VIERTES KAPITEL. THOMAS THEODOR HEINE. I m Jahre 1894 schon hatte Albert Langen eine Verlagsbuchhandlung in Köln und Paris gegründet, mit der er zwei Jahre später, als er den Plan des Simplicissimus zu verwirklichen trachtete, nach München übersiedelte. Während er den Simplicissimus als ein Abbild des Pariser Gil Blas schuf, wollte er durch seinen Buchverlag die Deutschen mit den hervorragendsten Schöpfungen der neueren, ausländischen Litteratur bekannt machen. Seine erste Publikation im Jahre 1895 war die Herausgabe von Marcel Prevosts Roman „Demi-Yierge“, dem er einen künstlerisch illustrierten Umschlag von Thomas Theodor Heine gab, des Künstlers erste Arbeit auf diesem Gebiet, die heute noch zu dem Schönsten gehört, was hierin bisher in Deutschland geleistet wurde. Die Zeichnung ist über beide Seiten des Umschlags fortgeführt; aber in einer Weise, dass jede Seite allein für sich betrachtet werden kann und eine Einheitlichkeit bewahrt, die nicht durch den Rücken des Buches zerrissen wird. In einem Lilienparadies sitzt ein Paar in der Biedermeiertracht von 1830 züchtig und ehrbar; die Dame mit Zügen raffiniertester Kinderunschuld neben dem Jüngling', der eine der Unschuldsblumen zu sich herabbeugt, um ihren lieblichen Duft zu gemessen; auf der Rückseite züngeln grässliche Drachengestalten an den kerzengrade aufschiessenden Lilien hinauf und be lecken mit ihren roten Zungen die dünnen Stengel. Diese geistreiche Satire stimmt trefflich zu dem gefühlsironischen Inhalt des Romans; sie ist gewisser- massen das Surrogat der mondänen Geschichte Prevosts. Ursprünglich war Heine Maler. Ich entsinne mich noch aus früheren Jahren, im Salon Gurlitt in Berlin fein gestimmte, farbenreiche Land schaften in impressionistischer Naturauffassung von ihm gesehen zu haben, die seine zukünftige Entwickelung als ausgesproche nen Künstler der Linie und als geistreichen Satiriker kaum ahnen Hessen. Seine ersten, dekora tiven Arbeiten lassen auch seine Herkunft von der Farbe unver kennbar erscheinen; aber immer schärfer, immer bestimmter tritt die Modellierung der Formen, die Medaillon von Thomas Theodor Heine zu Prevost ,,Cousine Laura“. // II // II (Verlag von Albert Langen, München.'