ERSTES KAPITEL. EINLEITUNG. DIE BUCHKUNST UM DAS JAHR 1880. D ie grossen Erwartungen, die sich an den siegreichen Krieg von 1870/71 für die Entwickelung der deutschen Litteratur und Kunst knüpften, erfüllten sich in keiner Weise. Man hoffte allgemein, dass in dem politisch geeinigten Reiche das Geistesleben sich zu machtvoller, wunderherrlicher Blüte entfalten würde; man glaubte zuversichtlich, die Kunst würde in dem neuen Kaiserreich einen nie vorher geahnten, gewaltigen Aufschwung nehmen, doch alle diese Hoffnungen schlugen fehl. Zu sehr war das deutsche Volk durch die vielen Kriege und die grossen politischen Katastrophen der Kunst entfremdet, zu sehr war sein Interesse auf andere Dinge konzentriert, als dass es jetzt fähig gewesen wäre, eine künstlerische Kultur in sich hervorzubringen, die ja auch nicht über Nacht plötzlich dem Boden entspriessen kann, sondern das glanzvolle Ende einer langen Entwickelung und sorgsamster Kunstpflege bedeutet, die die ästheti schen Bedürfnisse und Anforderungen eines Volkes erst in Ruhe heranreifen müssen bis zu jener vornehmen Lebenssehnsucht, die alle Dinge durch die Schönheit verklärt sehen will. In jener Zeit aber war man bestrebt, der Kunst einen bestimmten Zweck unterzulegen; man verlangte mehr und anderes von ihr, als sie zu geben vermag. Eine nationale Verherrlichung, eine Gloriole der politischen Er rungenschaften und Grösse; das waren die Forderungen, die man in allzu überschwänglichem Nationalgefühl an die Kunst stellte. In eine Zwangsjacke presste man dadurch die Kunst, der so jede freie Entfaltung unmöglich ge macht wurde. Es liegt ein gewisser Zug ungebildeter Barbarei in diesem Gebahren. Aber dem robusten Geschlecht jener Tage, das sich in seiner physischen Ueberlegenheit sonnte, waren alle zarten und sensitiven Empfindungen, alle feineren ästhetischen Bedürfnisse fremd; die waren den Besiegten geblieben, die bald nach dem Kriege jene herrliche Kunstblüte erlebten, die allerdings