Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-02-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187002108
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18700210
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18700210
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1870
- Monat1870-02
- Tag1870-02-10
- Monat1870-02
- Jahr1870
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.02.1870
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
-<—— 1299 Nicht selten den Reiz der Orchestersarben. DaS Scherzo ist jeden falls der originellste Satz und zeichnet sich durch eigenthümliche Behandlung de- Streichorchester- (bis auf einige weniger gelun gene Klangwirkungen) sehr vorteilhaft au-, während das Finale m schwächerer ProductiouSpotenz austritt, und wiederum Unfer- tiÄeittn im polyphonen Satze wahrnehmen läßt. Jedenfalls haben wir eS hier mit einem ganz bedeutenden Talente zu thun, welche- auf geordneter Bahn vorwärtSschreiteu und durch unaus gesetzte- Arbeiten in den contrapunktischen Formen zur Meister schaft gelangen möge! Wir halten den Autor der erwähnten Symphonie für geistig zu kräftig, alS daß er sich durch unlogische, trotz einzelner Gedankenblitze doch immer unkünstlerisch durchge- führte Programmmusik, wie sie in der Jetztzeit hin und wieder vorkommt, verblenden lasten könnte. Freilich erfordert ein Schaffen in letzterem Sinne weniger Mühe und Denkkraft ; solche Musik spricht deshalb auch besonder- krankhafte und überreizte Naturen au, weil sie selbst als eine Krankheit und zwar als eine ansteckende zu betrachten ist. Gesundheit steckt allerdings niemals an; wäre die- der Fall, dann hätten wir sicherlich m kürzester Zeit nur Beethoven-Individualitäten zu würdigen. Da- Solospiel war durch Fräulein Alma Holländer auS Berlin vertreten, welche das Däur-Concert für Pianoforte von L. van Beethoven bis auf einige- Unglück im Technischen recht geschmackvoll durchführte und sich der schwierigen Aufgabe künst lerisch fast durchgängig gewachsen zeigte. Jedenfalls ist die Pia nistin eine sehr oeachtenswerthe Erscheinung, deren Auftreten alS durchaus berechtigt anerkannt werden muß ; denn die Künstlerin bekundete Geist und Verständniß, eine bi- auf die angedeuteten Kleinigkeiten sorgsam gebildete Technik, welche mit der Zeit noch wachsen wird, und vor allen Dingen Pietät gegen den Tonmeister. Ob letzterer nicht hin und wieder mehr Wärme verlang! und die moderne Cadenz von Rubinstein gebilligt hätte, möge dahin- hingestellt bleiben. Die Polonaise von Chopin wurde im Tempo gar zu frei wiedergegeben. Bei Reproduktion Cho- pin'scher Werke kann man allerdings der Subjektivität mehr reien Spielraum verstauen, als bei Wiedergabe Beethoven'scher Schöpfungen; aber die Haltung im Ganzen muß gewahrt bleiben und eS darf z. B. nicht an der Stelle, wo das fest mar- kirte Octavensolo erscheint, ein in der Schnelligkeit beinahe um die Hälfte verringerte- Zeitmaß eintreten, als es im Vortrage deS Hauptmotivs angewandt wurde. Bezüglich der Nüancirung erschien Manches auf die Spitze getrieben, wenn man auch sonst der künstlerischen Leistung gern alle Anerkennung zollte. Die Pianistin, welche ebenfalls das der Polonaise vorgedruckte ^näavts 8pian. reproducirte, erntete reichen Beifall und Hervorruf, gleichwie auch Herr Baritonist Theodor Schmidt vom Leipziger Stadt theater besonders nach der Wiedergabe der Jeffonda-Arie „Der Krieges- lust ergeben" mit Recht durch Akklamationen und Hervorrufe ausgezeichnet wurde, da der vorwärtsstrebende Künstler seine Mittel edel verwendete und allen materialistischen Effect vermied. Desgleichen entsprach der Vortrag der Heiling-Arie „An jenem Tag, wo du mir Treu' versprochen" im Ganzen strengeren An forderungen ; nur machte sich zuweilen eine gewisse Hast geltend, welche der leicht erklärlichen Unruhe, wie sie jeden Künstler be fallen kann, zuzuschreiben ist. — Alles war sorgsam vorbereitet, und daher verdiente sowohl der thätige, gewissenhafte Dirigent, Herr Alfred Volkland, als auch das Orchester für das meist erfolgreiche Streben nach Vollkommenheit den warmen Dank des Publicums. vr. Oscar Paul. Neues Theater. Leimig § 10. Februar. Nach dem „armen Marquis" folgte gestern Abend neu einstudirt „Der verwunschene Prinz", der bekannte dreiactige Schwank von I. von Plötz. Der Stoff ist derselbe, den Shakespeare in seinem Vorspiel zur „Zähmung der Widerspänstigen" behandelt hat ; er wurde in altenglischen Dich tungen öfter benutzt, stammt aber im Grunde auS dem Orient, wohin auch unseres Schusters tiefsinnig renommirende Betrach tungen über die Einheit oder Verdoppelung seiner Seele weisen. Wenn man früher die arabischen Märchen als letzte Quelle der artiger Stoffe betrachtete, so befähigt unS jetzt eine umfassendere Literaturkenntniß, weiter im Osten in den chinesischen Dramen, namentlich in der Zauberpoffe der Tao-ffe, die Spuren derselben nachzuweisen. Dort wird freilich das Ganze nicht als ein arran- girter Schwank betrachtet, sondern im Zusammenhang mit dem Glauben an die Seelenwanderung, welcher den Buddhisten und den Tao-ffe gemeinsam ist, als eine wirkliche Thatsache, welche freilich nur von den ungläubigen Zauberpoffendichtern de- Reiches der Mitte benutzt wird, um sich Über jenen Glimben lustig zu machen. Und wenn der Philosoph Lao-tseu lehrte, daß die mensch liche Seele eigentlich eine Mischung auS zwei Seelen, einer höhe ren, „Hoeu" und einer niedrigen, mehr körperlichen „Phe" sei, so benutzte ein chinesischer Dramatiker von Grazie und Witz, Tsching- te-hoei, diese Lehre alsbald. um eine sehr ergötzliche Poffendichtung daran zu knüpfen, deren Berwickelungen daraus entstehn, daß auS einem Mädchen, welche- sich von seinem Bräutigam trennen muß, die höhere Seele, Hoeu, herau-fährt, sich mit einem reizenden, dem früheren ähnlichen Leib bekleidet und so dem Geliebten nachfolgt. Mehr an die Abenteuer unsere-Schusters erinnert die Zauberposse: „Die Wanderung Uo-schou'S," in welchen die Seele eines verstorbenen GerichtSassefforS auS der Hölle, wo sie schon verurtheilt ist, auS einem Kessel mit siedendem O^l kleine Geldmünzen hervozusuchen, auf die Fürbitte eines Zauberers, der sie zum frommen Glauben bekehrt hat, wieder zurErde zurückkehrt. Leider hat aber die lie bende Wittwe inzwischen den Leichnam verbrannt, und es bleibt der Seele nichts übrig, als in die Leiche eines eben verstorbenen Fleischermeisters zu fahren, die noch nicht in Asche verwandelt worden ist. Der zum Fleischermeister gewordene Assessor geberdet sich nun ähnlich wie der m den Prinzen verwandelte Schuster und kann sich über die Einheit seiner Seele gar nicht orientiren. Diese tiefsinnigen Zweifel wußte uns Herr Engelhardt gestern als Schuster m dem harmlosen aber ergötzlichen Schwank von Ploetz urphilosophisch darzulegen, und da er auch die fürstliche Repräsentation in sehr burlesker Weise zur Anschauung brachte, so blieb daS Publicum, trotz des etwas matten dritten Actes in heiterer Stimmung. Frau Mitterwurzer war ganz niedlich als Evchen, konnte aber die Scenen, wie sie die Prinzessin spielt, etwas komischer chargiren. Die übrigen Mitwirkenden sind, mit Aus nahme deS Prinzen Wolfgang, der den Schwank veranlaßt, eines der vielen Prinzen, die Herr Herzfeld auf seinem Repertoire hat und mit Anstand durchzuführen weiß, mehr Staffage.; Rudolf Gottschall. Tagesgeschichtltche Ueberficht. DaS preußische Herrenhaus hat ssch also doch zu einer Opposition gegen die Regierung ermannt und mit allen gegen elf Stimmen die Vertagungsvorlag» der Regierung abgelehnt, trotz der Anstrengungen des Ministeriums und des Grafen BiSmarck zu Gunsten des Antrages. Nach Artikel 77 der Verfassung werden beide Häuser gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. Mit dem Votum des Herrenhauses ist also die Vertagung gefallen. Jetzt wird sich das Ministerium vielleicht zu der Berufung einer außerordentlichen Session nach Ostern entschließen, und Graf Bismarck hat eine derartige Absicht auch schon heute angedeutet. Eine Adresse gegen die Unfehlbarkeit, von 130 Bischöfen an den Papst gerichtet, ist von diesem einfach zurückgewiesen worden, lieber den tiefen Eindruck, welchen die Zurückweisung dieses Akten stücks durch den heiligen Vater in Rom hervorgerufen hat, be merkt der Berichterstatter der „Pall mall Gazette": „Dieser Schritt ist entscheidend. Der Papst hätte eine ärgerliche Antwort geben können; aber den ehrerbietigen Meinungsausdruck so vieler Bischöfe Uber eine wichtige Glaubenssache in emer so unreinlichen Weise zurückzustoßen, als ob es eine anmaßende Einmischung wäre, übersteigt das bisher Dagewefene. Die Adresse wurde ohne Be merkung oder Anzeige zurückgeschickt, wie man einen unverschämten Bettelbrief zum Fenster hinauswirft. Man wird jetzt wohl dem schönen Glauben entsagen müssen, als habe eine mildere Richtung die Ueberhand gewonnen. Diese verächtliche Zurückweisung von Prälaten so hohen Ranges ist um so bemerkenswerther, weil sie nicht auS einem augenblicklichen Antriebe erfolgte; sie erfolgte erst nach mehrtägiger Ueberlegung. Der Kampf wird aber bis ,um bitteren Ende durchgefochten werden müssen, und es ist Zeit ür die Bischöfe, ihre Lenden zu gürten, denn die Jesuiten — und diese sind jetzt der Papst — werden ihnen nichts sparen." Mehrere Blätter sprechen die Vermuthung aus, daß der Papst der drohenden Spaltung des ConcilS durch -eine Vertagung des ConcilS auf unbestimmte Zeit zuvorkommen werde. Die Verhaftung RochefortS ist am 7. Februar Abends in Paris erfolgt, ohne daß die vcn ängstlichen Börsenmännern und Journalisten prophezeiten Folgen eingetreten wären. Die Theil- nahme der Anhänger RochefortS beschränkte sich auf ein Paar im Laufe der Abendstunden stattgehabte Aufläufe mit obligatem Geschrei, welche von der Polizei ohne Mühe beseitigt wurden. Die Aufforderung deS Herrn Gustav Flourens, des bekannten Heiß sporns der Radikalen, Rochefort den Armen der Polizei wieder zu entreißen, fand bei der Menge keinen Anklang. Mit Recht bemerkte der Iustizminister Ollivier am 8. in der Sitzung deS Gesetzgebenden Körpers, gegenüber dem Anträge Gambetta'S, die Vollstreckung deS Urtheils bis nach dem Schluffe der Session zu verschieben, daß man die Forderungen der Gerechtigkeit über die einer unbegründeten Doctrin setzen müsse, indem er gleichzeitig daS Verlangen deS Herrn Cremieux, die Genehmigung der Kammern zur Verhaftung deS Agitators nachzusuchen, alS eine unberech tigte Einmischung der gesetzgebenden in die ausübende Gewalt zurückwreS. DaS Parlament von Großbritannien ist am 8. Februar durch eine königliche Commission eröffnet worden. In Bezug auf die allgemeine Lage sagt die Eröffnungsrede: „Die freundschaft lichen Gesinnungen, welche von allen Seiten unserem Lande kund- gegeben und von Ihrer Majestät erwidert werden, die wachsende Neigung, in Fällen internationaler Streitigkeiten sich an die guten Dienste befreundeter Mächte zu wenden, und der versöhn-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder