ein Mensch!) Mache man doch Einrichtungen, wie sie in Eng land sind, wo e» keine», Schaffner einfällt, nach dem Billete früher zu fragen, als da, wo man aussteigt, und wo der Reisende weder beim Ein steigen noch während deS Aufenthaltes gemaßregelt und gegängelt wird. Er hat eben für sich zu sorgen, und daS würden wohl unsere deutschen Landsleute ebenso gut lernen wie die Engländer. Freilich ist aber auch dort jede Station wieder durch mehrere große Schilder in der Fensterhöhe der Wagen gekennzeichnet, während in Deutschland der Name der Station am Stationsgebäude im zweiten Stockwerke angeschrieben ist und vom Wagen aus sich gar nicht sehen läßt, wenn man nicht das Fenster öffnet und sich weit aus dem selben herauSbiegt! Wir wollen nicht davon sprechen, baß an den Zwischenstationen der Fahrplan mit „zwei Mi nuten Auseuthalt" streng festgehalten wird; aber selbst wenn aus irgend einem anderen Grunde der Aufenthalt sich auf zehn oder zwanzig Minuten verlängert, während doch der Zugführer (dem die Ursachen der Zögerung nicht unbekannt bleiben können) sehr wohl den oft dringenden Bitten der Reisenden nachgeben könnte, um ihnen daS Ver lassen deS Coupe zu erlauben. Allein weder Hunger noch Durst, weder die Befriedigung der nolhwen- digsten Naturbedürsnisse, noch da- Schreien und Weinen der Kinder kann ihn bewegen, die er betene Erlaubniß zu ertheilen. Vermuthlich hin dert ihn daran eine strenge Instruction Daß diese aber in solcher Weise gefaßt ist, daß der Eisenbahnbehörde Behaglichkeit, Wohlsein und Ge sundheit der Reisenden gleichgültig zu sein scheint, DaS eben ist eS, was wir der Eisenbahnbehörde zum Vorwurfe machen. Die erwähnten Vorgänge wiederholen sich beinahe bei jeder längeren Fahrt. Noch ein Anderes machen wir der Ver waltungsbehörde und den Instructionen, die sie den Bediensteten geben, noch viel mehr zum Vor würfe. — Man sollte consequent sein, und wenn man den Reisenden an den Orten, wo nur zwei Minuten Aufentbalt ist, nicht während längerer Zeit gestattet, das Coups zu verlassen, so sollte man sie an den wenigen Stationen auch nicht früher in da- Coupspferch zurücktreiben, in denen die Fahrpläne einen längeren Aufenthalt ver sprechen, in denen also Gelegenheit gegeben ist, sich zu waschen, sich zu stärken durch Speise und Trank, die müdegesessenen Glieder durch einen Spaziergang auf dem Perron oder in dessen Um gebung wieder zu erholen, und wo Kranke Ge legenheit finden, die durch andauernde- Sitzen de wrrkten Beschwerden mittelst einer Anregung de- Blutumlause» wieder zu beseitigen. Ist aber vor- her durch planwidrig langen Aufenthalt in den Stationen Zeit verloren gegangen, hat der Loco- motivführer durch übermäßig schnelle- Fahren diese verlorene Zeit nicht wieder einzubrinaen ver mocht, dann wcrd die Verspätung dem Reisenden durch Entziehung der wenigen ErholunaSminuten, die ihm vergönnt sind, wiederum abgebrochen. Man sollte doch mernen, e» verstünde sich von selbst, daß, wenn auf der einen Seite der Fahr plan streng gehalten werden soll, die gleiche Pflicht auch aus der anderen Seite besteht, und daß zehn Minuten Aufenthalt eben so viel Recht zur Er süllung haben wie zwei Minuten Aufenthalt Allein Dem ist nicht so, weil eben die Eisenbahnen und ihre Bediensteten rücksichtslos gegen da- Publi cum sind und den Reisenden behandeln wie ei« Gepäckstück! — Ja, wenn sie DaS wenigsten» thäten. Bei der Ankunft aus der Hauptstation wird mit Sorgsamkeit und Geschick regelmäßig so ein- gesahren, daß der Gepäckraum an einer bestimm ten Stelle ist und der Gepäckwagen mit voller Be quemlichkeit her Herren Packer, öder wie sie onst heißen, entleert werden kann. Wo die Per- onenwagen anhalten, — Da- ist vollkommen Nebensache; denn aus die „Reisenden" nimmt die Effenbabn keine Rücksicht. Wenn ich mit einem Wagen oder auch mit einem Omnidu- fahre, so wird der Kutscher immer da anhalten, wo der oder die Reisenden den kür- esten Weg bi- zu der Pforte haben, durch welche ie den Eintritt oder AuSgang erlangen sollen, stuf der Eisenbahn ist es natürlich umgekehrt. Die Koffer werden berücksichtigt, — aber die Passagiere müssen einen möglichst langen Weg machen und im Gedränge zurücklegen. Da ist eine alte Dame, die vielleicht in» Bad reisen will und der da- Gehen schwer fällt, — da ist ein Herr, der im Kriege verwundet wurde, oder der au einer Kniegelenkentzündung leidet, und dem eder Schritt Schmerzen bereitet, — da ist eine unge Dame mit ihrem Köfferchen, zu dessen Tragen »c inmitten der sie drängenden und stoßenden Menschenmenge kaum die Kräfte bat, — da kommt eine Familie mit Kindern, die gleichzeitig die Kleinen zu behüten, für da» gerade bei Kindern unum- zänglich nothwendige reichliche Handgepäck zu sorgen, eine Droschke zu gewinnen und den Kofferträaer u suchen hat, — — ihnen Allen bereitet dieser Weg vom Eisenbahn-Coups bis an den AuSgang mehr Schmerzen und mehr Unbehagen als vorher eine vielleicht zehnstündige Fahrt. Aber darauf nimmt keine Eisenbahnverwaltung Rllcksicbt! Die rüstigen Packer erfreuen sich einer solchen; die Reisenden, die ihr gutes Geld bezahlt haben, nicht. Wenn noch wenigstens Kofferträger am Zuge sich befänden! Es sind aber gerave zwei Bahnhöfe, auf denen man nach meiner Erfahrung bei der Ankunft regelmäßig vergebens den Ruf nach einem solchen erschallen läßt, nämlich in Berlin und in Frankfurt am Main. Da« sind Bahnhöfe, aus denen man die alte Zeit der Lohn- uhrwerke und Extraposten sich wieder herbei- wlluscht. Wenn freilich einer von den Herren Verwal- tungSräthen einer Eisenbahn mitfährt, dann kann man sicher sein, daß Schaffner, Zugführer und BahnhosSinspector nach einem Gepäckträger rufen und nötigenfalls sich selbst belasten. So kommt es Venn, daß die „regierenden Herren" der Eisen bahnverwaltung die Unannehmlichkeit deS Reifens, wie sie der gewöhnliche Reisende durchzumachen hat, gar nicht empfinden und auS eigener Erfah rung kennen lernen. Und nun die Eisenbahnwagen! Vor zwei Jahren ging die frobe Kunde durch die Zeitungen, man habe daS Modell eines neuen Eisenbahnwagen» fertig gestellt, geprüft und vortrefflich befunden, auf welchem man nur von einer Seite einsteige, so daß an der Einsteigeseite eine fortlaufende Ga lerie auswendig am Wagen sich befinde, und man auS einem Coups bequem zu dem andern gelangen könne. Die Annehmlichkeit für den Reisenden, die weckmäßigkeit in der Herstellung und die größere altbarkeit der Wagen, die verhältnißmäßig ge ringen Kosten wurden ausführlich dargelegt, und jeder Reisende freute sich im Voraus auf künftige angenehme Fahrten. Jetzt ist es von diesem schönen Projekte wieder ganz still geworden; man weiß nicht warum? Es werden neue Wagen gebaut; aber immer noch nach dem alten und veralteten Muster. Dem Vernehmen nach soll wenigstens eine einzelne süddeutsche Bahn, die Hessische Lud- wigSbahn, dieses bessere Modell angenommen haben. Aus den andere» Bahnen findet man nach wie vor die engen geschlossenen Kasten, welche im Sommer durch Luftmangel und Hitze geradezu unerträglich sind. lieber die zweckmäßige Ventilation der EoupsS wurde ebenfalls vor zwei oder drei Jahren viel in den Zeitschriften verhandelt. Mau stellte Ver suche mit der Wolpcrt'schen angeblichen Saugesse an, und fand, daß sie eben nicht saugte, sondern nur ein Rohr war, welche« dem Regen und Schnee Eingang in das Coups verschaffte, daS aber immer hin für Lüftung desselben sich ebenso zweckmäßig erwie- wie ein anderes Rohr. Leider ist eS auch hierin für die meisten Bahnverwaltungen bei der theoretischen Erörterung geblieben; eine wirksame und zugfreie Ventilation der Coupss besteht nicht. — Hätte man sie für die Packwagen, tm In teresse der Koffer vorgeschlagen, so würde sie wohl angenommen worden sein, aber für die Reisenden nehmen Eisenbahnverwaltungen keine Rücksicht! Besonders unangenehm sind die Verhältnisse der Heizung^ Man sieht sich im Winter mit Pelz. Fußsack und warmen Unterkleidern vor, ge langt aber z. B. auf der Fahrt von Leipzig nach Berlin in einen Wagen, in welchem unter dem Sitze die Briquettes aus Torfkohle glühen, so daß der Wagen nicht nur geheizt, sondern überheizt ist, und daß man sich der wärmenden Kleider und deS FußsackeS entledigen muß. Da da- Coups voll besetzt ist, so kostet eS Mühe, die überflüssigen Gegenstände unterzubringen. Natürlich läßt man sie für die Rückreise in »em Koffer, der rm Ge päckwagen untergebracht ist. Aber auf der Rück fahrt von Berlin nach Leipzig findet man Wagen, die nicht so geheizt sind, sondern in denen nur laue Sandkästen stehen. Der Rei sende erkältet sich, wird krank, weil nun, weil die Eisenbahnverwaltung aus die Reisenden keine Rücksicht nimmt, die Wagen nicht gleichmäßig heizt und e» auch nicht der Mühe Werth hält, die Art der Heizung anzugeben, so daß man vor der Abreise noch im Stande wäre, die schützenden Kl^der au- dem Koffer zu nehmen. Noch schlim mer erging e» mir bei einer anderen Fahrt, wo in, Anfänge der Wagen gut geheizt war, aber in einer Station (irre ich nicht, in Köchen) die wär menden Sandkästen herau-genommen und nicht mb neuen vertauscht wurde«. Die Frage der Reisen den. was Die- bedeute, wurde mit einem lakoni schen „hier wird nicht jcheizt" beantwortet. Da ist die zarte Rücksichtnahme der Eisenbahnvcrwal- tungen gegen die Reffenden. — Die Beleuchtung! — Aus manche« Bahne« brennt während de« Tages Licht, damit bei der ^abrt durch einen Tunnel der Wage« erhellt sei. luf anderen wird gegen Abend angebrannt; dann aber hält man eS nicht für nothwenoig, nach dem Stande der Beleuchtung sich umzuseheu, und der Reisende fährt gelegentlich deS Nachts drei, vier und fünf Stunden lang ohne irgend welch« Be leuchtung. Da» geschieht natüruch auch nur in Folge der zarten Rücksicht und freundlichen Be handlung von Seiten der Eisenbahnverwaltungen Endlich ist e- eine vollberechtigte Forderung, daß auf jedem Zuge, nicht nur aus durchgehende» Courierzllgen, sich Reinlichkeitsanstalten befinden, die allen Wagenclassen zugänglich sind — «nd daß (nach dem Beispiele Oesterreichs) bei län- eren Fahrten die MittagSmahlzcit auf einer Station bestellt werden kann, m der nächsten Station in den Wagen geliefert wird, während man auf der dritten Station daS Eß- und Trink- Geschirr wiederum abholt. Jedes Restaurant wird sehr gern Dies einführen, sobald ihm von Seiten der Verwaltung die Anregung und die nöthige Er leichterung geboten wird, denn es erhöht sich da durch sein Umsatz, während dem Reisenden hieraus eine große Bequemlichkeit entspringt. Die Mißstände und groben Rücksichtslosigkeiten, welche sich die Eisenbahnverwaltungen zu Schul den kommen lassen, haben wir durch da- vor stehende Sündenregister keineswegs erschöpft, wir haben auch nur solche aufgerählt, die wir im Laufe der letzten Jahre wiederholt selber erlebt haben ES hat uns fern gelegen, in den vorliegenden eilen gegen irgend eine der deutschen Eisenbahn erwaltungen in unfreundlicher Weise vorzugehen Wir haben nur an grellen Beispielen zeigen wollen, wie wenig Schutz und Rücksicht der Reisende in Bezug auf seine Gesundheit und sein behagliches Wohlergehen bei dem jetzigen Svstem genießt. Jeder Arzt läßt seine Kranken mit Sorge auf der Eisenbahn reisen, denn er weiß aus Erfahrung, wie häufig diese Fahrt zur Quelle neuer Erkran kung wird, namentlich durch Erkältung. Die» wird sich niemals ganz beseitigen lassen. Aber eS läßt sich beschränken. Und daraus hinzuwirken, ist der Zweck dieser Darlegung. vermischtes. k. Schkeuditz, 10. Juni. Heute wurde vom hiesigen Schöffengericht wieder'.ein Kaufmann wegen unerlaubten Kleinhandels mit Branntwein in eine hohe Geldstrafe verurtheilt. Nach dem „Rechtsschutz" sind nun kürzlich in einer Stadt am Rhein eine größere Anzahl Kaufleute, obschon im Besitz der Concession zum Kleinhandel mit Branntwein, ebenfalls in recht empfindliche Geldstrafen genommen worden, weil sie eS gedul det oder auch nur nicht verhindert hatten, daß Personen im Laden von dem gekauften Schnapse auS der mitgebrachten Flasche tranken. In hiesiger Gegend sind die Händler allgemein der Ansicht, daß eS ihnen auf Grund der Concession gestattet ist, auch Branntwein zum sofortigen Ge nuß im Verkaufsladen und nicht allein „Uber die Straße" zu verkaufen. — Am 20., 21. und 22 d. M hält die hiesige „Schützengesellschaft" ihr diesjähriges „König-schießen" ab — ein Fest, welches namentlich auch von Leipzigern sehr lebhaft besucht wird. — Seit Eintritt der schönen Jahreszeit vergeht selten ein Tag, an dem nicht größere oder kleinere Gesellschaften, insbesondere Vereine, von Leipzig zu Fuß und Wagen, oft genug auch hoch zu Roß hieher kommen, um Partien in den herrlichen Eichenwald :c. zu machen. So war am vorigen Sonntag u. A. der Gesangverein „Immergrün" aus Leipzig theils beritten, theilS zu Wagen hier, um in dem den Leipzigern wohl- bekannten VergnügungS-Etablissement „Wald kater" sein zweites Stiftungsfest zu begehen. Leider that da» regnerische Weiter der Ferer, welche in launigster Weise gehalten wurde, einigen Abdruck. Nächsten Sonntag macht der Verein Leipziger Kohlenhändler in einer Stärke von etwa 100 Mann einen Ausflug hieher. Derselbe läßt sich vom Neuen Schützenhause bei Leipzig durch die hiesige Stadtcapelle abholen. — Gestern fand ich aus einem Felde in hiesiger Flur eine Kornähre von der in diesem Jahre gewiß selten anzutreffen den Größe von 2 40 Metern. — Der berühmte Münchner Portraitmaler Franz Lenbach, welcher seit längerer Zeit in Berlin thätia ist, hat ein kürzlich vollendete- Portrait deS Fürsten Bi-marck a« den Geheimen Com- merzienrath von Bleichröder in Berlin für 30,000 Mark verkauft. Der Maler beabsichtigt, die Skizze diese« Gemäldes der Fürstin von BlSmarck zum Geschenk zu machen. — In den Forsten bei Suhl und Schleu singen hat da» Wildererwesen sehr über hand genommen. Zur Verstärkung deS Forstschmhes sind daher vom Naumburger Jäger-Bataillon eimge Mannschaften dorthin avcommandirt worden und bereit- nach jenen Forstbezirken abgegangen. — Eine neue Gesellschaft in Pari» macht e» ihren Mitgliedern zur Pflicht, ihren Körper nach erfolgtem Ableben dem Dienst der Wissenschaft zu überlasse«, oder mit anderen Worten, sich seciren zu lassen. Die- Seciren soll gegenseitig geschehen, da der Gesellschaft fast ausschließlich Vertreter der mrdicinischen Wissenschafte« in allen Zweigen an- gehöre«. Der Prospekt der Gesellschaft sagt: Di« medicinische Wissenschaft schöpft ihre wichtigsten Entdeckungen auS der Anatomie, diese aber wird in den Spitälern fast ausschließlich an Individuen vorgenommen, die Niemand kannte, von deren Lebensweise, Eigenthümlichkeiten und Gewohnheiten man Nicht» wußte. Der Gewinn für die Wissen schaft würde ein größerer sein, wenn dieselbe über Leichname von Personen verfügen könnte, die all gemein gekannt waren oder über deren Lebensweise sich leicht Aufschluß erlangen läßt
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